Читать книгу Die Tagebücher des Michael Iain Ryan - Nadja Losbohm - Страница 8

3. Kapitel

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„Sein Magen knurrt so laut. Wie kann er davon nicht wach werden?“ Ich vernahm die Worte unterbewusst, ahnte jedoch nicht, dass sie mir galten. Ich dachte, sie waren Teil meines Traums, den ich zum wiederholten Male von Bruder Corentin und der Sternkarte träumte. Ich hatte seinen Unterricht geliebt, und ihn auf diese Weise erneut zu durchleben, war eine willkommene Abwechslung zu den grausamen Dingen, die ich für gewöhnlich im Schlaf sah. Überwiegend begegnete mir des Nachts meine tote Mutter, die zu meinem Entsetzen nicht schön, sondern am Verwesen war, sodass ihr bereits Haut- und ganze Fleischstücke fehlten. Meine Träume wurden auch von Bruder Antoine, Arnauds Folterknecht, beherrscht, der sich vor mir, der mit dem Halseisen an die Wand gekettet war, auf dem Boden in meinem Blut und meinen Tränen wälzte und mit Armen und Beinen zuckte wie ein Hund, der sich im Gras herumwirft und darauf wartet, dass ihm sein Herr den Bauch krault. Hin und wieder schlichen sich aber auch neue Bilder ein, und ich erlebte Ungewohntes.

So kam es vor, dass ich von mir selbst träumte und doch war nicht wirklich ich es, den ich sah. Es war ein junger Mann, dem Aussehen nach mein Zwilling. Seinen Taten nach zu urteilen jedoch ähnelte er dem Prior. Diese fremde Person, die mein Gesicht, meine Haare und meine tiefbraunen, fast schon schwarzen Augen mit den hellen Lichtpunkten hatte, schikanierte und folterte andere, wie es ihr beliebte. Am Ende des Traums, wenn er seiner Leidenschaft gefrönt hatte, stand er von Schwärze umhüllt einfach nur da und lächelte mich an, bis sich hinter ihm ein Mann, ebenfalls zufrieden lächelnd, aus der Finsternis schälte, und ihm vertrauensvoll eine Hand auf die Schulter legte. Es war schon eine Weile her, dass ich diesen Traum zum ersten Mal gehabt hatte. Ich war damals schreiend aufgewacht und hatte vergeblich mit Stroh von meinem Nachtlager versucht, mich von dem Schmutz namens Arnaud zu befreien. Ich will nicht so sein wie er. Ich bin nicht so wie er, hatte ich dabei unter Tränen gemurmelt. Seitdem hatte ich panische Angst davor, noch einmal davon zu träumen.

Im Halbschlaf nuschelte ich eine Antwort auf die Frage, wieso er nicht wach wurde. Ich dachte, es ginge um Jean, der in meinem Traum auf seinem Hocker saß. Sein Habit war so sehr zerrissen, dass nur Stofffetzen auf seinem Leib lagen. Die blasse Haut leuchtete überall zwischen ihnen hervor. Ich glaubte, ich erwiderte so etwas wie: Sein knurrender Magen ist sein geringstes Problem. Es ist vielmehr erstaunlich, dass er nicht von der Kälte wach wird. Ich spürte etwas an meinem Oberschenkel, konnte jedoch nicht zuordnen, was es war. Ich wischte mit meiner Hand über die Stelle, um die Missempfindung loszuwerden. Irgendwer in Corentins Unterrichtsraum schnalzte missbilligend mit der Zunge. Dann verspürte ich einen Tritt in die Rippen und war schlagartig wach.

Ich fuhr hoch und sprang auf alle viere. Ich mochte dünn und schwach sein wie ein zartes junges Bäumchen. Dafür aber war ich flink wie ein Eichhörnchen. Ebenso wie dieses um einen Baumstamm flitzt und sich an ihm in die Höhe schraubt, konnte auch ich mich bewegen. Ich huschte auf Händen und Füßen über den Waldboden, erhaschte mir dabei einen Stock, um mit ihm notfalls jemand ein Auge auszustechen, und verharrte schließlich etliche Schritte von meiner Schlafstatt entfernt hockend in absoluter Alarmbereitschaft. Mein Atem kam schnaufend hervor. Mein Herzschlag pulsierte in meinen Ohren. Meine Augen kullerten in den Höhlen herum, alles von ihrer Umgebung auf einmal erfassen wollend.

Der Wind flüsterte. Blätter rauschten. Sonnenstrahlen drangen durch sie und trafen auf mein Gesicht. Ich wunderte mich darüber, hatte mich in meiner Kammer doch zuvor nie am Morgen der wärmende Kuss der Sonne liebkost. Erst jetzt begriff ich, dass ich nicht mehr in ihr war, und erinnerte mich wieder an alles. Schließlich fand ich die beiden Männer, die völlig überrascht von meinem seltsamen und übertriebenen Gebaren neben meiner Decke und meinem Kissen standen und mich anstarrten. Sie tauschten ratlose Blicke aus, nicht wissend, wie sie das Gesehene einordnen sollten. Der Moment zog sich unnatürlich in die Länge. Eine schwere Stille lastete auf uns, die ausgerechnet Rousel durchbrach und der unangenehmen und auch irgendwie peinlichen Situation ein Ende bereitete.

Der Kutscher presste die Lippen fest aufeinander, die in seinem struppigen Bart nur als schwarze Striche auszumachen waren, schnaubte und verdrehte die Augen. Er beugte sich hinunter, wobei ihm die zerzausten, schmuddeligen und kinnlangen Haare ins Gesicht fielen, und klaubte mein Schlafzeug zusammen. Kopfschüttelnd zog er davon und ließ mich mit de Forestier allein zurück. Dieser trat einen Schritt beiseite und vollführte eine Handbewegung, die mich nicht aufforderte, sondern einlud mitzugehen. Ich entspannte mich langsam und ließ den Stock ins Laub fallen, den ich umklammert hatte wie eine Rettungsleine. Ich erhob mich, richtete meinen Habit und nahm seine Einladung an, nicht ohne den Versuch, de Forestier eine Erklärung zu geben, als ich an ihm vorbeilief. Behutsam hielt er mich am Arm zurück und schüttelte den Kopf.

„Du musst dich nicht rechtfertigen, Michael. Es gibt stets gute Gründe, wieso sich ein Mensch so oder so verhält. Doch ich muss dir gestehen, dass ich davon begeistert bin, wie flink du bist“, sagte er augenzwinkernd. „Das dürfte sich in der Zukunft als nützlich erweisen.“ Tiefe Falten traten auf meine Stirn, als ich verwundert über seine Worte die Augenbrauen zusammenzog. Er hatte lediglich vier Sätze hervorgebracht, hatte mir Verständnis und Nachsicht angedeihen lassen, obgleich er oft vulgär war, nur um am Ende Neugierde und Verwirrung in mir zu erzeugen. War es seine Absicht gewesen, um mir meine Befangenheit zu nehmen, die sich an diesem Morgen auf mich gelegt hatte?

Ob er es nun geplant hatte oder nicht, es funktionierte. Die Verlegenheit war verschwunden. Ich sorgte mich nicht mehr, was er oder Rousel von mir hielten. In meinem Kopf war nur noch Platz für eines: die Frage, inwiefern meine Fähigkeit, mich flink zu bewegen, nützlich sein würde? Ich öffnete den Mund, um de Forestier dahingehend zu befragen, doch er schien zu wissen, was ich vorhatte, und würgte mich umgehend ab. „Folgen wir Rousel. Er hat lange genug auf uns gewartet und wird deswegen noch unausstehlicher sein als sonst. Außerdem drückt es auf sein Gemüt, dass ich ihn im Morgengrauen ausgeschickt habe, die Umgebung zu inspizieren. Kurz bevor er dich geweckt hat, ist er zurückgekehrt mit der freudigen Nachricht, dass die Pferde noch da sind, der Wagen ganz und die Straße frei ist von Wegelagerern, sodass wir unsere Reise getrost fortsetzen können“, erklärte er und fügte weitere ausschweifende Beschreibungen über Gesocks hinzu, dessen unerfreuliche Bekanntschaft er bereits des Öfteren nach dem morgendlichen Aufbruch gemacht hatte, wenn sich zuvor kein Späher umgesehen hatte.

Er sprach in einem fort, ohne Luft zu holen. Nicht einmal der Marsch durch den Wald, das Ducken unter Ästen hindurch und das Steigen über umgestürzte Bäume brachten ihn zum Pusten oder Schnaufen, während mir die Zunge aus dem Hals hing, ein Pfeifen aus meiner Brust drang und mir der Schweiß den Rücken hinunterlief. „Solche Spießgesellen sind äußerst nervig, weswegen ich dir eine solche Begegnung tunlichst ersparen möchte“, schloss er ab, als wir endlich an unserem Gefährt angekommen waren. „Geht es dir gut? Du siehst fiebrig aus“, merkte er an und nahm mich genau in Augenschein.

„Ich -“, schrie ich über das Rauschen meines Blutes hinweg, das mir laut in den Ohren dröhnte, „mir – geht – es – gut.“ Ich japste nach Luft und wischte mir die Stirn trocken.

Mon dieu!“, hörte ich Rousels Stimme rufen. Kurz darauf tauchte er zwischen den Pferden auf. Er bedachte mich mit einem vernichtenden Blick und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Hey, Graf Kotz“, sagte er, „ob du es wohl schaffen wirst, die Gäule aus dem Wald zu führen, oder brauchst du erst ein Schaumbad, Quasten und Puder, um wieder zu Kräften zu kommen?“ Mein Kopf ruckte zurück, die Kinnlade fiel mir auf die Brust. Schockiert sah ich den Bischof an.

„Er ist auf mich sauer. Denke daran“, flüsterte dieser und schob mich in Richtung des Kutschers. Es war nett von ihm gemeint, aber ich konnte seinen Worten keinen Glauben schenken. Nichtsdestotrotz schluckte ich meinen Ärger hinunter und ignorierte meinen verletzten Stolz, der jammerte, dass nach dem verbalen Missbrauch im Kloster von Gourin weiterer in der vermeintlichen Freiheit stattfand. Ich wusste, ich konnte Paroli bieten. Ich war durchaus dazu in der Lage, hatte es bereits sowohl Rousel als auch einst Philippe bewiesen. Ich musste aber weiterhin meine Schlagfertigkeit üben, um nicht wieder in die Rolle des Opfers zu schlüpfen. Andernfalls würde ich diesen teuflischen Kreis niemals durchbrechen. Ich übernahm die Pferde, während ich Pläne schmiedete, wie ich mein Mundwerk besser in den Griff bekam, um unter den beiden Männern auch nur annähernd bestehen zu können.

Unsere kleine Karawane bestehend aus Tieren und Kutschwagen setzte sich in Bewegung und trat ächzend, knirschend, wiehernd und polternd aus dem Schutz des Waldes heraus. Jenseits der Bäume, Sträucher und Farne, die Schatten und Kühle gespendet hatten, herrschten ganz andere Temperaturen. Nur bruchstückhaft war der blaue Himmel durch das Blätterwerk zu sehen gewesen und die Sonnenstrahlen waren lediglich dünnen Fäden gleich in den Wald gefallen, die vom Tanz des Laubs gelegentlich unterbrochen wurden, wenn der Wind durch sie rauschte. Auf der Straße hatte sich das Verhältnis der Dinge gedreht. Während Sonne und blauer Himmel im Wald in der Minderheit gewesen waren, regierten sie davor die Welt. Und hatte der Wind darin noch vorgeherrscht, wehte außerhalb des Waldes keine angenehme Brise mehr. Die Luft stand förmlich und das, obgleich es noch früh am Morgen war. Der Tag würde heiß, stickig und unangenehm werden selbst für bretonische Verhältnisse. Das stand außer Frage.

Ich behielt diese Gedanken für mich und äußerte nicht meine Beschwerden. Ich ließ auch keinen Seufzer los, der ausdrückte, wie sehr ich unter der Wärme litt, auch wenn ich es liebend gern getan hätte. Manchmal geht es nicht anders. Dann muss man einfach seufzen, was ein Stück weit Erleichterung bringt. Doch so sehr ich es auch wollte, ich unterließ es. Zum einen lag es daran, dass ich ungern noch mehr tun wollte, das Rousel in seiner Meinung bestärkte, ich war ein adeliger, verzogener Bengel. Zum anderen saßen de Forestier und ich in der Kutsche, wo es schattig war und wir, müde von den hohen Temperaturen, dösen konnten. Rousel hingegen saß in seinen dunklen, verdreckten und geflickten Kleidern auf dem Kutschbock in der prallen Sonne und musste die ganze Zeit über wachsam sein, um den Wagen sicher zu lenken. Da konnte ich es wohl ertragen, meine Seufzer in mir zu behalten, oder nicht?

Dennoch war ich über die zahlreichen Pausen, die wir einlegten, froh. Noch mehr erfreute es mich festzustellen, dass wir dem Fluss, dem wir seit geraumer Zeit folgten und zu dem ich sehnsüchtig geblickt hatte, näher kamen. Seit ich zum ersten Mal das Glitzern auf der Wasseroberfläche und die Fische gesehen hatte, wie sie aus dem Wasser gesprungen waren, hatte ich mir gewünscht, es ihnen gleichzutun. Ich wollte auch in den Fluss springen, schwimmen und meine Geister wiederbeleben. Als Rousel schließlich den Wagen anhielt, konnte ich es kaum erwarten, aus ihm herauszukommen, musste jedoch warten, bis de Forestier ausgestiegen war. Immerhin war er der Bischof und der Vortritt gebührte ihm. Sobald er aber auf der Straße stand, gab es für mich kein Halten mehr. Natürlich stürmte ich nicht los, auch wenn mir danach war. Ich riss mich arg zusammen und ging gemäßigten Schrittes zum Flussufer. Dort angekommen hob ich den Saum meines Habits an und trat in das Wasser. Als es meine Knöchel und Waden umfloss, legte ich den Kopf zurück, lächelte und seufzte hörbar. Konnte es etwas Schöneres geben als das hier? Wohl kaum. „Herrlich, nicht wahr?“, ertönte de Forestiers Stimme neben mir.

Ich sah zu ihm hinüber. Auch er stand mit den Füßen im Fluss und genoss die Abkühlung. Ich nickte und grinste. Ich fragte mich, ob Rousel es uns gleichgetan hatte. Ich blickte mich nach ihm um und fand ihn einige Schritte von uns entfernt am Ufer stehen. Es hätte mich schockieren müssen zu sehen, wie er seine Kutte auszog, unter der er wie der Bischof keine Brouche trug, sondern nur Beinlinge, die er abwickelte und in das Gras fallen ließ. Doch es erschütterte mich nicht. Nicht mehr. Ich fing allmählich an, mich an die Männer und ihren unbefangenen Umgang zu gewöhnen. Sie genierten sich nicht. Es machte ihnen nichts aus, wenn jemand sie so sah. Ich war weit davon entfernt, mich so zu geben wie sie, und ich war mir nicht sicher, ob ich es wollte. Aber gegen etwas Zwanglosigkeit war sicher nichts einzuwenden.

Daher lachte ich nur, als ich dem haarigen Kutscher dabei zusah, wie er sich splitterfasernackt in den Fluss plumpsen ließ und bäuchlings durch das Wasser kroch, das kaum sein ebenso haariges Hinterteil bedeckte. De Forestier stimmte in mein Lachen ein und nahm sich kurzerhand ein Beispiel an Rousel. Auch er streifte Tunika und Beinlinge ab und plantschte fröhlich herum. Dass ich von übermäßig behaarten Männern umgeben war, die so anders aussahen als die Jungen, die ich im Kloster zu Gesicht bekommen hatte, erschreckte mich nicht. Doch der Anblick der Blessuren auf ihren Körpern tat es hingegen sehr. Ich hatte gewusst, dass sie, bevor sie mich von dem Kloster abgeholt hatten, eine Schlacht gefochten haben mussten. Die blauen Flecken, Prellungen und Platzwunden in ihren Gesichtern waren nach wie vor präsent. Aber ich hatte nicht daran gedacht, dass sich die Verletzungen auf ihre ganzen Leiber ausdehnten. Ob sie Schmerzen hatten? Falls ja, gaben sie es nicht zu erkennen. Ich kam nicht umhin, Bewunderung für sie zu empfinden deswegen. Doch auch etliche Fragen lagen mir auf der Zunge. Ich wollte wissen, wo sie gewesen waren, was geschehen war, gegen wen sie gekämpft hatten und ob das öfter vorkam, dass sie so zugerichtet wurden.

„Komm schon, Michael, trau dich“, rief de Forestier.

Uhh?“, machte ich und blickte zu der Stelle, wo er im Wasser hockte und an meinem Habit zupfte. Für einen Moment dachte ich, er hätte gemeint, ich solle mich trauen, meine Frage laut auszusprechen. Gerade noch rechtzeitig erkannte ich, dass dem nicht so war. Ich lächelte und nickte. Ich konnte es selbst kaum glauben, dass ich es tat, aber so war es. Ich warf mein Mönchsgewand ab, ließ mich ins Wasser fallen und war vergnügt wie seit Jahren nicht mehr.

***

Zuletzt hatte ich als achtjähriger Junge in der Natur gebadet. Damals mit meiner Maman. Ob der Gedanke an die unbeschwerte Zeit mit ihr in jenen Momenten in mir aufkam? Natürlich. Wie hätte er es nicht tun können? Ich sah nicht nur die Bilder aus meiner Kindheit. Ich hörte auch das helle, freudige Lachen meiner Mutter, das alle Trübsal aus meinem Kinderherzen vertrieben hatte, aber dessen Klang auch noch zehn Jahre später unsäglichen Kummer und schmerzliches Leid bewirkte. Dennoch ließ es mich in dem Fluss zusammen mit de Forestier und Rousel die Trauer vergessen, und ich genoss sowohl den Frohgemut, den ich verspürte, als auch die schönen Erinnerungen.

***

„Ich hätte nichts dagegen, für den Rest meines Lebens hierzubleiben oder zumindest für den Rest des Tages“, seufzte ich und tauchte abermals der Länge nach ins Wasser ab.

„Dieses Schicksal ist uns bedauerlicherweise nicht vergönnt“, rief de Forestier über mein Plantschen hinweg. Ich wälzte mich auf den Rücken und blieb auf dem aus Kieselsteinen bestehenden Flussbett sitzen. „So schön und erfrischend das Intermezzo war, es muss nun enden. Wir lagen von Beginn der Reise an hinter unserem Zeitplan, und unser Halt hier sorgt für weitere Verzögerung“, bemerkte er und stieg aus dem Wasser. Ich sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Einerseits hatte ich ein schlechtes Gewissen. Andererseits bedauerte ich es, dass die Laune des Bischofs sich gewandelt hatte von kindlichem Übermut zu erwachsener Ernsthaftigkeit und mir nicht fremder Pedanterie gegenüber dem zeitlichen Ablauf, über dessen Einzelheiten er mich im Ungewissen ließ.

Was seine Pläne anbelangte, wusste ich lediglich, wohin die Reise führte: nach Concarneau und von dort nach Britannien, um das sich etliche fantastische und auch haarsträubende Mythen ranken. Zumindest für mich, der nur in seinen Träumen und Gedanken gereist war. Nuschelnd tat ich mein Bedauern kund, leistete aber Gehorsam und kletterte ans Ufer. Während ich meine Kleider einsammelte, trocknete meine Haut im brennenden Sonnenschein. Die Tropfen verdampften regelrecht zischend, sodass ich annähernd trocken in meine Kleider schlüpfte. Nicht viel später als die beiden anderen wieder bekleideten Männer war ich zurück beim Kutschwagen und setzte mich gegenüber von de Forestier auf meinen Platz. Rousel rief den Pferden ein Kommando zu. Die Zügel peitschten auf ihre Rücken. Sie antworteten dem Kutscher mit einem Wiehern und trabten los. Ruckelnd fuhr der Wagen los und eine weitere schweißtreibende Hitzeschlacht für Mensch und Tier begann.

Die Tagebücher des Michael Iain Ryan

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