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2. Kapitel

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Wenn ich meine Innerlichkeit betrachtete … .

Als ich vor langer Zeit mein Haus zum ersten Mal begutachtete, empfand instinktiv, dass es nur so für uns weitergehen würde, und so drang ich auf Nikolas ein, das Haus zu erstehen. Es war meine Villa Kunterbunt.

Dort ging ich meinen Weg als Hausfrau weiter und die Mutter zu sein, ohne mein eigenes Ich-Erleben zu stärken, das musste ich erst in Eigenständigkeit lernen. Es sollte nichts umsonst gewesen sein, schon gar nicht meine Häuslichkeit.

Durch das Verhalten der Frauen meinem Mann gegenüber im Dorf war beinah jeglicher Kontakt abgerissen, aber nur durch die Hilfe meines Hausarztes nicht zu mir selbst.

Wenn ich meine Innerlichkeit und mein Äußeres bezogen auf mein Haus ansah, weinte ich nicht über mich. Weil ich mich kannte. Denn schon lange wollte ich kein wallendes Haar mehr zum Entwicklungsweg schön finden. Man sollte ruhig in Ruhe und Würde älter geworden sein, nicht nur durch seinen Stress. So trug ich mein Haar mit Reifen zum Bob, fand nur gelebte Falten vor, und dachte erst später, dass meine Rundungen doch egal waren, wer sich liebt lacht trotzdem. Dachte aber auch, dass ich mir meinen Alltagsclinch nicht selber ersann. Die grauen Haare überdeckte ich noch mit Farbe, man könnte mich damit als ich-fixierte Malerin schimpfen oder als lonesome-dancer, es wäre mir egal. Auch das ich schließlich immer molliger wurde, trug ich mit Gleichmut. Aber durch so was musste ich mich dann doch jeden Tag hindurchfinden.

Manchmal drang durch mein kleines Malzimmer ein wenig Sonnenschimmer in den Flur ein, das Licht wirkte dann dämmrig, aber nicht für mich, denn ich kannte meinen Meister im Himmel schon noch recht gut. Und wenn ich diesen Lichteinblick fühlte, hatte ich immer etwas für mich und ihn da, das waren z. B. Fotos, die ich später im Flurschrank über die Kindheit meiner Kinder aufbewahrte. So fand ich auch mal einen Teppich vor, den ich zur Verschönerung meines Heimes erstand, der zwar ziemlich unerschwinglich für mich war, aber ich nahm ihn für mein Gemüt. Der Läufer wirkte im kleinen Flurgang richtig luxeriös, so empfand ich das eben. Kaufte ich mir doch selten etwas, was wirklich teuer war. Das teuerste war als Bekleidungsstück eine braune Lederjacke gewesen, die kostete damals fünfhundert D-Mark. Weil ich selten wegging für die Ehe, erinnerte ich nur, dass Nikolas mich dazu als Ehefrau wollte. Ich konnte nicht mal mehr sagen, wohin ich damals mit ihm ging. Aber ganz ehrlich gesagt hörte das auf, als ich das Haus für uns und unsere Familie wollte. Fast schien es, dass ich durch seine Berufsarbeit gefühlsmäßig erpressbar wurde, trug ich doch nichts zum Lebensunterhalt bei. Mein Wunsch war es jedoch, meinen Kindern eine Kindheit zu bieten, die sie auf ihre beiden Füßen stehen ließ.

Und als Malerin hätte ich eh nur einen ideelen Erwerb mein eigen nennen können, und meine Kunst war für mich sowieso keine Broterwerbsoption gewesen. Hatten Nikolas und ich - wir lernten uns während unserer Studien kennen und lieben - doch miteinander abgemacht, dass ich nach der Geburt der Kinder für sie da sein sollte. So wie er und ich es nie erfahren hatten.

Als es im Haus mit der Ehe schwieriger wurde, weil der Druck nun auf ihn lastete das Haus abzutragen, wurde ich böse wach, stellte fest wie wenig ich als Tochter erzogen worden war.

Und dann begann ich, weil ich nie eine Mutter in der Häuslichkeit erfahren hatte – sie war ein Leben lang berufstätig – mich zu hinterfragen.

Ärgerte mich ein wenig darüber, dachte, dass die meisten Frauen von Morgens bis Abends irgendetwas in ihren Häusern trieben, was mir ein Leben lang verwehrt gewesen war. Na ja, sie waren sozialisiert, auf ein eigenes Leben vielleicht nicht so geeicht, zufrieden schon mit Kottletts, TV-Schauen, und einen Gang in den Garten. Vielleicht waren sie auch dazu ermahnt, nicht nur ihr ich zu leben. Was mir jedoch fehlte, war ein Alltag mit „sich“ und ein „an sich.“

Vielleicht war Gott auch zu dieser Zeit damals auf einem anderen Planeten, ich fühlte mich auf jeden Fall sehr ausgesetzt auf einen Platz, den ich aufgrund meiner Kindheit noch nicht ausfüllen konnte.

So begann ich mir in meinen Augen einfach alles auszudenken.

Und das ich mir erst so viele Jahre dazu selber auf die Schulter klopfen konnte, wusste ich ja damals noch nicht.

Was ich mir fast jeden Tag selber ausdachte, war ein eigenes Rezept zu leben.

Das brachte man wohl im Himmel zum Ausdruck, dass ich mir selber schon mal wer werden sollte z.B. als Köchin. Wusste ich denn, dass ich eine hohe Köchin in Gott war? Jeden Tag gab es andere Soßen, mit den verschiedensten Gewürzen schmeckte jede aus den verschiedensten Fonds nochmal anders. Manch andere Hausfrau hätte bei dieser Fähigkeit wohl gedacht, sich ein Kochbuch vor der ganzen Welt ausdenken zu können. Und zugegebenermaßen dachte ich nach acht Jahren auch mal daran, aber ich fand mich wieder mal nicht. Außerdem brauchten die Kinder auf dieser Welt ja seit je her nicht nur das Fleischliche um großzuwerden. Meine Traumtänze fanden auf jeden Fall statt für eine andere Seinsart, da ich mich in meinem Haus nicht mehr fühlte. So nahm ich meine Wünsche und ihre Erfüllung nur für Selena und Marius und Nikolas. Gab es jemals eine andere Perspektive?

Zu einem eigenständigen ich-erfüllendem Leben und zu einem eigenen „drive“ im Alltag musste ich erstmal kommen. Ich hatte nämlich das Gefühl, für alle immer nur da gewesen zu sein, nur nicht für mich selbst.

Seit dieser Zeit in unserer Bleibe wurde ich sehr krank, auch wenn ich damit von meinem Hausarzt ausgesprochen emphatisch betreut wurde. Zunächst verlagerten sich meine Schwachstellen, drei normale Grippen im Jahr auf eine ständige Blasenentzündung. Dann kam es dazu, dass diese Antibiotika-Situation sich auflöste durch einen Besuch bei einer Homöopathin. Die Verabreichung der richtigen Mittel ließen mich dann immer wieder gesunden, die Heilerin riet dann zu Hausfrau – und Mütterkursen. Und ich besuchte die Volkshochschule herauf und herunter. Lange Zeit hatte ich Ruhe. Irgendwann hörte ich mit dieser alternativen Therapie bei der Heilkundigen auf.

Ich fühlte sie wollte nur das Angelegte mitnehmen, und dazu sah ich noch drei Kinder, zwölf Bücher und allerlei andere Vorherbestimmungen, die ich nicht notwendigerweise nehmen musste. So sah ich es damals zumindest mit meinem zweiten Gesicht.

Zu Hause kehrte danach Stille ein, da Marius und Selena schon größer und vernünftiger wurden, sie besuchten dann die Schule. Ihren Weg mussten sie ja auf ganz normale Weise fortführen. Und ich? Ich schien in einer Sackgasse gelandet zu sein. Zu Hause wurde es schließlich so still in mir, dass ich wieder begann an mir zu arbeiten.

Zunächst wollte ich wieder selbst an meiner Ehe herumtherapieren, dann gab es da nicht viel anzuklagen, außer das ich mir nicht mehr allein genügte.

Wenn ich mir dann in der Midlife-Krise auf der Spur kam, kam ich nur dazu, dass ich wohl zu hochentwickelt war, mir irgendwelche Freundschaften außerhäusig auszusuchen. Welcher Disco-Besuch hätte schon gereicht?

Oder welche Restaurant-Aufenthalte und einsame Urlaube mit mir selbst hätten mich denn in Kontakt mit mir selbst gebracht? Doch irgendwann nahm ich diese Prädistinierungen dann doch. Weil ich jene also peu a peu hinter mich brachte für mich, und ganz einsam Gottes Gespür für meine Selbsttherapie erfuhr, lenkte man mich wieder in mein häusliches Dasein, natürlich nicht ohne mein Dazutun. Sicherlich.

Die verschiedensten Farben gab ich mir in den Jahren danach in mein Haar, weißblond, rot, pink, lila, braun, schwarz und dann kam ich irgendwann zu meinem naturellen blond-aschbraun zurück. Aber das war erst Jahre später, dass ich das lustig fand. Und ich hatte bloß die Gedanken nur nicht grün und blau gehauen geworden zu sein. Und das für gar nichts, dachte ich zumindest.

Nach einem einsamen Ferienerlebnis auf Kreta kam ich mir dann wieder einmal vor wie eine Mater Dolorosa. Aber Kinder konnte man nicht nur weiterentwickeln mit Spinat und einem zu späten Midlife - pubertären nachempfundenen „An Sich.“ Auch stellte ich mir vor, dass eventuell ein Tyrannus Saurus Rex aus Marius werden könnte und eine pflanzenfressende, ihr nicht gemäße Selena sollte nicht aus ihr werden. Da war Marius neun und Selena sechs Jahre alt.

So machte ich z.B. zu Hause Pilatesübungen und Marius wurde zum Kungfu-Kämpfer. Und ich entwickelte Tanzjoga und Selena wollte zum Spitzentanz.

Dann machte ich mal einen Trommelkurs und mit einem Mal stand Selena vor vielen Dorfbewohnern in der Kirche und spielte dort Gitarre. Und mir standen vor Rührung die Tränen in den Augen.

Eigentlich wollte ich dann auch mal mehr malen, um zu gucken, was damit sonst noch passiert.

Zunächst fand ich dann, als ich mal alleine Samstags zum schwimmen ging und spät zurückkam, auf Selena `s Zimmerfenster bunte Abdrücke von Fingerpatsche-Händchen.

Und meine eigenen Malorgien brachten Marius dazu, sich zum Graffiti-Künstler auszuarbeiten.

So, dann reflexionierte ich, dass ich mit putzen dazu nicht weiter kommen würde, nicht mit meinen zugebackenen Gefühlen, auch wenn der Mutterstolz da war, war es dennoch ihr eigenes Leben über dass ich mich nicht definieren konnte und wollte.

So meditierte ich zu meiner Meditationsmusik von einer Yogazeitschrift und kam mir dabei recht erholt und erfüllt vor. Meditierte mir keinen Plan, kein Warum, und kein Deshalb.

Es erfrischte mich aber und brachte mich weiter.

Erst später kam ich dann dazu alle möglichen Klatschzeitungen durchzulesen, und dann wurde ich mir recht spät bewusst, dass das vielleicht nicht meine Art war. Wenn man wenig über sich weiß, musste und durfte man sich aber selber kennen lernen. Und so ließ ich es, meine Zeit totzuschlagen.

Selbst die Yogajournale brachten mich immer wieder dahin, wer andere sind, und ich nicht für ihn da oben. Und das ich das denken konnte, hieß wohl, auch aus mir sollte noch etwas „werden.“

Wollten die Herrscher des Weltalls mich zu guter Letzt zurückwinken?

Traumtanz und Alltagsclinch

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