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Die Adlerin und der Schiffer – 1. Sequenz

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Grenzenloser Horizont. Der Schiffer stand am Mast und schaute gedankenverloren in das erwachende Morgenrot. Röte, funkelnde Lichtreflexe auf dem Wasser, ein Ahnen von etwas Großem.

Alle Sicherheit hatte er hinter sich gelassen. Viel zu lange hatte er still gehalten, gezögert und seiner Sehnsucht misstraut. Ihm fehlte der Mut. Jahrelang. Er hatte sich klein gefühlt und die Angst hatte seine ganze Kraft geraubt.

Doch nun war ihm klar: Sobald er den leichten Weg der Gewohnheit und der Routine aufgegeben hatte, erstrahlte die Zukunft neu für ihn.

Setz die Segel, nimm dein Glück,

du nur kannst dich selbst entscheiden!

Ja, er hatte entschieden. Und damit warf er alles über Bord. Die Vergangenheit war dahin. Nichts konnte ihn mehr dort halten. Viel Neues, ungeahnte Möglichkeiten, Herausforderungen, Wagnisse und sicher auch Missgeschicke harrten seiner.

Tiefes, weites Meer. Hinter dem Horizont das Abenteuer, seine Träume und -endlich- der erste Schritt in die Freiheit.

Dieser erste Schritt auf die Planken des Bootes vor wenigen Tagen hatte noch eine Herausforderung dargestellt. Dieser Schritt, mit dem er endgültig alles zurückließ. Eine ungeahnte Anspannung hatte ihn ergriffen, als ihm das Ausmaß seiner Entscheidung bewusst wurde. Doch in diesem Moment ging ein Ruck durch seinen Körper. „JA! Ich wage es. Es gibt kein Zurückblicken mehr. Die Weite ruft.“ Befreit atmete er auf und betrat kraftvoll das Schiff.

Und nun. - Eine zaghafte Helligkeit am Firmament. Das Plätschern des Wassers, das sich am Rumpf des Schiffes brach, unmerklich, als würde es ebenfalls ganz sacht dem Morgen entgegenblicken. Schon erstrahlte ein erstes zartes Rot, ins Gelb übergehend, um das erzitternde Meer in sein leuchtendes Licht zu tauchen.

Er wartete auf sie.

Da tauchte sie auch schon wieder auf. Direkt dort, wo das Licht am hellsten funkelte, schwebte sie als dunkler Punkt geradewegs auf ihn zu. Geboren aus der Flamme, erschien sie ihm immer wieder aufs Neue wie ein atemberaubender, von unbändiger Kraft und vom Zauber unendlicher Weite erfüllter Traum zu sein. Auf weiten Schwingen trieb sie mit dem Wind. Eine Leichtigkeit und ein tiefer Friede gingen von ihr aus. Ihr Schrei hoch über dem Wellenspiel. Gebündelte Energie aus Luft und Kraft. Naturgewalt.

In diesem Moment spürte der Schiffer, wie tief in ihm etwas aufbrach.

Dann war sie fort.

Adlerlieder

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