Читать книгу Pflegegrade und die neuen Begutachtungsrichtlinien - Nicole Franke - Страница 9
Оглавление3 Die Pflegebegründenden Diagnosen
Kommt Ihnen das bekannt vor?
Sie betreuen eine Kundin, bei der Folgendes diagnostiziert wurde:
Hypertonie, Diabetes mellitus – insulinpflichtig, Apoplex rechts mit leichter Hemiparese links, Dekubitus III. Grades, ausgeprägte Demenz, Herzinsuffizienz, Ulcus Cruris, Harn- und Stuhlinkontinenz.
Diese Diagnosen teilen Sie auch dem Gutachter bei der Begutachtung mit. Als Sie das Gutachten vor sich liegen haben, wundern Sie sich, dass sich die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit bzw. der Fähigkeiten nicht entsprechend der realen Situation der Kundin abbilden und diese als wesentlich selbständiger eingeschätzt wurde, als sie tatsächlich ist. Woran könnte das liegen?
3.1 Ermittlung der pflegebegründenden Diagnosen durch die Begutachtungsinstanz
Aus den Begutachtungs-Richtlinien
Eine oder zwei Diagnosen, die im Wesentlichen die Pflegebedürftigkeit begründen sind anzugeben und nach ICD 10 zu verschlüsseln. Weitere Diagnosen sollten in der Reihenfolge ihrer Wertigkeit bezüglich des personellen Unterstützungsbedarfs angegeben werden.
Es sollten auch Diagnosen angegeben werden, die keinen personellen Unterstützungsbedarf im Bereich der Pflege und Betreuung begründen, jedoch bei eventuellen Therapie- oder Rehabilitationsleistungen von Bedeutung sind.
Im Gutachten stellt sich dies wie folgt dar:
Pflegebegründende Diagnosen: | |
Diagnose: | ICD 10: |
Diagnose: | ICD 10: |
Weitere Diagnosen: |
3.2 Häufige Fehlerquellen
Darauf sollten Sie achten …
Überlassen Sie die Einschätzung der pflegebegründenden Diagnose nicht dem Zufall!
Der Gutachter nimmt in seinem Gutachten ein oder zwei Diagnosen auf, die im Wesentlichen die Pflegebedürftigkeit begründen. Weitere Diagnosen werden in der Reihenfolge der Wertigkeit bezüglich des Pflegebedarfs angegeben.
Die pflegebegründende Diagnose ist ursächlich für den Pflegebedarf. Mit einer systematischen Identifikation und Darlegung in der Pflege- und Betreuungsdokumentation vermeiden Sie entsprechend Fehleinschätzungen, die sich im Folgenden auf die gesamte Beurteilung auswirken könnten!
3.3 Praxistipps und Formulierungshilfen
Vermeiden Sie Missverständnisse
➤ Damit es in Begutachtungen nicht zu Fehleinschätzungen kommt, identifizieren und benennen Sie die zwei hauptpflegebegründenden Diagnosen konkret!
Denn: wenn bei einem Pflegebedürftigen z. B. auch eine Niereninsuffizienz oder ein Diabetes mellitus diagnostiziert wurde, ist dies nicht unbedingt pflegebegründend, da es durch diese Diagnosen nicht zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der Selbständigkeit kommen muss!
➤ Im Idealfall kennzeichnen Sie die zwei hauptpflegebegründenden Diagnosen bereits übergeordnet in Ihrer Pflege- und Betreuungsdokumentation
➤ Die Faktoren, mit denen Sie die den Hilfebedarf bzw. die Beeinträchtigungen der Fähigkeiten entsprechend begründen, sollten sich dann wieder eindeutig unter den einzelnen Punkten Ihrer Informationssammlung gemäß Ihrem gewählten Pflegemodell bzw. SIS wiederspiegeln.
➤ Achten Sie auf eine differenzierte Diagnosestellung durch den Arzt. Beispielsweise ist häufig nur die Diagnose Apoplex rechts mit Hemiplegie links oder umgekehrt zu finden, wenn ein Kunde einen Schlaganfall erlitten hat. Aber was resultiert alles daraus? Die Beeinträchtigung der Fähigkeiten bzw. der daraus resultierende Pflegeaufwand gestaltet sich sehr unterschiedlich, wenn als Folgeerscheinung ein Neglect, eine Aphasie und/oder eine Hemianopsie usw. auftreten. Um sicherzustellen, dass Sie erfolgreich argumentieren und begründen können, sollte dies entsprechend differenziert in der ärztlichen Diagnose dokumentiert sein.
➤ Schulen Sie Ihre Mitarbeiter bzgl. einer angemessenen Darstellung pflegebegründender Diagnosen (lückenlose Darstellung des Ist-Zustands) und hinsichtlich einer überzeugenden und plausiblen Argumentation im Begutachtungsgespräch!
Darstellungsbeispiel der Pflegebegründenden Diagnosen
Ärztliche Diagnose | davon insbesondere pflegebegründend und damit selbständigkeits- / fähigkeitsbeeinträchtigend |
Demenz (wesentlich pflegebegründend) | Desorientiertheit in allen Bereichen, Weg-/ Hinlauftendenzen, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten mit Verkennung von Risiken und Gefahren, motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, erhebliche nächtliche Unruhe, verbale Aggressionen mit Abwehrverhalten und Unkooperation bei pflegerischen Maßnahmen, Fehlhandlungen insbesondere im Ausscheidungsbereich |
Harn- und Stuhlinkontinenz (wesentlich pflegebegründend) | komplette Inkontinenz; bestehende chronische Hautirritationen im Intimbereich, ärztlich verordnete Dauermedikation, häufiges nächtliches Wasserlassen mit Nichttoleranz des Inkontinenzschutzmaterials und unkontrolliertem Entfernen, häufige Abwehr pflegerischer Leistungen; komplette Unfähigkeit, die Folgen der Harn- und Stuhlinkontinenz bewältigen zu können |
Diabetes mellitusTyp 2(insulinpflichtig) | bestehende chronische Hautirritationen; Neigung zu Blutzuckerentgleisungen mit daraus resultierender Sturz- und Verletzungsgefahr; ist nicht in der Lage die ärztlich verordnete Diät / Verhaltensvorschrift einzuhalten |
Hypertonie | zeitweise Schwindel mit daraus resultierender Sturzgefahr, dadurch erhöhter Beaufsichtigungsbedarf, enger Überwachungsintervall durch RR-Kontrollen |
Niereninsuffizienz | nicht pflegebegründend |