Читать книгу Natascha - Nadja Christin - Страница 3

Natascha-Das böse Blut Band 1

Оглавление

Ich renne was meine Beine hergeben.

Ich laufe um mein Leben, um mein Herz, um alles was ich bin, oder vielleicht je sein werde, und ich laufe um meine verfluchte, verdorbene Seele.

Sie sind hinter mir her.

Ich ahne, nein, ich weiß es, sollten sie schneller sein, und mich erwischen, dann ist es aus mit mir. Ich muss sterben, denn sie werden mich unbarmherzig töten.

Ich kenne meine Verfolger genau, und ich kann ihre Wut und ihre Lust mich zu töten spüren, sie förmlich riechen.

Ich bilde mir ein, ihren widerlichen Atem schon in meinem Nacken zu fühlen und ich höre etwas, das ihr Knurren sein könnte.

Es erklingt in einem wilden, mörderischen Rhythmus.

Wenn ich so viel Mut hätte mich umzudrehen, würde ich bestimmt den Geifer von ihren langen Zähnen spritzen und die Mordlust in ihren Augen leuchten sehen.

Aber so viel Mumm habe ich nicht, ich bin eher von der feigen Sorte, so laufe ich lieber vor ihnen davon.

Plötzlich wird mir klar, dass sie mich jagen, sie treiben mich vor sich her. Es ist nicht mein eigener Wille, der mich in diese bestimmte Richtung laufen lässt, sie lassen mich nur in dem Glauben.

Eigentlich bestimmen sie den Weg, ich renne nur vor ihnen her.

Ich werfe hektische Blicke um mich, suche fieberhaft nach einem Ausweg. Einem anderen, als dem Unausweichlichen.

Ich will noch nicht sterben und vor allem nicht so:

Zerrissen, zerfleischt und vielleicht noch aufgefressen von … ihnen.

Ich will friedlicher in die ewige Verdammnis einziehen, am liebsten würde ich den Zeitpunkt meines endgültigen Todes selbst bestimmen.

Der sähe bestimmt nicht so aus, und er wäre auch nicht jetzt, und hier schon gar nicht.

Ich bin nicht gläubig, na ja, ich glaube an Vertrauen, Freundschaft und an die Liebe, aber ich bin nicht sehr fromm. Aus meiner Erfahrung weiß ich allerdings, dass es den Teufel gibt. Also, warum soll nicht auch ein Gegenteil zu ihm existieren? Warum soll es nicht auch einen Gott geben.

Ich habe nie gelernt zu beten, aber jetzt, in diesem Moment, wünsche ich mir tatsächlich, ich könnte zu jemandem beten.

In meinen Erinnerungen krame ich nach irgendwelchen Sprüchen, nach einem Psalm oder Gebet und sei es auch nur eine Kinderfürbitte. Aber mir fällt nichts ein, wie immer in solchen Situationen erinnere ich mich nur an Legenden, an Mythen und sehr alte Geschichten.

Mordgierig und blutrünstig, wie das eben alte Geschichten so an sich haben.

Ich riskiere einen schnellen Blick über meine Schulter, genau in diesem Augenblick bleibe ich mit dem Fuß an irgendetwas hängen. Ich strauchele, rudere wild mit den Armen, es hilft nichts, in einem hohen Bogen falle ich nach vorne.

Dumpf pralle ich auf dem Boden auf, spüre einen weichen Untergrund, höre alte Blätter unter mir knirschen und vertrocknete Äste brechen.

Ich bin in einem Wald, denke ich erstaunt. Bis hier hin war mir nicht bewusst, wo genau ich bin. Alles um mich herum war eine einzige Schwärze, eine undurchdringliche schwarze Dunkelheit.

Vorsichtig hebe ich den Kopf und blicke mich um. Es ist niemand da, ich sehe und höre auch nichts. Nachdenklich stemme ich mich hoch.

Das ist aber merkwürdig, eben waren sie noch hinter mir her, das weiß ich genau. Ich habe sie gespürt und gehört, nur gesehen … das habe ich sie nicht.

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich bin kurz davor, ein lautes Hallo, in den dunklen Wald zu rufen.

Wie man das aus billigen Horrorfilmen kennt, setzt das baldige Opfer noch ein: Ist da jemand hinten dran und ist dann völlig verwundert, wenn es eine Antwort erhält.

Aber ich kann das verstehen, selbst mir fällt es schwer, diesen Fehler nicht zu begehen.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, zieht Nebel auf, dicker, milchiger Dunst.

Ich schnaufe entrüstet, und stemme meine Hände in die Hüften, das hier kann nur ein Traum sein. Das unerwartete Auftreten von Nebelbänken existiert in der wirklichen Welt nicht, sie sind nur der Erguss aus den verworrenen Gehirnen der Autoren von Gruselromanen.

Ich stoße ein Lachen aus, es hört sich zittrig an und nicht echt. Die Furcht sitzt mir, trotz allem, noch tief im Nacken.

Gerade überlege ich, ob ich mich einfach abwenden und meiner Wege gehen soll, da taucht unerwartet etwas aus dem dichten Nebel auf.

Eine Gestalt ist auszumachen, erst nur die Umrisse, aber je näher sie kommt, umso deutlicher wird sie.

Der milchige Dunst scheint aber nicht nur vor mir zu sein, er hat wohl auch schon mein Gehirn erreicht. Das Denken fällt mir zunehmend schwerer, die Gedanken driften immer wieder ab. Ein Schleier aus Blut und Tod drängt sich zwischen die Vernunft, die Angst und meine Instinkte.

Ich hebe meine Hand, um mir damit über die Augen zu wischen, aber es ist ein Gefühl, als gehöre das Körperteil zu jemand anderem, einer der meilenweit entfernt ist.

Mit einem Mal hat er mich erreicht, er steht vor mir, lächelt mich an. Seine kalten Hände ruhen einen Augenblick auf meinen Hüften, umarmen langsam meinen dürren Körper.

Bevor auch nur ein Gedanke an Gegenwehr es durch die dicke Nebelsuppe in meinem Kopf schafft, lehne ich meine Stirn gegen seine eiskalte Schulter.

Seine Wange streicht über meine. Wie eisig seine Haut ist, kühl und angenehm. Sein Atem kitzelt mich am Ohr. Ich will ihm unbedingt in die Augen sehen, so hebe ich meine verkrampften Hände und halte sein Gesicht fest, sehe in seine Augen, in diese wunderschönen braunen Augen.

Eine unendliche Tiefe erwartet mich. Die Pupillen wirken, als brenne ein Feuer in ihnen, ein alles verschlingender Vulkan.

Sie scheinen mich an zuschreien: »Versinke in uns, ertrinke in uns, du brauchst nie wieder an die Oberfläche zu gelangen, nur hier bei uns findest du den Frieden, den du dir so sehr wünschst.«

Fast möchte ich dem Feuer zustimmen, ich will meine Augen schließen und unter die Oberfläche tauchen, mitten in das heiße Brennen. Mich einfach fallen lassen, hinab in diese unendlich tiefen Brunnen.

Ich bin bereit, um für immer zu versinken, endlich meinen Frieden zu finden.

Da wird das Feuer der Pupillen größer, es flackert kurz und wächst an. Verschlingt langsam das ganze Braun der Iris, wird immer gelber, das Schwarz der Pupille wird länglich, scheint sich auszudehnen, sie werden zu Schlitzen, senkrechte Schlitze.

Raubtieraugen.

Hungrig blicken sie mich an, ein Knurren, wie ein Donnergrollen, ist zu hören. Es scheint nicht aus seinem Inneren zu kommen, sondern von überall her. Um mich herum ist nur noch dieses Knurren zu hören, es hüllt mich ein.

Ich bin total erstarrt, blicke wie hypnotisiert auf die Veränderung seiner einst so schönen Augen.

Ein Zischen, ein Fauchen, er öffnet seinen Mund, wirft den Kopf in den Nacken.

Ich sehe Zähne blitzen, lang und spitz.

Keinerlei Furcht ist in mir, nur ein unheimliches, aber zugleich tröstliches Gefühl, und das Wissen darüber, dass ich gleich erlöst bin.

Ich werde meinen Frieden finden.

Ich schließe die Augen und erwarte den Schmerz.

Erwarte, dass Justin mich beißt.

Sein Kopf schnellt nach vorne, und er schlägt mir seine Zähne in den Hals.

Gegenwart:

Erschrocken reiße ich die Augen auf und schnappe ein paar Mal gierig nach Luft.

Trotz meiner ausgebreiteten Arme, muss ich mich anstrengen, damit ich das Gleichgewicht nicht verliere.

Ich stehe hoch über dem Boden, fünfzehn Meter mindestens, auf den Überresten unserer Stadtmauer. Am höchsten Punkt, der es mir ermöglicht, meine Füße dicht nebeneinander zu stellen, auf den äußersten Zinnen.

Hier oben ist mein Lieblingsplatz, hier kann ich ungestört nachdenken und meine Gedanken und Erinnerungen kreisen lassen.

Was mich eben so erschrocken auffahren ließ, war aber weder eine Erinnerung, noch ein Traum. Letzteres ganz bestimmt nicht, da ich nicht schlafen kann, also kann ich auch nicht träumen.

Aber es war ein Gemisch aus Erinnerungen, Geschehnisse aus vergangenen Zeiten, gepaart mit … Ja, mit was genau.

Mit Wunschdenken?

Aber ich will eigentlich nicht sterben.

Selbst die Wahrheiten, die diese … nennen wir es mal Vision, beinhaltete, schmerzen sehr.

Mehr, als ich je zugeben würde, viel mehr, als ich es mir selbst eingestehen würde.

Warum nur sollte Justin mich beißen oder töten, wollen?

Gut, er hasst mich. Aber ist das schon Grund genug?

Wenn jeder jeden umbringen würde, nur weil er ihn hasst, dann ist die Welt bald sehr arm an Menschen und anderen Geschöpfen.

Er ist völlig verrückt, auch ein Grund, aber kein sehr guter.

Wie wäre es damit:

Ich habe ihn in einen Vampir verwandelt. (Schon besser!)

Ohne seine Erlaubnis. (Oh la, la!)

Im Schnellverfahren. (Jetzt kommen wir der Sache schon näher!)

Ich habe versucht ihn zu töten. (Es wird wärmer!)

Mehrmals. (Und da wunderst du dich?)

Ich habe dazu beigetragen, dass er vom hohen Rat der Vampire festgenommen wurde. (Noch wärmer)

Seine Verurteilung steht kurz bevor, ich denke das Urteil wird seinen sofortigen Tod nach sich ziehen. (Finger verbrannt!)

Aber, er ist verrückt, völlig wahnsinnig. (Hm.)

Das ist teilweise meine Schuld. (So, so.)

Und ich … (ja?)

Ich habe ihn geliebt …

Früher.

Damals, als der Wahnsinn noch nicht von ihm Besitz ergriffen hat.

Vor langer Zeit.

Vor unendlich langer Zeit.

So kommt es mir jedenfalls vor, in Wahrheit liegen gerade mal zwei lausige Jahre dazwischen, die es allerdings in sich hatten.

Frank, mein Mentor und … nun ja, so etwas wie mein Vater, hat mich damals in einen Vampir verwandelt und in den Clan eingeführt.

Die Vampire des Clans, Thomas, Elisabeth und die arrogante Jeanie. Es waren noch einige mehr, aber an sie habe ich nur eine verschwommene Erinnerung.

Dann war, und ist, natürlich noch Josh. Mein bester Freund Josh. Egal, was ich noch tun werde, oder in der Vergangenheit bereits getan habe, immer wird Josh zu mir halten.

Ansgar, mein geliebter Vampir, vom alten Schlag. Uns verbindet mehr, als nur die Augen der engen Verbundenheit.

Es ist Liebe.

Wahre Liebe, bist über den Tod hinaus. Eine Zuneigung, die niemals enden wird, egal, was geschieht.

Ich sehe sie alle ganz deutlich vor mir, als stünden Freund und Feind gemeinsam mit mir, hoch über dem Boden, auf der Ruine der alten Stadtmauer.

Ich lächle ihnen zu, sie lächeln zurück.

Dann zerfällt das Bild, zerfließt, wie ein Aquarell, über das ein Unhold Wasser schüttete.

Ein Gesicht umkreist die verlaufenden Farben, sein Gesicht.

Auch er grinst mich an, aber es ist nicht ehrlich, ich erkenne so etwas, es erreicht seine Augen nicht.

Diese Augen, die tiefen Brunnen, die einen hinab ziehen wollen, in ihre grausamen, dunklen Tiefen. Dort unten, wo der Wahnsinn herrscht, wo nur Kälte ist.

Keine Liebe, keine Freundschaft, keine Hoffnung, nur Grausamkeiten, Feuer und Tod erwarten einen dort unten.

Die Hölle, die auf uns alle sehnsüchtig wartet, könnte nicht schlimmer sein.

Dabei war er nicht immer so. Auch er war einst ein Mensch. Ein Junge, von fünfundzwanzig Jahren, mit braunen, verwuschelten Haaren und einem schlaksigen Körper. Seine braunen Augen blickten, als ich ihn das erste Mal traf, hektisch und ängstlich um sich. Kein Wunder, wer ist schon gerne alleine mit sieben Blutsaugern in einem Raum.

Ich befand mich nur dort, um meinen nächsten Auftrag von Frank entgegen zu nehmen. Natürlich verdonnerte er mich sogleich dazu, Justin unter meine Fittiche zu nehmen, um ihn in unsere Welt einzuführen.

Mich… ausgerechnet!

Wie wäre nur alles gekommen, wenn Frank, statt meiner, Jeanie oder Thomas damit beauftragt hätte?

Aber es war nicht nur Franks ausdrücklicher Wunsch, sondern es gehörte auch noch zu seinem hinterhältigen, blutigen Plan.

Womit beginnt nun meine Geschichte?

Mit meinem ersten Atemzug von Justins Geruch?

Mit meiner Jagd auf die hübsche Blondine, die erst ein paar Stunden zurück lag?

Mit meinem Treffen mit Frank? In dessen Verlauf er mich, wie üblich, maßregelte?

Nein, ich habe noch so viel Zeit, dass ich abschweifen kann. In ein Jahrhundert, in dem es weder mich als Mensch, noch als Geschöpf der Nacht gab.

In eine überaus dunkle Zeit.

Hexenverbrennungen völlig normal, Ketzerei, Zauberei, Drachen, Helden, Tod und Teufel, alles war möglich, alles war denkbar.

Die Menschen glaubten an diese Dinge. Sie waren noch nicht so aufgeklärt und abgebrüht wie heute.

Schließlich war es das 18. Jahrhundert.

Sie glaubten … Vielleicht auch, weil einige von ihnen

wussten.

Damals berief der hohe Rat der Vampire eine Versammlung ein, um mit Ihresgleichen das weitere Zusammenleben zwischen Vampiren und Menschen zu erörtern.

Es war einfach klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Vampire schlachteten wahllos Menschen ab, es würde früher oder später auffallen.

Während verschiedener Kriege, Revolutionen oder sonstigen, von den Menschen angezettelten Massenvernichtungen, hatten die Blutsauger leichtes Spiel. Die Toten fielen nicht sonderlich auf. Aber in Friedenszeiten, wurde es immer schwieriger für die Vampire an frisches Blut zu kommen, ohne die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen.

Es wurde beschlossen, dass mehrere sogenannte Clans der Vampire in verschiedene Gegenden entsendet wurden, um für Ordnung zu sorgen. Sie sollten die Städte und umliegende Dörfer besetzen. Nur der Ausschuss sollte dran glauben, nur die Verbrecher und Taugenichtse. Im 18. Jahrhundert gab es davon noch mehr als genug, vielmehr, als heutzutage.

Keine Unschuldigen sollten mehr von den Vampiren angefallen werden. So wurde der Vertrag beschlossen. Der Packt besiegelt, wahrscheinlich mit Blut.

Aber man kann sich vorstellen, dass ein Haufen blutgieriger Vampire nicht so schnell ihr einfaches und überaus leichtes Leben änderten. Wenn auch alle dem Vertrag zustimmten.

Der hohe Rat sah ein, dass es einer Kontrolle bedarf.

Selbst wollten sie nicht in Erscheinung treten, um für die Durchsetzung ihres Vertrages zu sorgen.

Aber wer kann einem Haufen blutrünstiger, mordlüsterner und vor allem sturer Vampire als Aufpasser gegenübergestellt werden?

Man beschloss den Clans noch schlimmere Vampire vor die Nase, oder besser, vor die Reißzähne zu setzen.

So entstand die Superioritas, die Obrigkeit.

Bestehend aus einigen alten Vampiren, die schon so ziemlich alles gesehen, gerochen und geschmeckt haben. Vampire, wie sie schlimmer und eindrucksvoller nicht sein könnten.

Die Obrigkeit griff hart durch, sie verschonte keinen Vampir der gegen den neuen Kodex verstieß. Es war eine schlimme Zeit, in der viele Vampire, auch schon sehr alte, in Flammen aufgingen.

Aber irgendwann werden selbst Vampire vernünftig und sie hielten sich einigermaßen an die Regeln. Heute gibt es nicht mehr so viele Blutsauger auf der Welt, wie noch im 18. Jahrhundert.

Einige ziehen wie Nomaden durch das Land, um trotz der Bedrohung durch den hohen Rat und die Obrigkeit, eine Spur des Todes und des Blutes hinter sich her zu ziehen.

Andere sind in entlegene Städte und Dörfer abgewandert, um ausschließlich von Tieren zu leben.

Dann gibt es diejenigen, die sich zwar niedergelassen haben, aber mit dem Clan nichts gemein haben. Sie leben allein und sind meistens selbst große Verbrecher. Auf sie hat die Obrigkeit ein waches Auge.

Und es gibt immer noch den Clan der Vampire, mit unterschiedlicher Anzahl von Mitgliedern, die sich aber voll und ganz dem Kodex verschrieben haben. Sie jagen Menschen, böse Menschen. Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder, den Abschaum der Blutsäcke.

Die Oberen des Clan setzen sich aus ganz unterschiedlichen Vampiren zusammen. Jeder hat andere Möglichkeiten, an Informationen über Verbrecher zu kommen.

Da wir uns ungehindert unter Menschen bewegen können, gehen einige von uns normalen Berufen nach. So arbeiten sie unentdeckt bei der Polizei, als Staatsanwälte, Anwälte, Richter, in Gefängnissen oder bei anderen staatlichen Behörden. Sie sitzen an der Quelle und kommen so aus erster Hand an wichtige Informationen heran.

Der Delinquent wird jetzt nur noch zu einer bestimmten Zeit, an einen bestimmten Ort gelockt, wo auch schon ein hungriger Vampir auf ihn wartet, um ihn von der Bildfläche verschwinden zu lassen.

Es ist eigentlich wie in einer großen Firma, alle arbeiten Hand in Hand. Ein reibungsloser Ablauf ist nur gewährleistet, wenn jeder Mitarbeiter korrekt seine Arbeit verrichtet.

Jeder Vampir, egal welchem Clan er auch angehören mag, der gegen die Regeln verstößt, der Unschuldige tötet, bringt sich selbst und natürlich auch die anderen in Gefahr. Ganz zu schweigen von der Verwandlung in celeritas, im Schnellverfahren. Sofern es im einundzwanzigsten Jahrhundert überhaupt noch eine Umwandlung eines Menschen in einen Vampir gibt, so erfolgt sie in kleinen Schritten. Der Vampir-Anwärter wird immer mal wieder gebissen, so geht seine Verwandlung langsam und für seine Umwelt fast unbemerkt, vor sich. In dieser Zeit wird der Mensch-Vampir Halbblut genannt.

Die Verwandlung in celeritas ist verboten und zieht eine empfindliche Strafe nach sich. Das Ganze hat einen guten Grund. Im Schnellverfahren, wobei der Vampir das gesamte Blut des Opfers aussaugt, um ihm hinterher einen Teil seines eigenen Blutes wieder zurück zu geben, ist nicht sicher. Dem Menschen wird, mit seinem Lebenssaft, auch die Persönlichkeit, sein Charakter genommen, mit dem des Vampirs gemischt, um es ihm wieder zuzuführen. Nur selten kommt etwas Gutes dabei heraus.

In den letzten Jahren hat es aber kaum ein Vampir des Clans gewagt, gegen den Kodex zu verstoßen und die Obrigkeit, oder gar den hohen Rat, der über alle ein waches Auge hat ohne selbst groß in Erscheinung zu treten, herauszufordern.

Aber, wie so oft, irgendeinen völlig Verrückten gibt es immer.

So auch in meinem Fall.

Das wäre dann wohl … Ich.

Mir ist es nicht möglich, mich nur darauf zu konzentrieren, Verbrecher zu schnappen. Ich muss ständig aus der Rolle fallen, ich muss einfach jagen.

Es liegt mir sozusagen … im Blut.

Plötzlich sehe ich alles ganz deutlich vor mir, es fing genau an dieser Stelle an, auf den Zinnen der Stadtmauer. Ich schließe die Augen und erinnere mich.

Aber eigentlich ist es viel mehr.

Es ist, als durchlebe ich die letzten Jahre ein weiteres Mal.

Ich bin schon mittendrin … wieder einmal.

Es war ruhig, fast schon still, nur der Wind pfiff. Er wehte über meine kalte, weiße Haut, aber ich spürte ihn kaum. Er zerrte meine langen, schwarzen Haare nach hinten, presste mein T-Shirt an den Körper und ließ meine Sachen flattern. Der Wind versuchte mich von den Zinnen zu stoßen, mich in seine dunklen Tiefen zu reißen.

Aber ich stand ganz still da, die Arme ausgebreitet, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Nur mein Geruchssinn arbeitete. Er arbeitete gründlich, immer wieder saugte ich die kühle Nachtluft durch meine Nase ein, versuchte die verschiedenen Gerüche auseinander zu halten, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen. Ich suchte einen bestimmten Geruch: Den Geruch, ihren Geruch.

Ihr Duft, so köstlich und verführerisch, so unwiderstehlich, dass es vor Verlangen tief in mir pochte und brannte.

Meine Kehle war eine Wüstenlandschaft, meine Zunge, mein Mund trocken, der restliche Körper glich einem Flammenmeer.

Verzweifelt versuchte ich ihren Geruch wiederzufinden. Warum nur hatte ich ihn verloren, weshalb ließ ich ihn ziehen, ich war doch schon so nah. Ich hätte nur nach ihr greifen, sie nur packen müssen. Dann würde ihr Duft bereits mir gehören, mir allein.

Ich würde ihn in mich aufsaugen, verschlingen, ihn einatmen. Mein Feuer wäre gelöscht.

Der Wind wurde plötzlich stärker, die verschiedenen Gerüche intensiver.

Da, endlich, wieder ein kleiner Fetzen von ihrem Duft. Lieblich und teuflisch zugleich. Ich ließ ihn nicht mehr los, hielt ihn in meiner Nase fest, versuchte die genaue Richtung zu bestimmen.

Westlich, fast am anderen Ende der Stadt. Ich roch sie wieder, ein eigenartiges Glücksgefühl schoss durch meinen Körper, ich wusste, wo sie sich befand.

Mein Kopf ruckte hoch und ich riss die Augen auf.

Lächelte, mein Feuer loderte kurz und heftig, es wollte gelöscht werden. Ich wollte, dass es gelöscht wird, mit ihrem herrlichen Duft und … Geschmack.

Ich ging einen Schritt nach vorne und fiel in die Tiefe, flog auf den harten Boden zu.

Der plötzliche Wind riss meine Haare hoch und zerrte an meinen Sachen. Das Rauschen und Pfeifen der Luft begleitete mich auf dem kurzen Weg nach unten.

Sanft landete ich auf den Füßen, ich stand noch nicht richtig, da sprintete ich bereits los, ihrem Duft entgegen.

Zu ihr und ihrem köstlichen, unwiderstehlichen Geruch, damit er mein Feuer löschte und mein Monster beruhigte.

Ich huschte lautlos durch die noch feuchten Straßen. An einer Bushaltestelle sah ich sie endlich auch mit meinen Augen.

Sie war wunderschön, blonde, glatte Haare, die zwischen den Schulterblättern endeten. Porzellangleiche Haut, ein schlanker Körper mit schier endlosen Beinen, die in Jeans steckten.

Ihr Duft, der mich magisch anzog, ließ sie auf mich wirken, als sei sie das schönste Geschöpf auf Erden.

Selbst für mich, als Mädchen, schien sie mir schöner, als jeder Engel zu sein.

Ich rannte auf sie zu, mitten im Lauf griff ich sie mir.

Sie hörte mich weder, noch sah sie mich. Mit einer Hand umfasste ich ihre Beine, mit der anderen ihre Schulter, gleichzeitig hielt ich ihr den Mund zu. Außer einen verschreckten Humpf konnte sie nichts mehr sagen.

Nur ihre Augen, diese wunderschönen blauen Augen, wurden immer größer und größer.

Mit meiner Beute im Arm stürmte ich durch den nächstgelegenen Hausdurchgang, dieser führte in einen schäbigen Hinterhof.

Genau der richtige Platz für mich.

Ich lächelte und spürte, wie sich mein süßes Opfer in meinen Armen windete.

Ich blickte ihr direkt in die, vor Schreck, weit aufgerissenen Augen, hörte wie ihr Blut rauschte. Ihr köstlicher, warmer Lebenssaft, er schoss förmlich durch ihre Adern.

Ein herrlicher Duft wehte zu mir hoch, betäubte meine Sinne, ließ mein inneres Monster jaulen und vor Gier laut schreien.

Mit der Hand bog ich ihren Kopf langsam nach hinten, nur so viel, dass ihr Hals in all seiner Schönheit vor mir entblößt lag. Unter der zarten Haut sah ich das Blut in ihren Adern pulsieren, es rauschte schneller, als ich es je für möglich hielt. Das war der schönste Anblick, den es für mich gab.

Langsam bewegte ich meinen Mund in Richtung ihres Halses.

In meinen Armen fing sie an, hektischer zu strampeln. Aber mit eisernem Griff hielt ich sie fest. Meine Beute war mir sicher, sie kam nicht mehr weg.

Weit öffnete ich meinen Mund und stellte mir schon vor, wie sie schmeckte, wie ihr heißes Blut durch meine Kehle lief und augenblicklich das Feuer in mir löschte.

Ich schlug ihr meine spitzen Zähne in den Hals.

Sie versteifte sich in meinem Arm.

Sofort schoss ein Strom von warmem, köstlichem Lebenssaft aus dem Mädchen. Meine Lippen umschlossen die Bisswunde und ich saugte das warme Blut in mich hinein.

Es spülte die Wüstenlandschaft in meiner Kehle fort und löschte das Feuer in meinem Innersten.

Sie schmeckte einfach köstlich.

Ich löste mich erst wieder von ihrem Hals, als sie fast leer war.

Ein letztes Mal schluckte ich, dann fuhr ich mit meiner Zunge über die zwei Einstichstellen an ihrem Hals, die meine Eckzähne hinterlassen hatten.

Sofort verschlossen sich die Wunden und ihre Haut sah so aus wie vorher. Rein, weiß und makellos.

Ich ließ sie einfach fallen.

Schwer plumpste sie auf den schmutzigen Boden.

Sie war jetzt nur noch eine leere Hülle für mich.

Ihr Duft, ihr ganz spezieller Geruch war verschwunden.

Ein bisschen hing er noch in der Luft, umgab mich, umkreiste und umschmeichelte mich. Aber ich hatte genug von ihr aufgesogen, ihre Überreste interessierten mich nicht mehr.

Ich lehnte meinen Kopf an die Wand und schloss die Augen. Ein lang gezogenes Stöhnen entglitt meiner Kehle.

Ich spürte deutlich, wie meine Zähne schrumpften, wie sie zu ihrer normalen Größe zurückkehrten.

Langsam öffnete ich die Augen, nun waren sie wieder braun, mit kleinen gelben Pünktchen, die wie Goldflitter aussahen.

Ein paar Stunden später stand ich auf der Brücke, die sich elegant über den Fluss spannte. Sie verband die rechte mit der linken Hälfte unserer Stadt.

Zyniker behaupteten, sie würde die arme mit der reichen Seite koppeln und ich war geneigt, ihnen zuzustimmen. Tatsächlich wurden auf der rechten Seite, also östlich, viel mehr schäbige Hochhäuser gebaut, als im westlichen Teil. In dem sich fast alle Geschäfte, Schulen und sonstige interessante Sehenswürdigkeiten, befanden.

Ich stand schon häufig mitten auf der Brücke und starrte in das dunkle, rauschende Wasser unter mir.

Es war heute Nacht nicht meine Aufgabe gewesen, der Blonden aufzulauern und sie zu töten. Mein eigentlicher Auftrag bestand in der Vernichtung eines Kinderschänders. Blondie kam mir nur dazwischen, sie war sozusagen, ein kleiner Unfall, ein klitzekleines Versehen.

Der vereinbarte Zeitpunkt zur Tötung des Kindermörders war längst verstrichen, meine Chance vertan.

Tief in mir drin regte sich etwas, das man vielleicht als schlechtes Gewissen bezeichnen konnte. Schuldgefühle darüber, dass in naher Zukunft erneut ein Kind den Tod finden würde. Indirekt wäre ich mit schuldig, da ich den Verbrecher laufen ließ.

Mitten in meine Überlegungen hinein, schlug plötzlich eine Hand, schwer auf meine Schulter. Ich zuckte erschreckt zusammen, entspannte mich aber sofort wieder, da ich wusste, es konnte nur einen geben, der mich und meine Lieblingsplätze genau kannte.

Es war Frank.

»Es ist schon spät, Frank«, murmelte ich, »was führt dich hier her?«

Ich lehnte meine Arme auf das eiserne Geländer der Brücke und starrte demonstrativ hinunter auf den dunklen Fluss und die um sich wirbelnden Strudel.

Er lachte kurz trocken. »Du meinst wohl, es ist bereits früh, Tascha.« Mit seinem Finger zeigte er knapp an meiner Nase vorbei in Richtung Osten. Ob ich wollte, oder nicht, ich folgte, mit den Augen, seinem ausgestreckten Finger.

Dort ging gerade zwischen den Hochhäusern die Sonne auf. Der Himmel wurde schon heller und die Wolkenkratzer hoben sich deutlich gegen das hellorange Firmament ab.

»Gleich geht die Sonne auf«, flüsterte Frank mit einer brüchigen Stimme. »Ein neuer Tag beginnt, Tascha. In deinem und auch in meinem Dasein.«

Ich erwiderte nichts, mir fiel keine Antwort ein, so starrte ich einfach wieder in die Fluten unter uns.

Frank lehnte sich in der gleichen Stellung gegen das Brückengeländer und blickte ebenfalls über den Fluss, auf dem sich der Sonnenaufgang glitzernd wiederspiegelte.

Seine Stimme zerriss die Stille.

»Warst du … jagen?«

Mir entging die kleine Kunstpause nicht. Ich warf ihm einen kalten Blick zu.

»Nein. Mir kam etwas dazwischen.«

Frank hob eine Augenbraue. »Dazwischen?«, fragte er ungläubig.

»Ja«, ich lachte kurz, »etwas Blondes.«

Sein Blick durchbohrte mich, ich sah erneut auf das dunkle Wasser, es hatte etwas Beruhigendes an sich.

»Tascha, wir alle haben schwache Momente, aber du …«

Ich wusste bereits, was er sagen wollte, noch bevor er es aussprach.

»Aber du … bestehst nur aus schwachen Momenten. Du musst dein Verlangen zügeln, du musst dich einfach dazu zwingen, so geht das nicht weiter.«

Er tippte mir mit dem Finger gegen die Schulter und ich sah zu ihm auf.

»Irgendwann, musst du die Konsequenzen für deine Taten tragen. Dann kann ich dir nicht mehr helfen. Ich werde ihnen recht geben und einen Schritt beiseitetreten um sie durchzulassen.« Seine Stimme war leise und eindringlich.

Er blickte über mich hinweg und fixierte irgendeinen Punkt am Horizont.

Es verfehlte seine Wirkung nicht. Ein leichtes Kribbeln stellte sich ein, es begann am Rücken und zog sich, in rasender Geschwindigkeit, über den Rest meines Körpers fort.

Er sah mir in die Augen.

»So ist es brav, mein Mädchen«, er lächelte selbstgefällig, »du solltest auch ein bisschen Angst haben.«

Ich hasste ihn dafür und mich noch viel mehr.

Vor allem aber verabscheute ich die Angst. Sie war schlecht, sie lähmte einen. Angst ließ einen nicht mehr richtig reagieren.

Ich fragte mich, ob er meinen Hass wohl auch so gut roch, wie meine Angst.

Das war aber anscheinend nicht der Fall.

Er beugte sich nach vorne und küsste mich sachte auf die Stirn. Abermals durchzuckte es mich wie ein Blitz und das Kribbeln stellte sich augenblicklich erneut ein. Es hatte nichts Angenehmes an sich, das war der reine Selbsterhaltungstrieb.

Abrupt drehte Frank sich um, er wollte scheinbar gehen, der Kloß in meinem Hals, begann sich langsam zu lösen, die Angst, die mein Herz schmerzhaft zusammen presste, ließ ein wenig lockerer.

Die Hände, vergraben in seiner leichten Jacke, entfernte er sich zwei Schritte, dann blieb er stehen.

Sofort drohte der Kloß meinen Hals zu sprengen und die kalte Hand mein Herz zu zerquetschen.

Frank machte sich nicht die Mühe sich umzudrehen.

»Denk an meine Worte, ich habe dich gewarnt.«

Zu keiner Antwort fähig, konnte ich nur stumm nicken. Das genügte ihm scheinbar und er schlenderte über die Brücke, in Richtung der reichen Seite.

Mit einem zittrigen Seufzer fiel auch die Furcht von mir ab, was blieb, war nur Wut und Hass, auf ihn und mich selbst.

Darauf, dass ich mich nicht beherrschen konnte und das ich mich damals dem Clan anschloss. Wenn ich das nicht getan hätte, wäre ich jetzt ein freier Vampir, ich könnte tun und lassen was immer ich wollte. Niemandem müsste ich Rechenschaft ablegen, keiner würde mich fortwährend ausfragen.

Was gut und richtig, oder falsch und schlecht wäre, müsste ich selbst entscheiden.

Mein bester Freund, Josh, lebt genau nach diesen Prinzipien.

Meine Faust schlug gegen das Geländer. Genau diesen Freund werde ich jetzt aufsuchen. Ich sehnte mich nach einem freundlichen Gesicht, nach einem frechen Grinsen, nach jemandem, der mich verstand.

Ich ging über die Brücke, dem Sonnenaufgang entgegen.

Joshs Buchladen war von der Sorte: 24 Stunden geöffnet und hier bekommen Sie alles. Ein regelrechter Hexenladen war das und er lag im östlichen, dem ärmeren Teil unserer Stadt.

Ich machte mich auf den Weg.

Mein Wagen, ein 66er Mustang Convertible, stand noch bei mir zuhause in der Tiefgarage, so ging ich den ganzen Weg, zu Josh’ Hexenladen, zu Fuß.

Die Sonne war schon ein gutes Stück den Himmel hinaufgeklettert, als ich endlich vor Joshs Buchladen ankam.

Nur gut, dass uns Geschöpfe der Nacht die Helligkeit nichts ausmacht, dass wir nicht, wie in den unzähligen, lächerlichen Büchern und Filmen über uns, einfach zu Staub zerfallen.

Es bedarf schon einiger Anstrengungen, um einen Vampir, von diesem Dasein, ins nächste zu schicken.

Uns den Kopf abschlagen, das ist schon mal eine sehr gute und zuverlässige Möglichkeit. Feuer ist auch sehr effektiv.

Ein Genickbruch lähmt uns nur, für die Zeit, die unsere toten Körper brauchen, um die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Alle anderen Wunden verschließen sich innerhalb kürzester Zeit, Schmerzen können wir sehr gut ertragen.

Wir essen nicht, wir trinken nicht, es sei denn, es handelt sich um Blut, möglichst frisch aus der Vene.

Alternativ kann es auch aus der Konserve kommen.

Eine kleine Firma im östlichen Teil der Stadt spezialisierte sich darauf. Sie bezogen das Blut von verschiedenen Orten, Blutbanken, freiwillige Spender und wer weiß noch, woher.

Sie füllten es in schmale Konservenbüchsen, ähnlich einer Limo-Dose, ab und verkauften es an die Vampire in der Gegend.

Der Erlös aus dem Verkauf ging fast vollständig an den hohen Rat der Vampire, der Abfüller erhielt nur einen verschwindend geringen Teil für seine Arbeit.

Der hohe Rat aber gab das Geld an uns weiter, hat man je einen armen Vampir getroffen? Wir sind immer flüssig.

Je mehr Konservenblut wir konsumierten, umso mehr Geld konnte der Rat an uns verteilen.

So war allen geholfen: Den Menschen, da nicht mehr so viele von ihnen getötet wurden, und den Vampiren, sie brauchen nicht mehr jagen und es drohte keine Aufdeckung unserer Geheimnisse.

Somit waren alle glücklich, wenn auch die Blutsäcke, ohne etwas davon zu ahnen.

In Gedanken versunken betrachtete ich das Geschäft von außen. Die beiden Fenster, links und rechts der Eingangstür, waren verdunkelt. Es war nicht möglich, einen Blick in das Innere zu werfen.

Josh hatte auch keine Waren in den Fenstern ausgestellt, nur über der Tür prangte eine rote Leuchtreklame. Joshs Buchladen stand in verschnörkelter Neonschrift an der Wand. Tag und Nacht leuchtete sie, seit ich Josh kannte, erhellten die fünfzehn Zeichen den Eingangsbereich und tauchten ihn in ein schauriges, blutiges Licht.

So auch heute, schmunzelnd, über die Tatsache, dass man sich auf Josh scheinbar immer verlassen konnte, stieg ich die drei ausgetretenen Steinstufen empor und stieß die Tür zu seinem Laden auf.

Ein zartes Glöckchen ertönte, ein Schock für die Nase erwartete mich hinter der Tür.

Es roch nach … Nichts.

Das stimmte nicht ganz, es hing natürlich ein Geruch in der Luft, aber der war so gut wie Nichts wert.

Es roch nach Staub, trockener Luft und dem pergamentartigen Geruch eines Vampirs.

Josh stand hinter dem Verkaufstresen, auf seine Ellenbogen gestützt und blickte mir freundlich entgegen.

Josh gehörte noch nie zum Clan und wird es auch nie. Er und Frank konnten sich nicht leiden, es bestand sogar so etwas wie eine Todfeindschaft zwischen ihnen.

Gut für mich, so konnte ich mit Josh über Dinge sprechen, die nicht für die Ohren meines Mentors bestimmt waren.

»Hallo Natascha, schön dich zu sehen.« Josh grinste breit und sah, wie immer, einfach wunderschön aus.

»Was führt dich in mein Geschäft?«

Er kam hinter seinem Tresen hervor, trat an mich heran und umarmte mich. Abermals atmete ich diesen eigenartigen Papiergeruch ein.

Eigentlich müsste ich genauso riechen, wusste jedoch, dass es nicht so war.

Wie zur Bestätigung hielt Josh mich auf Armeslänge fest und blickte mich an.

»Du duftest immer noch genau so gut wie früher. Daran hat sich nichts geändert.« Er drückte mich wieder an sich.

»Das ist sehr schön.«

Ich hörte ihn seufzen und spürte, wie er tief einatmete.

Ich kannte Josh noch aus meiner Halbblutzeit, meistens traf ich ihn im Desmodus, ich war aber auch hin und wieder hier bei ihm im Buchladen. Niemals erzählte ich Frank davon.

Josh war ungefähr im gleichen Alter wie ich. Natürlich im menschlichen Alter, nicht das Alter als Vampir, da dürfte er mir so um die dreihundertachtzig Jahre voraus haben.

Er wollte mich damals immer von Frank weg locken, erzählte mir die schlimmsten Schandtaten über ihn. Sein Leben als freier Vampir versuchte er mir schmackhaft zu machen. Damals war ich aber noch von Frank abhängig und auch so fasziniert von ihm, dass ich nie auf Josh hörte.

Jetzt sah die ganze Sache anders aus, derzeitig beneidete ich ihn um sein Leben ohne Regeln.

Ich befreite mich sanft aus Joshs Umarmung und sah mich in seinem kleinen Geschäft um.

Ehrfurchtsvoll bestaunte ich jedes Stück in diesem regelrechten Hexenladen. Auch, da ich wusste, wie stolz Josh auf seine Sachen war. Zuerst erschlug einen die Vielfalt der Dinge nahezu, aber man gewöhnte sich daran.

Eine Wand von Joshs Laden nahm ein überdimensionales Regal ein, vollgestopft mit Büchern. Romane, Geschichten, Gedichte, Reiseführer, Hexenbücher und Bücher über Liebe, Tod und auch Vampire. Teils Neue, aber auch so alte Bücher, dass man meinen könnte, Josh hätte sie selbst aus den vergangenen Jahrhunderten seines Daseins mitgebracht.

Die Decke hing mit unzähligen Traumfängern und Lampions voll. Überall standen kleine, verzierte Tischchen, aus verschiedenen Zeitepochen. Waffen hingen an den Wänden verstreut. Gewehre, Pistolen, Schwerter und Säbel. Dazwischen, an goldenen Kordeln immer wieder Bilder und kleine Wandteppiche.

Überall stand, lag und hing etwas. Es war einem schlicht unmöglich, hier etwas Bestimmtes zu finden.

Wenn man nach was speziellen suchte, war es ratsam, Josh zu fragen, er kannte jeden seiner Gegenstände und auch die dazugehörigen Geschichten.

Fast schon zärtlich dirigierte Josh mich zu zwei altmodischen und abgewetzten Sesseln.

»Was kann ich denn für meine Süße tun?«, fragte er mit seidenweicher Stimme.

Lächelnd betrachtete ich ihn, seine blonden, zerzausten Haare, die blauen Augen, sein feines, glattes Gesicht. Er war eine wirklich hübsche Ausgabe eines Blutsaugers.

Sein Blick wurde intensiver, das Blau eine Spur dunkler. Verlegen fixierte ich einen Punkt vor mir, auf dem, mit alten Perserteppichen bedeckten, Boden. Ich wusste, dass Josh ein bisschen verliebt war, in mich, ich wusste es, da er es mir irgendwann, in einer schwachen Stunde, gestand.

Ich erwiderte seine Gefühle nicht, für mich war er nur der beste Freund, den man haben konnte. Das alles machte unser Verhältnis zu einer komplizierten und manchmal peinlichen Sache.

Sich seiner Wirkung auf mich voll bewusst, setzte er sich mir gegenüber in den Sessel. Völlig entspannt lehnte er sich, mit einem frechen Grinsen auf den Lippen, zurück.

»Nun sag endlich, was kann ich für dich tun, Natascha?« Wieder diese seidenweiche Stimme, die mich erschauern ließ.

»Eigentlich nichts Besonderes«, antwortete ich und lächelte schief.

Joshs selbstgefälliges und wissendes Grinsen machte mich wütend, aber ich beherrschte mich.

»Du kommst also den weiten Weg hier in meinen bescheidenen Laden, um … was? Nichts zu wollen?« Ein verächtliches Schnauben kam aus seinem Mund.

»Das mag glauben, wer will«, umständlich stemmte er sich aus dem Sessel, »ich jedenfalls nicht.«

»Warte Josh«, beeilte ich mich zu erwidern, »ich will schon was von dir. Aber …«, erneut starrte ich betreten zu Boden.

»Aber?«, fragte er gedehnt.

Ich sah ihn von unten her an. »Aber es ist nichts Wichtiges. Ich war nur auf der Suche nach einem freundlichen Gesicht und vielleicht ein paar netten Worten.« Ich seufzte. »Nettere als ich die letzten Stunden gehört habe.«

Josh hob fragend eine Augenbraue, bis sie fast in seinen blonden Haaren verschwand.

Leise erzählte ich ihm von den vergangenen Stunden. Meiner verbotenen Jagd und meinem Treffen mit Frank.

Als ich meine kurze Geschichte beendete, seufzte Josh auf und nahm zart meine schmale Hand in seine.

»Warum tust du dir das nur an?«, fragte er und zeichnete dabei die feinen Linien auf meinem Handrücken nach.

»W-Was meinst du?«

»Na ja, die Jagd ist unsere Leidenschaft, wir sind wie Raubtiere, die werden auch unzufrieden mit der Zeit, wenn man sie nur mit totem Fleisch ernährt.«

Fragend sah ich Josh in die leuchtend blauen Augen.

»Du willst jagen, Süße. Das liegt dir im Blut. Du möchtest kein schlechtes Gewissen haben. Tja, und dann noch Frank, dieser verdammte Bastard, der meint alles beherrschen zu können und der Clan, mit seinen mehr als zweifelhaften Aufgaben. Das alles meinte ich. Also, ich frage nochmals: Warum zum Teufel tust du dir das alles an.«

»Ich … ich … ich weiß es nicht«, erwiderte ich zögernd.

»Das dachte ich mir schon«, murmelte Josh und lachte kurz.

»Bist du einen Vertrag mit Frank eingegangen?«, er sah mich lauernd an, »oder hast du einen Pakt mit dem Mistkerl geschlossen?«

Energisch schüttelte ich mit dem Kopf. »Nein. Nein natürlich nicht. Josh, wofür hältst du mich?«

»Es war nur ‘ne Frage«, seine Stimme ging in ein entschuldigendes Gemurmel über.

Ganz plötzlich strafften sich seine Schultern, mit einem Ruck stand er auf, in derselben Sekunde riss er mich aus dem Sessel hoch in seine Arme. Ich war viel zu erschrocken und erstaunt, dass ich zu einer Gegenwehr bereit wäre.

Seine kalten Arme lagen eng um meinen Körper, dicht an meinem Ohr hauchte er:

»Natascha, Süße, willst du nicht bei mir bleiben? Wir könnten Gefährten werden. Pfeif doch auf die ganze Kodex Sache. Bei mir … mit mir gäbe es ein Leben ohne die verdammten Regeln. Du könntest jagen wen und wann du willst. Es wäre auch ein Leben ohne schlechtes Gewissen.«

Ich lehnte meine Wange gegen seine eiskalte Schulter und dachte über seine Worte nach. Während Josh mir sacht übers Haar streichelte, kreisten meine Gedanken um die Möglichkeiten, die er mir soeben offenbarte.

Mit seinen kurzen Worten, öffnete er mir eine Welt, nach der ich mich insgeheim schon lange sehnte.

Ein Dasein ohne Regeln, ohne den Kodex und vor allem … ohne Frank.

»Bekomme ich noch eine Antwort, bevor ich alt und grau bin und am Krückstock gehe?« Joshs Stimme klang amüsiert, aber es schwang auch ein angespannter Ton darin.

Ich kicherte. »Sicher doch. Ich war nur in Gedanken versunken.« Sanft drückte ich ihn von mir und setzte mich behutsam zurück in den Sessel.

Er nahm mir gegenüber Platz. »Und deine Gedanken ergaben … Was?«

Ich holte tief Luft.

»Du hast völlig recht Josh. Die Zeit ist reif für Veränderungen. Aber ich werde, wenn ich erst den Clan verlassen habe, die Stadt wechseln müssen. Sie … ER wird hinter mir her sein und er wird verdammt wütend sein.«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage.« Vertrauensvoll legte mir Josh seine Hand aufs Knie. »Du wirst am besten hier bei mir bleiben, nur hier bist du sicher. Ich werde dich beschützen.«

Was er sagte, flößte mir Vertrauen ein, ich war tatsächlich bereit Frank und den Clan zu verlassen, um ein Dasein in Freiheit zu führen. Ich konnte es selbst nicht richtig glauben.

»Aber es geht noch nicht sofort«, sagte ich leise und beschwor sofort einen säuerlichen Gesichtsausdruck bei ihm hervor.

Ich beeilte mich weiter zusprechen.

»Ich werde noch einen Auftrag erledigen.«

Joshs Miene hellte sich wieder ein wenig auf.

»Einen?«, fragte er misstrauisch.

»Ja, nur einen einzigen. Ich verspreche es dir.«

»Nun gut, wenn es sich wirklich nur um einen Auftrag handelt, meine Süße.« Er stand auf und lächelte auf mich herab.

»So lange kann ich wohl noch warten, schließlich hoffe ich schon sehr lange auf eine Änderung deiner Sichtweise der Dinge.« Er drehte sich um und ging in Richtung seiner Theke.

Verwirrt erhob ich mich.

»D-Du wartest? W-wie lange denn sch-schon?«

»Willst du was trinken?« Er überhörte meine Frage und goss stattdessen Konservenblut in zwei Gläser.

»Nein danke. Beantworte bitte meine Frage, Josh.«

Er stand mit dem Rücken zu mir, aber ich sah, wie er in der Bewegung verharrte. Er drehte sich nicht um, als er leise meinte:

»Schon lange, Natascha. Schon verdammt lange.«

Josh stellte ein mit Blut gefülltes Glas in die Mikrowelle und schaltete sie ein, dann trafen sich unsere Blicke.

»Eigentlich schon, solange wir uns kennen.«

Ich schluckte und wusste keine Antwort darauf.

»Willst du wirklich nichts?«, fragte er lakonisch und zeigte auf die noch laufende Mikro.

Ich schüttelte mit dem Kopf. »Danke Josh, aber ich hatte schon genug.«

Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

»Genug von … Was?«

Ich holte tief Luft. »Von allem. Und jetzt muss ich gehen. Heute Abend ist ein Treffen und da sollte ich ausgeruht sein.«

»Wie du meinst«, murmelte er und nahm das erwärmte Blut aus der Mikrowelle. Genüsslich hielt er es sich unter die Nase. Mit geschlossenen Augen zog er den Geruch des Blutes ein.

Ich spürte, wie sich mein Mund schmerzhaft zusammen zog, jetzt war es wirklich an der Zeit diesen Ort zu verlassen.

»Auf bald, Josh«, hauchte ich und drehte mich brüsk um.

»Bis bald… hoffe ich doch. Ich werde auf dich warten, meine Süße.«

Seine Worte kreisten in meinem Kopf. Den ganzen Weg, bis zu mir nach Hause, konnte ich an nichts anderes mehr denken, als nur an Joshs letzte Worte.

Bei mir angekommen, widerstand ich der Versuchung, mir eine Dose Blut zu erwärmen, ich wollte einfach so lange wie möglich damit warten. Zu köstlich war das echte, solange es noch in meinem Körper kreiste, schüttete ich keine gepanschte Blutmixtur darauf.

Ich wohnte in einem der vielen Hochhäuser, fast am Ende der Stadt. Im Obersten Stockwerk befand sich ein kleines Appartement mit großer Dachterrasse. Es bestand nur aus einem Zimmer: Dem Wohnzimmer.

Da wir Vampire nicht schlafen, benötigte ich auch kein Bett, falls ich das Bedürfnis hatte mich auszuruhen, legte ich mich einfach auf mein kleines Sofa. Ein Esstisch war ebenso wenig nötig, wie eine voll ausgestattete Küche. Eine kleine Küchenzeile mit Mikrowelle, ein Kühlschrank und Platz für ein paar Gläser genügten völlig für meine Bedürfnisse. In meinem winzigen Badezimmer war gerade Platz für eine Dusche und das Waschbecken, die Toilette diente mir nur als Sitzplatz.

Schwer plumpste ich auf das Sofa, warf einen Blick aus den großen Fenstern und dachte nach.

Ich bewohnte zwar den östlichen Teil der Stadt, aber meine Terrasse ging nach Westen hinaus, der untergehenden Sonne entgegen. So konnte ich nicht nur sehen, wie die Dunkelheit herauf kroch, auch den Fluss, die Brücke und den Bezirk der Reichen konnte ich ausmachen.

Ich überlegte, ob das wirklich so eine gute Idee war, mich nach dem nächsten Auftrag von Frank und dem Clan zu trennen. Was würde mich erwarten? Konnte ich wirklich hier in der Stadt bleiben, wie es mir Josh versicherte? Das kam vielleicht darauf an, wie ich mich vom Clan trennte, im Guten, oder im Schlechten. Wir werden sehen.

Ich lehnte meinen Kopf seufzend gegen die Lehne und schloss die Augen.

Als ich sie wieder öffnete und einen erneuten Blick aus meiner Terrassentür warf, stellte ich verwundert fest, dass ich die Sonne sah. Es musste also später Nachmittag sein.

Ich hatte mich den gesamten Tag ausgeruht, ohne die kleinste Störung.

Ich duschte ausgiebig und zog mich an.

Um achtzehn Uhr machte ich mich auf, zu Franks Haus. Er wohnte sehr weit draußen, außerhalb der Stadt. Das hieß, dass ich mein Auto nehmen musste.

Ich ging durch das Treppenhaus in die Tiefgarage,

Aufzüge machten mich nervös.

In ihnen konzentrierte sich die Luft, der Geruch der Menschen konnte nicht entweichen. Er stand förmlich in dem kleinen Raum, füllte ihn komplett aus, und war für mich kaum auszuhalten, besonders wenn der Geruchsträger noch mit mir zusammen eingeschlossen war. Auch wenn die Fahrt nur wenige Sekunden dauerte, konnte es für das Menschlein bedeuten, dass meine Zähne das Letzte war, was er in seinem Leben zu sehen und zu spüren bekam.

Um dieser schier unausweichlichen Tat aus dem Wege zu gehen, benutzte ich die Treppe.

In der Tiefgarage stank es nach Gummi, Benzin und Bremsstaub. Aber noch einige andere Gerüche mischten sich unter die Vorherrschenden.

Menschliche Gerüche, nach Hektik, Schweiß, Angst, und Streit.

Tief atmete ich ein und ging gelassen zu meinem Parkplatz mit der bezeichnenden Nummer 666.

Mein 66er Mustang stand neben einem anderen Wagen, aus dem, genau in dem Moment, einer der Mieter ausstieg. Ausgerechnet.

Das Verdeck war von meiner letzten Spritztour noch offen, somit konnte ich mich nicht schnell in meinem Wagen verschanzen. Es war aber auch zu bedauerlich.

Als ich an meinem Parkplatz ankam, stand der Mensch noch immer neben seinem Auto und sah zu mir herüber. Ich würdigte ihn keines Blickes, starrte stattdessen auf den roten Lack meines Flitzers, der matt in der Neonbeleuchtung glänzte.

Der Kerl umrundete meinen Wagen, kam schnellen Schrittes auf mich zu und sagte mit einer netten leisen Stimme.

»Entschuldigen Sie bitte, mein Name ist Ralph und Sie müssen Natascha sein.« Dabei streckte er mir seine Hand entgegen.

»Sie wohnen über mir«, setzte er lächelnd hinzu.

Ich blickte auf seine Hand und sah sein Blut durch die Adern pulsieren.

Unwillkürlich leckte ich mir über die Lippen, ergriff dennoch seine Hand und drückte sie flüchtig.

»Ja, kann sein«, gab ich zurück und schenkte ihm einen verlockenden Augenaufschlag.

»Ich hoffe, ich bin nicht zu laut und störe Sie und … «

Ein schneller Blick zu seinem Wagen, der sich als regelrechte Familienkutsche entpuppte. » … ihre Familie nicht. Ich bin leider ein Nachtmensch.«

Er ließ meine Hand los.

Schade. Zu gerne hätte ich ihn an mich gerissen und meine Zähne in seinen hübschen Hals versenkt. Für den Bruchteil einer Sekunde erwägte ich dieses Szenario, aber nur um es genauso schnell wieder zu verwerfen.

»Nein«, meinte er und wurde sichtlich verlegen.

»Ich lebe alleine … k-keine Familie. Den großen Wagen fahre ich nur, weil er mir … na ja, gefällt.«

Er wand sich förmlich vor Verlegenheit und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

»Und, nein, Sie sind nicht laut, ehrlich gesagt höre ich Sie gar nicht. Ich weiß nur das Sie über mir wohnen, von der letzten Versammlung, da … Sie waren zwar nicht da … aber … ich … eh …« Er geriet mit seiner Erklärung ins Trudeln, es war einfach zu köstlich.

Ich hörte mein helles Lachen von den Wänden und der niedrigen Decke der Tiefgarage abprallen

»Es ist schon gut«, beruhigte ich ihn, immer noch lachend. »Vielleicht begegnen wir uns ja noch einmal wieder, dann können Sie versuchen den Satz zu vollenden.«

Vor mich hin kichernd ging ich zu meinem Mustang und öffnete die Tür.

Ich warf einen letzten Blick zurück.

Er stand hinter meinem Wagen, die eine Hand in der Hosentasche, die andere schüchtern zu einem letzten Gruß erhoben.

»Na dann, auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal«, sagte er leise. Ich nickte ihm zu, schwang mich auf den Sitz und startete den Mustang. Der satte, tiefe Sound des 4,7 Liter, V8 Motors verursachte mir, wie immer, eine kurzes Kribbeln und meine Nackenhaare stellten sich auf.

Ich griff nach meiner Sonnenbrille und setzte sie auf, draußen schien noch kräftig die Sonne.

Als ich kurz in den Rückspiegel sah, stand der Kerl immer noch hinter meinem Wagen, die Hand zum Gruß erhoben.

Menschlein, dachte ich bei mir, wenn du jetzt nicht verschwindest, kann ich für nichts mehr garantieren. Dann wird dein Blut fließen, so oder so.

Ich drehte mich in meinem Sitz nach ihm um, schob meine Sonnenbrille in die Haare, blickte ihn an und hob fragend die Hand.

Er verstand und erwachte aus seiner Starre.

»O-oh«, hauchte er und trat endlich beiseite.

Natascha

Подняться наверх