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Der Fußball hat mich mein Leben lang begleitet. Zwar nie als Spieler in einem Verein, dafür in der Freizeit auf der Straße, mit Freunden auf Wiesen und Kunstrasenplätzen, als Zuhörer am Radio oder eben als Zuschauer im Stadion oder vor dem Fernseher. Und gut fünf Jahre als Redakteur in der Deutschlandfunk-Sportredaktion.

Den Sport als einen Teil der Gesellschaft sehen – und ihn entsprechend journalistisch begleiten. Das ist der Ansatz dieser Redaktion, der ich viel zu verdanken habe. Und so habe ich mich jahrelang auch beruflich mit dieser Rolle des Fußballs beschäftigt. Dazu gehörte natürlich die klassische Berichterstattung aus Bundesliga-Stadien oder von Länderspielen. Doch abseits dieser häufig öffentlichen Bühnen fanden sich zumeist die interessanteren Geschichten: Ich habe bei Auswahlturnieren Nachwuchsscouts getroffen und mich auf Bundestagen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) oder FIFA-Kongressen mit Funktionären unterhalten. Mit einer DFB-Delegation der U15-Nationalmannschaft bin ich nach Israel gefahren und war dabei, als diese jungen Spieler die Gedenkstätte Yad Vashem besuchten. Bei der letztmals veranstalteten Lizenz-Prüfung für Spielerberater saß ich im Prüfungsraum, hörte im Bundestags-Sportausschuss zu und besuchte ein „Fan-Hearing“ der Piraten-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag. Mit NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans war ich mit einem alten Ball bei Fortuna Köln im Südstadion zum Spendensammeln unterwegs, Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff habe ich in seiner Wahlheimat am Starnberger See getroffen und im Deutschlandfunk-Sportgespräch mit den Bundesinnenministern Thomas de Maizière und Hans-Peter Friedrich, den Professoren Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford University) und Moshe Zimmermann (Hebräische Universität Jerusalem), den einstigen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolf-gang Niersbach, dem Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Christian Seifert, dem Weltmeister von 1954, Horst Eckel, und zahlreichen Bundesliga-Managern, -Trainern sowie anderen Sportlern wie Diskuswerfer Robert Harting und Welt-Hockeyspieler Tobias Hauke über die Rolle des Fußballs in unserer Gesellschaft diskutiert.

Dass dieser Stellenwert hoch ist, mag eine naheliegende Erkenntnis sein. Und doch wurde mir bei all diesen Gesprächen und Reisen immer deutlicher, wie stark und wie umfassend das Massenphänomen Fußball unsere Gesellschaft dominiert. Ich habe – gerade abseits der üblichen Orte – die Wirkung und Kraft, aber auch die Macht des Fußballs gespürt. Es waren zumeist kleine Anekdoten, weitreichende (personelle) Verflechtungen, überraschende Beobachtungen aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie aussagekräftige Vergleiche, die – wie bei einem Puzzle – ein komplettes Bild entstehen ließen. Im Anekdotischen das Exemplarische zu entdecken und somit das Sittengemälde einer Gesellschaft zu zeigen, in deren Mitte der einstige „Arbeitersport“ Fußball mittlerweile angekommen ist: Das war die Idee der sechsteiligen Deutschlandfunk-Serie „Blinde Liebe – Wie sich der Fußball in unserer Gesellschaft ausbreitet“ – und wurde zur Grundlage für dieses Buch.

Es will damit dem Gewöhnungsprozess ein wenig trotzen, der vieles bei diesem Massenphänomen mittlerweile als normal erscheinen lässt. Dieses Buch soll zeigen, wie sich der Fußball (und sein gesellschaft-licher Stellenwert) in den vergangenen sechs Jahrzehnten verändert hat: vom „Wunder von Bern“ bis hin zum „Triumph von Rio“. Wie sich der Fußball kommerzialisiert, politisiert, professionalisiert hat – und auch, wie dieses Spiel instrumentalisiert wird. Dieses Buch soll Augen öffnen, nicht anklagen – zugleich aber auch nicht der Faszination Fußball erliegen. Deshalb habe ich mich bemüht, meine Erlebnisse und Beobachtungen möglichst authentisch widerzuspiegeln. Denn, wie heißt es so oft? Fußball ist die schönste Nebensache der Welt. Dass der Fußball schön ist, erscheint angesichts des Massenphänomens als unstrittig. Aber eine Nebensache? Darüber dürfte wohl mancherorts diskutiert werden – vielleicht nach der Lektüre dieses Buchs.

Moritz Küpper, Februar 2017

Es war einmal ein Spiel

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