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Vollwaise

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A

us Treue zu ihrem Mann beschloss Amina eines Tages, mit Muhammad das Grab seines Vaters und die dort lebenden Verwand

ten bei Medina zu besuchen.

Sie nahm ihre Dienerin Baraka, die auch Umm Aiman genannt wurde, mit, und sie schlossen sich der Karawane nach Medina an. Baraka, die den Knaben innig liebte, ritt mit ihm auf einem Kamel und Amina auf einem anderen. So legten sie fast fünfhundert Kilometer zurück.

Als sie ankamen, zeigte Amina dem Jungen, wo sein Vater gestorben und begraben war. Es war das erste Gefühl des Verlustes, das sich in die Seele des Knaben grub. Viel erzählte die Mutter ihm von dem geliebten Vater, der sie nach den wenigen Tagen, die er mit ihr gemeinsam gelebt hatte, verlassen hatte und dann bei Verwandten vom Tode überrascht worden war.

Nachdem sie sich einen Monat in Medina aufgehalten hatten, entschloss sich Amina zur Rückkehr. Unterwegs erkrankte sie. Vor einigen Tagen noch hatte Muhammad vor dem Grab seines Vaters gestanden - und jetzt war seine geliebte Mutter krank. Die Krankheit verschlimmerte sich, und bis nach Mekka war es noch ein weiter Weg. Bei Abwa, zwischen den beiden Städten Medina und Mekka, starb Amina; während ihrer letzten Atemzüge war der kleine Muhammad an ihrer Seite. Sie wurde in Abwa begraben.36

Baraka kehrte mit dem weinenden und einsamen Kind zurück. Sie tat ihr Bestes, um Muhammad zu trösten.

Muhammad spürte nun doppelt, dass er auf Erden verwaist war, und ihn überwältigte das Gefühl des Verlustes und des Schmerzes. Nur einige Tage zuvor hatte er die Trauer seiner Mutter über den Verlust ihres Mannes, seines Vaters, erlebt. Jetzt musste er auch noch den Tod seiner Mutter verkraften.

Muhammad wurde in den Schutz seines Großvaters gegeben. Abdul-Muttalib hielt sich sehr gerne in der Nähe der Kaaba auf. Keiner seiner Söhne wagte, sich auf seinem Platz an der Kaaba niederzusetzen, als Ehrerbietung ihm gegenüber. Nur Muhammad durfte dort sitzen. Seine Onkel versuchten, es ihm zu verbieten, doch wenn Abdul-Muttalib dies sah, sagte er: „Lasst meinen Sohn in Ruhe! Bei Allah, Großes erwartet ihn!“ Er streichelte seinen Rücken und freute sich über alles, was er tat.37

Als Muhammad acht Jahre alt wurde, war für Abdul-Muttalib die Zeit gekommen – er lag im Sterben.

Weinend sagte Abdul-Muttalib zu seinem Sohn Abu Talib: „Ich weine, weil ich Muhammad nicht länger in die Arme schließen kann und habe Angst, meinem Enkel könnte etwas zustoßen!“ Er vertraute ihn der Obhut Abu Talibs an, der auch sein Nachfolger als Oberhaupt der Bani

Haschim wurde.38

Als Abdul-Muttalib starb, sah Baraka, wie Muhammad in der Nähe des

Bettes seines verstorbenen Großvaters saß und bitterlich weinte.39

Abu Talib, der Onkel Muhammads, nahm ihn auf, sorgte für ihn und liebte ihn innig. Auch seiner Frau Fatima gelang es, dem Kind neben ihren vielen eigenen Kindern eine liebevolle Mutter zu werden. Abu Talib war arm, denn Abdul-Muttalibs Reichtum war im Laufe der Jahre an die vielen Pilger geflossen.

Muhammad war hilfsbereit und fleißig und versuchte bald, sich selbst zu versorgen, um seinem Onkel die Ernährung der Familie zu erleichtern. So begann er, in Mekka für einen geringen Lohn Schafe und Ziegen zu hüten.

Als Muhammad zwölf Jahre alt wurde und Abu Talib mit einer Karawane nach Syrien reisen wollte, um Handel zu treiben, bat Muhammad ihn, mitkommen zu dürfen.

Abu Talib überlegte, ehe er zustimmte. „Bei Allah, ich nehme dich mit und wir trennen uns nie!“40

Bald machten sie sich auf den Weg. Im syrischen Busra machten die Reisenden aus Mekka gewöhnlich in der Nähe eines Klosters Rast.

Busra war eine arabische Stadt, die von den Byzantinern besetzt war. Im Kloster lebten seit vielen Generationen christliche Mönche, die wertvolle alte Schriften aufbewahrten und einander vererbten. Darunter gab es auch ein Buch, in dem etwas über die Erscheinung eines Propheten unter den Arabern geschrieben stand. Zu dieser Zeit lebte dort ein Mönch namens Bahira, der jenes alte Buch auswendig kannte und geduldig auf das Kommen des neuen Propheten wartete. Sein einziger Wunsch war es, die wunderbare Erscheinung zu erleben, bevor er starb.

Die mekkanischen Reisenden waren schon oft bei Bahira vorbeigekommen und kaum von ihm beachtet worden. Doch diesmal sah er eine Wolke am Himmel, welche die Reisenden offenbar begleitete wie ein kühler Schatten. Schließlich breitete sie ihren Schatten über einen Baum, und dieser ließ seine Zweige tiefer hängen, damit jene, die darunter saßen, zweifachen Schatten genießen konnten. Als Bahira dies sah, kam er aus seinem Kloster hervor und rief: „Ich habe Essen für euch vorbereitet! Ich möchte euch alle einladen!“41

Sie hatten mehrere Tage in der Wüste verbracht und waren müde, durstig und hungrig. Sie wunderten sich.

„Heute muss es einen besonderen Anlass geben, Bahira! Noch nie hast du uns eingeladen, obwohl wir schon öfter bei dir vorbei kamen. Was ist der Grund dafür?“

„Ihr habt Recht, so ist es! Ihr seid meine Gäste, und ich möchte euch ehren, euch Essen vorbereiten, das ihr alle essen sollt!“

Bahira interessierte in Wahrheit nur das eine: der erwartete Prophet! Konnte er unter jenen Leuten aus Mekka sein - dort, wo die heilige Kaaba sich erhob?

Alle kamen zu ihm in das Kloster. Nur Muhammad blieb unter dem Baum.

Bahira sah sich neugierig unter seinen Gästen um und fand keine der Beschreibungen, die er aus dem heiligen Buch kannte. Konnte es sein, dass nicht alle gekommen waren? Er rief wieder: „Nicht ein einziger von euch, Männer von Quraisch, soll zurückbleiben!“ „Nur der Jüngste von uns ist bei unserem Gepäck geblieben!“

„O nein! Ruft ihn, damit er auch mit euch essen kann!“

Ein Mann von den Quraisch holte Muhammad und ließ ihn zwischen den Männern sitzen. Bahira begann, neugierig die Zeichen zu studieren, von denen er wusste, dass sie auf den neuen Propheten deuten sollten.

Nachdem seine Gäste gegessen und sich verstreut hatten, ging Bahira zu Muhammad und bat ihn: „O Junge, ich bitte dich bei Al-Lat und Al-

Uzza42, beantworte meine Fragen!“

Muhammad erwiderte: „Du sollst mich nicht bei Al-Lat und Al-Uzza

bitten! Bei Allah, nichts hasse ich mehr als sie!“ „Dann bitte ich dich bei Allah, mir zu antworten!“

Muhammad erwiderte: „Frage mich, was du fragen möchtest!“ Er fragte nach seinen Träumen, nach seinem Körper und nach vielen Angelegenheiten in seinem Leben.

Muhammads Antworten stimmten mit den Zeichen Bahiras überein, die er kannte. Bahira sah sich nun den Rücken Muhammads an, auf dem er das ovale Muttermal entdeckte, das den Propheten kennzeichnen sollte. Nun wusste er, dass es sich bei dem Jungen um einen Gesandten Allahs handelte - einen Propheten, der es, wie Noah, Abraham, Moses und Jesus, sehr schwer haben würde. Als er Muhammad zu seinem Onkel Abu Talib zurückbrachte, fragte er ihn: „Welcher Verwandtschaftsgrad besteht zwischen dir und diesem Jungen?“

„Er ist mein Sohn.“

„Er kann nicht dein Sohn sein! Der Vater dieses Jungen soll nicht mehr am Leben sein!“

„Er ist der Sohn meines Bruders“, berichtigte Abu Talib.

„Was ist seinem Vater zugestoßen?“

„Er starb, während die Mutter des Jungen mit ihm schwanger war.“ „Du hast die Wahrheit gesagt! Bring deinen Neffen in seine Heimat zurück und beschütze ihn vor den Juden! Denn bei Allah, wenn sie wissen, was ich über ihn weiß, werden sie ihm Böses antun! Große Dinge erwarten deinen Neffen! Beeile dich und bring ihn nach Hause!“43

Kaum hatte Abu Talib seine Geschäfte in Ash-Sham48 erledigt, eilte er, Bahiras Warnung folgend, mit Muhammad nach Mekka zurück. Die Jahre vergingen und Muhammad wuchs zum Mann heran.

Weil die Mekkaner Muhammad stets als ehrlichen, vertrauenswürdigen und freundlichen Menschen erlebten, nannten sie ihn „Al-Amin“, den Vertrauenswürdigen. Händler der Stadt beauftragten ihn, ihre Ware mit

Handelskarawanen ins Ausland zu bringen. Durch diese Reisen konnte Muhammad seine finanzielle Lage verbessern und seinem Onkel manche Last abnehmen.

Auch Chadidscha, eine reiche und kluge Kaufmannswitwe, lebte zu jener Zeit in Mekka. Sie war schon zweimal verheiratet gewesen und hatte beide Männer verloren. Als sie von Muhammads Ehrlichkeit und seinem edlen Charakter hörte, schickte sie eines Tages nach ihm und machte ihm das Angebot, ihre Handelskarawane nach Ash-Sham zu bringen. Muhammad war zu dieser Zeit fünfundzwanzig Jahre alt. Sie bot Muhammad einen höheren Lohn als jedem anderen, und sie war sogar bereit, ihm einen ihrer Sklaven, einen Mann namens Maisara, zur Verfügung zu stellen.

Muhammad nahm ihr Angebot an und schloss sich mit Maisara der Handelskarawane an.

Als sie in Busra im Süden Syriens ankamen, ließ Muhammad sich im Schatten eines Baumes in der Nähe eines Klosters nieder, das einem Mönch namens Nestor gehörte.

Der Mönch fragte Maisara: „Wer ist dieser Mann unter diesem Baum?“ „Er gehört zum Stamm Quraisch, zu den Leuten der Kaaba“, antwortete Maisara.

„Unter diesem Baum haben bisher nur Propheten gesessen!“ sagte der Mönch.44

Auf dem Markt verkaufte Muhammad die Waren und wählte sorgfältig aus, was er den Mekkanern zum Kauf anbieten wollte. Maisara merkte, dass er einen Menschen begleitete, der anders war als alle Anderen. Schon die Worte Nestors hatten ihn verwundert. Es gab aber etwas, das ihn noch mehr verwunderte: Während der Reise sah Maisara, wenn die Sonne stark schien, zwei Engel, die Muhammad Schatten gaben. Bei ihrer Rückkehr nach Mekka berichtete Maisara Chadidscha von den Worten des Mönches und von den zwei Engeln. „Du hast mich mit ihm geschickt, damit ich ihm diene. Dabei hat er mir gedient. Wenn ich krank war, pflegte er mich, wenn ich traurig war, tröstete er mich!“, sagte Maisara.

Chadidscha ging zu ihrem Cousin Waraqa und erzählte ihm, was sie über Muhammad gehört hatte.

Waraqa Bin Naufal war in seiner Jugend Christ geworden, er konnte

Hebräisch lesen und schreiben und hatte Kenntnis von den heiligen Schriften der Juden und Christen. Im Alter war er erblindet, wurde aber in Mekka wegen seiner Weisheit geschätzt.

„Chadidscha! Wenn das stimmt, dann ist Muhammad der Prophet Allahs! Denn ich weiß seit langer Zeit, dass ein Prophet erwartet wird.

Seine Zeit ist schon gekommen!“, sagte er.

Chadidscha schickte Maisara zu Muhammad, um ihn zu holen.

Als Muhammad bei ihr eintraf, brachte sie gleich ihre Gefühle ihm gegenüber zum Ausdruck, besonders ihre Wertschätzung seiner Gerechtigkeit. Sie sagte ihm auch: „Ich schätze dich wegen deiner Beliebtheit in deiner Familie, wegen der Schönheit deines Charakters und deiner Ehrlichkeit.“ Nach diesen Worten bot sie ihm die Ehe an.45 Muhammad stimmte zu.

Muhammad sprach mit seinen Onkeln über sein Vorhaben. Diese beauftragten darauf seinen Onkel Hamza, zu Chadidschas Familie zu gehen und - wie es der Brauch war - förmlich für Muhammad um ihre Hand anzuhalten. Hamza war wohl deswegen gut dafür geeignet, weil seine Schwester Safiya mit Chadidschas Bruder Awwam verheiratet war. Die Verwandten der Brautleute freuten sich über die Heirat, und Muhammad schenkte seiner Frau zwanzig Kamele als Brautgabe.

Chadidscha war zu diesem Zeitpunkt vierzig Jahre alt, Muhammad fünfundzwanzig.

Bald verließ Muhammad das Haus seines Onkels. Er lebte nun bei seiner Frau und führte eine glückliche Ehe. Sie gründeten eine große Familie, die nicht nur aus ihren eigenen Kindern bestand. Ihr erstes Kind war Qasim, der jedoch in seinem zweiten Lebensjahr starb.46 Nach ihm gebar Chadidscha vier Töchter, die sie Zaynab, Ruqayya, Umm Kulthum und Fatima nannten. Das letzte Kind, ein Junge, den Muhammad Abdullah47 nannte, starb ebenfalls früh.

Muhammad war sehr dankbar für seine Töchter, die er sehr liebte. Baraka, die Dienerin seiner Mutter, die ihre Freiheit von der Sklaverei Muhammad zu verdanken hatte, lebte auch bei ihnen, nachdem sie ihren Mann verloren hatte. Zaid, ein Sklavenjunge, den Muhammad freigelassen und auf eigenen Wunsch als Sohn angenommen hatte, gehörte ebenfalls zur Familie.48 Da Muhammads Onkel Abu Talib seine Kinder kaum ernähren konnte, weil er zu arm wurde, schlug Muhammad seinem Onkel Abbas vor, dass jeder von ihnen einen seiner Söhne aufnehmen sollte. Abu Talibs Sohn Dschaafar wurde von Abbas aufgenommen, sein Sohn Ali von Muhammad. So gehörte nun auch Ali zum Hause des Propheten.

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