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Erdbeeren

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Neuland

England



Roman








2017

Monika Murmann






























Erdbeeren!“ Der Gedanke schoss Lotti in den Kopf, als sie im Supermarkt in Cheltenham, in der Nähe von London, ihrem gut gefüllten Einkaufswagen durch die Obst- und Gemüseabteilung schob. In ihrer Vorstellung konnte sie das süße Obst schon schmecken. „Gezuckert und mit Schlagsahne!“ war ihr nächster Gedanke und dann kam eine verwegene Idee. „Ob ich mich selbst mit Schlagsahne garniere und ins Bett lege, als Vorspeise für Rupert?“ Voller Vorfreude grinste Lotti in sich hinein und legte drei Pakete der roten Früchtchen mit in den Wagen.

Jetzt Ende Juli war die beste Zeit für Erdbeeren schon vorbei und diese waren daher etwas teurer, aber das war ihr egal. Darauf hatte sie jetzt Lust und auf ihren Verlobten Rupert. Er war auf einem Notarkongress in Schottland und eine Woche Trennung war sehr lang. Das war Lotti nicht gewohnt. Seit sie im März von Deutschland nach England ausgewandert war, waren sie nicht länger als zwei, drei Tage getrennt gewesen. Heute Abend sollte er endlich wiederkommen. Lotti merkte in der vergangenen Woche, wie einsam sie ohne ihn war. Sie traf sich zwar mit Sabine, einer Freundin die sie in Tewkesbury kennengelernt hatte und mit Freddy, einem Personaltrainer, der auch der um einiges jüngere Geliebte ihres verstorbenen Onkels gewesen war. Aber besonders die warmen Sommerabende und das leere Bett machten sie regelrecht depressiv. Ein Leben ohne Rupert konnte sie sich nicht mehr vorstellen.

Der Architekt Mr. Winslow, den Rupert ihr empfohlen hatte, war vor ein paar Tagen dagewesen. Er hat sich die Grundstücke um Lottis Haus herum angesehen. Sie wollten das Haus des Onkels, für sie beide - nur etwas größer - nachbauen und das alte Haus für die Kinder oder Besuch vorerst freihalten. Die anderen Grundstücke sollten im Anschluss mit netten Ferienhäusern im ähnlichen Stil bebaut werden. Dank des dicken geerbten Kontos waren diese Gedanken tatsächlich im Rahmen des Möglichen. So wollte Lotti sich ein dauerhaftes Einkommen sichern, um finanziell unabhängig zu bleiben.

Vor ein paar Wochen hatte Rupert sie mit einem Wochenendausflug nach Clovelly überrascht. Sie hatten das beide so sehr genossen. Lotti freute sich, dass sie solche spontanen Aktionen jetzt ganz oft machen könnten. Unabhängig und frei, nur sich selbst verpflichtet. Natürlich mit Rücksicht auf ihren Beruf, aber trotzdem für Spontanität offen. Da Rupert sowieso in Schottland war, sollte er sich dort nach einem Urlaubsort umsehen. Sie wollten vielleicht fliegen, um keine Zeit mit langer Autofahrt zu vergeuden. Ihr neuer Freund Freddy kümmert sich gerne um ihre Haustiere und so läuft ihr Leben richtig super.

Gerade dachte sie daran, wie Rupert ihr ganz romantisch einen Heiratsantrag gemacht hatte. Das war fast vier Wochen her und sie planten schon fleißig an der Hochzeit. Ende August war als Datum schon mal festgesetzt worden. Wegen beider Scheidungen war nur Standesamt möglich und für eine weiße Hochzeit fühlte sie sich eh zu alt. Ihren großen Kindern Julia und Fabian sowie ihrer Freundin Katja nebst Ehemann Rainer in Köln hatte sie schon Bescheid gesagt. Mehr Verwandte und Freunde aus ihrem alten Leben hatte sie nicht. Überhaupt ermöglichte es der verstorbener Onkel Frank für Lotti erst, ihrem völlig aus dem Ruder gelaufenen Leben in Deutschland zu entfliehen. Der Notar Rupert Winters hatte den Nachlass des bis dato unbekannten Onkels geregelt und gefühlte hundert Mal mit ihr telefoniert. Nicht zuletzt deshalb um ihr die Schnapsidee auszureden, in Deutschland die Brücken abzubrechen und nach England auszuwandern.

Gut, dass Lotti nicht auf ihn gehört hatte. Gleich in den ersten Tagen in Tewkesbury hatte es zwischen den Beiden gefunkt und seitdem waren sie unzertrennlich. „Sicherlich ist Rupert emotional völlig ausgehungert, wenn er heimkommt“, dachte Lotti und freute sich schon. Den geerbten Bungalow des Onkels Frank hatte Lotti etwas aufgepeppt und ein paar Dinge nachträglich eingebaut. So war er jetzt wunderbar und dazu gehört ein schöner Garten mit zwei tollen Aufpassern. Der große schwarze Schäferhund-Mix Lutz aus einem englischen Tierheim und die kleine weiße Ziege namens Lisa, die erst Rasenmäher in einem geliehenen Ziegenrudel war und dann bei ihr eine Dauerstellung bekommen hatte. Mehr oder weniger im Vorbeigehen war Lotti an ihre Halbtagsstelle im Schreibwarenladen gekommen und hatte großen Spaß an der Arbeit. In Köln hatte sie mit ihrem Ex-Mann Jürgen ebenfalls knapp 20 Jahre einen Schreibwarenladen betrieben. Der Umgang mit der Kundschaft hatte ihr unglaublich gefehlt und außerdem war sie eine Fachkraft in allem was Büromaterial anging. Mrs. Peterson, die Besitzerin wusste schon nach kurzer Zeit, was sie an Lotti hatte und vertraute ihr bereits ab und zu den Laden an.

Mit den Einkäufen im Kombi fuhr sie nach Hause und verstaute alles in Kühlschrank und Regalen. Die Erdbeeren schüttete sie in die Spüle und ließ kaltes Wasser darüber laufen. Dann begann sie die Erdbeeren klein zu schneiden und wusste, dass sich gleich die Ziege Lisa über die Strünke freuen würde. Bis Rupert zum Abendessen kommen würde, wäre der Nachtisch schön durchgezogen. Der leckere, süße Geruch der Erdbeeren stieg ihr in die Nase und dann passierte etwas Unerwartetes. Eine urplötzlich auftretende Übelkeit überraschte Lotti und ließ sie sofort zu Toilette rennen. Sie übergab sich heftig und war danach ganz verwirrt. Was war das denn? Nun fühlte sie sich wieder gut. Als wenn nie etwas gewesen wäre. Sie putze sich gründlich die Zähne, sammelte alle Erdbeeren mit ausgestreckten Armen ein und schüttete das teure Zeug der Ziege hin, die sich erfreut darauf stürzte.

Lotti setzte sich geschafft auf ihre, von der Sonne aufgewärmte Bruchsteinmauer im Garten und grübelte vor sich hin. In letzter Zeit war ihr ein paar Mal etwas schwindelig geworden. Sie hatte die Hitze im Verdacht gehabt, ihr Kreislaufprobleme zu verursachen. Lutz saß vor ihr und wollte gestreichelt werden. Ein plötzlicher Gedanke ließ sie ins Haus gehen und in der Handtasche wühlen. Alarmiert sah sie auf einen kleinen Kalender in ihrer Geldbörse und stutzte. Entsetzt raufte sie sich die Haare und stöhnte verzweifelt auf. „Das darf doch nicht wahr sein!“ dachte Lotti, „Seit zwei Monaten habe ich keine Periode mehr? Oh mein Gott! Wie kann denn das sein? Das hätte mir doch auffallen müssen!“ Bei Rupert ist doch angeblich etwas nicht in Ordnung, hatte er Lotti erzählt. Deshalb brauchte sie auch keine Pille. Seine Ex Gloria wollte doch unbedingt schwanger werden und es klappte nie. Sie war mehrfachst beim Arzt gewesen und an ihr könne es nicht liegen.

Lotti rief Emily, ihre zukünftige Schwägerin an. Diese war gerade mit Kind Nummer vier schwanger und erkundigte sich nach ihrem Frauenarzt. Sie hätte eine nette Frauenärztin sagte Emily und müsste sowieso am nächsten Tag wieder hin. Lotti bat sie darum dort anzurufen und zu fragen ob sie evtl. mitkommen könnte. Sie würde sich nicht gut fühlen. Auf Nachfrage bei der Ärztin sagte ihr Emily, das so etwas eigentlich nicht ginge, aber mit etwas Wartezeit wäre es ausnahmsweise möglich.

Obwohl ihr momentan der Kopf rauchte, wunderte sie sich langsam, wo eigentlich Rupert blieb? Da klingelte auch schon das Telefon. Einer seiner Kongresskollegen war ihm beim Ausparken versehentlich ins Auto gefahren. Rupert war gottseidank nichts passiert. Aber das Abschleppen dauere und ein Ersatzfahrzeug bekomme er nicht vor morgen. Also müsse er noch eine Nacht bleiben und käme dann im Laufe des Tages.

Traurig musste sich Lotti eingestehen, dass ihr das jetzt im Moment gerade recht kam.

Lotti erzählte ihm natürlich nichts von ihrem Verdacht. Sie wollte erst Gewissheit haben. Nach einer unruhigen Nacht in der sie im Traum ständig Kinder einfangen musste, wachte sie gerädert auf. Sie rief ihre Chefin an und meldete sich krank. Am Vormittag fuhr sie mit Emily zur Frauenärztin. Ihre Schwägerin bohrte um Antworten und sah sie merkwürdig an. Lotti wollte aber noch nichts von ihrem Verdacht sagen. Schon im Wartezimmer knabberte sie nervös an den Fingernägeln. Ein schneller Test und eine anschließender Ultraschalluntersuchung brachte das Ergebnis auf den Tisch. Sie war im dritten Monat schwanger.

Lotti klappte der Kiefer runter. Emily bekam einen ganz roten Kopf vor Aufregung und sagte ganz spontan: „Ich habe nie geglaubt das bei Rupert etwas nicht stimmt. Das hatte Gloria ihm nur weismachen wollen! Ein Kind hätte doch ihre Figur ruiniert!“ Mit einem Ultraschallbild bewaffnet verließ Lotti die Praxis. Bei Emily war ebenfalls alles in Ordnung. Während deren Untersuchung hielt Lotti den kleinen Robin auf dem Arm. Er legte vertrauensvoll die kleinen Arme um die Tante. Die beiden größeren Jungs waren in Schule und Kindergarten. Emily war ebenfalls im dritten Monat, nur schon zwei Wochen weiter. Lotti war geschockt und konnte gar nicht mehr denken. Sie fühlte sich wie in Watte gepackt, eigentlich wie ein Zombie.

Emily plapperte ohne Luft zu holen. Wie schön das doch wäre, wie sehr sich Rupert freuen würde, auch Hazel und Andrew. Die Kinder können super zusammen aufwachsen. Emily war happy, Lotti konnte es sogar verstehen. Wenn nur die Umstände anders gewesen wären, zB Lotti 10 oder 20 Jahre jünger. Andrew war ebenfalls Anfang 40. Lotti holte tief Luft und verdonnerte Emily streng zu absolutem Stillschweigen. Diese guckte etwas verschüchtert versprach es dann aber.


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