Читать книгу Der Duft der indischen Nelke - Nicolà Tölcke - Страница 5

Prolog

Оглавление

Ein Frühlingstag und meine Mutter hat Lust auf einen Spaziergang entlang des Teltowkanals. Vor der Brücke der Krahmerstraße befindet sich ein Wildgehege mit Hirschen und Rehen. So stiefeln wir los und haben als Proviant für die Vierbeiner ein paar alte Stücke hartes Brot im Gepäck.

Ein verführerischer Blütenduft liegt in der Luft, als wir an dem waldartigen Gelände ankommen. Links schnattern die Enten im Kanalwasser und rechts hinter dem mannshohen Jägerzaun mümmeln der stolze weiße Hirsch und sein Harem.

Mutter will weiterlaufen. Es soll bis zur Bäkebrücke gehen. Dort müssen wir links abbiegen, um auf der Metallkonstruktion hinüber auf die andere Kanalseite zu gelangen.

Schon einige Male habe ich ihn gesehen; eher von weitem, diesen Flügelmann, der oben auf einem Sockel steht und seine Arme wie ein flugbereiter Adler ausstreckt. Mutter ist unerbittlich. Ganz nah vor seinem klobigen Podest kommen wir zum Stehen. Ich habe Angst! Ob der sich gleich auf mich stürzen wird?

„Komm, Hubertlein! Bück dich mal nach unten und riech mal, wie die Blumen duften.“

Schnell noch mal ein kurzer Blick nach oben. Er steht ganz ruhig da. Ich gehe auf die Knie und schon in der Bewegung fängt mich der Duft ein. Als hätten diese gelben, kleinen Sonnen eine Anziehungskraft krieche ich mit meiner Nase in sie hinein. Wie benommen ist mir plötzlich, als schwebte ich nach oben. Mich überströmt ein Glücksempfinden, das sich mit einer Gänsehaut über meinen ganzen Körper verteilt. Doch auch diese dunkle Kreatur da oben hoch über mir will, dass ich sie beachte. Im Glücksgefühl des Duftes erzittere ich vor dem Flügelmann. Ich starre ihn an, paralysiert bin ich wie ein Reh vor nächtlichen Autoscheinwerfern.

„Bald werde ich dich mitnehmen auf eine Reise, von der es kein Wiederkommen gibt!“, flüstert er mir zu.

„Hubert, komm!“, unterbricht ihn meine Mutter, „das sind Studentenblumen. Aber wir wollten doch noch ins Café dort und ein Eis essen.“

Von dem Moment an ist mir klar, dass ich diesen Mann mit seinen todbringenden Schwingen nie wieder anschauen werde, mich die Magie des Duftes der Tagetes aber oft begleiten wird.

Der Duft der indischen Nelke

Подняться наверх