Читать книгу Der Schatz der Dona Lucia - Morris L. West - Страница 5
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Оглавление»Einen Drink, Käpt’n?« fragte Manny.
Ich winkte müde ab.
»Tut mir leid, Manny, einen Drink kann ich mir nicht leisten. Ich bin blank.«
Manny schnalzte mit der Zunge und winkte beruhigend ab.
»Schade, Käpt’n – sehr schade. Es kommt, und es geht. Wenn ich recht sehe, schuldet das Haus dem Verlierer einen Drink. Setzen Sie sich.«
»Nein, danke, Manny. Es ist ein netter Zug, aber ich pack’ meine Sachen.«
Ich ging in Richtung Tür, aber Manny folgte mir. Ich hatte es noch nie erlebt, daß er solche Skrupel hatte, einen blanken Gast loszuwerden.
»Kapitän?«
»Ja, Manny?«
»Sie sagten da etwas von einem Geschäft. Wollen wir in meinem Büro darüber sprechen?«
Jetzt hatte ich ihn also an der Angel. Mein Herzschlag hämmerte, und mein Mund war trocken. Ich mußte die Fäuste ballen, um meine zitternden Finger unter Kontrolle zu bringen; aber ich versuchte, so gut es ging, eine gleichgültig klingende Antwort.
»Wie Sie wollen. Ich hab’s nicht eilig.«
»Hier herein, Kapitän«, sagte Manny und schob mich durch eine ledergepolsterte Tür auf einen riesigen Neureichenteppich unter einem Leuchter aus Murano-Glas.
Die Vorhänge hatten Goldschnüre. Vor einem mit Einlegearbeiten verzierten Schreibtisch stand ein Stuhl in italienischer Walnuß mit hoher Lehne. Vor einem offenen Adam-Kamin stand ein sagenhaftes Sofa in Goldbrokat, und die Drinks holte man sich aus einem in die pastellene Holztäfelung verdeckt eingelassenen Schränkchen. Die Nobelschwulen von der King’s Cross hatten sich für Manny ins Zeug gelegt. Alles war echt, alles war teuer, und das Ganze machte einen ebenso harmonischen Eindruck wie das Foyer im ›Haus der Nationen‹... und war ebenso erdrückend.
Manny warf mir von der Seite einen Blick zu, während er sich über die Drinks beugte.
»Gefällt es Ihnen, Kapitän?«
Ich schnalzte mit der Zunge und sagte: »Es muß Sie eine Menge Geld gekostet haben, Manny.«
Er nahm das als Kompliment, grinste und sagte: »Das ist sogar mir unheimlich, wieviel. Aber immerhin arbeite ich hier, und deshalb meine ich, darf es ruhig etwas gemütlicher sein. Außerdem macht es Eindruck auf die Kundschaft.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß Ihre Kunden jemals hier hereinkommen, Manny.«
Ich zwinkerte und lächelte ihm über den Rand meines Glases zu, mit dem sehr anzüglichen Von-Mann-zu-Mann-Lächeln, das einem Mann wie Manny die Brust anschwellen und ihn vergessen läßt, daß er sich kaufen muß, was andere Männer nur der Liebe wegen bekommen. Manny zwinkerte zurück und hob sein Glas.
»Auf die Mädchen... Gott segne sie!«
Wir tranken. Dann winkte Manny mich auf das Sofa, während er selbst mit dem Rücken an dem Adam-Kamin lehnte, die Ellbogen auf den Marmorsims gestützt. Ich kannte diese Taktik. Es ist schwer, im Sitzen jemandem etwas zu verkaufen, der steht. Sie sollten es einmal versuchen. Ich entschied mich, es mir so bequem wie möglich zu machen. Ich lehnte mich tief in den Goldbrokat zurück, schlug meine Beine übereinander und versuchte, entspannt dazusitzen, während ich darauf wartete, daß Manny das Gespräch eröffnete.
Mannys Augen waren wieder verschleiert wie die eines Vogels, so daß kein Leuchten und kein Glanz darin zu sehen war. Als er redete, war seine Stimme weich, beinahe liebevoll.
»In welchem Geschäftszweig sind Sie tätig, Kapitän?«
»Was tut das zur Sache?«
Manny zwickte die Spitze einer teuren Zigarre ab und brannte sie umständlich an. Als sie richtig zog, blies er eine Rauchwolke von sich und deutete mit der Zigarre zur Tür. »Dort draußen an den Tischen – nein, da interessiert das nicht. Jeder zahlt für seine Drinks. Wenn sie verlieren, zahlen sie für die Chips. Wenn sie gewinnen, machen sie kein Aufsehen. Sonst will ich nichts von ihnen wissen. Sie sind so einer, Kapitän. Ich sehe Sie gern bei mir. Aber das hier ist was anderes. Hier geht es ums Geschäft. Da muß man zusammenarbeiten. Deshalb muß ich über Sie Bescheid wissen.«
Ich lächelte ihn an – nett und freundlich, ohne jeden böswilligen Hintergedanken. Ich sagte: »Nur aus Neugier, Manny – was glauben Sie, was ich so treibe?«
Manny stieß noch mehr Rauch aus und verzog den Mund und sagte: »Das habe ich schon öfter herauszubekommen versucht, Kapitän. Sie sind nicht beim Militär, obwohl Sie ein Militärgesicht haben. Wahrscheinlich verliert das keiner, der ’mal bei der Marine war. Sie könnten in der Wollbranche sein, aber dafür geben Sie zuwenig aus. Sie spielen vorsichtig, und wenn Sie keine Chips mehr haben, hören Sie auf. Sie könnten Vertreter sein, wenn Sie auch nicht gerade wie ein Verkäufer aussehen. Arzt, Zahnarzt vielleicht. Ja, wie gesagt, ich bin noch nicht draufgekommen.«
»Ich bin Historiker.«
Die Zigarre fiel ihm fast aus dem Mund.
»Was?«
»Historiker. Ich halte Vorlesungen an der Universität von Sydney.« Manny war verdutzt. Man sah es trotz des Schleiers, der seine Pupillen überzog. Ich hatte einen Fuß drin. Wenn ich ihn dortbehielt, hätte ich vielleicht eine Chance. Manny gönnte sich eine Erholungspause, bevor er seine nächste Frage abschoß.
»Was bringt das ein?«
»Elfhundert im Jahr... zwölf mit Zusatzvorlesungen.«
»Taschengeld«, sagte Manny, knapp und treffend. »Für einen Kerl mit Köpfchen – ein Taschengeld.«
»Deswegen bin ich an Geschäften interessiert.«
Many schüttelte den Kopf. »Für Geschäfte braucht man Kapital. Was haben Sie?«
Ich stand auf und warf die Münze noch einmal vor seiner Nase hoch. »Ich habe das da.«
»Was ist sie wert?«
»Der Goldwert? – Etwa sechs australische Pfund. Der Sammlerwert – ungefähr dreißig. Ich habe sie schätzen lassen.«
»Damit können Sie vielleicht ins Popcorngeschäft einsteigen, Käpt’n, aber für Manny Mannix ist das nichts.«
Jetzt war der kritische Augenblick da. Wenn ich jetzt etwas Falsches sagte, war ich verloren und mein Schatzschiff ebenso. Ich sagte nichts, sondern lächelte. Ich ging mit meinem Glas zu dem Schränkchen hinüber und machte mir noch einen Drink. Das verwirrte Manny wieder etwas; verwirrte ihn und machte ihn neugierig. Ich brachte meinen Drink zum Kamin zurück und prostete ihm zu. Dann sagte ich: »Das Schlimme mit Leuten Ihres Schlages, Manny, ist, daß sie glauben, sie wüßten alle Antworten. Aber niemand kann Ihnen das erzählen, was ich Ihnen erzählen kann.«
Manny lief rot an, beherrschte sich aber.
»Und Sie glauben, mir etwas erzählen zu können, Kapitän. Ich habe alles, was ich will... und für alles habe ich bezahlt, mit Geld, das auf der Bank gespart war. Was können Sie mir schon erzählen, das ich noch nicht weiß?«
»Woher diese Münze kommt, zum Beispiel.«
»Nun spucken Sie’s schon aus. Woher kommt sie?«
»Von einer spanischen Galeone, die von Acapulco aus im Oktober 1732 in Richtung Manila auslief und mit Mann und Maus gesunken ist.« Mannys Miene entspannte sich, und er grinste skeptisch.
»Geschichten von versunkenen Schätzen, huhu? Der älteste Bauernfängertrick, den es gibt. Haben Sie auch eine Karte? Eine alte Piratenkarte vielleicht? Die kaufe ich für fünf Dollar das Stück überall in der Karibik. Die Eingeborenen machen sie für die Touristen wie die Schrumpfköpfe.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, keine Karte.«
»Also, weiter, was haben Sie noch?«
Ich zog den Brief aus meiner Tasche und hielt ihn ihm hin. Er las ihn sorgfältig und versuchte, aus den Höflichkeitsfloskeln und dem gespreizten Englisch die Tatsachen herauszufiltern. Dann sah er mich an und klopfte mit dem Daumen auf den Brief.
»Ist der echt?«
»Ja. Niemand fälscht Ihnen so ein Dokument. Kostet auch nur ein Telegramm, um herauszufinden, ob es echt oder falsch ist.«
Manny nickte. So weit hatte er die Sache verstanden.
»Ja... ja. Kann stimmen. Aber der Brief sagt nicht genug. Es gab da ein Schatzschiff. Diese Münze könnte von ihm stammen. Es steht hier nicht, daß sie wirklich von ihm stammt.«
»Genau an diesem Punkt komme ich ins Spiel. Ich bin Historiker, wie ich Ihnen sagte. Es ist mein Beruf, historische Beweise zu suchen, abzuwägen und ihren Wert zu bestimmen. Ich habe genug Beweise beisammen, die zeigen, daß die vermißte Galeone in der Nähe der Stelle gesunken sein könnte, wo ich die Münze gefunden habe.«
»Wo war das?«
Jetzt war ich mir seiner sicher. Er fuchtelte nicht mehr mit der Zigarre herum. Der Schleier vor seinen Pupillen war verschwunden, und ich erkannte Begierde und Neugier und das kalte Kalkül des Händlers, der Kosten gegen Nutzen aufrechnet und seine Profitrate abschätzt. Ich hatte ihn jetzt besser unter Kontrolle, wie einen müden Fisch, der nicht mehr lange kämpfen wird. Ich redete eine deutliche Sprache.
»Die Stelle ist mein Geheimnis. Ich kenne sie. Ich habe diese Münze selbst dort gefunden. Ich werde es erst sagen, wenn wir einen gültigen Vertrag gemacht und unterschrieben haben.«
»Wieviel wollen Sie?«
»Gegen den halben Anteil – tausend Pfund und alle anfallenden Kosten.«
Jetzt war es heraus. Die Chips waren gesetzt. Es gab nichts mehr zu tun oder zu sagen. Jetzt mußte Manny Mannix ausspielen.
Aber Manny war noch nicht bereit zu einem Angebot. Er hatte noch Fragen.
»Angenommen, wir würden dieses Schiff finden – dort, wo es Ihrer Meinung nach liegt –, wieviel von diesem Zeug wäre da wohl drin?«
»Im Brief steht, zwanzig Kisten Gold. Ich habe keine Ahnung, wieviel das wert sein könnte... zwanzigtausend, dreißig..., so in etwa; könnte natürlich auch viel mehr sein.«
»Könnte sein. Könnte auch sein, daß das Ganze sich als taube Nuß herausstellt, dann haben wir nämlich gar nichts.«
»Könnte sein«, gab ich zu. »Ist aber nicht so. Ich weiß es. Meine Frau und ich haben die Münze selbst heraufgeholt.«
Manny warf mir einen schnellen, forschenden Blick zu. »Sie sagten mir nichts davon, daß Sie verheiratet sind.«
»Meine Frau ist einen Monat nach der Hochzeit gestorben.«
Manny gluckste und sagte: »Ihr Pech.« Dann kam die nächste Frage. »Sie sagten, Sie wollen tausend für sich und alle anfallenden Kosten. Was für Kosten sind denn das, Kapitän?«
»Zweitausend Pfund – plusminus etwas. Man könnte es für weniger machen, aber das würde mehr Arbeit kosten.«
»Was ist denn da alles miteingerechnet?«
Manny war so offenkundig interessiert, wir waren so offenkundig vom spekulativen Feilschen zu praktischen Überlegungen vorgedrungen, daß ich meine Vorsicht vergaß.
Ich beantwortete seine Frage, klar und einfach.
»Fünfhundert, um die Insel zu kaufen. Damit hätten wir die Land- und Wasserrechte und unterlägen nicht mehr dem Ablieferungsgesetz. Dann ein Kajütboot, Sauerstoffgeräte und Vorräte und vielleicht einen Berufstaucher für die letzte Phase. Wenn wir uns einig werden, könnte ich Ihnen eine genaue Aufstellung machen.«
Ich hatte meine eigene Fallgrube ausgehoben und ging fröhlich pfeifend hinein; damals allerdings wußte ich das noch nicht. Ich wußte es erst viel später. Damals wußte ich nicht einmal, warum Manny lächelte. Als er unseren dritten Drink mixen ging, glaubte ich, er wolle damit unsere Vereinbarung besiegeln. Das zeigte, daß ich Manny nicht kannte. Es zeigte, daß ich das war, wofür Manny mich hielt: ein einfältiger Historiker, der die grundsätzlichen Lehren aus der Geschichte nicht gezogen hatte: die blinde Eitelkeit des menschlichen Wünschens, den Wankelmut der Frauen und die Tatsache, daß ein Dummkopf niemals eine gerechte Chance erhält – weil er keine verdient.
Manny kam mit den Drinks zurück. Wir erhoben unsere Gläser und lächelten uns über die Ränder zu. Dann sagte Manny, ganz sanft: »Tut mir leid, Käpt’n... aus dem Geschäft wird nichts.«
Es war so endgültig wie ein Schlag ins Gesicht. Und Manny lächelte und lächelte und lächelte.
Ich lächelte nicht. Ich fühlte mich krank, müde und gedemütigt, und ich wollte nach Hause gehen. Dann holte Manny zu einem letzten Schlag aus.
»Ich mache Ihnen ein Angebot, Kapitän. Damit Sie sehen, daß ich es gut mit Ihnen meine, kaufe ich Ihnen die Münze für den Marktpreis ab – dreißig Pfund. Wird an dem Armband der Kleinen hübsch aussehen.« Jetzt lachte ich selbst. Gott weiß warum, aber ich lachte. Ich warf die Münze, fing sie auf und sagte zu Manny: »Spendieren Sie mir dazu noch einen Kuraufenthalt an Ihrer Bar heut’ nacht, und die Sache ist gemacht.«
Manny sah mich mit kühler Verachtung an, ging dann zu seinem Schreibtisch hinüber und zählte dreißig Pfund in knisternden neuen Banknoten ab. Er spannte einen Gummi um das Bündel und legte es flach in meine ausgestreckte Hand. Er sagte: »Wenn Sie gescheit sind, Käpt’n, bleiben Sie von den Tischen weg und halten sich an die Bar. Die Drinks gehen auf Rechnung des Hauses, wie Sie verlangt haben.«
»Danke, Manny«, sagte ich, »danke und gute Nacht.«
»Gute Nacht«, sagte Manny, »gute Nacht, Dummkopf.«
Ich weiß noch, daß ich zur Bar ging und einen doppelten Scotch bestellte.
Danach nichts mehr.
Um neun Uhr am nächsten Morgen fand mich der Dekan der Universität schnarchend zwischen den Ziersträuchern seines Vorgartens.
Um vier Uhr nachmittags desselben Tages nahm die Fakultät mein Entlassungsersuchen an und gewährte mir ein Monatsgehalt anstelle einer fristlosen Kündigung. Ich stand da mit einem schrillen Katzenjammer, ohne Job, ohne Aussichten und mit etwas über hundert Pfund Bargeld. Manny war nämlich gut zu mir gewesen. Bevor er mich auf die Straße beförderte, hatte er seine dreißig Pfund in meiner Brusttasche angeheftet und einen Zettel dazugesteckt:
»Ihr Pech, Kapitän. Es war ein nettes Spielchen.«
Das ist Manny. Ein freundlicher Mensch mit Sinn für Humor.