Читать книгу Liebe findet immer einen Weg - Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski - Страница 9

Meine Großmutter

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An meine Großmutter väterlicherseits habe ich immer noch sehr intensive und wertvolle Erinnerungen. Sie war eher eine schlichte, aber herzliche Frau.


Rein äußerlich erschien sie streng mit ihrer glatten Frisur mit einem Mittelscheitel und einem gesteckten Nackenknoten. Doch sie war nicht so streng wie meine Mutter zu mir. Ihre Kleider waren von bedeckter Farbe, meistens dunkelblau oder braun mit winzigen weißen Tupfen. Darüber trug sie fast immer ein gehäkeltes wollenes Schultertuch, vorne am Hals mit einer runden Brosche zusammengehalten. Vor allem aber strahlte sie eine wohltuende Ruhe aus. Wenn meine Mutter ihren großen Waschtag hatte, kochte die Oma für uns alle das Mittagessen und hatte für uns Kinder im­mer ein liebes Wort. Meine beiden älteren Brüder und ich besuchten sie aber auch sehr gerne, obwohl der Weg zu ihr weit war. Dann verwöhnte sie uns mit heißen Würstchen und Schokoladenpudding. Mit viel Geduld brachte sie mir auch das Stricken der rechten Maschen bei: „Einpicken, umschlagen und den Faden durchholen.“ Diese Worte klingen mir noch sanft in meinen Ohren.

Nach Kriegsende 1945 waren wir dann leider räumlich weit getrennt. Meiner Großmutter fiel es schwer, ihre Heimat zu verlassen. So blieb sie noch unter polnischer Verwaltung im Osten. Dann wurde sie ausgewiesen. Danach war sie dann 1947 für ein paar Wochen bei uns zu Besuch. Es war Sommer, und wir pflückten gemeinsam echte Kamille, die sie gebündelt zum Trocknen auf den Boden hängte. Sie wollte Tee davon bereiten. In diesen Wochen schliefen wir gemeinsam im Kinderzimmer. Ich hörte sie oft abends im Dunkeln, wenn ich noch nicht schlafen konnte, inbrünstig das Vaterunser beten. Wie schade, dass ich sie danach nicht mehr erleben konnte. Sie starb in der Ferne in einem Altersheim auf Nordstrand, wo ich ihr Grab nach langen Jahren wiederfand. Wie wichtig sie für mich als Kind war, hat sie vielleicht gar nicht gewusst. Großmütter können so wertvoll für ihre Enkelkinder sein! Oftmals können sie so liebevoll ausgleichen. Heute noch möchte ich meine Großmutter so vieles fragen.


Brot-Erinnerungen

1939 soll die Mutter mich mit Weißbrot-Bröckchen gefüttert haben.

1943 hatte ich den säuerlich-deftigen Geschmack des Kommissbrotes täglich auf meiner Zunge. Mein Vater brachte die großen, dunklen Soldaten-Brote aus der Kaserne zum Sattessen mit.

1945 nach der Kapitulation warfen britische Soldaten Scheiben schneeweißen Brotes in die grünen Straßengräben. Wir Kinder stillten damit unge­niert unseren Hunger.

1945 es war im Winter, als ich gemeinsam mit meinen älteren Brüdern an vielen Haustüren der einheimischen Landbevölkerung um Brot bettelte. Und so manche Schmalzschnitte wurde uns Flüchtlingskindern geschenkt.

1946 säumten viele Menschen die abgeernteten Kornfelder und warteten geduldig, bis der Bauer mit der „Hungerharke“ über das Stoppelfeld gestrichen war. Erst danach durften wir die wenigen verbleibenden Ähren aufsammeln. Und manchmal konnte ich abends vor Hunger kaum einschlafen.

1947 stand ich stundenlang in der langen Schlange vor dem Bäckerladen, um ein Maisbrot zu ergattern. Meine Mutter tauschte auf dem Schwarzen Markt ihre einzige Uhr für Brot ein.

1950 konnte ich schon wieder unter vielen Brotsorten im Bäckerladen auswählen.

1965 kochte ich aus hart gewordenem Brot eine wohlschmeckende Brotsuppe. Damit wollte ich auch meinen Kindern ein Beispiel geben, dass sie niemals Brot wegwerfen sollen.

1970 teilte ich mit unangemeldetem Besuch mein letztes Brot, das ich im Hause hatte.

1980 warf ich ein halbes verschimmeltes Brot in den Abfalleimer. Mein Gewissen schrie dabei.

1985 aß ich manchmal Knäckebrot, um schlank zu bleiben.

1994 genieße ich in aller Ruhe eine Scheibe trockenen Brotes und stelle fest, wie köstlich sie schmeckt.

Brotabhängig werde ich bleiben – lebenslang.


Liebe findet immer einen Weg

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