Читать книгу JETZT BIST DU WEG! DIE ABRECHNUNG - Monika Bonanno - Страница 5

2. Eva

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Am Abend brachten Eva und ihr Mann Sven die Zwillinge ins Bett.

Die beiden Mädchen kuschelten in dem großen rosavioletten Himmelbett. Jede drückte einen weißen Teddy ganz fest an sich und sie lauschten der Stimme des Vaters.

Sven las eine Geschichte auf seinem Tablet vor.

„Papa, zeig uns doch noch mal das Eisbärenmädchen.“

Sven hielt ihnen das Tablet vor die Nase.

„Sie ist so schön“, sagte Lena.

„Aber keine Prinzessin“, warf Lisa ein.

„Die Polara ist viel schöner als jede Prinzessin.“

Sven lächelte. „Gut, jetzt lesen wir das Kapitel noch fertig, dann wird geschlafen.“

Als Sven mit der Geschichte fertig war, deckte Eva die Mädchen zu.

„Mama, ist Oma krank?“, wollte Lisa wissen.

„Wieso?“

„Weil du gesagt hast, sie soll zu einem Therapeuten gehen.“

Eva sah ihre Tochter an und überlegte, dann antwortete sie: „Nein Schatz, sie hat nur ein kleines Problem, das kommt ganz bestimmt wieder in Ordnung. Jetzt wird aber ganz schnell geschlafen.“

Als die Zwillinge eingeschlummert waren, gingen Eva und Sven ins Wohnzimmer und setzten sich auf das Sofa. Bei einem Glas Wein erzählte sie ihrem Mann von dem seltsamen Verhalten ihrer Mutter.

Sven hörte erst gar nicht richtig zu, aber als seine Frau den hysterischen Anfall detailliert beschrieb, fragte er nach: „Warum hat deine Mutter so reagiert? Du hast noch nie erzählt, dass so etwas Ähnliches schon mal passiert wäre.“

Eva erklärte ihm, dass es ihres Wissens in den letzten Jahren auch nicht so einen gewaltigen Ausbruch gegeben hatte.

Sven überlegte einen Moment, dann bohrte er weiter: „Und früher? Hast du sie da so erlebt? Was ist eigentlich bei euch vorgefallen? Du hast nie wirklich darüber gesprochen.“

Eva fühlte sich unwohl, die dramatischen Ereignisse im Leben ihrer Familie waberten wie Nebelschwaden in ihrem Kopf. Sie war gerade erst sieben Jahre alt gewesen, als sie die Erfahrung machen musste, dass sich auf einmal die eigene kleine Welt grundlegend veränderte. Sie schluchzte: „Ich kann mich nicht erinnern.“

Sven nahm seine Frau in den Arm und sprach leise: „Versuche es, erzähle mir, was dir so einfällt.“

Allmählich tauchten bei Eva Bilder aus dem Nebel ihrer Vergangenheit auf. Da war ein toter Familienkater, dessen Ableben sehr mysteriös war. Der Tod des Vaters, er wurde in Ausübung seiner Pflicht als Polizist erschossen. Die Mutter, die sich scheiden lassen wollte, weil Papa ihr etwas Böses angetan hatte.

Sven hörte den unzusammenhängenden Berichten zu, er achtete darauf, sie nicht zu unterbrechen, obwohl es ihn drängte, nachzufragen und dem Gehörten einen Sinn zu geben.

„Mama ist von einem Psychopathen entführt und gefangen gehalten worden!“, schrie sie plötzlich.

„Sprich nicht so laut“, warnte Sven, „wenn die Mädels wach werden und davon etwas mitbekommen.“

Eva stand sofort auf. „Sorry, tut mir leid, ich weiß gar nicht, warum ich mich so gehen lassen konnte.“ Sie lief besorgt die Treppe hoch und schaute in das Kinderzimmer. Die Zwillinge schliefen tief und fest.

Als sie beruhigt wieder ins Wohnzimmer zurückkam, meinte Sven: „Das ist eine Erklärung für ihr hysterisches Verhalten. Unter dem Sofa hat deine Mutter sich selbst und unsere Tochter eingesperrt gefühlt. Was ist denn damals mit ihr geschehen?“

„Ich kann es dir gar nicht so genau sagen. Wir Kinder waren zu dieser Zeit bei Oma und haben das überhaupt nicht so richtig mitbekommen. Aber ich weiß, dass dieser Typ sie über einen längeren Zeitraum gestalkt hatte. Er wollte sie nur für sich alleine, hasste ihr ganzes Umfeld und vor allem ihre Familie. Gut, dass wir fernab in Sicherheit waren. Danach hatte sie sich natürlich verändert. Aber sie ließ sich uns gegenüber gar nichts anmerken.“

„Habt ihr nie darüber gesprochen?“, hakte Sven nach und Eva antwortete: „Nein. Mama wollte nicht reden, für sie war immer alles gut.“

„Hast du mit deinen Geschwistern darüber gesprochen?“, wollte Sven wissen.

„Nein, irgendwie hat jeder von uns dieses Thema totgeschwiegen“, erwiderte Eva. „Mein Stiefvater war ja gleich an Mamas Seite und hat ihr viel Kraft gegeben.“

„Hat sich Stefan auch um euch gekümmert?“, fragte Sven.

„Ja. Unser Leben war wieder geordnet, bequem und nett.“

„Nett ist die kleine Tochter von Bescheiden“, gab Sven zu bedenken. Er kam zu der Meinung, dass seine Frau doch mehr von den vergangenen Ereignissen traumatisiert war, als sie sich eingestehen wollte. „Ihr müsst unbedingt miteinander reden. Frag doch mal deine Geschwister, wie sie mit diesen Erinnerungen umgehen. Deine Mutter sollte eine Therapie in Erwägung ziehen. Es ist allerhöchste Zeit, sie muss das endlich verarbeiten. Das trifft auch auf euch Kinder zu.“

„Ja, vielleicht, möglicherweise hast du recht“, meinte sie. „Soll ich zu dir in die Praxis kommen?“

„Nein, ich denke, das ist nicht so gut“, erwiderte Sven, „aber ich kann dir einen Termin bei einer Kollegin machen, die ist sehr kompetent.“

Eva war sich unschlüssig. Sie dachte nach, eigentlich war in ihrem Leben bisher doch alles perfekt gelaufen. Sie war eine gute Schülerin gewesen, hatte Abitur und ihr IT-Studium leicht gemeistert und sofort einen gut bezahlten Job als Informatikerin bekommen. Als einzige Frau in ihrem Team war sie aufgrund ihrer ausgezeichneten Leistungen schon nach kurzer Zeit zur Managerin aufgestiegen.

In einem Club hatte Eva ihren Mann Sven kennengelernt und ein Jahr später geheiratet. Die jungen Eltern waren rundherum zufrieden mit ihrem Leben.

„Eigentlich geht es mir doch ganz gut. Ich spüre nichts von Depressionen, Angstzuständen oder dergleichen. Bisher hast du doch bei mir auch nichts bemerkt, oder?“

„Nein Schatz, trotzdem denke ich, dass so eine Vergangenheit nicht einfach verdrängt werden darf. Denk doch einfach mal über meinen Vorschlag nach.“

Eva kuschelte sich an ihn. „Mach ich, aber jetzt ist Schluss mit dem Thema, ich bin total müde. Gehen wir ins Bett.“


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