Читать книгу Pflege und Betreuung Bettlägeriger - Monika Pigorsch - Страница 7
2 Die Seele soll nicht vor den Beinen sterben
ОглавлениеBettlägerige Menschen waren nicht immer ans Bett gebunden, so wie sie es heute sind. Unterschiedlichste Krankheitsbilder, Demenzen und seelische Störungen können diese Pflegebedürftigkeit verursacht haben.
Aus der Lebensbiografie geht hervor, welche Begabungen und Fähigkeiten der heute alte Mensch hat, welche Schwierigkeiten er bereits meistern konnte und wie er mit Krisensituationen umgegangen ist.
Die Generation, die heute alt und pflegebedürftig ist, ist oft noch von Kriegserlebnissen geprägt, hat zumeist Hunger und Not erlebt und musste sich immer wieder mit erheblichen persönlichen und materiellen Verlusten auseinandersetzen.
Sie ist aber auch Werten und Traditionen gefolgt, die ihr das Leben möglicherweise erleichtert haben. Verhaltensweisen wie Mut, Durchhaltungsvermögen, Disziplin, Rücksichtnahme und Fleiß haben oftmals das Leben bestimmt und Bewältigungsstrategien hervorgebracht, die im jetzigen Zustand als Ressourcen genutzt werden können.
Dennoch ist im Umgang mit bettlägerigen Menschen häufig zu bemerken, wie sich Gefühle wie Hilflosigkeit, Angst und Resignation Raum verschaffen, die zunehmend von Antriebslosigkeit bis hin zu Apathie führen können. Vielfach kommen besonders im Alter bis dahin verdrängte traumatische Erlebnisse ins Bewusstsein, die ebenfalls in der Betreuung bearbeitet werden wollen.
Professor Erwin Böhm, österreichischer Pflegeforscher, spricht in diesem Zusammenhang davon, »dass die Seele vor den Beinen stirbt und jeder Mensch zum Leben Seelenenergie benötigt«. Zu der Seele und zu den Empfindungen müssen wir vordringen, um Menschen mit psychischen und körperlichen Belastungen unterstützen zu können.
Somit ergibt sich von selbst, dass sich Pflege und Betreuung nicht nur auf die körperliche und geistige Ebene beschränken darf, sondern in erster Linie individuelle und persönliche »Beziehungsarbeit« sein muss.
Die Grundvoraussetzung für eine gelungene Beziehung ist die Kommunikation. Neben der verbalen Sprache, die im Krankheitsverlauf oft immer reduzierter möglich sein kann, sollte die Aufmerksamkeit auf die nonverbale Kommunikation gerichtet sein. Darunter wird hier besonders die Beobachtung und der bewusste und reflektierte Einsatz von Mimik, Gestik, Körperhaltung, Tonfall, Atmung und natürlich der Blickkontakt verstanden. Körpersprache ist die Sprache der Gefühle. Sie ist oft authentischer als das gesprochene Wort und wird bis zum Tode »gesprochen« und verstanden.
Gute Pflege ist sicher die erste wichtige Voraussetzung zur Erhaltung des Wohlbefindens, seelische Begleitung aber der zweite, unerlässliche Baustein zur Erhaltung von Lebenssinn und positivem Ich-Gefühl, damit »die Seele vor den Beinen bewegt wird«.