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ОглавлениеLernen, dankbar zu sein
Ohne Gefühle, ohne Emotionen,
ist Höflichkeit nur eine leere Hülle.
Dies ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Lehren von Konfuzius, der die Japaner stark inspiriert hat: Wenn wir harmonisch mit anderen zusammenleben möchten, sollten wir nicht nur Danke sagen können, sondern vor allem fähig sein, Dankbarkeit zu empfinden.
In Frankreich neigen viele Menschen dazu, Regeln als Einschränkung der persönlichen Freiheit zu sehen, als Hindernis, das ihrem vollkommenen Glück im Weg steht. In unserer Gesellschaft weckt alles, was festgeschrieben ist, Misstrauen. Sogar die wichtigen Grundsätze der Höflichkeit werden oftmals als Barrieren zwischen den Menschen wahrgenommen, weil sie scheinbar aus einer dunklen Ära stammen, in der die Vorstellung von Gleichheit noch nicht existierte. In Zeiten, in denen das Ego König ist, werden Entschuldigungen und sogar Dank immer seltener. Da sich jeder als Mittelpunkt seiner eigenen Welt begreift, erwartet er, dass ihm alles zusteht. Wenn eine ganze Gesellschaft so denkt, wird das Zusammenleben immer schwieriger.
Obwohl Japan und Korea oft als Länder mit strengen Normen dargestellt werden, kann jeder Reisende ohne Schwierigkeiten erkennen, dass dort ein gutes Lebensgefühl herrscht. Das ist nicht nur spürbar im freundlichen Lächeln der Menschen an jeder Straßenecke, sondern auch am aufmerksamen Umgang miteinander. Für Japaner und Koreaner ist es normal, sich mehrere Dutzend Mal am Tag zu bedanken. Wer Danke sagt, stellt aus ihrer Sicht nicht etwa sein Licht unter den Scheffel, vielmehr sorgt er aktiv für Harmonie und erhält so auch das eigene Wohlbefinden. Denn diejenigen, die wiederholt Undankbarkeit beweisen, riskieren, rasch ohne die Hilfe von anderen dazustehen, und haben meist nur unbefriedigende Beziehungen zu den Menschen in ihrem Umfeld. Kein Wunder, dass das Bildungssystem dieser Länder dazu dient, Kindern beizubringen, sich in der Gesellschaft gut zu benehmen.
Höflichkeit zu lernen wird als bestes Mittel
gesehen, um sich nicht nur mit anderen,
sondern auch mit sich selbst wohlzufühlen.
Im Japanischen gibt es zwei Begriffe, die häufig benutzt werden, um sich zu bedanken. Der erste wird kansha ausgesprochen und setzt sich aus zwei Schriftzeichen zusammen, von denen das eine dem Wort »danke« entspricht, während das zweite »empfinden« bedeutet. Das veranschaulicht, dass es nicht darum geht, sich aus Gewohnheit einer Etikette zu unterwerfen, indem man dieses oder jenes Wort ausspricht, sondern wahrhaftig Dankbarkeit zu empfinden. Für Japaner ist dieses Gefühl die Grundlage von Fülle. Das zweite Wort, das häufiger und in informellem Rahmen benutzt wird, ist arigatou.
Kleinigkeiten wertschätzen
Zen-Mönche sind der Ansicht, dass ein Dank nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, sondern von Herzen kommen sollte. Das fällt leicht, wenn wir uns bewusst machen, dass das, was wir soeben erhalten haben, tatsächlich ein Geschenk darstellt. Auch wenn uns dieser Begriff in manchen Fällen etwas weit hergeholt erscheinen mag, wird er in Japan gerne benutzt, weil jeder weiß, wie wichtig es ist, die Kleinigkeiten des Alltags wertschätzen zu können.
BEISPIEL
Wenn eine Mitarbeiterin an der Kasse die Artikel, die ein Kunde soeben gekauft hat, sorgfältig in eine Papiertüte packt und ihm das Ganze zuvorkommend mit beiden Händen reicht, wird besagter Kunde sich mit dem Wort arigatou bedanken.
Die Geste der Mitarbeiterin mag minimal erscheinen, doch ist es diese Art von kleiner Aufmerksamkeit, die dafür sorgt, dass wir weiterhin in einer Gemeinschaft leben möchten. Wenn die ganze Gesellschaft nur noch spektakulären Ereignissen Bedeutung beimisst, besteht die Gefahr, dass sich allmählich immer mehr Unzufriedenheit und Unwohlsein breitmachen.
Nicht davon ausgehen, dass uns alles zusteht
Arigatou ist ein Konzept, das uns darauf aufmerksam macht, dass alles wichtig ist, was um uns herum geschieht. Diese Einstellung hilft uns, gegenüber der Welt und in unseren Beziehungen zu anderen wieder achtsamer zu werden. Der Begriff stammt ursprünglich aus einem buddhistischen Sutra, das den Dialog zwischen Buddha und einem seiner Schüler namens Ananda schildert. Im Laufe dieses Wortwechsels erklärt Buddha mit einem ganz besonderen Gleichnis, dass es für eine Seele besonders schwer sei, menschliches Leben zu erlangen. Zwar bringe unser Dasein viel Leiden mit sich, doch solle Letzteres nicht als Strafe, sondern vielmehr als Gelegenheit gesehen werden, unsere schönsten und sensibelsten Anteile voll zu entfalten. Menschen, die ihr Leben als etwas betrachten, das ihnen einfach zusteht, neigen oft zu der Ansicht, sie hätten etwas Besseres verdient, und sind entsprechend unzufrieden. Nur diejenigen, die sich der Zerbrechlichkeit und Seltenheit ihres Daseins bewusst sind, können aus ihrem Leben das Beste machen.
Ebenso werden nur diejenigen, die dem, was sie von anderen erhalten, einen Wert beimessen, in Harmonie mit ihnen leben können. Das gilt für Freunde, Partnerschaften, aber ebenso im Geschäftsleben. Um eine starke Verbundenheit in einem Team, das man führen möchte, zu schaffen, ist es wichtig, Danke sagen zu können. Der Mensch muss von seinen Mitmenschen wertgeschätzt werden, um sich zu entfalten. Der Betrag auf der Gehaltsabrechnung am Ende des Monats ist definitiv nicht der einzige Motivationsfaktor. Es wirkt sich fast immer negativ aus, wenn sich der Teamleiter bei einem Mitglied seines Teams nicht bedanken kann, nachdem diese Person sich für eine ihr zugeteilte Aufgabe engagiert hat. Mit einem halbherzigen Danke riskiert man, sie zu entmutigen. Wenn Letztere keinen großen Ehrgeiz besitzt, wird sie wahrscheinlich das nächste Mal nur noch das unbedingt Nötige machen. Ein guter Weg, die Zufriedenheit und Loyalität unserer Partner und Klienten zu erhöhen, ist, ihnen unsere Dankbarkeit zu zeigen, indem wir ihnen das Gefühl vermitteln, in unseren Augen einmalig zu sein.
Eine erfolgreiche Marketingstrategie hat nicht nur zum Ziel, den Markt zu analysieren, um innovative Produkte zu entwickeln, sie muss auch eine starke Verbundenheit mit den Klienten und einer Marke ermöglichen. Arigatou sollte die Grundlage dieser Verbundenheit sein, das heißt, alle Beteiligten erkennen an, dass die anderen ihnen viel bringen.
Der beste Weg, eine Emotion zu vermitteln, ist,
sie selbst stark zu spüren.
Nur diejenigen, die selbst aufrichtig dankbar für das sind, was sie empfangen, werden weiterhin von anderen etwas erhalten. Deshalb sollte man, wenn man erfolgreich sein will, lernen, für das, was man hat, dankbar zu sein, und wissen, wie man seine Dankbarkeit am besten ausdrücken kann.