Читать книгу DIE DODERER-GASSE - Nadja Bucher - Страница 7

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MARIE LAG RÜCKLINGS IM GITTERBETT, zog die Beinchen an, streckte die Füße vors Gesicht, amüsierte sich ungemein. Mir bot dieses Treiben eingehende Betrachtung ihrer beeindruckend kleinen Zehen, die zwar erstaunlich waren, jedoch beschränktes Vergnügen für mich bargen. Mein Empfinden stand konträr zu Maries, deren Begeisterung über gebotene Sensation keine Grenzen und vor allem keine Abnützung kannte. Immer wieder brachte sie ihre Füße auf Augenhöhe, was sie dabei erkannte oder zu erkennen glaubte, entzog sich meiner Kenntnis, sie stieß jedenfalls herzhafte Freudenschreie aus. Zur Steigerung ihres Amüsements ergriff sie beidhändig ihre Beinenden und steckte sie in ihren Mund. Zweifelsohne eine imposante Leistung, der sich Marie auch zur Gänze bewusst war, honorierte sie sie mit gebührendem Jauchzen und zwar bei jedem Gelingen der Übung. Ich hatte dafür Verständnis, ja lobte ihre gesunde Einstellung, die eigenen Taten gehörig anzuerkennen und wertzuschätzen, allerdings konnte ich eine ausgedehnte, mich beinahe erdrückende und geistig lähmende Langeweile nicht leugnen. Zumal mir die restlichen sich bietenden Stimuli wenig Ablenkung schenkten. Als da waren die bereits geschilderten Komponenten Deckenlampe, Blumentapete, weißer Plafond.

Dass die Vormittagssonne durchs Fenster fiel und sich schräg ins Zimmer legte, die über der Resopalplatte des Tischs schwebenden Staubflankerl nahezu malerisch beschien, änderte nichts an meinen sich im Kreis drehenden Gedanken, die danach forschten, wie der inneren und äußeren Stagnation beizukommen wäre. Die Schnelligkeit, mit der sich Sonnenstrahlen und Schattenperioden abwechselten, sowie die Geschwindigkeit, mit der majestätische Wolkenformationen am knallblauen Himmel vorüberzogen, kündigten mir herandräuenden Frühling an. Lieblicher Vogelgesang schob sich durch den Spalt des gekippten Fensters ins Zimmer hinein. Ein Hauch frischer Luft bauschte den dünnen Vorhang auf, ließ ihn träge tanzen, verhalf mir zu neuen Gedanken. Wenn ich aufgrund von Licht- und Wetterverhältnissen davon ausging, dass es Mitte April war, und mich mein Zeitgefühl nicht vollends trog, obwohl es wie erwähnt nicht exakt arbeitete, sondern dem schwammigen Rauschzustand eines Morphinisten glich, dem manch kurzer Traum wie die Ewigkeit und Gegenwärtiges wie tiefer Schlaf anmutet, dann betrachtete ich die Welt bereits seit einigen Monaten durch Maries Augen. Dies durchzuckte mich wie der Sonnenstrahl, der Marie auf den Kopf schien, mich blendete und sie veranlasste, die Beinchen kurzzeitig ihrer Aufmerksamkeit zu entlassen und das Gesicht dem Licht zuzuwenden. Sie schloss ihre Augen, ich hörte sie quietschen, konnte jedoch nicht eruieren, ob aus Behagen, Unlust oder Verblüffung. Da ihre Stimmung weitgehend ausgeglichen blieb, schätzte ich den Sinneseindruck als nicht sehr gravierend ein. Als sie ihre Augen wieder öffnete, schaute ich erneut an die Zimmerdecke und sah ihre Füße.

Da entsprang mir eine großartige Überlegung. Was, wenn mein Wille direkten Einfluss auf das Kind hatte? Wenn ich Marie dazu brächte, meinen Anweisungen Folge zu leisten? Wenn mir dies gelänge, erhielte ich durch sie neue Handlungsfähigkeit. Die Idee enthusiasmierte mich, brachte mich schwärmerischen Zukunftsvisionen nahe. Wäre mir Marie willfährig, die Welt läge mir zu Füßen. Meine Erfahrung zusammen mit ihrem jungen Leben böte Gelegenheit für einen weiteren Durchgang, einer Aufdopplung, wenn nicht Verdreifachung meiner Chancen. Wie bei manchem Brettspiele, wo die Spielfigur schon beinahe im Ziele gestanden hatte, doch dann hinausgeworfen, aller Punkte beraubt und an den Start zurückgestellt wurde. Meine Figur war darüber hinaus durch eine neue ersetzt worden, aber das Wissen über Spielverlauf, Regeln und Gefahren war mir geblieben. Könnte ich meinen Spielstein namens Marie dazu bewegen, nach meiner Anleitung über die Felder des Lebens zu ziehen, ich müsste nicht nur rascher ans Ziel gelangen, sondern exorbitant hoch gewinnen.

Marie, flüsterte ich ihr zu, um gleich darauf die Widersinnigkeit meines Angehens zu erkennen. Wozu Zaghaftigkeit? Wollte ich das Mädchen auf mich aufmerksam machen, musste ich mit Pauken und Trompeten auffahren.

Marie!, schrie ich sie an, mit dem Vorsatz, meinen forschen Ton zu drosseln, sobald ich sie erreicht und eine Verhandlungs- oder vielmehr Handlungsbasis vereinbart hätte.

Marie, ich befehle Ihnen, sich umzudrehen, sofort, in einem Schwunge, beherzt und auf der Stelle!

Hätte ich sie erst in die Bauchlage manövriert, so mein Plan, erhöhte sich die Wendigkeit ihres Kopfes, brächte ich sie anschließend zum Krabbeln, könnte ich die Ausweitung meines Aktionsradius angehen.

Marie!, schrie ich, Marie, hören Sie mir zu! Sie müssen meine Befehle aufs Genaueste befolgen. Nehmen Sie Schwung und rollen Sie seitlich auf Ihren Bauch. Das schafft jedes Kind, so auch Sie!

Mein herrisches Gebieten war nur der naheliegendste Einstieg für mein Vorhaben. Gleich einem plumpen Anfänger vor hochpoliertem Konzertflügel, schlug ich beidhändig auf die Tastatur, egal ob Schwarz oder Weiß treffend, mich keiner Zwischentöne bedienend. Ich wollte sie aufrütteln. Die Zeit des zarten Sonatenspiels könnte beginnen, nachdem ich mich ihrer Mitwirkung vergewissert hätte.

Doch Marie hatte schon wieder beide Füße in ihrem Mund und elaborierte daran, sie möglichst tief in den Rachen zu treiben, gleichsam einen menschlichen Kringel bildend. Sie verzichtete dabei nicht auf ihre Freudenquietscher, was einem beängstigenden Röcheln nahe kam. Freilich fand jedwede Befürchtung nur meinerseits statt, denn Marie befand sich dank ihres geringen Alters noch in elysisch angstfreier Teilwahrnehmung. Sie nuckelte an ihren Zehen, während ich begann, die Klaviatur des Flügels subtiler zu bearbeiten. Bei leisem, sonorem Bass setzte ich an, verstieg mich zu verträumten Trillern, schlug grimmige Moll-Akkorde an, die in ihr Unterbewusstsein einsickern sollten, um als waches Aufhorchen zur Immanenz hochzusteigen.

Marie gluckste, ließ ihre angefeuchteten Zehen absinken, gönnte ihrer Wirbelsäule eine ausgleichende Streckung, entsann sich kurz darauf wieder ihrer Beine, hob sie an, um sie hocherfreut einer weiteren Mundhöhlenerprobung zuzuführen. Ich klimperte bereits auf Saiten, die ob ihrer Kürze kaum größere Schwingungen als Metallplättchen in Spieluhren hervorbrachten. Nichts erzeugte Resonanz in Marie. Ich fühlte meine Abgeschiedenheit, wie einst Jonas im Walfischbauch, doch ich weigerte mich, sie hinzunehmen. Die Beweislast war erdrückend, aber noch hatte ich nicht alle Register gezogen.

Jeder Mensch ist ja ein hochsensibles Messgerät seiner Umwelt, obzwar bei einigen die Eichung im Unklaren liegt. Doch die diffizile menschliche Wahrnehmung, gerade bei solch unfertigen Wesen wie Marie eines darstellte, verläuft zum weitaus größten Teil über feinere Fühler als die Akustik. Sagte man nicht auch Hunden nach, sie wären in der Lage, die Autorität des Gegenübers oder das Fehlen einer solchen, durch Witterung festzustellen? Die Angst des Postboten, der am Gartentor läutet, röchen sie schon hinter verschlossener Haustüre. Dabei lag es, wie mir Hundebesitzer einst versicherten, nicht primär am Geruchsinn des Tieres, sondern an untrüglichem Instinkt. Und war Marie mit ihren wenigen Monaten nicht einem Welpen näher, und somit im Instinkte beheimatet, als dem Reich ausdifferenzierter Kognition? Ich musste daher zu präverbaler Kommunikationsform finden.

Ich tobte wie blöde im Walfischbauch. Meine von jeher stattlich zu nennende Wut über die Tücken des Objekts brach ungezähmt aus mir heraus. Ich schrie und strampfte, doch mein Wüten war ergebnislose Gebärde, die zu nichts als totaler Erschöpfung führte. Denn wo mir zu Lebzeiten Widerstand entgegentrat, klaffte nun eine unbeeindruckte Leerstelle. Schon nach Kurzem war ich entkräftet, nicht mehr fähig, Maries Namen zu hauchen, war nur noch Gedanke und Vorstellung. In dieser packte Marie mit beiden Händen ihre Zehen, steckte sie in ihren Mund, sonderte ein tiefes Gurgeln ab und rollte seitlich auf die Matratze ab, kam in stabiler Lage zur Ruhe und hielt, überrascht von ihrer Mobilität, den Atem an.

So auch ich, als ich erkannte, dass sie aus meiner Vorstellung heraus diese realisiert hatte, gleichsam in indirekter Verschiebung meinen Wunsch in die Tat übersetzt hatte. Als entfigurierter Spielteilnehmer konnte ich mich an keiner körpereigenen Reaktion delektieren, aber mit einem Schlage war die Zeit meiner Passivität vorüber und der Beginn einer neuen Grundbefindlichkeit brach an. Allerlei Pläne drängten sich sogleich an mich heran. Denn, wie ich einst so trefflich formulierte: Wer weiß, was er soll, ist glücklich. Er stürzt davon, beflügelt vom unausrottbaren Glauben ans Gelingen. Und so erwuchs aus meinem neuen Leben das Bewusstsein, dass mein Streben kein geradliniges sein würde, da mein Ziel noch in vollkommener Dunkelheit verborgen lag, aber dennoch fühlte ich, dass ein solches existierte, wenn auch noch tief unten, von schwarzem, schwerem Samt verhüllt.

Marie lag seitlich eingerollt auf der Matratze. Über die neue Situation nicht unfroh, wusste sie trotzdem nicht, wie ihr zu entkommen war. Wieder stellte ich mir vor, gleichsam suggestiv, wie sie ihre Füße losließ und sich zurückrollte, es sogar auf die andere Seite schaffte. Marie nahm tatsächlich ihre Zehen aus dem Mund, ein feuchter Speichelfaden spannte sich zwischen jenen und den Lippen, was ihr nicht weiter auffiel. Sie blieb in stabiler Seitenlage, ihren Lauten nach zu urteilen in zu stabiler Lage. Jedoch widersetzte sie sich meinem Vorschlag und verlegte sich stattdessen auf lautes Wehklagen. Darauf kam die Mutter ins Zimmer, wie immer freudestrahlend, sobald sie ihrer Tochter ansichtig wurde, diesmal gespickt mit einer Prise Besorgnis im Ausdruck. Die junge Frau trug ihr blondes Harr kunstvoll hochgesteckt, der sonst offene Pferdeschwanz war in einzelnen Locken am Hinterkopf drapiert. Sie bot einen appetitlichen Anblick. Kaum hatte ich diese Beurteilung gefällt, fuhr mir Bestürzung ein. Sollte die Assoziation von »junger Frau« und »Appetit« nicht mir, sondern Marie entsprungen sein, in Analogie von »Mutter« und »Futter«? – Man verzeihe mir hier den plumpen Endreim. Was für Marie naheliegend gewesen wäre, bedeutete für mich eine erschütternde Wechselwirkung in ungewünschter Richtung, weshalb der Gedanke von mir augenblicklich verworfen wurde. Die Emanation von Appetit in Anschauung von Maries Mutter konnte nirgendwo anders als aus meiner erotischen Prägung entsprungen sein.

Die Mutter ahnte glücklicherweise nichts von meinen Begehrlichkeiten. Sie nahm Marie hoch, drückte sie an sich, nicht ohne ihren Kopf mit Küssen zu überziehen. Während eines Singsangs an Komplimenten und Liebkosungen prüfte sie diskret Maries Windel. Da das Kind scheinbar dichtgehalten hatte, konnte eine neuerliche Reinigung entfallen, wurde es umgehend in selbst gestrickte Wollware verpackt. Solcherart angetan stellte sich die Mutter mit Marie im Arm vor den Spiegel. Ich schaute mir als Baby im Strickkostüm entgegen. Wie sich denken lässt, erschrak ich über mein Spiegelbild, das nicht die geringste Ähnlichkeit mit mir hatte. Nichts, rein gar nichts, erinnerte an mich. Ich betrachtete mich eingehend, aber sah nur Marie. Sie hatte dicke Backen, runde Knopfaugen, einen Mund, der zahnlos lachte, den Kopf voller dunkler Locken und einen wohlgenährten Körper, der sich ständig in Bewegung hielt. Obendrein steckte sie in lila-weiß gestrickten Wollhosen, Wolljäckchen und dazu passender Haube. Sie sah herzallerliebst aus und war von einem solch hohen Grade von Süßigkeit, dass ich mich nicht hätte enthalten können, sie ein wenig zu zwicken, wäre ich dazu in der Lage gewesen. Wobei mein Urteil weder durch die herkömmlichen Bestandteile des Kindchenschemas, noch durch mein unbestreitbares Naheverhältnis beeinflusst wurde, sondern auf rein objektiven Kriterien basierte, was von einem Geistesmenschen wie mir nicht anders zu erwarten war.

Im Spiegel sah ich, wie die Mutter Marie auf die Wange küsste, so fest, dass sich Maries Mund öffnete und ein Speichelfaden heraustropfte. Ich war noch immer fassungslos über meine derzeitige Erscheinung, die in nicht der geringsten Kleinigkeit meiner früheren entsprach. Ich war in Maries Gesicht unauffindbar. Wie ein gespitzter Stamm den Leib des Gepfählten, durchfuhr mich, dass niemand von meiner Existenz erfahren würde. Mein neues Leben verliefe eingeschlossen in Marie, schlimmer noch als Jonas in seinem Walfisch, der doch an rechter Zeit und Stelle unbeschadet ausgespuckt worden war. Aber ich bliebe für immer unsichtbar.

Trotz geistiger Lähmung ob dieser Erkenntnis merkte ich das Gesicht der Mutter vor mir. Sie musste Marie folglich zu sich gedreht haben. Mein Ausblick auf die Frau trübte sich, da Marie erneut zu weinen begann. Die Mutter trug Marie durchs Vorzimmer, wippte auf und ab, schritt zur Wohnungstür, wo ein Kinderwagen stand. Marie wurde bäuchlings in den Wagen gelegt, wodurch sie genötigt war, ihren Kopf hochzuhalten. Dies ermöglichte mir, durch ein kleines Fenster im Kopfteil des Wagens zu schauen. Noch war der Blick tränenbedingt verhangen, aber schon ahnte ich die Possibilitäten, die mir diese Luke eröffnete.

Die Mutter schob den Wagen aus der Wohnung und nach kurzer Liftfahrt (zum desaströsen Zustand der Kabine an anderer Stelle) ins Freie. Sofort war auch Marie in aufnahmebereiter Stimmung, fielen ihr die letzten Tränen von den Wimpern, reckte sie ihren Kopf empor, richtete sie ihre Augen geradewegs auf die Welt vor dem Bullauge. Das Klicken der mütterlichen Escarpins auf dem Asphalt untermalte die Fahrt im Kinderwagen. Der wurde über jenen Gehweg geschoben, der mir bereits beim Blick aus dem Kinderzimmer aufgefallen war. Rund um mich ragten acht- bis zehnstöckige Hausfronten in den Himmel, der ein wechselhafter und frühsommerlicher war. Die Monotonie der umstehenden Bauten schien grenzenlos, wie deren Fensterreihen, Stiegeneingänge und rechtwinkelige Blockanordnung. Die herrschende Tristesse wurde durch zweierlei Kunstobjekte versinnbildlicht, als seien sie den Bewohnern dieser Unterkünfte zum Hohn vor die Nase gesetzt worden.

Neben jeder Haustür prangte ein buntes Mosaik, vielleicht um die Unterscheidbarkeit der Stiegen zu erhöhen, da alleinige Nummerierung selbst den Verursachern dieser Monokultur nicht ausreichend schien. Auf den Darstellungen wurden Tiere in einem Abstraktionsgrad wiedergegeben, der das Unvermögen des Künstlers unverschleiert offenbarte. Die zweite Art enervierender Könnerschaft befand sich freistehend auf den Grünflächen. Wer auch immer dafür verantwortlich zeichnete, hatte die Frechheit aufgebracht, den Baustoff der Stahlbetonsilos für eine ebenso trost- wie farblose Skulptur heranzuziehen. Wobei die Bezeichnung Skulptur für den kubisch aufgetürmten, von Auslassungen durchlöcherten Gussbeton wahrlich unzutreffend, weil weitaus zu hochtrabend war. Vielmehr passte jene Betitelung, die der Verwendung des Klotzes entsprach. Während der Kinderwagen vorüberrollte, sah ich zwei Kinder darauf herumklettern. Sie setzten ihre Füße auf Vorsprünge, stemmten sich daran ab und gelangten bis zur obersten Plattform, die ihnen als Sitzfläche diente, nur kurzzeitig, bis die Kälte des Materials ihren Hosenboden durchströmte und sie von ihrem Spielzeug vertrieb.

Während Marie den Kopf oben hielt und die Mutter den Kinderwagen zur Straße hin lenkte, befiel mich beim Anblick dieses weitreichenden architektonischen Verbrechens tiefer Missmut. Wie sollte Marie im Schatten dieser Betonpflöcke (und tatsächlich schob die Mutter den Kinderwagen seit Verlassen des Hauses kontinuierlich durch den Schlagschatten des Hochhauses), wie sollte Marie in einer solchen Umgebung ein Gespür für Schönheit entwickeln? In diesem Umfeld könnte bei noch so empfängnisbereiten Anlagen kein Keim austreiben, fehlte diesem nicht nur Nährboden, sondern auch Licht und Wasser, von sorgfältiger Pflege oder gar Düngung nicht zu reden.

Durch die Luke erkannte ich, dass der Weg in das Trottoir einer von Grünstreifen abgetrennten, autobefahrenen Straße einmündete. Ein Autobus Numero 29A brauste vorbei, was Marie zu einem erschrockenen Lächeln reizte. Die beidseitig verparkte Straße trennte den Betonkomplex von einer Ansammlung kleinerer Einfamilienhäuser, die von Gärten und dazugehörigen Zäunen umgeben waren. Aus einiger Entfernung wirkten die Wohnblöcke, als hätte ein Riese seine Bauklötze auf die grüne Wiese fallen lassen. Mir kam die Erinnerung an meine früheren Orte in den Sinn. Wie anders waren die Häuser der Porzellangasse, durch die Tramway in aiolisches Getön versetzt, am barocken Palais Liechtenstein vorbei bis hinauf zum Althanplatz mit seinen imposanten Fassaden und hinunter zum Donaukanal, wo der Strom die Stadt durchzieht. Wie könnte Marie sich entfalten, wenn alles, was sie umgab, erdrückend war? Ich sah die Feuermauer eines weiteren glatten Baukastens, der das Bildnis totaler Ausweglosigkeit vervollkommnete. Ich las die Aufschrift:

DIE DODERER-GASSE

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