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. . . dann darf ich Sie anreden mit

Liebe Dialogpartnerin

Lieber Dialogpartner

Und wenn Sie jetzt weiterlesen, haben Sie sich bereits auf den Dialog mit mir eingelassen. Dies ist nämlich im eigentlichen Sinne ein KommunikationsBuch, und Kommunikation ist bekanntlich eine Zweiwegangelegenheit. Ich lade Sie also ein, mit mir in den Dialog zu treten, wobei ich auf eine der archaischsten Formen der Kommunikation zurückgreife: Ich möchte Ihnen Geschichten erzählen. Geschichten, die sich zu einer Geschichte verdichten, weil alle von derselben Protagonistin handeln: von mir. Literaturlexika definieren »Protagonist« als »( = erster Kämpfer), der erste Schauspieler, Hauptdarsteller im altgriech. Drama«. Sie können hinter allen Begriffen ein Häkchen machen. Drama, Sie erinnern sich, ist nicht gleich Tragödie, sondern eine »knappe, in sich geschlossene, organisch gewachsene Handlung«. Das werden Sie auf den folgenden Seiten finden.

Meistens assoziiert man Drama ja mit Bühne. Wenn es in der erzählenden Form auftaucht, dann ist es eine Novelle, die das dramatische Eingreifen des »Schicksals« in das Leben eines Menschen schildert. Dabei gibt es verschiedene Formen von Novellen, u. a. die Rahmennovelle, in der jemand einer Gruppe eine Geschichte erzählt. Diese sogenannten Rahmengeschichten haben eine Art Eigenleben, das u. a. durch den Dialog der Erzählenden mit den Zuhörenden Interesse weckt und die Novelle doppelt interessant macht. Normalerweise finde ich es eher langweilig, über einen längeren Zeitraum nur zuhören zu können; ich rede ganz gerne mit. Sie auch, höre ich Sie sagen? Dann schauen Sie mal, ob Sie mit den Fragen, die ich Ihnen als potentielle Lesende in den Mund gelegt habe, etwas anfangen können. Übrigens: mit dieser Art von Abschweifungen, Umwegen und Nebensächlichkeiten werden Sie auf den folgenden Seiten laufend konfrontiert.

Vielleicht werden Sie jetzt sagen, das sei doch eine Autobiographie, und darin brauche es keinen Dialog. Ist es eben nicht, denn eine Autobiographie sollte lückenlos und meistens chronologisch alles über das Leben des oder der Schreibenden berichten. Das wird dieses Buch nicht; ich habe mein ganzes Leben lang Klatsch langweilig und überflüssig gefunden und die Selbstdarstellungen anderer anhand intimster Details immer nur mit ungläubigem Staunen zur Kenntnis genommen. Also wollte ich keine Autobiographie schreiben und habe entsprechende Vorschläge oder Wünsche während Jahren abgewehrt. Dann aber bin ich beim Suchen nach einem Buch »zufällig« auf ein ganz anderes gestoßen, das mir eine andere Sicht des Themas vermittelt hat. Das Buch heißt What Time’s the Next Swan?; der Autor ist Walter Slezak, Sohn des weltberühmten Tenors Leo Slezak und selbst ebenfalls renommierter Opernsänger. Er hat darin sowohl das bewegte Leben seines Vaters als auch sein eigenes auf Buchseiten erzählt und, anhand von unzähligen Anekdoten, somit der Nachwelt erhalten. Schon der Titel ließ mich beim Wiederfinden schmunzeln, und plötzlich fiel mir ein oder auf, daß man sein Leben auch auf diese Art darstellen kann.

Aber ich muß Ihnen zuerst noch erzählen, wie es zu dem ungewöhnlichen Titel gekommen ist: Leo Slezak war besonders geschätzt als Wagner-Tenor. Einmal, bei einer Aufführung der Oper Lohengrin, ist folgendes passiert: Der Tenor bereitete sich hinter den Kulissen für den ersten Auftritt vor, der ja in einem von einem Schwan gezogenen Kahn stattfindet. Irgendwie hat ein Bühnenarbeiter auf der anderen Seite ein Signal mißverstanden und den Schwan-Kahn zu früh über die Bühne gezogen – ohne Leo Slezak darin. Worauf dieser gelassen gefragt haben soll: »Wann geht der nächste Schwan?«

Um das voll genießen zu können, müssen Sie wissen, was dieses leere Schwangefährt bzw. diese Art von unfreiwilliger Komik im Kontext einer Wagner-Oper bedeutet. Es zeugt von einem wirklich ungewöhnlichen Sinn für Humor für einen Wagner-Tenor und einer bewundernswerten Präsenz.

Bei mir – einem deklarierten Opern-, aber definitiv keinem Wagner-Fan – hat es lange nach dem Lesen etwas bewirkt: eine unverkrampfte Haltung dem Schreiben meiner Lebensgeschichten gegenüber. Ich freue mich darauf, sie Ihnen auf den folgenden Seiten zu erzählen.

April 2002

Monique R. Siegel

Espresso mit Zitrone - Mein wechselvoller Weg als Unternehmerin

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