Читать книгу Skrupellos I - Ausgeweidet - Nicole Le - Страница 7
Kapitel 3
ОглавлениеJosie hatte gerade die Kinder zur Schule gefahren und freute sich darauf es sich mit der Tageszeitung und einem Kaffee gemütlich zu machen. Doch bevor sie sich wieder an den Computer setzen konnte, um den Artikel über die Flüchtlinge aus Eritrea und dem Sudan zu Ende zu schreiben, klingelte das Handy.
Die Internationale Menschenrechtsorganisation forderte ihre sofortige Anwesenheit bei einem Aufklärungsflug in den Sinai Wüste.
Sie solle sich am Militärflughafen bei einem Mann namens Gordon Freeman melden, der die Einsatzplanung übernommen hatte. Er würde ihr einen Piloten nennen, der sie in das Gebiet fliegen würde. Einen Kameramann konnten sie in der kurzen Zeit nicht auftreiben, deshalb solle sie ihre Kamera mitbringen. Und ihre schusssichere Weste. Nur als reine Sicherheitsmaßnahme versicherte man ihr.
Sie rief Lucy an, ihr 25-jähriges Kindermädchen aus Mexiko. Sie musste die Kinder heute von der Schule abholen. Josie wusste nicht wie lange es dauern würde.
Dann war sie auch schon auf dem Weg. Sie rief ihren Mann James über die Freisprechanlage ihres Ford Compass an, einem Jeep, der durch den Allradantrieb in dieser Gegend bestens geeignet war und dennoch nichts an Komfort zu wünschen übrigließ.
James fragte sie, ob er sich Sorgen um sie machen müsste, doch sie lachte nur und sagte sie würde ja nicht in den Krieg ziehen und sei zum Abendessen wieder da.
Am Militärflughafen musste sie sich ausweisen, dann öffnete der diensthabende Beamte das Tor. Sie parkte gleich neben der Flughalle, in welcher eine Fokker stand und gerade gewartet wurde.
Sie lief die Treppe zur Flugsicherung hinauf und machte sich auf die Suche nach dem Offizier der Einsatzplanung Gordon Freeman.
Sie stießen auf dem Flur zusammen, als er gerade aus einem Zimmer kam. Er salutierte überrascht mit Hand an der Kappe, worauf hin sie sich lachend vorstellte. Doch er ging nicht auf ihr Lachen ein, sondern stellte sich nur kurz vor. Ihr wurde langsam klar, dass es sich um einen ernstzunehmenden Einsatz handeln musste, bei dem es nichts zu lachen gab.
Er sagte sie würde mit einem erfahrenen Piloten fliegen, sie müsse sich also keine Sorgen um ihre Sicherheit machen, aber sie solle auf jeden Fall die Augen nach Bodenbewegungen offenhalten und ihre Sicherheitsweste anbehalten, auch wenn es unerträglich heiß werden würde.
Er brachte sie hinunter in die Flughalle, wo sie schon die Fokker gesehen hatte und sie näherten sich einem Mann mit breitem Kreuz in Flugoverall, der gerade dabei war die Turbinen zu überprüfen. Gordon Freeman rief den Namen des Mannes, John Bearle und er drehte sich zu ihnen um.
Ihr Herz machte einen Satz und schlug danach bis zum Halse. Sie kannte den Mann. Sie hatten vor Jahren in Afghanistan mehrere Einsätze zusammen geflogen, doch nach einem Vorfall, bei welchem sie abgeschossen worden waren und in die Hände von afghanischen Freiheitskämpfern fielen, keinen weiteren Kontakt mehr gehabt. Die zwei Wochen in Gefangenschaft, mit der ständigen Bedrohung vergewaltigt und geschlagen zu werden waren unerträglich für sie gewesen. Sie hatten Glück gehabt, ihnen war nichts Ernsthaftes geschehen und man hatte sie nach 14 Tagen befreit, doch es hatte lange gedauert bis sie sich davon erholt hatte. Dann irgendwann war sie bereit, sich auf eine Beziehung mit einem Arzt einzulassen, mit dem sie jetzt zwei süße Kinder hatte. Ihr Leben war fast wieder normal, fast durchschnittlich, wenn man von ihrem Beruf einmal absah.
Sie war Journalistin aus Leidenschaft, hatte die feste Überzeugung, die Welt müsse von all den Gräueltaten in Kenntnis gesetzt werden. Deshalb war sie damals als Kriegsberichterstatterin in die Krisengebiete geflogen und hatte über die unglaublichsten und menschenunwürdigen Taten berichtet.
John kam um das Flugzeug herum und als er sie sah, stieß er einen Schrei der Überraschung aus.
„Gott, das gibt es doch nicht. Josie, was um Herrgotts Willen machst Du denn hier?“ Sie gaben sich die Hand und sahen sich verlegen in die Augen.
Sie erklärte, dass man sie gerufen hatte, um Bilder zu schießen und über den Vorfall zu berichten.
„Mann, das ist eine Überraschung. Gut siehst Du aus. Hast ein paar Pfund mehr auf den Hüften, steht Dir gut. Warst immer so ein Hungerhaken!“ sagte er lachend und rieb sich die öligen Finger mit einem dreckigen Lappen ab und rief nach Keeper.
Der kam aus einem Nebenraum und guckte verdutzt. John stellte sie ihm als alte Freundin und Kollegin vor. John war wie sie. Leidenschaftlich, ein passionierter Flieger und eine Kämpfernatur. Einer der nicht wegsah, wenn es schrecklich wurde.
Gordon Freeman gab grünes Licht für den Start und Keeper sagte: „Na dann wollen wir mal, auch, wenn das kein Spaziergang wird.“
Nach dem Start war sie natürlich neugierig zu erfahren um was für einen Einsatz es sich denn genau handeln würde. Und auch wenn sie genau wusste, dass John es hasste, wenn die Personen auf dem Rücksitz zu viele Fragen stellten, sie konnte nicht anders und die beiden Veteranen gaben geduldig Auskunft. Sie konnte fühlen, dass die Beiden auch irgendwie beunruhigt waren. Es war also nicht so ganz ungefährlich. Ein leichtes Kribbeln meldete sich in ihrer Bauchgegend und ihre Hände wurden feucht.
Kurze Zeit später vernahmen sie die lauten Turbinen einer riesigen Frachtmaschine. Sie flog in einigem Abstand über ihnen und transportierte die Fallschirmjäger, die nachher über dem Gebiet abspringen würden. Eine Landebahn gab es nicht ein Hubschrauber war angefordert, doch der brauchte noch und würde sie wieder abholen, nachdem sie alles gesichert hatten.
John würde ihnen die Stelle zeigen und dann über dem Gebiet kreisen bis der Hubschrauber kam. Er würde als Funkverbindung dienen und alles von der Luft aus koordinieren.
Bald sahen sie die Hügelkette und die Fallschirmjäger machten sich zum Absprung bereit. Alles schien ruhig und als sie näher kamen konnte man die aufgereihten Sand Erhebungen kaum noch einzeln ausmachen. Der Wind blies unaufhörlich Sand durch die Gegend und bedeckte alles unter sich, was sich ihm in den Weg stellte.
Der Zelteingang flatterte immer noch im Wind. Hier stimmte definitiv etwas nicht und ihre Aufmerksamkeit und Aufregung nahm zu. Sie sahen den Soldaten beim ausklinken ihrer Fallschirme zu. Als alle gelandet waren bewegten sie sich koordiniert auf die Zelte zu und umzingelten das Gebiet mit ihren Gewehren im Anschlag.
Der Kommandant gab ein Zeichen mit seiner Hand worauf die Soldaten die Zelte von allen Seiten gleichzeitig stürmten.
Ihnen bot sich ein Bild des Grauens, welches nur noch durch die zu erahnenden Machenschaften der Verantwortlichen hier zu überbieten war.
Etwa 20 Leiber lagen tot im Sand. Alle mit Kopfschuss hingerichtet. Auffallend war die Anordnung der Toten, sie lagen in Reih und Glied, so als wenn man sie dort abgelegt hatte, doch der Boden im Zelt wies nicht auf Schleifspuren hin und die Körper waren auch anscheinend nach dem Tod nicht mehr bewegt worden.
Eines der Zelte war wohl zu medizinischen Zwecken eingerichtet worden, auch wenn alle wichtigen Geräte anscheinend in Hast entfernt worden waren. Hinter einem Vorhang fanden sie einen Operationstisch und darauf lag ein aufgeschnittener männlicher Körper.
Der Kommandant fühlte am Hals ob noch Puls vorhanden war und tatsächlich, der Mann lebte.
Er rief nach einem Sanitäter, dann lief er nach draußen und wedelte aufgeregt mit den Armen.
Über Funk gab er John zu verstehen, dass es einen Notfall gab und er umgehend landen müsste um den Mann ins nächstgelegene Hospital zu bringen. John sagte es sei so gut wie unmöglich auf dem losen Sand Boden zu landen. Es gäbe nur eine Möglichkeit. Er müsse mit den Rädern auf einem festen Untergrund zu stehen kommen, damit er wieder starten könne.
Die einzige Idee, die ihm sofort einfiel, war, das Zelt auszubreiten, so dass er bei der Landung darauf zu stehen kam. Alles andere als einfach, aber er wollte es versuchen.
Er sagte Josie, sie solle sich gut anschnallen und festhalten, denn es würde eine rumpelige Landung auf dem Wüstenboden geben. Ihr Herz schlug bis zum Hals, doch sie tat was er sagte. Keeper betätigte ein paar Knöpfe am Cockpit Himmel und sagte: „Ready!“ Er verzog keine Miene und das sagte ihr, dass es ernst wurde.
Sie flogen eine weitere Schleife. Die Soldaten rissen das Zelt von den Stangen und bereiteten es in der glühenden Hitze auf einer ebenen Stelle unweit der Hügel aus. Sie mussten sich sehr beeilen und es war eine unglaubliche Kraftanstrengung in dem sandigen Boden und der Hitze. Josie lief der Schweiß in Bahnen und auch die Männer hatten dicke Kränze unter den Achseln und am Rücken.
Sie wussten ja nicht mal genau was sie dort unten erwartete nur, dass es einen Notfall gab, der so schnell es ging ins Krankenhaus musste, als sie zur Landung ansetzten. Unbeladen war das Flugzeug leicht und den kräftigen Windböen ausgesetzt. Es schwankte hin und her und einmal dachte Josie, sie würden mit der Tragfläche den Boden streifen und dann zerschellen, doch Keeper und John brachten das Flugzeug gemeinsam wieder in Balance und sie landeten zwar unsanft, aber wohlbehalten. Ihr Vorderrad verfehlte zwar den Plastikuntergrund und blieb im Sand stecken, aber das war das kleinste Problem. Jetzt mussten sie erst Mal sehen, um welchen Notfall es sich handelte.
Sie befreiten sich aus den Sicherheitsgurten und öffneten die Seitentür. Der heiße Wüstenwind blies ihnen sofort die erste Ladung Sand ins Gesicht. Josie schützte sich mit einem Schal, John und Keeper hatten nur ihre Brillen und jeder ein Taschentuch, welches sie sich vor Mund und Nase hielten, während sie sich gegen den Wind zwischen die Hügel kämpften. Es schien Stunden zu dauern, bis sie in dem einem Zelt ankamen, an wessen Eingang der Kommandeur ungeduldig auf sie wartete.
Josie zückte ihre Kamera und machte Aufnahmen von der Umgebung, den seltsamen Erhebungen im Sand vor den Zelten. Dann betrat auch sie das Zelt. Der Sanitäter und 2 andere Soldaten beugten sich über etwas auf einem Operationstisch. Als sie näher kam musste sie sich fast übergeben. Dort lag ein Mann mit aufgeschnittenem Bauch. Die Eingeweide quollen an einer Stelle heraus und er blutete stark. Die Sanitäter hatten wohl die große Wunde bereits sterilisiert so gut es ging und begannen den Bauch wieder notdürftig zu verschließen. Jedenfalls so dass der Mann transportiert werden konnte. Sie entdeckten Blutkonserven und lasen auf seinem Armband, welches er umhatte welche Blutgruppe er hatte, jedenfalls hofften sie, dass es seine Blutgruppe war. Sie wühlten in der Kühlbox und fanden eine Konserve mit der richtigen Aufschrift. Sie wussten nicht, woher das Blut kam, sie wussten nicht, ob das was sie taten, richtig war, aber es war seine einzige Chance. Der Sanitäter legte den Zugang und nähte dann beherzt weiter. Der Mann stöhnte, war aber nicht bei Bewusstsein.
Josie machte Fotos und musste sich dann draußen übergeben. Sie war zwar einiges gewohnt aber es war lange her, dass sie mit dem Grauen konfrontiert worden war. Sie blickte sich um und nahm die Erhebungen wieder wahr. Sie ging langsam und etwas wackelig auf den Beinen darauf zu, kniete nieder und streckte die Hand aus. Vorsichtig wischte sie den Sand weg und zum Vorschein kam ein Gesicht. Sie schrie auf, als sie den leblosen Körper und die trotz sengender Sonne kalte Haut der Leiche berührte. Keeper hörte ihren Schrei und rannte zu ihr. Als er sah, was sie freigelegt hatte, begann er wie ein Wahnsinniger mit den bloßen Händen zu graben. Es war schrecklich. Die Körper waren nackt. Manchen fehlten die Augen, viele waren vom Hals bis zum Unterleib aufgeschnitten und notdürftig wieder zu genäht worden. Manche hatten Schnitte an der seitlichen Bauchdecke. Das war ganz klar Organhandel. Man hatte den Menschen die Organe und Augen entnommen um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.
Die Händler mussten auf frischer Tat erwischt worden sein und haben fluchtartig den Ort verlassen. Was hatte sie aufgeschreckt?
Keepers Nackenhaare stellten sich auf und eine kalte Hand griff nach seinem Herzen. Er und John waren es. Sie hatten die Beduinen gewarnt, als sie los flogen in Richtung Osten. Die Beduinen hatten dann die Ärzte und ihre Mittelsmänner gewarnt. Die waren dann mit ihrem Konvoi aus gut ausgestattetem Wüstenfahrzeugen geflohen und hatten nur das Nötigste mitgenommen. Alle wichtigen und teuren Geräte und natürlich die bereits entnommenen Organe.
Ihm war schlecht. Er konnte Josie bereits nachempfinden, warum sie sich übergeben hatte. Dies hier war schlimmer als Krieg, dies war die Hand der Geldgier. Dies waren Taten von Menschen, die sich am Tod von Anderen bereicherten. Dies war weit schlimmer als sein Vaterland und Territorium zu verteidigen. Dies war die Tat des Abschaums der Menschheit.
Er ging zurück zu Josie nahm ihr die Kamera aus der kraftlosen Hand und drückte auf den Auslöser. 100 Mal 200 Mal, er wusste es nicht. Es war als wenn er die Täter mit der Maschinenpistole hinrichten würde.
Vorsichtig trugen die Männer den Verletzten mitsamt der Liege zum Flugzeug. Der Rest der Mannschaft grub das Vorderrad aus und bettete Fetzen eines anderen Zeltes darunter. Es musste einfach klappen. Sie stiegen ein und schnallten sich wieder an ihren Sitzen fest. Der Sanitäter und die zwei Helfer kamen mit dem Verletzten und befestigten die Operationsliege, mit welchem sie den Verletzten eingeladen hatten an den Haltegurten und nahmen auf den Klappsitzen an der Seite des Flugzeugs Platz.
Sie rumpelten durch den Sand und gewannen nur langsam an Geschwindigkeit. Es kam ihnen vor wie eine Ewigkeit, bevor sie wieder in der Luft waren.
Doch dann ging alles ganz schnell. Sie gaben alle Informationen über Funk durch. Kairo bereitete sich auf ihre Landung vor. Ein Ärzteteam aus dem Internationalen Krankenhaus stand bereit um den Patienten notfalls sofort operieren zu können. Dieser Mann war Gold wert, sollte er überleben. Er konnte Aussagen über die Vorgehensweise der Händler machen und vielleicht hatte er jemanden erkannt oder konnte wenigstens Personenbeschreibungen abgeben.
Ein Blitzlichtgewitter von Reportern erwartete sie als sie die Fokker verließen. Der Verletzte wurde mit einem Tuch abgedeckt um seine Identität zu verheimlichen. Noch auf dem Weg ins Krankenhaus erlitt er einen Herzstillstand. Er hatte zu viel Blut verloren. Es war ohnehin ein Wunder, dass er solange überlebt hatte. Die Ärzte belebten ihn wieder und er lag ab da im Koma.
Er wurde mehrfach operiert. Eine Organentnahme wurde bei ihm nicht festgestellt. Anscheinend hatten die Händler den Ort wirklich fluchtartig verlassen und den Mann einfach seinem Schicksal überlassen in der sicheren Annahme, dass er sowieso nicht überleben würde. Seine Bewusstlosigkeit half dabei, die Männer in dem Glauben zu lassen.
Keeper machte sich Vorwürfe sich nicht durchgesetzt zu haben, als er am Morgen schon landen wollte um nach dem Rechten zu sehen. Wie viele Menschenleben hätten sie retten können? Aber ohne die militärische Ausrüstung und die Unterstützung der Soldaten hätten sie es nicht geschafft das Flugzeug wieder zu starten.