Читать книгу Franzis merry little Christmas - Myriam Schenke - Страница 6

Kapitel 4

Оглавление

»Guten Morgen!«, sagte Martin zu der Zeitung, hinter der er Franzi vermutete.

Es hatte geklappt, er stand mit seinen Weihnachtsbäumen auf dem Weihnachtsmarkt und sein erster Weg am ersten Morgen hatte ihn direkt zu Franzi geführt.

Nach dem zweiten, nicht mehr ganz so zaghaften, »Guten Morgen!«, ließ Franzi endlich die Zeitung sinken. »Hallo, schön dass du da bist!« Sie strahlte ihn an. »Hat alles geklappt? Möchtest du einen Kaffee?« Ohne eine Antwort abzuwarten, goss sie ihm einen Becher ein und reichte ihn über die Theke. Dann allerdings griff sie wieder zu ihrer Zeitung. »Entschuldige! Ich will nur schnell noch den letzten Absatz lesen.« Im nächsten Moment war sie auch schon wieder hinter ihrer Zeitung verschwunden.

»Schon Okay«, murmelte Martin und nippte an seinem Kaffee. Nur ein paar Locken und ihre Hände waren noch zu sehen. Obwohl ihre Hände leicht gerötet waren, sah man die zarten Sommersprossen auf den Handrücken. - Ob ihre Hände wohl wieder so kalt waren?

Unvermittelt ließ Franzi die Zeitung sinken und lächelte in seine Beobachtungen hinein. »Hast du schon den Bericht über die neue Ausstellung in der Kunsthalle gelesen? - Sehr interessant. Einer meiner Professoren hat den Artikel geschrieben.«

Martin hob entschuldigend die Schultern. »Ich bin heute Morgen noch gar nicht dazu gekommen, mir eine Zeitung zu holen, geschweige denn sie zu lesen. Es hat eine ganze Weile gedauert, die Bäume und Zäune hierher zu transportieren und alles wieder aufzubauen.«

»Klar! Aber vielleicht kommst du nachher dazu. Ich leih sie dir gerne.«, sagte Franzi.

»Das wäre schön. Es werden ja nicht gleich heute früh Heerscharen von Kunden einen Baum haben wollen. Obwohl ich wirklich hoffe, dass es hier besser läuft als bei der Tankstelle.«

»Das wird es bestimmt.« Franzi war entschieden optimistisch. Sie reichte Martin die Zeitung über den Tresen. Im selben Moment kam Lilly an den Stand. Sie sah die Zeitung und den Artikel mit dem großformatigen Foto. »Oh, der Artikel vom Windei Kugler. Was hat dein Schwarm denn wieder Großartiges verzapft?«

Franzi wurde rot. »Er ist nicht mein Schwarm! Lies den Artikel! Er ist präzise geschrieben und voll interessanter Beobachtungen.«

»Interessante Beobachtungen? Was beobachtet er denn, der Gute?«

»Grr! Du weißt schon, was ich meine! Außerdem musst du doch zugeben, dass er wirklich Ahnung hat, und ein fantastischer Künstler ist und ...«

»Schon gut!« Lilly lachte. »Ich werde nie wieder etwas gegen Kugler den Großen sagen. Es gibt ja auch wirklich schlimmere. Und jetzt schau nicht so sauer. Gib mir lieber einen Kaffee.«

Franzi holte einen weiteren Becher aus dem Regal, füllte ihn mit Kaffee und sagte dabei zu Martin: »Darf ich vorstellen, das ist Lilly.«

»Hi Lilly!«, sagte Martin.

»Hi!«, erwiderte Lilly, sie musterte ihn nicht uninteressiert.

Franzi guckte von einem zum anderen. »Lilly hat mal mit uns zusammen studiert, deswegen meint sie, ihre ätzenden Kommentare abgeben zu können.«

»Richtig. Und ich bin heilfroh, aus diesem Kleckstempel der Eitelkeiten entkommen zu sein.«

»Jetzt versucht sie sich im Musikgewerbe, was ja völlig von Eitelkeiten befreit ist.«

Lilly streckte Franzi die Zunge raus. Die grinste nur, sagte dann aber zu Martin: »Lilly hat eine fantastische Stimme und ihre Band ist wirklich klasse! Eigentlich warten sie nur noch auf den großen Durchbruch.«

»Na ja«, Lilly wiegelte ab. »Um bei der Wahrheit zu bleiben: Wir tingeln von Hochzeit zu Hochzeit, auf der Karriereleiter knapp über dem Alleinunterhalter mit Hammond-Orgel.«

»Aber das klingt doch spannend«, sagte Martin. »Was spielt ihr denn für Musik?«

»Ach, so eine richtige Richtung haben wir eigentlich gar nicht. Ein bisschen Soul, R & B und – na ja, wenn ich ehrlich bin, sind unsere eigenen Stücke erstens rar und zweitens nicht sehr gefragt. Meistens covern wir halt. Aber wir arbeiten an neuen Songs. Und im Moment sind wir, glaube ich, auf einem ganz guten Weg. Allerdings brauchen wir alle noch unsere Brotjobs und deswegen steh ich mir hier auf dem Weihnachtsmarkt die Beine in den Bauch.«

»Sie ist unser Glitzerengel.«, warf Franzi ein. »Jedes Jahr kommt ein neues glitzerndes Produkt hinzu. Glitzerkerzen, Glitzersterne, Glitzer...«

»Glitzerkugeln«, vollendete Martin den Satz.

Verwundert schauten Franzi und Lilly ihn an. Er grinste und deutete auf Lillys Hut, auf dem sie ca. ein Dutzend glitzernde Kugeln drapiert hatte. Lachend sagte Lilly zu Franzi: »Das ist ja ein echter Blitzkneisser!« Die antwortete trocken: »Na ja, er wollte Weihnachtsbäume an der Tankstelle verkaufen, das fand ich jetzt nicht so pfiffig.«

»Ach, du bist das mit den Weihnachtsbäumen.«

»Genau, ich bin der Trottel.«

»Ach was«, sagte Lilly. »Ein bisschen naiv vielleicht. Aber sag mal, wie hat dir denn unser Weihnachtsbaummann gefallen?«

»Ihr habt Waldemar so schön geschmückt?!« Lächelnd sah er von Lilly zu Franzi – und Lilly beobachtete seinen Blick. »Er, also Waldemar hat noch eine Nase und einen Schal bekommen und passt jetzt auf den Stand auf, wenn ich nicht da bin.«, sagte Martin.

»Waldemar, wie wunderbar!«, trällerte Lilly. Schwungvoll drehte sie sich und griff nach dem Zuckerstreuer. »Upps!« Sie prallte mit einem großen, äußerst gediegen gekleideten Mann zusammen. »Jürgen! Was schleichst du dich denn so an? Ich habe einen richtigen Schreck gekriegt.« Was man ihr allerdings keineswegs anmerkte. Jürgen hingegen, sah ziemlich verschreckt aus. »Entschuldige!«, murmelte er und klopfte sich verstohlen den Zucker von seinem eleganten, anthrazitfarbenen Wollmantel. Dann erst nahm er Martin und Franzi richtig war. Er schüttelte Martin förmlich die Hand. »Guten Morgen! Jürgen Simmerlich«, stellte er sich vor.

»Äh, hallo, Martin«, sagte Martin.

»Schön, äh, nett sie, äh, dich kennenzulernen.« Verlegen wandte Jürgen Simmerlich, sich an Franzi: »Franzi, könnte ich bitte einen Kaffee bekommen?«

»Gerne! Wie immer mit Milch und Zucker?« Franzi hatte den Becher schon in der Hand, als Lilly sich einmischte. »Ach, Kaffee kannst du auch nachher noch trinken. Du wolltest mir doch mit der Vitrine helfen. Und ...« Sie sah auf eine imaginäre Uhr am Handgelenk. »Es ist schon verdammt spät!« Ungeduldig trippelte sie auf der Stelle. »Kommst du?«

»Ja klar, ich komme.« Er wollte schon hinter Lilly hereilen, drehte sich aber doch noch mal um und lächelte entschuldigend. »Es tut mir leid! Kann ich vielleicht später ...« Was er hatte sagen wollen, blieb offen. Lilly ließ ihm keine Zeit für weitere Erklärungen. Sie zog ihn einfach hinter sich her und quasselte auf ihn ein.

»Wer war das jetzt?«, fragte Martin, während er den beiden nachsah.

»Das war Jürgen, Lillys Schatten. Sie nutzt ihn von vorne bis hinten aus, und er scheint es auch noch zu genießen. In der Bank, in der er arbeitet, nennen sie ihn schon Glitzi, weil er sich andauernd etwas von Lillys Aura einfängt. Dabei ist er ein ziemlich hohes Tier und ein ganz Schlauer.« Erklärend fügte sie hinzu: »Der Freund meines Mitbewohners kennt ihn recht gut, sie haben geschäftlich oft miteinander zu tun.«

»Na ja, allzu unglücklich sah er nicht aus. Jeder wie er mag.«, sagte Martin.

»Da hast du recht.« Franzi räumte die leeren Kaffeebecher weg. »Apropos, ich mag zwar nicht, aber ich muss mich jetzt um meine Erbsensuppe kümmern. Komm doch nachher auf einen Teller vorbei.«

»Gerne!« Martin schluckte. »Ich glaube, ich sollte mal nach meinen Bäumen schauen.« Er versuchte noch, einen Blick von Franzi zu erhaschen, doch die war bereits hinter der Theke abgetaucht. Nicht gerade enthusiastisch machte Martin sich auf den Weg. Doch kaum war er um Franzis Stand herumgegangen, sah er mehrere Leute mit Tannenbäumen im Schlepptau, die sich schon ungeduldig umsahen, und er beeilte sich zu seinem Stand zu kommen.

Den ganzen restlichen Tag hatte Martin fast ununterbrochen zu tun. Er stellte Bäume auf und wieder zurück, drehte sie, passte Ständer an, beriet, verschnürte und verpackte ... Erst am Abend, als bei den ersten Weihnachtsmarktständen schon die Klappen heruntergelassen wurden, ließ der Kundenansturm nach. Fast ein bisschen ungläubig, aber sehr begeistert zählte er das Geld in seiner Kasse.

Mit einem solchen Ansturm gleich am ersten Tag hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Sein Vorrat an Bäumen war allerdings auch sichtlich geplündert. Etwas Nachschub hatte er noch auf seinem Transporter, aber wenn das so weiter ginge, würde er in wenigen Tagen neue Bäume holen müssen.

»Und? Wie ist es gelaufen?« Franzi hatte ihren Stand bereits geschlossen und wollte kurz horchen, wie es Martin ergangen war.

»Super! Wenn es weiterhin so gut läuft, wird der gute Waldemar auch noch dran glauben müssen. Ich hatte heute schon Kunden, die nach ihm geschielt haben.«

»Untersteh dich! Dann wirst du wieder zur Tanke verbannt!« Schützend stellte sich Franzi vor den stacheligen Mann. Dabei fiel ihr wieder die grellbunte, unförmige Mütze auf. Sie tippte an den großen, neongrünen Bommel. »Die ist aber schon speziell«, sagte sie.

»Ja, da hast du sicher recht.« Martin grinste. »Ich habe sie von meinen Nichten bekommen, damit ich nicht friere, wenn ich in der Kälte Weihnachtsbäume verkaufe.«

»Ach, das ist ja süß!«

»Ja, find ich auch. Aber Waldemar steht sie viel besser als mir.« Er fügte hinzu: »Sie kratzt leider ganz fürchterlich. Doch ich fürchte, ich muss sie wieder aufsetzen, wenn ich Weihnachten zu Haus bin.«

»Wie wäre es, wenn du deinen Nichten ein Foto von Waldemar schickst und ...« Ein kleiner, perfekter Schneekristall, der auf ihrem Ärmel landete, lenkte sie ab. Es landete noch einer und noch einer und dann waren es nicht mehr einzelne Kristalle, sondern kleine glitzernde Kristallhäufchen. Franzi ließ ihren Kopf in den Nacken fallen und blickte zum Himmel hinauf. Dicke weiße Flocken flogen ihr entgegen, schmolzen in ihrem Gesicht und hinterließen kleine Wassertröpfchen. »Endlich, es schneit!« Sie strahlte. »Ist das nicht schön!«

Er lachte. »Ja!« Martin fand nicht nur die winzigen, weißen Sterne in ihren Locken wunderschön.

Auf einmal war Franzi gar nicht mehr müde und verschwendete auch keinen Gedanken mehr an die Arbeit, die sie sich für diesen Abend vorgenommen hatte.

»Komm, lass uns zu Fuß gehen«, sagte sie. »So weit ist es nicht und ich habe keine Lust auf die überfüllten Busse.« Wie ein kleines Kind konnte sie vor lauter Freude nicht stillstehen und hüpfte von einem Bein auf das andere.

»Warte einen Moment, ich will nur noch meine Tasche holen.«, sagte Martin.

Franzi blieb stehen. »Sag mal, ich weiß gar nicht, wo du wohnst, musst du überhaupt in die gleiche Richtung?«

»Ja klar! - das heißt, eigentlich wohne ich ein bisschen außerhalb in dem WG-Zimmer von einem Freund.« Als er ihr fragendes Gesicht sah, fügte er schnell hinzu: »Aber es ist die gleiche Richtung und mein Transporter steht noch an der Tankstelle.«

Eine Weile liefen sie schweigend, geschafft aber glücklich und ein bisschen verlegen nebeneinanderher. Sie kamen am Opernhaus vorbei und blieben vor den Schaukästen stehen, in denen Szenenbilder und Kostüme ausgestellt wurden.

»Sie spielen Hänsel und Gretel, richtig schön klassisch weihnachtlich.« Martin hatte die unverkennbaren riesen Pappmaschee-Kekse entdeckt. »Wie ist die Oper hier eigentlich?«, fragte er. Franzi zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, ich war noch nie in der Oper.«

»Noch nie?«

»Noch nie!«

»Oh, das müssen wir ändern! Wir könnten doch vielleicht mal zusammen gehen?!«

»Ja vielleicht nach dem Weihnachtstrubel. Eigentlich würde ich furchtbar gerne mal in die Oper gehen. Meine Mutter wollte mich immer mitnehmen ...« Ihre Worte blieben in der Luft hängen. Franzi schaute zum hell erleuchteten Eingang des Opernhauses, vor dem sich die ersten Gäste sammelten. Bewundernd betrachtete sie die festlich gekleideten Menschen. »Wow! Schau dir die Kleider an. Was heißt Kleider?! Das sind ja richtige Roben! Ich dachte, so was gibt es nur im Film.«

Martins Blick streifte nur kurz, die aufwendig gekleideten Premierengäste und wanderte dann gleich wieder zu Franzi zurück. »Du gefällst mir besser!«

Franzi guckte an sich herunter. »Ist klar!« Sie drehte sich. »Der neueste Weihnachtsmarktchic!« Über ihren Jeans trug sie ein dunkelrotes Strickkleid, darüber einen grünen Parka mit Plüschrand an der Kapuze. Braune Strickstulpen ragten aus ihren robusten Lederstiefeln und um den Kopf hatte sie einen grünen Mohair Schal geschlungen, überall guckten ihre feinen, dunklen Locken hervor. Trotzdem sie so dick eingepackt war, erahnte man ihre zierliche Figur. Von der Kälte waren ihre Wangen leicht gerötet und die großen braunen Augen strahlten. - Sie sah aus wie ein Wintermärchen!

Langsam schlenderten Franzi und Martin weiter. Ihr Weg führte sie aus der geschäftigen Innenstadt in ruhigere Straßen. Einige Fenster waren hell erleuchtet und manche auch weihnachtlich geschmückt.

»Guck mal!« Franzi war vor einem Haus stehen geblieben. Durch ein Fenster sah man eine Frau, die eine mintfarbene Wand mit grell pinker Farbe überpinselte. »Krasser Farbwechsel!«

»Die haben wohl einen ganz besonderen Sinn für Farben.«, sagte Martin.

Franzi lachte. »Scheint so!« Sie deutete auf ein weiteres Fenster, in dem man einen Mann mit Schürze beim Bügeln beobachten konnte. »Und dort wohnt jemand mit viel Sinn für Ordnung.«

»Oder für Falten.«

»Stimmt, da hast du sicher Recht! Machst du das auch so gerne? In Fenster luschern und sich ausdenken, was die Leute wohl so machen? Wie sie leben ...?«

»Luschern?«

»Na ja, sagt man hier oben im Norden doch so ... oder?«, sagte Franzi ein bisschen verlegen. »Ich weiß, das ist nicht die feine englische Art, aber ...«

Martin unterbrach sie. »Ich find luschern auch super«, gab er grinsend zu.

Im nächsten Moment ratterte neben ihnen ein Rollo herunter. Vor Schreck sprang Franzi ein Stück zur Seite. »Uh! Das sind bestimmt Leute mit Sinn für dunkle Geschäfte.«, sagte sie. »Lass uns lieber schnell weiter!«

Sie liefen von Fenster zu Fenster, rätselten und dachten sich kleine Geschichten aus. Ihre Fantasie hatte Auslauf und ihre Wörter bekamen Flügel.

Dann standen sie vor Franzis Wohnung.

»Wer hier wohl wohnen mag? Hm?« Martin strich sich über seinen, nicht vorhandenen, Bart. »Auf jeden Fall jemand mit viel Sinn für Weihnachten!«

»Da könntest du recht haben. Magst du vielleicht noch mit raufkommen? Auf ein Glas Wein oder so?«

Kaum hatte Franzi die Haustür geöffnet, hörten sie ein lautes, markantes Lachen aus der Küche. »Gisi?« Ungläubig lauschte Franzi erneut, sie ließ Martin einfach stehen und eilte in die Küche. – Sie hatte richtig gehört. »Gisi, wie schön! Wo kommst du denn her? Du bist doch noch in Mexiko!« Sie verschwand fast vollständig in seinen Armen. Gisi war fast zwei Köpfe größer und bestimmt doppelt so breit wie Franzi. »Bah, dein Jackett kratzt! Wieso ziehst du es nicht aus? Wir sind hier doch nicht in deiner Bank.«

Gisi lachte gutmütig. »Ich freu mich auch, dich zu sehen. Aber ich glaub, wenn hier jemand dringend etwas ausziehen muss, dann bist du das.«

Sie schaute an sich herunter. »Stimmt!«, sagte sie lachend.

Inzwischen war Martin unschlüssig in der Küchentür stehen geblieben. Er hatte die Begrüßungsszene beobachtet und rang sich jetzt zu einem zögerlichen »Hallo« durch.

»Ach entschuldige!« Franzi winkte Martin zu sich heran. »Das ist Martin, ein Kollege vom Weihnachtsmarkt. Der Mann mit den besten Weihnachtsbäumen diesseits der Elbe!«

Martin schmunzelte und schüttelte Gisi und Felix die Hände. Franzi legte ihre Hand auf Felix Schulter. »Das ist Felix, mein Mitbewohner, der meinen Weihnachtsfimmel kaum noch ertragen kann, und das ...« Sie griff nach Gisis Hand. »... ist sein Liebster und mein allerliebster Freund Gisi, der eigentlich Gisbert heißt, den man aber auf gar keinen Fall so nennen darf. Und der eigentlich in Mexiko verschollen ist.« Sie wandte sich wieder zu Gisi. »Wieso bist du eigentlich schon da? Du wolltest doch erst Anfang nächster Woche kommen?« Ihr rutschte der Schal von der Schulter. »Oh warte, erzähl es mir gleich, ich muss erst schnell das Zeug loswerden. Ach, und nehmt Martin die Jacke ab. Und versorgt ihn mit einem Glas Wein.«

Franzi eilte durch den Flur zu ihrem Zimmer. Die Tasche glitt von ihrer Schulter, sie ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen, öffnete ihre Schnürsenkel und kickte die Stiefel von sich. Erst jetzt merkte sie, wie müde sie war. Ihr Blick wanderte zu dem Buch auf dem Schreibtisch. »Selbstsicht – die Geschichte des Selbstporträts« von Maximilian H. Kugler. Vor zwei Wochen hatte sie es sich ausgeliehen und wollte es schon längst gelesen haben. Einen Moment blätterte sie in dem Buch, dann schlug sie es entschlossen zu und machte sich auf den Weg zurück in die Küche.

Dort saßen die drei Männer einträchtig beisammen, tranken Wein und schienen sich prächtig zu unterhalten. Franzi zog einen Stuhl heran und setzte sich dazu. Felix goss ihr ein Glas Wein ein. Besorgt sah er sie an. »Du siehst geschafft aus«, sagte er.

Auch Martin nahm jetzt im Licht des Kronleuchters wahr, wie blass und müde Franzi auf einmal wirkte.

»Ach was«, sagte Franzi. »Das sind die ersten Tage auf dem Weihnachtsmarkt, das ist nur ungewohnt.« Sie trank einen Schluck Wein und richtete sich auf. »So Gisi, jetzt erzähl mal, wie war es in Mexiko?«

»Ganz wunderbar! Mexiko ist unglaublich aufregend. Auf der einen Seite faszinierend und schön, auf der anderen Seite leider auch elend, gefährlich, regelrecht furchteinflößend. Aber Geschäft ist Geschäft, und wenn man sich den Gepflogenheiten des Landes anpasst, läuft es überall ähnlich ab. Wir sind viel früher als erwartet zu einem Abschluss gekommen. So konnte ich vier Tage früher zurückfliegen.« Gisi lehnte sich zurück. »Und kaum bin ich gelandet, eile ich auf dem schnellsten Wege hierher, weil ich denke, man verzehrt sich nach mir. Und dann will mein Schatz, herzlos wie er ist, zu seinem Chor gehen. Wie findest du das?«

»Völlig in Ordnung findet sie das«, mischte Felix sich ein. »Und ich im Übrigen auch. Wenn ich mich dauernd nur nach dir richten würde, käme ich nie zu etwas. Wer düst denn ständig in der Weltgeschichte herum?«

Martin guckte etwas erschrocken. In einen männlichen Zickenkrieg zu geraten, war nicht gerade seine Vorstellung von einem gemütlichen Abend.

Franzi sah seinen Blick und lachte. »Keine Angst, das machen die beiden immer. Sie lieben sich heiß und innig, aber ohne das Frotzeln geht es nicht.« Sie wandte sich an die vermeintlichen Streithähne: »Und ihr hört jetzt auf mit dem Gezicke!«

»Määäh!«, machte Felix. »Ich hab´s! Kommt doch einfach alle mit zum Singen.«

Franzi wehrte als Erstes ab: »Glaub mir, dass ich singe, möchte wirklich niemand!«

»Ich glaub dir nicht nur, ich weiß es sogar«, sagte Felix. »Aber Singen kann jeder lernen.« Er grinste Franzi an. »Na ja, fast jeder!«

»Sag ich doch! Außerdem möchte ich mich noch für meinen Kurs bei Professor Kugler vorbereiten.«

»Gib ihm doch endlich die Kugel!«, murmelte Felix. Fragend sah er Gisi an. Doch der schüttelte den Kopf. »Beim besten Willen nicht. Geh du ruhig singen, ich muss erst wieder Nachtigall und Lerche in die richtige Reihenfolge bringen.«

»Was jettest du auch dauernd durch die Gegend, wenn du es nicht verträgst?« Liebevoll streichelte er Gisis Hand. »Ruh dich aus, mein Schatz, morgen ist auch noch ein Tag und ich sehe zu, dass ich meine Schicht tausche.« Felix wandte sich mit wenig Hoffnung an Martin: »Hast du vielleicht Lust? Wir sind ein kleiner Chor und singen einfach aus Spaß an der Freud. Männer sind übrigens immer besonders begehrt und willkommen.«

»Jetzt gleich?«, fragte Martin.

»In zehn Minuten müssten wir los.«

Martin sah, wie Franzi mühsam ein Gähnen unterdrückte.

»Ja, ich würde gerne mitkommen«, sagte er kurz entschlossen.

Die beiden Sänger waren zur Tür hinaus und Gisi und Franzi saßen allein am Küchentisch. Gisi nahm die Flasche Wein und wollte Franzi etwas nachschenken, doch die hielt schützend die Hand über ihr Glas. »Für mich nicht mehr, ich muss gleich noch ein bisschen was lesen.«

»Ach komm, du bist doch viel zu müde. Außerdem kannst du mich nicht auch noch im Stich lassen. Erzähl lieber mal von dem Martin. Scheint ein netter Kerl zu sein und total in dich verknallt.«

Franzi gab ihr Glas frei. »Quatsch! Er ist einfach so ein ganz lieber, netter Mensch und mir vielleicht ein bisschen dankbar, weil ich ihm geholfen habe, seinen Weihnachtsbaumverkauf in Schwung zu bringen.«

»Das hat er erzählt, und wie er es erzählt hat, lässt schon einiges erahnen ...«

»Hör auf, Gisi! Wer sich in mich verknallt, der hat höchstens einen Knall. Ich weiß ja manchmal selber gar nicht, warum ich so idiotisch bin. Zum Beispiel studiere ich Kunst, obwohl mir jeder meiner Profs immer wieder klarmacht, dass ich völlig unfähig bin.«

Gisi schüttelte den Kopf. »Was hat denn das damit zu tun? Und zudem glaube ich erstens nicht, dass dich alle für unfähig halten, und zweitens weiß ich, dass du es nicht bist! Du bist eine wunderbare, warmherzige, talentierte Person, die dazu noch sehr hübsch ist!« Franzi lächelte. »Du bist lieb und ich glaub dir heute einfach mal ein bisschen.«

»Kannst du ruhig, ich bin ja schließlich ein sehr seriöser Mensch.« Er schielte über seine auf die Nasenspitze gerutschte Brille.

Lachend umarmte sie ihn. »Ja, und ein ganz besonders lieber!«

»Apropos seriöser Mensch, ich habe Felix gar nicht mehr gesagt, dass ich ihm den Simmerlich in seinen Chor geschickt habe, weil er sich ja immer beklagt, dass sie zu wenig Männer wären.«

»Welchen Simmerlich meinst du? Muss ich den kennen?«, fragte Franzi.

»Na Jürgen Simmerlich, der turnt doch immer bei euch auf dem Weihnachtsmarkt herum und glitzert seitdem so schön.«

»Ach, Glitzi meinst du! Da fällt mir ein, ich habe Lilly noch gar nichts von seinem niedlichen Spitznamen erzählt.«

»Untersteh dich! Er wirkt ein bisschen unscheinbar und steif, doch er ist sehr nett und stille Wasser sind bekanntlich tief. Ich weiß nicht mehr wieso, aber neulich haben wir uns über Musik unterhalten, dabei ist er richtig aufgetaut. Irgendwie kamen wir auch auf den Chor und er war ganz angetan. Vielleicht ist er ja wirklich hingegangen.«

»Hoffentlich!«, sagte Franzi. »Dann bekommt Felix heute gleich zweifach männlichen Zuwachs, das wird ihn freuen.«

»Genau! Und dann muss er uns nicht mehr belatschern und wir können in Ruhe ein Glas Wein trinken.«

»Oder auch zwei.«

Franzis merry little Christmas

Подняться наверх