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KAPITEL DREI

Ceres hatte Mühe, wieder zu Bewusstsein zu kommen und den dunklen Schleier, der sie wie eine zu ertrinken drohende Frau fesselte, zu durchbrechen. Auch jetzt noch konnte sie die Schreie der Sterbenden hören. Der Hinterhalt. Die Schlacht. Sie musste sich zwingen, wieder zu sich zu kommen oder es würde alles verloren sein...

Sie schlug die Augen auf und sprang, bereit weiterzukämpfen, auf ihre Füße. Zumindest versuchte sie dies. Etwas an ihren Handgelenken und Knöcheln hielt sie davon ab. Die Schläfrigkeit fiel nun von ihr ab und Ceres erkannte, wo sie war.

Sie war umgeben von Steinwänden, die so eng waren, das Ceres gerade so zwischen ihnen liegen konnte. Es gab kein Bett, nur einen harten Steinboden. Ein kleines vergittertes Fenster ließ ein wenig Licht herein. Ceres konnte spüren, wie der harte Stahl in ihre Handgelenke und Knöchel schnitt, und sie konnte die schwere Metallöse sehen, durch die ihre Ketten in der Wand verschwanden, die dicke Tür war mit Eisenstreben verstärkt worden und schien ihr entgegenzuschreien, dass sie hier gefangen war. Wenn jemand von draußen an ihren Ketten zog, dann würde sie in Richtung der Metallöse gezogen und gegen die Wand gedrückt.

Hier so gefangen zu sein, erfüllte Ceres mit Wut. Sie zog, rüttelte an ihren Ketten und versuchte, ihre Kräfte zu wecken. Nichts passierte.

Es kam ihr vor, als wäre ein Nebel in ihrem Kopf aufgezogen und sie versuchte, durch ihn hindurch zu blicken, um die Landschaft auf der anderen Seite zu erkennen. Hier und dort drang das Licht der Erinnerung durch diesen Nebel, aber sie blieb bruchstückhaft.

Sie konnte sich daran erinnern, wie sich die Tore zur Stadt geöffnet hatten und die „Rebellen“ sie so zu sich hineingewunken hatten. Sie hatten sich auf den Weg gemacht und alles, was ihnen zur Verfügung stand, mobilisiert, denn sie hatten geglaubt, dass dies die entscheidende Schlacht um die Stadt sein würde.

Ceres sank zusammen. Es tat weh, und einige Wunden saßen tiefer, als körperliche Wunden reichen konnten.

„Jemand hat uns betrogen“, sagte Ceres leise.

Sie hatten kurz vor dem Sieg gestanden und jemand hatte sie allesamt betrogen. Weil Geld gelockt hatte oder Angst oder das Verlangen nach Macht, jemand hatte all das aufgegeben, wofür sie gekämpft hatten und hatte sie in eine Falle gelockt.

Jetzt konnte sich Ceres erinnern. Si erinnerte sich an den Anblick von Lord Wests Neffen, wie ein Pfeil aus seinem Hals ragte, die Blicke von Hilflosigkeit und Unglauben, die ihm im Gesicht gestanden hatten, bevor er aus dem Sattel gerutscht war.

Sie erinnerte sich an die Pfeile, die den Himmel verdunkelt hatten und an die Barrikaden und das Feuer.

Lord Wests Männer hatten versucht, sich gegen die Bogenschützen zur Wehr zu setzen. Ceres hatte gesehen, wie fähig ihre Reiterschützen auf dem Weg nach Delos gewesen waren, sie waren selbst bei rasendem Galopp geschickt im Umgang mit kleinen Bögen und Feuer. Als sie ihre ersten Pfeile in Richtung des Feinds schickten, hatte Ceres sogar zu hoffen gewagt, denn nichts schien diese Männer in die Knie zwingen zu können.

Doch sie wurde enttäuscht. Mit den von Lucious auf den Dächern postierten Bogenschützen, lag ein zu großer Vorteil auf Seiten der Feinde. Irgendwo in dem Chaos kamen dann zusätzlich zu den Pfeilen auch Feuertöpfe zum Einsatz, und Ceres erinnerte sich an ihr Entsetzen, als sie mit ansehen musste, wie ihre Männer in Flammen aufgingen. Nur Lucious war es zuzutrauen, dass er Feuer in seiner eigenen Stadt einsetzte und sich nicht darum scherte, ob die umliegenden Häuser auch Feuer fingen. Ceres hatte Pferde gesehen, die sich panisch aufbäumten und ihre Reiter abwarfen.

Ceres hätte in der Lage sein müssen, sie zu retten. Sie hatte nach der Kraft in ihr gesucht und hatte nichts als Leere gefunden, ein schwarzes Loch, wo Stärke und Macht, den Feind zu zerstören, hätte schlummern sollen.

Sie suchte noch immer nach einem Zugang zu ihren Kräften, als auch ihr Pferd sich sträubte und sie abwarf...

Ceres zwang ihre Gedanken zurück in die Gegenwart zu kehren, denn es gab in ihren Erinnerungen Orte, an denen sie nicht länger verweilen wollte. Doch auch die Gegenwart sah nicht viel rosiger aus. Dort draußen konnte Ceres die Schreie eines sterbenden Mannes hören.

Ceres trat an das Fenster, soweit ihre Ketten dies zuließen. Selbst das kostete sie eine enorme Kraftanstrengung. Sie fühlte sich, als hätte jemand sie ausgesogen, ihr ihre Kräfte gestohlen, die ihr sonst geholfen hätten. Sie hatte das Gefühl, dass sie sich gerade noch auf den Beinen halten konnte. Sich von ihren Ketten loszureißen, schien dabei ein unmögliches Unterfangen.

Sie schaffte es bis ans Fenster und umklammerte die Gitterstäbe, als wollte sie sie herausbrechen. Tatsächlich waren sie beinahe das Einzige, was sie aufrecht stehen ließ. Als sie hinunter in den Hof unter ihrer neuen Zelle blickte, brauchte sie diese neue Stütze auch dringend.

Ceres sah Lord Wests Männer in mehreren Reihen stehen. Jeder von ihnen trug noch Reste seiner Rüstungen, auch wenn in den meisten Fällen Teile abgebrochen oder zerfetzt worden waren. Keiner trug mehr eine Waffe. Ihre Hände waren zusammengebunden und viele von ihnen knieten. Etwas Trauriges lag in diesem Anblick. Er sprach von einer Niederlage, die klarer nicht hätte sein können.

Ceres erkannte unter ihnen auch ihr bekannte Rebellen und der Ausdruck in ihren Gesichtern drehte ihr noch einmal mehr den Magen um. Lord Wests Männer hatten sich ihr bereitwillig angeschlossen. Sie hatten für sie ihr Leben riskiert, und Ceres fühlte sich für sie verantwortlich, doch kannte sie die Männer und Frauen dort unten.

Sie erblickte Anka. Anka stand mitten unter ihnen, ihre Arme waren so an einen Pfahl festgebunden, dass sie sich weder setzen noch hinknien konnte, um sich auszuruhen. Ein Seil war um ihren Hals geschlungen worden, sodass jeder Versuch sich zu entspannen, sie zu erwürgen drohte. Ceres konnte das Blut in ihrem Gesicht sehen, das dort klebte, als wäre es ein Symbol ihrer Nichtigkeit.

Dieser Anblick genügte, dass Ceres schlecht wurde. Es waren Freunde und in vielen Fällen Menschen, die sie seit Jahren kannte. Einige von ihnen waren verwundet. Wut überkam sie, denn niemand versuchte, ihnen zur Hilfe zu eilen. Sie standen oder knieten da, so wie es die Soldaten taten.

Dann sah sie das, worauf sie warteten. Ceres wusste nicht, wofür all das gut sein sollte, aber sie hatte eine Ahnung in Anbetracht der Dinge, die sie kannte. Pfahlstangen und Böcke, auf denen Menschen enthauptet werden konnten, Galgen und Pfannen aus heißem Eisen hatte man dort hingeschafft. Und mehr noch. So viel, dass Ceres kaum imstande war zu begreifen, welcher verdorbene Geist fähig war, diese Geräte in Betracht zu ziehen.

Dann sah sie Lucious unter ihnen und sie wusste es. Seinetwegen und auf eine gewisse Art auch ihretwegen. Wenn sie nur schneller gewesen wäre und ihn erwischt hätte, bevor er sich nach dem Duell aus dem Staub gemacht hatte. Wenn sie ihn nur zuvor irgendwie hätte umbringen können.

Lucious stand über dem schreienden Soldaten und stocherte mit seinem Schwert in dessen Fleisch, um ihm erneut den Klang seiner Todesqualen zu entlocken. Ceres konnte eine kleine Gruppe von Henkern in schwarzen Kapuzen um ihn sehen. Sie sahen aus, als machten sie sich Notizen, vielleicht schätzten sie aber auch nur denjenigen, der ihrer Profession solche Wertschätzung beimaß. Ceres wünschte, sie hätte nach ihnen greifen und sie alle töten können.

Lucious blickte auf und Ceres spürte den Moment, in dem sich ihre Augen trafen. Es war etwas, das dem ähnelte, was die Dichter besagen, wenn sie von den Augenblicken sangen, in denen sich die Augen der Liebenden trafen, nur dass es sich hierbei um den blanken Hass handelte. In diesem Moment hätte Ceres Lucious auf jede erdenkliche Art in den Tod schicken können, und sie konnte sehen, was er am liebsten mit ihr getan hätte.

Sie sah, wie sich langsam ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete, und er drehte sein Schwert ein letztes Mal um, ohne die Augen von Ceres zu wenden. Dann richtete er sich auf und wischte sich gedankenverloren seine blutverschmierten Hände an einem Tuch ab. Er stand dort wie ein Schauspieler, der seinem wartenden Publikum gleich einen Monolog vortragen wollte. Doch für Ceres sah er einfach nur aus wie ein Schlächter.

„Jeder Mann und jede Frau hier ist ein Reichsverräter“, verkündete Lucious. „Aber ich denke, wir alle wissen, dass es nicht eure Schuld ist. Ihr seid in die Irre geführt worden, in Versuchung geführt worden vor allem durch eine bestimmte Person.“

Ceres sah, wie er erneut in ihre Richtung blitzte.

„Deshalb werde ich die Mitläufer unter euch begnadigen. Kommt zu mir gekrochen. Bettelt mich darum an, versklavt zu werden, und ihr werdet im Gegenzug euer Leben behalten. Das Reich kann ein paar Arbeitstiere immer gebrauchen.“

Niemand regte sich. Ceres wusste nicht, ob sie stolz sein sollte oder ihnen entgegenschreien, dass sie das Angebot annehmen sollten. Sie mussten doch wissen, was ihnen bevorstehen würde.

„Niemand?“ sagte Lucious und ein Anflug von Überraschung schwang darin mit. Vielleicht hatte er ernsthaft geglaubt, dass jeder hier die Versklavung im Tausch gegen das eigene Leben akzeptieren würde. Vielleicht verstand er wirklich nicht, worum es der Rebellion ging oder dass es Dinge gab, die schlimmer waren als der Tod. „Kein einziger?“

Ceres sah, wie die gespielte Ruhe von ihm wie eine Maske abfiel und enthüllte, was darunter lag.

„Das passiert, wenn ihr Idioten auf solchen Abschaum hört, der nichts will, als euch an der Nase herumzuführen!“ sagte Lucious. „Ihr vergesst, wo ihr hingehört! Ihr vergesst, dass es für Bauern wie euch Konsequenzen hat! Nun, ich werde euch daran erinnern, dass es diese Konsequenzen gibt. Ihr werdet sterben, jeder einzelne von euch und ihr werdet auf eine Weise sterben, dass die Leute jeden verraten werden, der an Betrug auch nur denkt. Deshalb werde ich eure Familien hierher bringen lassen, damit sie zusehen können. Ich werde ihre jämmerlichen Hütten in Brandt setzen und sie dazu zwingen, euch beim Sterben zuzusehen während ihr vor Schmerzen schreit!“

Das würde er tatsächlich tun; daran hatte Ceres keinen Zweifel. Sie sah, wie er auf einen der Soldaten deutete, dann auf eines der Geräte, die dort aufgebaut worden waren.

„Fang mit dem an oder irgendeinem anderen. Es ist mir egal. Sorgt nur dafür, dass sie leiden, bevor sie sterben.“ Er deutete mit dem Finger in Richtung von Ceres’ Zelle. „Und sorgt dafür, dass sie die letzte ist. Sie soll jeden einzelnen Tod mitansehen müssen. Ich will, dass sie dabei den Verstand verliert. Ich will, dass sie versteht, wie hilflos sie wirklich ist, auch wenn das Blut der Uralten in ihren Adern pulsiert, wie sie vor ihren Männern geprahlt hat.“

Ceres wurde von den Gitterstäben zurückgezogen. Auf der anderen Seite der Tür mussten Männer gewartet haben, denn jetzt zerrte etwas an den Ketten um ihre Handgelenke und Knöchel, dass sie gegen die Wand gedrückt wurde und ihre Bewegungsfreiheit einschränkte. Jetzt konnte sie sich nur noch wenige Zentimeter strecken. Mit Sicherheit konnte sie den Blick nicht mehr von dem Fenster wenden, hinter dem sie sehen konnte, wie der Henker die Schärfe seiner Axt prüfte.

„Nein“, sagte sie und versuchte sich den Mut zuzusprechen, der ihr gerade fehlte. „Nein, das werde ich nicht zulassen. Ich werde einen Weg finden, es aufzuhalten.“

Sie griff nicht nur nach der Kraft in ihr, sondern tauchte in den Raum ein, wo die Energie normalerweise auf sie wartete. Ceres zwang sich, das anzuwenden, was das Waldvolk ihr beigebracht hatte. Sie jagte nach ihrer Kraft, als würde sie einem versteckten Tier nachjagen.

Doch sie konnte sie einfach nicht zu fassen bekommen. Ceres versuchte alles, was ihr auch nur einfiel. Sie versuchte, sich zu entspannen. Sie versuchte, sich an das Gefühl zu erinnern, das sie durchflutete, wenn sie ihre Kraft benutzte. Sie versuchte, sie in einem Kraftakt des Willens zu zwingen. In ihrer Verzweiflung umschmeichelte sie sie süß, als wäre sie ein eigenes Wesen und nicht ein Teil von ihrem Selbst.

Nichts davon funktionierte, und Ceres riss an den Ketten, die sie gefangen hielten. Sie spürte, wie sie ihr in ihre Handgelenke und Knöchel schnitten, als sie sich nach vorne warf, doch mehr als eine Armlänge Raum konnte sie dabei nicht herausholen.

Ceres hätte den Stahl mit Leichtigkeit sprengen sollen. Sie hätte in der Lage sein sollen, sich zu befreien und all die anderen zu retten. Das hätte sie, aber gerade konnte sie es nicht und das Schlimmste war, dass sie nicht wusste, warum. Warum hatten die Kräfte, zu denen sie Zugang gehabt hatte, sie gerade jetzt und so plötzlich verlassen? Warum war es soweit gekommen?

Warum konnte sie sie nicht zwingen, das zu tun, was sie wollte? Ceres spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten, während sie weiter versuchte, etwas auszurichten, zu helfen.

Draußen begannen die Exekutionen und Ceres konnte nichts tun, um sie aufzuhalten.

Schlimmer noch, sie wusste, dass, wenn Lucious mit jenen dort draußen fertig war, sie als nächstes an der Reihe sein würde.

Rebell, Schachfigur, König

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