Читать книгу Liebe findet immer einen Weg - Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski - Страница 8
Wir kramen in der Erinnerungstruhe
ОглавлениеZuerst singen wir das Lied von der Vogelhochzeit, und ich staune, wie viele der anwesenden alten Damen und Herren noch fast alle Strophen auswendig können. Ich schiebe ganz bewusst eine unsichtbare große Truhe in den Raum. Diese Truhe ist randvoll mit kostbaren herrlichen Erinnerungen gefüllt. Ich bin nur beim Öffnen des offenbar schweren Deckels etwas behilflich.
In unserer trauten Runde sitzen wir wöchentlich einmal einen Nachmittag lang zusammen. Ganz spontan werfe ich das Wort „Hochzeit“ schwungvoll in den Raum und frage alle Anwesenden, was ihnen zu diesem Begriff einfällt.
Da wird es auch schon erfrischend lebendig. In den meisten Gesichtern lockern sich die strengen Züge, Augen fangen an zu strahlen, ein Schmunzeln setzt sich freudig in so manchen Mundwinkel. Aus unserer Erinnerungstruhe steigen auf: Hochzeitskutsche, Hochzeitsmahl, Trauzeugen, Gäste, Geschenke, Ringe, Brautstrauß, Myrtenstrauß und Kränzchen, Schleier und Brautkleid, Festrede, Standesamt und Kirche, Liebe und Zuneigung.
Dann bücken wir uns etwas tiefer über die Truhe und falten jedes Brautkleid einzeln sorgfältig auseinander: Wir sehen weiße Traumkleider aus reiner Seide, Spitze, Baumwolle, Satin und Tüll. Mir ist's, als schlüpfe jede der alten Damen noch einmal für ein paar Minuten der Glückseligkeit in ihr Brautkleid. Und ich erfahre sehr viel über die verschiedensten und vielfältigsten Macharten, über das schönste Kleid im Leben einer jeden Frau. Ein alter Herr erinnert sich noch lachend, dass er damals vor über 60 Jahren den Brautstrauß vergessen hatte. In unserer Kiste sind also noch duftende Brautsträuße versteckt: Weiße Nelken, rote Rosen und Maiglöckchen kommen da zum Vorschein.
Ganz behutsam stellen wir uns die Sträuße auf unsere Tische, damit auch nichts verloren geht von diesen herrlichen Erinnerungen. Bunte Farben breiten sich aus, Düfte steigen auf, Freude sprießt aus allen Augen und Herzen. Wohlig warm und gemütlich ist es im Raum. – Auf meinem Heimweg etwas später kommt mir ein Satz in meinen Sinn, den ich vor längerer Zeit irgendwo gelesen habe: „Gott schenkt uns Erinnerungen, damit wir Rosen im Winter haben.“
Sommer
Blühende Erde
unter den Füßen.
Gewölbtes Blauzelt
beschützt das Haupt,
und Sonne und Frohsinn
wärmen das Herz.