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Evelyn

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Das Ende des Wartens

Täglich warte ich auf eine mögliche Rückmeldung meiner Enkelin. Es hat mich unheimlich viel Mut gekostet, mich überhaupt bei ihr zu melden. Eine Zeitungsannonce, in der zu ihrer Hochzeit mit einem angesehenen Anwalt gratuliert wurde, hat mir den letzten Ruck versetzt und meinen guten Willen geweckt, denn so hatte ich nun endlich eine Kontaktadresse, an die ich mich wenden konnte. Annie, meine Nachbarin, die regelmäßig nach mir schaut und mir mit Kleinigkeiten behilflich ist, hat mich ebenfalls sanft dazu gedrängt, diesen Schritt zu wagen und den Kontakt zu Elizabeth zu suchen. Sie trägt mir täglich die Post herein und bringt mir frisches Brot, obwohl sie mit ihren Kindern selbst genug um die Ohren hat. Ich habe jahrelang mit dem Gedanken gespielt, Elizabeth aufzusuchen, aber irgendetwas hat mich immer wieder davon abgehalten. Vielleicht war es Angst, vielleicht aber auch mein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. Und mit jedem neuen Tag schwand meine Hoffnung, sie zu finden mehr und mehr. Bis Annie mich kürzlich auf die Annonce in der Zeitung aufmerksam machte.

„Schau mal. Dieser bekannte Anwalt hat geheiratet. Seine Frau ist wirklich hübsch.“ Ich weiß noch, wie ich meine Brille aufsetzte, um mir das Bild betrachten zu können. Ohne auf den Namen der Frau zu achten wusste ich sofort, dass sie es war. Ihre Augen sind noch immer dieselben, auch wenn ihr Haar etwas heller und ihre Gesichtszüge deutlich reifer geworden sind. Kein Wunder, immerhin ist sie mittlerweile eine Frau und nicht mehr das kleine Mädchen aus meiner Erinnerung.

„Das ist meine Enkelin Elizabeth“, sagte ich freudestrahlend zu Annie. Staunend sah sie mir in die Augen. „Das ist deine Enkelin? Wow! Wusstest du denn nichts von der Hochzeit?“

Und so begann ich, mich meiner Nachbarin anzuvertrauen und ihr von allen guten und schlechten Erinnerungen zu erzählen.

„Dann musst du ihr schreiben. Na los!“ Annie war Feuer und Flamme, aber ich wiegelte ab.

„Ach, ich weiß nicht. Sie wird sich vielleicht gar nicht an mich erinnern, und selbst wenn, hat sie vielleicht keine sonderlich guten Erinnerungen an mich.“ Aber Annie ließ nicht locker, sodass ich fast acht Wochen nach der Entdeckung der Anzeige endlich einen Brief verfasst habe in der Hoffnung, dass Liz sich daraufhin melden würde. So warte ich also auf ein Zeichen, und wieder spüre ich meine Hoffnung schwinden. Umso größer ist nun jedoch der Schmerz über jeden verlorenen Tag ohne Nachricht von ihr, denn diesmal weiß ich, ich habe es versucht – und habe doch nichts erreicht.

Doch dann, an einem Samstag, erreicht mich endlich ein Brief. Er ist tatsächlich von Liz, ihre private Adresse steht auf der Rückseite des Umschlags. Ich bin zu nervös, um ihn selbst zu lesen, weshalb ich Annie bitte, ihn mir vorzulesen.

Liebe Grandma,

vielen herzlichen Dank für deine Glückwünsche. Timothy und ich haben uns sehr darüber gefreut.

Dein Brief war eine große Überraschung für mich. Ich muss gestehen, dass ich kaum noch eine Erinnerung an dich habe, weshalb es sich für mich gerade so anfühlt, als würde ich einer fremden Person schreiben. Und doch habe ich es gewagt. Wer auch immer du bist, du hast es nicht verdient, vergeblich auf eine Antwort zu warten.

Es tut mir leid, von deiner Krankheit zu erfahren. Wie geht es dir denn damit? Weißt du, auch ich weiß, was es bedeutet, keine Erinnerung mehr zu haben. Vor einigen Jahren wurde ich Opfer eines Gewaltverbrechens, woraufhin ich mit einer Amnesie im Krankenhaus erwachte. Es hat lange gedauert, bis mein Gedächtnis wieder vollkommen hergestellt war. Es war ein langer und schwerer Kampf. Umso dankbarer bin ich dafür, dass meine Erinnerungen nun wieder vollständig sind. Zu viele schöne Momente habe ich erlebt, als dass ich bereit wäre, für immer auf die Erinnerungen an sie zu verzichten.

Dein Brief wirft viele Fragen in mir auf. Sie hier zu stellen würde dich womöglich überfordern, und das möchte ich keinesfalls. Vielleicht ergibt sich mal eine Gelegenheit, um die Fragen zu klären und einander etwas besser kennenzulernen. Deshalb würde ich mich über einen erneuten Brief oder auch einen Anruf von dir freuen, sofern es dich nicht überanstrengt.

Ich bin glücklich darüber, deinen Brief erhalten zu haben. Auch wenn du mir im Moment noch wie eine Fremde erscheinst, so ist es vielleicht eine große Chance, die wir ergreifen müssen.

Ich danke dir für deinen Mut und freue mich, von dir zu hören.

Alles Liebe,

Elizabeth“

Ich seufze tief, als Annie den Brief sinken lässt und mich ansieht als wollte sie mir sagen, sie hätte es doch gewusst. Sie hatte tatsächlich recht. Es war richtig, Liz zu kontaktieren. Wie sie bereits schrieb, ist es eine Chance, die wir beide ergreifen sollten.

Und genau das werde ich tun, ehe es zu spät ist.


Weihnachtszauber in letzter Minute

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