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Auf Spurensuche

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Menschen, die als geistliche Helden in die Kirchengeschichte eingehen, scheinen eines gemeinsam zu haben: Keiner von ihnen hatte vorgehabt, ein Held zu werden.

Gerade das macht sie sympathisch und zugänglich. Manche Männer und Frauen, deren Biografien in diesem Buch skizziert werden, waren außerordentlich begabt, manche wären in einer Menschenmenge kaum aufgefallen. Denn Talent ist nicht das, was einen Menschen groß macht. Die Bescheidenheit, die eigenen Talente nicht zur persönlichen Bereicherung, sondern zum Wohl anderer einzusetzen: Das ist der Stoff, aus dem Helden gemacht sind. Das macht sie zu Vorbildern. Damit hinterlassen sie Spuren. Und diese Spuren haben meistens mehr mit Leid, Verfolgung und Tränen als mit Anerkennung und Lob zu tun.

Manche der Helden in diesem Buch, wie zum Beispiel John Bunyan, Autor des Klassikers „Pilgerreise in die Ewigkeit“, oder Eric Liddell, Olympiaheld der Zwanzigerjahre, bekamen zu Lebzeiten nicht mehr mit, dass sie Geschichte geschrieben hatten; dass sie die Welt – oder zumindest ihren kleinen Teil davon – ein kleines bisschen fröhlicher, besser und gesünder hinterlassen hatten. Irena Sendler, die Hunderten von jüdischen Kindern in Polen das Leben rettete, wurde erst am Ende ihres Lebens für ihre mutigen Taten geehrt. Ihr selbst war es gar nicht aufgefallen, dass sie etwas Ungewöhnliches vollbracht hatte.

Andere, wie der Schriftsteller C.S. Lewis, die Komponistin Fanny Crosby oder der Dichter und Theologe Paul Gerhardt, bekamen ihren Ruhm sehr wohl mit. Aber der Erfolg ließ sie kalt. Nach Anerkennung hatten sie nie gestrebt. Vielleicht konnte ihnen gerade deshalb solch ein nachhaltiges Ansehen anvertraut werden, das ihre Werke unsterblich machte.

Gegen den Strom

Eines steht fest: Christen, die die Anerkennung der Welt suchen, können die Welt nicht ändern. Zu sehr sind sie mit ihr verbunden, zu sehr wollen sie ihren Lohn. Gegen den Strom zu schwimmen, Zeichen gegen den Zeitgeist zu setzen, Ungewöhnliches zu wagen und anderen Menschen Gutes zu tun, war schon immer ein zum Teil einsames, zermürbendes Geschäft. Nicht auf den Gipfeln des irdischen Erfolgs werden die Spielregeln des Reiches Gottes auf die Probe gestellt, sondern im Schmelztiegel des Leids, dort, wo man kostspielige Schritte geht; und das aus keinem anderen Grund als aus Liebe zu Gott, der es so verordnet hat, auch wenn diese Liebe zunächst nur Nachteile mit sich zu bringen scheint. Unzählige Christen zu allen Zeiten der Weltgeschichte haben diese biblische Grundhaltung sogar mit ihrem Leben bezahlt.

Es ist nicht schwierig, sie dafür nachhaltig als Berühmtheiten zu verehren, Standbilder für sie zu errichten und ihnen Bücher und Websites zu widmen. Sie aber nachzuahmen und in ihre Fußstapfen zu treten, ist eine ganz andere Sache. Heute ist es für uns ein Leichtes, lautstark über das Übel des Nationalsozialismus zu schimpfen und diejenigen hochleben zu lassen, die gegen dieses Übel kämpften. Für die Jugend Polens in den Dreißigerjahren war es aber ein Skandal, diese Ideologie infrage zu stellen. Ein Skandal, der der Warschauer Gettoheldin Irena Sendler fast das Leben gekostet hätte.

Nicht für sich selbst

Dieses Buch möchte aus dem Leben manch gefeierter Vorbilder – sowohl aus der Kirchengeschichte als auch aus unserer Zeit – Lehren für die heutige Zeit ziehen und der Frage nachgehen: Wie sind sie zu den Persönlichkeiten geworden, die sie waren? Wie würden sie in den Situationen handeln, in denen wir Christen uns heute befinden? Und am allerwichtigsten: Welche Spuren können wir anhand ihres Beispiels mit unserem Leben hinterlassen?

John Bunyan, Irena Sendler, Margarete Steiff, C.S. Lewis, Schwester Teresa Zukic, Bernd Siggelkow, Paul Gerhardt, Katharina von Bora, Eric Liddell, Fanny Crosby: Das Wirken dieser geistlichen Größen überspannt Kulturen, christliche Konfessionen und oft auch Jahrhunderte. Sie stehen für eine riesige Anzahl von Menschen, die es im Leben nicht auf das eigene Glück abgesehen hatten, für die „Selbstverwirklichung“ ein Fremdwort blieb. An ihrem Beispiel wird klar, dass das Reich Gottes nicht mit geistlichen Methoden oder klugen Ideen, sondern durch Menschen gebaut wird, die ihren Glauben authentisch und gewinnend leben und dadurch eine Atmosphäre schaffen, in der Jesus Christus und seine Botschaft unwiderstehlich werden und Herzen anfangen zu brennen. Es braucht nicht viele solcher Menschen, um einen Unterschied zu machen und mitunter eine ganze Gesellschaft positiv zu prägen.

In Schwäche stark

Beim Eintauchen in ihre Biografien dürfen wir erleichtert feststellen, dass Gott das auserwählt hat, „was in den Augen der Welt gering ist, um so diejenigen zu beschämen, die sich selbst für weise halten. Er hat das Schwache erwählt, um das Starke zu erniedrigen. Er hat das erwählt, was von der Welt verachtet und gering geschätzt wird, und es eingesetzt, um das zunichtezumachen, was in der Welt wichtig ist, damit kein Mensch sich je vor Gott rühmen kann“ (1. Korinther 1,27-29). Gottes Definition eines effektiven Glaubens ist oft anders als unsere. Mit Überraschung stoßen wir hier auf ganz normale Menschen, die ihre Kämpfe, Schwächen, Ecken und Kanten haben, genau wie wir. Schon in der Bibel werden wir daran erinnert, dass der mächtige Prophet Elia „ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen wie wir“ war (Jakobus 5,17; ELB), der dennoch durch seine anhaltende, leidenschaftliche Fürbitte eine Menge ausgerichtet hat. Gott weiß sehr wohl um unsere Tendenz, die geistlichen Größen mit verklärtem Blick in die Kategorie der Heiligen einzustufen, wo ihr Vermächtnis zu unantastbar ist, um uns in unserer eigenen Bequemlichkeit aufzurütteln.

Diese Lebensbilder sind keine ausführlichen Biografien. Sie greifen nur den einen oder anderen Impuls auf, um uns zum Nachdenken zu bringen. Bekannte Begebenheiten, die diese Impulse verdeutlichen, sind in Dialogform rekonstruiert, um sie anschaulicher zu machen. Daher kann nicht nachgewiesen werden, dass die Dialoge exakt nach dem hier dargestellten Wortlaut stattgefunden haben.

Aber eines steht fest: All diese Vermächtnisse, zusammen mit den biblischen Glaubensvorbildern, gehören zweifelsohne zu der „Wolke von Zeugen um uns“, durch deren Ermutigung wir „jede Last ablegen, die uns behindert, besonders die Sünde, in die wir uns so leicht verstricken. Wir wollen den Wettlauf bis zum Ende durchhalten, für den wir bestimmt sind“ (Hebräer 12,1).

Nicola Vollkommer

Reutlingen

19.12.2013

Menschen, die die Welt bewegen

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