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Kapitel 3
ОглавлениеIch ging ins Freie und sog die Luft dankbar tief ein. Sie schmeckte so rein und wirkte belebend, dass meine Lippen einen erleichternden Ausdruck formten. Fast schon ein Lächeln. Aber eben nur fast. Ein kurzer Impuls wollte mich in den Laden drängen, um ihr nochmals zu danken. Oder um Entschuldigung zu bitten. Oder was auch immer. »Ich hasse dich«. Diese drei Worte schwirrten um meinen Geist, wie lästige Stechmücken. Ich konnte mich nicht erinnern sie jemals zuvor gesehen zu haben und doch. Sie kam mir merkwürdigerweise bekannt vor.
Ich atmete schwermütig und geräuschvoll aus und hoffte inständig darauf, mich verhört zu haben. Schließlich ist es kein schönes Gefühl von jemandem, gehasst zu werden. Vor allem, wenn man nicht die leiseste Ahnung hat, weshalb. Ich hielt abrupt den Atem an. »Sie hasst mich, also kennt sie mich«, stieß ich erleichtert aus. Was für ein Glück! Ich drehte hastig um und wollte schwungvoll die Türe aufstoßen. Sie öffnete sich nicht. Ich rüttelte noch einige Male an der Klinke, bis ich endlich das Schild las. »Geschlossen«. Ich hämmerte an die Ladentür. Laut zu rufen half ebenso wenig. Keine Ahnung, wie lange ich das hier tat. Nichts geschah. Hier, wo immer das auch sein sollte.
Ich blieb ratlos vor der einstigen Todesfalle stehen und beobachtete die vollen Wolken, die gemächlich über der Stadt zogen und aussahen als hätte man Watte in ein Tintenfass getaucht. Schwarze Wolken auf weißem Himmel. »Das ist nur ein Traum«. Mit zitterndem Atmen inhalierte ich die klare und kühle Luft und schloss die Augen, um meine Nerven zu beruhigen.
Erst kurze Zeit später, das Genießen dieses Friedens musste einige Minuten gedauert haben, bemerkte ich, dass der Dunst, der vorhin alles in einen dichten Schleier gehüllt hatte, sich vollständig aufgelöst hatte. Die Straße erschien nach wie vor wie ausgestorben. Aber wenigstens war kein Nebel in Sichtweite. Das befreite die Gegend erheblich von ihrer Bedrohlichkeit. Die Raben schienen auch einen besseren Ort gefunden zu haben. Mein Blick fiel auf das primitive Karussell, dessen auf der Front dümmlich lächelnde Visage darauf hinwies, eine Münze einzuwerfen, um »Eine rasante Fahrt« zu erleben. Vielleicht machte es ja irgendwelche quietschende Geräusche, dachte ich. Brauchte eben etwas, um von diesem beilschwingenden Irren und der mich hassenden Schönheit, abzulenken. Ohne Überlegung griff ich in die rechte Hosentasche und kramte, zu meinem eigenen Erstaunen, eine Münze hervor. Hatte ich überhaupt Geld eingesteckt? Ich erinnerte mich nicht mehr daran. Natürlich tat ich das nicht.
Ich tat es mit einem Schulterzucken ab, denn solche Überlegungen, so dachte ich, waren hier scheißegal und Erinnerungen hatte ich sowieso keine. Das Geldstück verschwand geräuschvoll in dem dafür vorgesehen Schlitz. »Auf gehts«, frohlockte das Karussell mit elektronischem Enthusiasmus. Alles begann zu vibrieren und um mich wurde es schwarz.