Читать книгу Wenn das Leben mir Zitronen schenkt - Natalie Meyer - Страница 10

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3. Gebundene Hände

»Der entscheidende Zweck des Betens besteht nicht darin, Gott meinen Willen aufzudrängen, sondern meinen Willen von seinem formen zu lassen.«8

Ich bin unglaublich froh und erleichtert. Fünf schöne, aber auch anstrengende Jahre liegen hinter mir. Zehn Semester, in denen ich mit einem klaren Ziel vor Augen studiert habe: Lehrerin für Mathematik und Deutsch will ich werden. Meinen Masterabschluss habe ich nun also in der Tasche. Endlich! Das erste große Teilziel meiner Ausbildung ist damit erreicht. Nun trennt mich noch das Referendariat davon, eine staatlich anerkannte Lehrerin zu sein. In Hamburg dauert dieser praktische Teil der Ausbildung weitere anderthalb Jahre. Besonders dankbar bin ich dafür, dass ich mein Studium sehr gut abschließen konnte. Hierdurch erhoffe ich mir gute Chancen auf einen der begehrten Referendariatsplätze. Diesen Erfolg verdanke ich zweifellos Gott. Zwar habe ich gelernt und mein Bestes gegeben, doch dass all diese Bemühungen erfolgreich waren, ist sein Geschenk. Schließlich habe ich während meines gesamten Studiums für unseren Lebensunterhalt mehrere Nebenjobs gleichzeitig gehabt. Dass dennoch alles zu schaffen war, ist nicht selbstverständlich. Und so feiern Jonathan und ich meinen Abschluss. Wir danken Gott im Gebet für seine Hilfe während dieser Zeit und bitten ihn, mir einen Referendariatsplatz zu schenken.

Einige Tage später fülle ich die Onlinebewerbung aus und klicke anschließend aufgeregt und voller Vorfreude auf »absenden«. Stehe ich tatsächlich schon bald als Referendarin vor einer Klasse? An welcher Schule werde ich unterrichten? Wie werden meine Ausbilder sein? Es mischen sich jedoch auch Bedenken ein: Werde ich den Herausforderungen als »lehrender Prüfling« gewachsen sein und die hohen Ansprüche der Prüfenden erfüllen können? Bleibt noch Zeit für mein Privatleben?

Ich versuche, mein besorgtes Herz daran zu erinnern, dass mich all diese Fragen nicht beunruhigen müssen.

Ich versuche, mein besorgtes Herz daran zu erinnern, dass mich all diese Fragen nicht beunruhigen müssen: Mein Gott ist es doch, der die Fäden in der Hand hält! Er sorgt für mich. Nun habe ich erst einmal meine Bewerbung abgeschickt – für den Moment ist das genug. Ich will ihm vertrauen, dass er alles Weitere in die Wege leiten wird. Ob Zusage oder nicht: Gott meint es gut mit seinen Kindern und somit auch mit mir. Ich wende mich an Jesus und sage ihm ehrlich, was mich beschäftigt. Teile ihm meine Sorgen mit und bitte ihn, sich um alles zu kümmern. Danach danke ich ihm, dass er versprochen hat, genau das zu tun. Ich fühle mich erleichtert und möchte Gott wirklich vertrauen, indem ich all diese Dinge aktiv loslasse. Bei jedem erneuten Anflug von Sorge will ich mich daran erinnern, dass Beunruhigung mich nicht weiterbringt und dass es vielmehr Jesus ist, der erfolgreich für mich »Sorge trägt«. In den kommenden Tagen und Wochen gelingt mir das mal besser und mal schlechter. Als zwei Studienfreundinnen mir von ihren Zusagen berichten, steigt Unruhe in mir auf. Mich überkommt das ungute Gefühl, vergessen worden zu sein. Warum haben sie schon Referendariatsplätze, während ich noch warten muss? Woran könnte das liegen? Ich bin unfähig, mich aufrichtig mit den beiden zu freuen. Ich grüble und vergleiche und spüre dennoch keine Erleichterung. Es dauert eine Weile, bis ich begreife, dass es mir an Vertrauen mangelt: Anscheinend zweifle ich daran, dass Gott mich im Blick hat und zur richtigen Zeit für mich sorgen wird. Würde ich ihm vertrauen, könnten mich diese guten Nachrichten meiner Freundinnen wohl kaum so aus der Ruhe bringen. »Gott, bitte hilf mir, dir zu vertrauen! Bitte hilf mir, wirklich zu glauben, dass du für mich sorgst!«, bete ich in den nächsten Tagen immer wieder.

Wenig später erhalte ich ebenfalls die Zusage für einen Referendariatsplatz in Hamburg und freue mich sehr. In wenigen Monaten wird es also tatsächlich losgehen! Ich bin unglaublich dankbar. Anderthalb Jahre lang werde ich vieles lernen, neue Erfahrungen machen und auch unzählige Prüfungen ablegen. Aber an welcher Schule werde ich mein Referendariat machen? Die Ausbildungsschulen werden den Referendaren normalerweise von der Behörde zugeteilt. Alternativ ist es jedoch möglich, von einer Schule direkt angefordert zu werden. Da ich sehr gern Einfluss auf die Wahl meiner Ausbildungsschule nehmen würde, mache ich mich in Eigeninitiative auf die Suche nach einer guten Schule in meiner Nähe. Ich schreibe viele E-Mails, führe Telefonate und bitte Gott um eine offene Tür. Mehrere Wochen lang bete ich und gebe mein Bestes, doch ohne Erfolg: Entweder ist meine Fächerkombination ungünstig, die Schulen bilden zum nächsten Termin niemanden aus oder sie haben ihre freien Plätze bereits an Referendare vergeben, die sie aus früheren Praktika persönlich kennen.

Vielleicht bindet Gott mir meine Hände, damit ich meine Hoffnung nicht länger auf das falsche Pferd setze.

Ich bin enttäuscht. Meine Unterrichtsstunden habe ich bisher ausschließlich an weit entfernten Schulen gehalten. Für mein Referendariat würde ich mir deshalb keine von ihnen aussuchen. Zu Schulen in meiner Nähe hingegen fehlt mir der persönliche Kontakt oder eine Empfehlung. Anstatt mir also eine nahegelegene Ausbildungsschule aussuchen zu können, bin ich nun doch auf eine willkürliche Zuteilung durch die Behörde angewiesen. Ich kann nichts mehr tun. Offensichtlich sind mir die Hände gebunden. Enttäuschung und Frustration machen sich in meinem Inneren breit. Ich mag es nicht, machtlos und untätig zu sein! Es kommt mir vor, als hielte ich Zitronen in meinen Händen, aus denen ich trotz großer Anstrengungen keine Limonade machen kann. Aber mitten in meinem Ärger schießt mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf: Vielleicht schiebt Jesus meinen eigenen Möglichkeiten einen Riegel vor, um mich in meinem Aktionismus zu stoppen. Um zu mir durchzudringen. Vielleicht bindet er mir meine Hände, damit ich meine Hoffnung nicht länger auf das falsche Pferd setze. Damit ich nicht vergebens auf mich selbst und meine eigenen Anstrengungen hoffe, sondern auf ihn allein, weil dies das Beste ist, was ich tun kann.

Mir wird plötzlich klar: Auch wenn ich selbst nichts ausrichten kann, so gilt dies nicht für meinen Gott. Ihm sind niemals die Hände gebunden! Er ist es, der aktiv Einfluss auf die Zuteilung der Ausbildungsschulen nimmt. In Wirklichkeit bin ich der Behörde überhaupt nicht willkürlich ausgeliefert, denn Gott beeinflusst ihre Entscheidungen ähnlich wie den Lauf eines Flusses: »Des Königs Herz ist in der Hand des HERRN wie Wasserbäche; er lenkt es, wohin er will.«9

Betrachtete ich meine gebundenen Hände bisher als einen Fluch, der mich zur Passivität verdammt, scheinen sie mir nun lautstark zuzurufen: »Wende dich an Jesus! Er wird für dich eintreten. Vertraue ihm!« Meine eigene Machtlosigkeit treibt mich in die Arme Jesu. Im Gegensatz zu mir sind ihm alle Dinge möglich. Ich kann meine gebundenen Hände aktiv zum Gebet falten und sie zu meinem Gott erheben.

Und genau das tue ich nun. Ich berichte ihm von meiner Sorge, an eine weit entfernte Schule zu kommen und täglich lange dorthin zu pendeln. Ihm erzähle ich auch von meiner Befürchtung, an eine Grundschule geschickt zu werden, obwohl ich viel lieber in der Mittelstufe unterrichten würde. Plötzlich kommt mir ein Bibelvers in den Sinn: »Befiehl dem HERRN dein Leben an und vertraue auf ihn, er wird es richtig machen.«10 Den ersten Teil habe ich offensichtlich bereits erledigt: Ich habe Gott meine Sorgen und mein Leben anbefohlen. Nun muss ich mein Vertrauen auf ihn setzen und wirklich glauben, dass er eine gute, ja sogar die beste Entscheidung für mich treffen wird. Aber werde ich ihm auch dann vertrauen, wenn er aus meinen Zitronen nicht die erhoffte Limonade macht? Wenn ich beispielsweise an eine weit entfernte Schule geschickt werde? Ich bete, dass er mir diesen Glauben und dieses Vertrauen schenken möge, die mir offensichtlich fehlen.

Ich kann meine gebundenen Hände aktiv zum Gebet falten und sie zu meinem Gott erheben.

Und während ich ihn darum bitte, scheint Jesus dieses Gebet bereits zu erhören: Mir wird neu bewusst, dass er den Überblick über jedes einzelne Puzzleteil meines Lebens hat. Weil er Gott ist, weiß er im Gegensatz zu mir, was ich wirklich brauche. Es wäre anmaßend, ihm vorzuschreiben, wie er zu handeln habe. Vielleicht benötige ich nicht in erster Linie eine Schule in meiner direkten Nähe, weil Gott mich woanders haben möchte. Auch wenn es sich riskant und wie ein Schritt ins Ungewisse anfühlt, bitte ich ihn, dass in diesen ganzen Dingen sein Wille geschehe. Nicht meiner. Ich erinnere mich, dass es in Wirklichkeit überhaupt nicht riskant ist, Gott zu vertrauen, weil ich sein geliebtes Kind bin. Er ist mein Vater, der nur das Beste für mich möchte. Mein besorgtes Herz findet Ruhe in dem Wissen um seine Fürsorge und Allmacht. Zwar bin ich immer noch gespannt und aufgeregt. Aber ich fühle mich zunehmend beruhigt, da ich meine Sorgen und Zweifel mit der Größe und Liebe meines Gottes konfrontiere. Ihm kann ich wirklich vertrauen!

Mein besorgtes Herz findet Ruhe in dem Wissen um seine Fürsorge und Allmacht.

Schließlich ist es so weit und ich erhalte eine E-Mail mit der mir zugeteilten Ausbildungsschule. Aufgeregt tippe ich die Adres­se in meinen Computer und finde heraus, dass es sich um eine Grundschule handelt, die ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einer knappen Stunde Fahrzeit erreiche. Also überhaupt nicht, was ich mir gewünscht habe! Die süße Limonade bleibt tatsächlich aus. Ich werde weder in der Mittelstufe unterrichten, noch die Schule schnell erreichen können. Obwohl mir meine Gefühle etwas anderes einflüstern wollen, schenkt Jesus mir auf eine übernatürliche Weise die Zuversicht, dass diese Schule dennoch die richtige für mich ist. Auch wenn ich auf eine andere Gebetserhörung gehofft habe, kann ich sie als Gottes Antwort auf meine Gebete betrachten. Mein normales, natürliches Verhalten ist das nicht.

Ich komme ins Nachdenken: Warum bin ich üblicherweise enttäuscht, wenn Gott meine Gebete nicht in meinem Sinne erhört? Worauf setze ich meine Hoffnung und mein Vertrauen? Sehne ich mich nach den Gaben, die Gott mir geben kann, oder nach Gott selbst? Wenngleich ich es immer wieder aus den Augen verliere, glaube ich eigentlich, dass Jesus alles ist, was ich brauche. Ich bin überzeugt, dass es nichts gibt, was mir so eine Freude und Erfüllung schenken kann wie Jesus selbst. Mehr als seine Gaben brauche ich ihn höchstpersönlich. Dies habe ich erstmalig erlebt, als ich Jesus mit 13 Jahren auf dem Sofa meiner Eltern um Vergebung meiner Schuld gebeten habe. Als ich meine Hoffnung ganz auf ihn setzte und ihm mein Leben anvertraute. Ich durfte erleben, wie er die Isolation von meinem Schöpfer beendete. Er überwand meine Heimatlosigkeit, indem er mich mit Gott versöhnte und mich nach Hause brachte. Jesus selbst ist mein Zuhause geworden.

Ich bin überzeugt, dass es nichts gibt, was mir so eine Freude und Erfüllung schenken kann wie Jesus selbst. Mehr als seine Gaben brauche ich ihn höchstpersönlich.

Dennoch nehme ich immer wieder an, dass ich darüber hinaus noch etwas anderes brauche, um zufrieden zu sein. Anstatt meine Freude ganz in Jesus zu suchen, setze ich meine Hoffnung in andere Dinge oder Umstände, indem ich denke: Wenn ich nur dieses oder jenes hätte oder wäre, dann würde mich das glücklich machen. Tatsächlich ist das jedoch nie geschehen. Weder Erfolg im Studium noch die Ehe mit meinem Mann oder etwas anderes können meine Sehnsucht nach Erfüllung stillen. Wenngleich ich mich sehr auf mein Referendariat freue, weiß ich, dass auch dieses mich nicht glücklich machen wird. Ebenso wenig wie eine Ausbildung an einer sehr guten Schule in meiner direkten Nähe oder eine zukünftige Anstellung als Lehrerin. All diese guten Dinge sind ähnlich wie eine prickelnde Limonade: Sie können mir vorübergehende Freude schenken. Von Dauer wird diese aber nicht sein. Im Gegensatz dazu durfte und darf ich wiederholt erleben, dass meine Suche nach mehr im Leben, meine dauerhafte Unzufriedenheit und Ruhelosigkeit in Jesus ein Ende finden. Nichts auf dieser Welt ist in der Lage, mir das zu schenken, was Jesus mir geben kann: Vergebung und somit Frieden mit Gott, der unerschütterlich ist und unabhängig von meinen Lebensumständen. »Wirklich glücklich werden wir allerdings nur, wenn wir Gott mehr lieben und mehr bewundern als irgendetwas anderes auf der Welt.«11 Auch wenn ich diese Tatsache immer wieder vergesse, bleibt sie dennoch wahr. Aus diesem Grund bitte ich Jesus nun darum, während meines Referendariats mit mir zu sein. An meiner weit entfernten Grundschule, die ich mir niemals ausgesucht hätte. Aber letztlich muss meine Zufriedenheit nicht von meinen Umständen abhängen. Ich benötige weder Zitronen noch Limonade. Es ist Jesus, den ich mehr brauche als alles andere.

Anschließend vereinbare ich einen Termin für ein erstes Kennenlernen und fahre ein paar Tage später in meine Ausbildungsschule. Von meinem Besuch bin ich positiv überrascht. Sowohl die Schule als auch das Kollegium und meine Mentorinnen hinterlassen einen guten Eindruck bei mir. Ich spüre Vorfreude: Das ist nun »meine« Schule und hier werde ich bald unterrichten. Die Erkenntnis, dass Jesus mich genau hier haben möchte, sickert immer tiefer in mein Herz und lässt mich zuversichtlich auf die Zeit meines Referendariats blicken.

Wenn das Leben mir Zitronen schenkt

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