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Mein Geld lag auf der Bank. Mein Platz im Flugzeug war gebucht. Mit der Post unterwegs war ein Brief an die Liegenschaftsabteilung der Regierung von Queensland, der mein Kommen ankündigte und meine Absicht, über den Kauf oder die Pachtung einer Insel des inneren Riffgürtels zu verhandeln, die dort und dort in den Verzeichnissen aufgeführt sei. Meine Siebensachen waren gepackt und meine Miete war bezahlt. Ich fuhr mit der Fähre die Lane-Bucht hinauf, um mit Nino Ferrari zu sprechen.

Nino ist Genuese; ein magerer, drahtiger, braunhäutiger Mann mit Krähenfüßen in den Augenwinkeln. Nino war Froschmann in Mussolinis Marine gewesen; er hatte mehr als ein paar tausend Tonnen alliierten Schiffsmaterials auf den Grund des Mittelmeeres geschickt.

Jetzt, als Einwanderer, besaß er im Hafenviertel eine kleine Fabrik, in der er Sauerstoffgeräte für die Marine und die Speerfischer fertigte sowie für alle die, die dem Zauber der blauen Tiefe erlegen sind. Seine Arbeiten sind genau, zuverlässig. Seine Kenntnisse über das freie Tauchen im tiefen Wasser sind enzyklopädisch.

Ich sagte ihm, was ich wollte – ein Sauerstoffgerät und Flaschen. Er fragte mich ernst:

»Ist das zum Vergnügen, Signor Lundigan – oder geschäftlich?«

»Macht das einen Unterschied, Nino?«

»Si, si... es macht eine ganze Menge Unterschied.«

»Warum?«

Nino zuckte die Schultern und spreizte beschwörend die Hände.

»Warum! Ich sage Ihnen, warum. Sie kaufen diese Sachen zum Vergnügen, dann finden Sie vielleicht ein hübsches, interessantes Felsenloch in fünf Meter Tiefe und werden stundenlang ohne viel Gefahr beschäftigt sein. Sie werden Ferien in der Sonne machen und hinuntertauchen und die Korallen anschauen – speerfischen vielleicht... und damit hat sich’s. Sie hüten sich vor den Haien, Sie beachten ein paar einfache Regeln, und nichts wird Ihnen zustoßen. Aber wenn es geschäftlich ist...«

Er brach plötzlich ab. Ich wartete einen Augenblick und hakte dann sachte nach.

»Wenn es geschäftlich ist, Nino?«

»Dann, mein Freund, brauchen Sie Training.«

»Ich habe keine Zeit.«

»Dann werden Sie wahrscheinlich sterben, sehr bald.«

Das brachte mich aus dem Konzept. Nino spaßte nicht. Nino war ein Profi. Er hatte nichts zu verlieren, indem er mir die Wahrheit sagte. Ich fragte mich, ob ich etwas zu verlieren hatte, wenn ich Nino die Wahrheit sagte. Sein kühler, offener Blick beantwortete diese Frage. Nein, ich hatte nichts zu verlieren. Also sagte ich ihm die Wahrheit.

»Ich suche ein Schiff, Nino.«

Für Nino war das nichts Besonderes. Er nickte nüchtern.

»Bergung?«

»Schatz.«

Ninos wetterfestes Gesicht entspannte sich zu einem Lächeln.

»Wissen Sie, wo dieses Schiff ist?«

»Ich weiß, wo es sein müßte. Ich muß es erst finden.«

»Wo glauben Sie es zu finden?«

Ich sagte es ihm. Ich erzählte ihm, was nach meiner Meinung der ›Doña Lucia‹ zugestoßen war. Ich zeichnete ihren Kurs auf. Ich zeigte ihm, wie ich mir ihr Ende vorstellte..., wie sie am äußeren Riff der Insel mit dem Höckerpaar versunken war.

Nino hörte aufmerksam zu und nickte zustimmend zu meiner Historikerlogik. Als ich fertig war, langte er nach einem Stift und einem Zeichenblock und begann mich auszufragen.

»Als erstes werden Sie mir bitte sagen, was für eine Insel das ist. Ist es ein Atoll?«

»Nein, es ist eine feste, natürliche Insel. Ein Felshügel aus Erzgestein und Erde mit Klippen auf einer Seite und mit einem Streifen Sandstrand auf der anderen. Das Korallenriff ist darum herumgewachsen.«

»Ganz herum?«

»Nach den Karten ja. Aber es gibt da eine Durchfahrrinne. Ich habe sie vor Jahren gefunden.«

Nino skizzierte rasch etwas auf den Block. Er entwarf die Konturen einer Insel... einen kleinen Berg, der sich über den Wasserspiegel erhob. Er entwarf einen langgezogenen, mit schroffen Korallenbauten besetzten Unterwassersockel. Und jenseits der Korallen einen kürzeren, simsartigen Schelf; dahinter einen steilen Abfall ins tiefe Wasser. Dann schob er mir die Zeichnung hin.

»Ist es vielleicht so etwas Ähnliches?«

»Sehr ähnlich.«

»Gut.«

Er nahm wieder den Bleistift und fing ein Bild zu zeichnen an, das langsam, während er redete, fertig wurde. »Zwei Dinge können Ihrer Galeone passiert sein. Entweder: sie fährt bei mäßigem Wind aufs Riff auf. Sie wird leckgeschlagen. Sie geht unter. Sie setzt sich hier auf den Grund... rutscht den Abhang hinunter ins tiefe Wasser... wie tiefes Wasser... wie tief, würden Sie sagen, ist es an dieser Stelle?«

»Ich weiß es nicht. Das ist das erste, was ich herausfinden muß.«

Nino nickte. »Es ist auch das Gefährlichste. Aber wir kommen darauf noch zurück. Wenn es nicht zu tief ist und wenn die Galeone noch nicht von den Korallen aufgefressen worden ist, können Sie eine Chance haben. Aber... wenn das andere passiert ist... wenn sie in einem Sturm gesunken ist... dann ist sie von der Brandung zermalmt worden. In diesem Fall, sage ich Ihnen, ist Ihre Chance nicht einmal eins zu einer Million; ihre Spanten sind dann zerschmettert worden, ihre Schatzkisten vielleicht auch... aber selbst, wenn nicht, wären sie auf den Grund gesunken, und zweihundert Jahre Korallenwuchs hätten sie verschluckt... und Sie finden nichts... nichts bis zum Jüngsten Tag.«

Nino sah von der Zeichnung auf. Seine ehrlichen Augen durchforschten mein Gesicht.

Meine Frage war ohne Umschweife.

»Wenn Sie an meiner Stelle wären, Nino, was würden Sie tun?«

Er lächelte und schüttelte den Kopf.

»Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, aber mit der Erfahrung, die ich heute habe, würde ich das ganze Schatzschiff vergessen und das Geld sparen. Aber... wenn ich Sie wäre, so wie Sie jetzt sind, mit einem Traum im Herzen und ein paar Pfund in der Tasche... dann würde ich hingehen und suchen.«

Ich mußte lächeln. Die Spannung zwischen uns wich. Wir vertieften uns in ein Gespräch über praktische Fragen.

»Zunächst einmal«, sagte Nino umstandslos, »kaufen Sie sich eine militärische Seekarte. Sie finden dort die Wassertiefe vor Ihrem Sockel verzeichnet. Wenn sie nicht mehr als zwanzig Faden beträgt... dann haben Sie eine Chance. Man kann sich durch Training an die Bedingungen und an das Arbeiten in dieser Tiefe gewöhnen, wenn man die Dekompressionszeiten einhält. In größeren Tiefen... nein. Da kommt die Zone des Tiefenrausches, wo einen der Stickstoff im Körper trunken macht... wo jede Bewegung zur Gefahr wird, auch für den Erfahrenen. Sie verstehen genug von diesem Geschäft, um zu wissen, was ich meine.«

Ich nickte zustimmend. Ich wußte von den Schrecken der Druckkrankheit, wenn freiwerdender Stickstoff in den Gelenken und in der Wirbelsäule wie Champagner explodiert und den unvorsichtigen oder unglücklichen Taucher zu bizarren Verkrümmungen zusammenflicht. Ich hatte über den unheimlichen, tödlichen Rausch gelesen, der einen in der blauen Zone ergreift, der einen dazu bringt, mit den Fischen zu sprechen, sich die Luftschläuche wegzureißen und seltsame Sarabanden zu tanzen, während der Tod in der dämmrigen Tiefe schon grinsend wartet.

Nino nahm seine Befragung wieder auf.

»Ist Ihnen klar, daß Sie diese Sache nicht allein machen können?«

»Ich bin nicht allein... Ein... ein Freund von mir wird dabei sein.«

»Taucht er mit Anzug und Helm?«

»Nein... ohne alles. Ein Veteran von den Trochus-Loggern. Stammt von den Gilbert-Inseln. Hat bei den Japanern gearbeitet. Ist größere Tiefen gewöhnt.«

»So...« Nino zog nachdenklich die Mundwinkel nach außen. »Er wird mit Ihnen tauchen; aber er kann nicht mit Ihnen arbeiten.«

»Das will ich auch nicht, Nino. Ich werde allein arbeiten.«

Er zuckte die Schultern. »Es ist Ihr Leben. Ich kann Sie nur über die Risiken aufklären.«

»Ich möchte sie wissen.«

»Dann sag ich nochmal, Sie brauchen Training.«

»Kann ich mich selbst trainieren?«

»J-ja. Ich werde Ihnen eine Liste mit Regeln und Trainingsübungen machen. Sie werden sie täglich streng nach Plan durchführen, jeden Tag etwas tiefer gehen und sich dabei an die jeweiligen Dekompressionszeiten halten. Sie werden in keinem Fall von diesem Übungsplan und den Anweisungen abweichen. Ist das klar? Ihr Leben hängt davon ab. Sie werden da in eine neue Welt kommen. Sie müssen sich mit ihr arrangieren – oder Sie sind verloren.«

Ich wußte, daß es töricht von mir war, Ninos Angebot in den Wind zu schlagen und nicht vor der Abreise zu meiner Insel noch einen Trainingskurs mitzumachen. Aber mir hockten schon kleine schwarze Teufelchen im Genick und ließen mich ihren Stachel spüren. Für mich hieß es »jetzt oder nie«, ehe noch mein Traum verblassen und der saure Geschmack der verlorenen Illusionen in mir aufsteigen konnte. Nino verstand mich, so glaube ich, aber er konnte meine Besessenheit nicht gutheißen.

Er führte mir die Ausrüstung vor, zeigte mir, wie ich ihre einfachen Mechanismen funktionstüchtig erhalten konnte. Er ließ mich sie anprobieren und machte eine Reihe kurzer Tauchversuche mit mir in dem Felsenbecken unterhalb seiner Werkstatt.

Dann zogen wir uns wieder an, und in der Werkstatt, bei einem gemeinsamen Glas Chianti, schrieb Nino eine Liste der Teile, die ich von ihm bekommen würde: das Atemgerät selbst, eine Brille mit Sicherheitsglas, Gewichtsgürtel, Flossen, Preßluftflaschen...

»Heilige Mutter!« fluchte Nino vor sich hin. »Bin ich ein Narr. Das hab’ ich vergessen.«

»Was, Nino?«

»Diese Insel. Ist sie weit weg vom Festland?«

»Fünfzehn Meilen plus minus etwas. Warum?«

»Ist eine Stadt in der Nähe?«

»Ja, aber wenn ich erst einmal meine Vorräte habe und draußen bin, möchte ich nicht zurück. Es ist eine Kleinstadt. Besucher fallen auf. Touristen sind ein Objekt für neugierige Gespräche unter den Einheimischen. Das könnte schädlich sein. Aber wo liegt das Problem?«

»Hier.« Nino schlug mit der Hand leicht auf die Metallflasche. »Sie tragen zwei davon. Die haben genug Luft für eineinhalb Stunden unter Wasser. Aber sie müssen wieder gefüllt werden, und dazu braucht man einen Dreistufenkompressor, das ist ein schweres Gerät. Wahrscheinlich gibt es in Ihrem Städtchen so eine Maschine gar nicht.«

Jetzt war das Fluchen an mir. Ich fluchte... das konnte ich gut genug. »Was kann man denn da machen?«

»Überhaupt nichts. Ich werde Ihnen zwanzig Flaschen verkaufen, beinahe meinen ganzen Bestand. Sie werden sie auf Ihre Insel verfrachten müssen. Damit haben Sie genug für fünfzehn Tauchstunden. Danach müssen Sie sie nach Brisbane schicken und füllen lassen.«

Zwanzig Preßluftflaschen zu je sieben Pfund machte hundertvierzig Pfund – plus Luftfracht. Wenn ich Nino verließ, würde ich um 280 Pfund ärmer sein, und alles, was ich davon hatte, waren fünfzehn Stunden Zeit, mein Schatzschiff zu finden. Andererseits, wenn ich es in fünfzehn Stunden nicht fand, würde ich es nie finden.

Mir blieb keine Wahl, als mit Gleichmut zu bezahlen und zu hoffen, daß mein Geld sich in gelbes Gold mit dem Stempel Seiner Allerkatholischsten Majestät von Spanien verwandeln würde.

Wir machten den Kauf perfekt. Wir besprachen technische Details. Dann, als der Wein getrunken war und ich aufstand, legte Nino Ferrari seine Hand auf meine Schulter. In seinem Lächeln war mehr als eine Spur Ironie; aber ob diese Ironie mir galt oder ihm selbst, wußte ich nicht.

»Signor Lundigan,« sagte er, »ich werde Ihnen etwas sagen. Als ich damals anfing und im Mittelmeer herumtauchte, konnte man in jede Bar gehen und einen Mann – ein halbes Dutzend Männer – finden, die alle von einem Schatzschiff wußten, das irgendwo darauf wartete, geborgen zu werden. In meinem ganzen Leben habe ich nie einen getroffen, der mehr als ein paar Tonscherben oder ein Stück Marmor oder eine Bronzestatuette heraufgebracht hätte. Und doch wissen Sie und weiß ich, daß die Schätze Griechenlands, Roms und Konstantinopels immer noch am Grund des Kontinentalsockels liegen. Und wenn Sie mich fragen, warum ich Ihnen das sage: Machen Sie, gehen Sie, tauchen Sie nach Ihrem Schiff. Finden Sie es womöglich. Und wenn Sie auch scheitern, dann haben Sie doch getan, was Ihr Herz verlangte... und das ist wertvoller als alles Gold des Königs von Spanien.«

Nino Ferrari ist Genuese. Genua ist eine schöne, helle, abenteuerliche Stadt mit einer Statue von Christoph Columbus auf ihrem Hauptplatz. Der grobschlächtige alte Visionär wäre stolz auf Nino Ferrari. Ich weiß, daß Nino Ferrari mich für eine kurze Weile stolz auf mich selbst gemacht hat.

Der Herr in der Abteilung für Liegenschaften war gutgelaunt und zuvorkommend – und ziemlich überzeugt, einen Irren vor sich zu haben. Er wies mich darauf hin, daß die Regierung von Queensland nicht zur Veräußerung weiterer landferner Inseln geneigt sei, sich aber glücklich schätzen würde, meine Insel für zehn oder zwanzig oder 99 Jahre zu verpachten, wenn ich sie wirklich so lange haben wollte. Er machte mir deutlich, daß kein Mensch bei normalem Verstand einen solchen Ort länger als 10 Minuten würde besitzen wollen. Es gebe dort weder Wasser noch eine Durchfahrt durchs Riff. Als ich ihm sagte, daß sowohl Wasser als eine Fahrrinne dort vorhanden seien, schnarrte er skeptisch und bat mich, über beides schriftlich den Chefvermesser zu informieren – sofern ich noch immer Pächter der Krone werden wollte.

Und ob ich wollte! Ich wollte sogar noch lieber, als ich erfuhr, daß mich der Pachtzins bloß zwanzig Pfund im Jahr kosten würde und ich mir meine Operationsbasis ohne die Verausgabung eines großen Stückes aus meinem schwererrungenen Kapital sichern konnte.

Die Verpachtung war vollzogen, beglaubigt, gesiegelt und ins Grundbuch eingetragen, und Renn Lundigan, jetzt mit dem Ehrentitel eines ›Esquire‹, wurde Pächter der Regierung Ihrer Majestät mit dem Recht der freien und ungestörten Verfügung über eine grüne Insel mit einem weißen Strand und einem Korallenriff fünfzehn Meilen vor der Küste von Queensland.

Die ganze Transaktion war ein so simpler, so offensichtlich trivialer Akt gewesen, daß ich an eine wichtige Tatsache gar nicht mehr dachte. Ein Dokument zu unterschreiben, zu siegeln und aktenkundig zu machen, ist ein rechtsgültiger Vorgang, unwiderlegbar wie ein Tonbandprotokoll – nur ein verdammtes Stück öffentlicher. Aber daran dachte ich nicht im entferntesten, als ich mir die Kopien in die Tasche steckte, zusammen mit meinem Kreditbrief und den Frachtbriefen von Nino Ferrari, und mich im aufkommenden Sonnenschein auf den Weg zum Frachtbüro der Fluglinie machte.

Meine Ausrüstung erwartete mich schon, verstaut in drei Holzkisten. Es stellte sich nunmehr das Problem, wie sie zur Insel hinauszuschaffen waren. Man konnte sie mit dem Flugzeug die Küste hinaufbringen, dann mit dem Zug in das Städtchen gegenüber der Insel und dann per Barkasse hinüber. Aber das gefiel mir überhaupt nicht. Man riskierte dabei Verzögerungen und Beschädigungen. Man hatte das noch größere Risiko des Klatsches und des ungebetenen Interesses, wenn solch massives Gepäck auf eine Insel verfrachtet wurde, auf der nicht einmal Touristen für ihre Picknicks und ihre Paddeltouren um das Barrier-Riff an Land gesetzt werden konnten.

Behutsam besprach ich das Problem mit dem Frachtgehilfen.

Er sagte mir, es gebe alle vierzehn Tage ein Flugboot zu den Touristeninseln in der Whitsunday-Passage. Auf einer von ihnen könnten meine Kästen abgesetzt werden. Ich könnte sie dann mit meiner Barkasse abholen. Er setzte voraus, daß ich eine Barkasse hatte. Ich bejahte dies – was nicht die reine Wahrheit war. Ich hoffte, bis dahin eine Barkasse zu haben. Aber erst mußte ich eine finden und sie, um welchen Preis auch immer, kaufen. Ich beglich die happige Frachtrechnung, unterschrieb Versicherungsscheine und nahm seine persönliche Versicherung entgegen, daß meine Kästen von Donnerstag an zur Abholung bereitliegen würden – vorausgesetzt, das Wetter mache mit und die alte ›Catalina‹ verlöre nicht unterwegs den Motor.

Dann kaufte ich mir ein Ticket für einen Flug am nächsten Nachmittag und ging zu Lennons Hotel hinüber, um mir einen Drink zu bestellen.

Juli ist Touristensaison in Brisbane. Die Sonne ist dann nach Norden vom Steinbock in den Krebs gezogen. Die Regenwochen sind vorbei, und der Himmel ist blau und die Luft von einer knisternden Frische, die Gold wert ist für die Landhaie und die Gastwirte und die Zimmervermieter und die Besitzer möblierter Appartements von Southport bis Caloundra. Die Wohlhabenden ziehen dann von Melbourne und Sydney nach Norden. Die Playboys schwenken ihre Geldscheine, und die Playgirls bieten ihre Reize feil. Die Regenbogenpresse schleust ihre Spione ein, und die Kameraleute und Fotografen haben ihre Freilufttermine mit den Mannequins der Modebasare. Man kriegt dann kein Zimmer mehr für Gotteslohn; man bekommt freilich welche für Geld – viel Geld. Die Touristeninseln sind gerammelt voll, und die Tiefdruckpressen werfen Farbprospekte und Sonderbeilagen aus über die Riviera des Südpazifiks und das Waikiki des nahen Nordens.

Die gewitzten Geschäftsleute mit ihrer gedehnten Sprache lächeln in ihren Tropenanzügen, während sie in Lennons Bar ihre Drinks schlürfen und den Preis für ein Hundert-Meter-Areal Dünensandes im ›Idiotenstreifen‹ um weitere tausend Pfund in die Höhe treiben.

Ich war ein Fremder unter ihnen. Sie würden freundlich zu mir sein, wie immer zu Leuten aus dem Süden; dennoch würde ich ein Auswärtiger bleiben.

Ich wechselte von der Bar in die Halle und fingerte an einem Krug Bier herum, während ich die Touristen beobachtete; sie paradierten nördlich, zu den Inseln des Riffs, oder südlich zur Bikinischau vorüber.

Ich beneidete sie um ihre Freiheit und ihre kleinen oder größeren Reichtümer. Zwar hatten sie keine eigene Insel. Zwar hatten sie weder eine Hoffnung noch eine Ahnung von Truhen mit Gold zwischen Korallenästen. Aber dafür saßen ihnen auch keine kleinen Teufelchen im Genick, keine tanzenden Kobolde, die sie auf einsame Meerespfade hinaustrieben, zu öden Untiefen im kalten Mondlicht. Nichts zwang sie dazu, in tiefes Wasser hinabzutauchen, sich mit den monströsen Farbgebilden in den Unterwasserwäldern anzufreunden. Ich beneidete sie, aber Neid ist ein gefährliches Laster, und Selbstmitleid ein noch gefährlicheres. Ich hatte zuviel eingesetzt und zuviel verloren und meinen Einsatz zu mühselig gewonnen, als daß ich noch einmal locker lassen könnte.

Ich hatte gerade den Entschluß gefaßt, mein Glas zu leeren und mich in ein Kino zu setzen, als ich sie sah.

Ein Kellner in Seidenhemd und roter Hüftschärpe führte sie zu einem Tisch unter den Palmen. Er ließ ihr eine Behandlung zuteil werden, wie sie bekannten und bevorzugten Gästen vorbehalten ist. Er fügte freiwillig noch etwas mehr hinzu, weil er jung und sie schön war – doch war sie sehr darauf bedacht, die Risse zu verdecken, die ihre Schönheit an den Saumstellen bereits bekam.

Er beugte sich nahe zu ihr, als er den Stuhl zurückzog. Sie lächelte ihm über die nackte Schulter zu und trug ihre Bestellung mit der einstudierten Gestik des Mannequins vor. Als sie ihre Hand hob, hörte ich das Klirren ihres Armbands und sah den matten Goldschein meiner spanischen Münze.

Es war Manny Mannix’ Freundin, die Schönheit mit den klug abschätzenden Augen und den herabhängenden Mundwinkeln, das Mädchen, das mitangesehen hatte, wie ich an den Tischen mein ganzes Geld verlor und dann auf die Straße befördert wurde, als mein Rausch mich empfindungslos gemacht hatte.

Ich fühlte, wie sich eine kleine kalte Hand um mein Herz schloß. Wenn seine Freundin hier war, mußte Manny auch hier sein; und Manny war ein Aasgeier, der sein Leben lang über den Orten von Mord und Totschlag kreiste.

Dann zündete ich mir eine Zigarette an und sagte mir, daß ich töricht war. Das Mädchen war allein hier. Sie war nicht mehr mit Manny zusammen. Er hatte sie ausbezahlt, wie er die anderen ausbezahlt hatte, und sie war zur »Goldküste« gezogen, um ihren Gewinn in einen neuen Mann mit vielversprechendem Banksaldo zu investieren.

Der Kellner brachte ihr einen Drink. Sie zahlte. Das war ein gutes Zeichen. Mädchen wie sie zahlen ihre Drinks nie selbst, wenn sie jemand haben, der für sie berappen kann. Ich sah die Münzen blinken, als sie ihr Glas an den Mund setzte, vornehm, selbstbewußt, wie ein dressiertes Tier.

Dann kam mir plötzlich ein verrückter Gedanke. Er brachte mir meine Zuversicht und gute Laune zurück, wie eine gute Droge.

Ich drückte meine Zigarette aus und ging hinüber zu der lauschigen Ecke unter den Palmen. Sie sah mich kommen, die letzten zehn Schritte, aber ihre Augen waren leer und auf ihren Lippen zeigte sich keine Spur eines Grußes.

Ich beugte mich über den Tisch, lächelte mein kleines Wehmutslächeln und sagte:

»Kennen Sie mich noch?«

»Ich kenne Sie.«

Ihre Stimme war so wenig verändert wie ihr Gesicht. Sie war noch immer flach, verdrießlich, unsympathisch.

»Darf ich mich setzen?«

»Bitte.«

»Danke.«

Ich setzte mich. Sie trank aus und stieß das Glas auf meine Seite herüber. Diese Geste war eine offenkundige Ungezogenheit.

»Sie können mir noch einen kaufen, wenn Sie wollen.«

»Sie meinen, wenn ich es mir leisten kann.«

»Oh, ich weiß, daß Sie’s können – Manny hat mir erzählt, daß Sie im Geld schwimmen.«

Wieder griffen die kleinen kalten Finger nach meinem Herzen, aber es gelang mir zu lächeln, und meine Worte klangen gleichgültig genug.

»Glauben Sie ihm. Manny ist ein schlaues Kerlchen.«

»Er liebt Sie nicht besonders, Kapitän.«

»Das beruht auf Gegenseitigkeit.«

Sie blies mir eine Rauchwolke ins Gesicht und fügte das Sprüchlein hinzu: »Zwei und einer macht drei, Kapitän.«

»Was wiederum bedeutet?«

»Daß ich Manny auch nicht gerade liebe.«

»Ich glaubte, er sei mit Ihnen hier.«

»Nein. Manny hat andere Eisen im Feuer. Diesmal ein Brünettes.«

Ich sagte, es täte mir leid, das zu hören. Ich wollte gerade sagen, daß Männer, die Mädchen so behandelten, wie Manny es tat, überhaupt keine Männer seien. Sie unterband meine kleine Predigt mit einer halbstarken Handbewegung.

»Sparen Sie sich’s, Kapitän. Sie können mich nicht leiden. Ich Sie nicht. Wozu also freundliche Reden. Sie wissen, daß Manny mir Ihre Münze gegeben hat?«

Sie streckte ihr Handgelenk vor, so daß das alte Stück herausfordernd unter meiner Nase baumelte.

»Ja. Er hat mir gesagt, er würde es Ihnen geben.«

Zum ersten Mal lächelte sie. Sie fuhr sich mit einer kleinen, behenden Zunge über die Lippen. Aus ihren Augen leuchtete boshaftes Vergnügen.

»Wollen Sie sie zurückhaben?«

»Ja.«

»Wieviel zahlen Sie?«

»Dreißig Pfund. Soviel habe ich von Manny dafür gekriegt.«

»Sagen wir fünfzig, Kapitän, und der restliche Plunder gehört Ihnen auch.«

Ich holte meine Brieftasche heraus, zählte zehn Fünfpfundnoten ab und legte sie wortlos auf den Tisch. Sie klipste ihr Armband auf und fegte es zu mir herüber, nahm die Scheine und schob sie in ihre Handtasche. »Danke,« sagte sie flach. »Ich war schon runter bis zum letzten Fünfer. Jetzt können Sie mir den Drink bestellen.«

Ich nahm eine Zehnschillingnote heraus und steckte sie sorgfältig unter den Aschbecher. Dann stand ich auf.

»Es tut mir leid. Ich verlasse heute die Stadt. Wenden Sie sich besser den Touristen zu. Die wollen sich vergnügen. Ich habe zu arbeiten.«

Es klang billig, und es war billig. Sogar Manny Mannix hätte es nicht schmutziger sagen können. Ich versuchte, genug Anstand und Worte zusammenzukratzen, und eine Entschuldigung vorzubringen.

»Ich – es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen sollen.«

Sie zuckte die Achseln und langte nach ihrer Puderdose. »Das bin ich gewöhnt. Noch was, Kapitän...«

»Ja?«

»Manny hat mir gesagt, Sie hätten etwas, was er haben will.«

»Das ist Mannys Art zu leben – etwas wollen, was jemand anderem gehört.«

»Diesmal schwört er darauf, daß er es kriegen wird.«

»Erst muß er mich einmal finden, und er wird lange suchen müssen. Und wenn er mich auch finden sollte...«

Ich entfernte mich, während ich redete, aber sie hielt mich auf.

»Wenn er Sie findet, Kapitän... wenn er Sie findet, bringt er Sie um.«

Der Schatz der Dona Lucia

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