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Wie ich Bekanntschaft mit den Hirngespenstern machte Ein Vorwort
ОглавлениеDie Idee zu diesem Buch entstand, wie so vieles, in der Bahn auf einer meiner Geschäftsreisen. Seit über 24 Jahren arbeite ich im Vertrieb und im Personalbereich, seit 20 Jahren bin ich mit großer Leidenschaft auch Trainerin und Coach. Genau in dieser Angelegenheit war ich wieder einmal unterwegs. Irgendwo zwischen Mannheim und Hamburg, bei der Vorbereitung auf das Telefon-Coaching einer größeren Gruppe, kam mir der Gedankenblitz: Wie würden Gespräche – ob privat oder beruflich – verlaufen, wenn uns hartnäckige Glaubenssätze und vorgefasste Meinungen nicht regelmäßig einen Strich durch die Rechnung machen würden? Ich musste an eine begabte Nachwuchskraft denken, die bei Verhandlungen mit Top-Entscheidern plötzlich ihre Überzeugungskraft und oft auch den Kunden verlor. Ihre Erklärung: „Als Frau wirst du im Vertrieb ohnehin nicht ernst genommen!“ Mir kam eine Nachbarin in den Sinn, die sich mit etlichen Anwohnern überworfen hatte und diese Misere stets mit dem Satz kommentierte: „Ich meine es ja nur gut, aber die Leute hier sind sowas von rücksichtslos ...“ Mir fiel ein früherer Kollege ein, der mit seinem Lebensmotto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ immer wieder Mitarbeiter brüskierte und so seinen Führungserfolg sabotierte.
Wir alle haben solche Lebensregeln, mit denen wir durch den Alltag navigieren. Viele davon sind durchaus nützlich. Wer glaubt, dass er „seines Glückes Schmied ist“, wird sich vermutlich Ziele setzen und diese konsequent verfolgen. Andere Glaubenssätze waren vielleicht einmal sinnvoll, werden später aber zum Hemmschuh. „Man muss für alles kämpfen“ beispielsweise hat ein Nachkriegskind durch schwierige Zeiten getragen, verbaut dem Erwachsenen unter den heute ganz anderen Bedingungen aber den Weg zu einem erfüllten Leben. Wieder andere Maximen schaden einem zu jeder Zeit, etwa die Überzeugung „Egal, was ich tue – mich nimmt sowieso keiner ernst!“ Wie entschieden wird ein Mensch, der das glaubt, seine Interessen wohl vertreten?
Für solche Glaubenssätze, Lebensregeln, Einstellungen und intellektuelle Zwangsjacken habe ich den Begriff des „Hirngespenstes“ erfunden. Hirngespenster sind die harmloseren kleinen Verwandten ausgewachsener Hirngespinste, die als gravierende Trugbilder unsere psychische Gesundheit gefährden. Wer glaubt, von geheimen außerirdischen Mächten überwacht zu werden, ist Opfer eines Hirngespinstes. Wer glaubt, Kontrolle sei in jedem Fall besser als Vertrauen, trägt einen weniger gefährlichen, aber lästigen Verwandten solcher Trugbilder mit sich herum: eben ein kleines „Hirngespenst“. Ein solches Hirngespenst spukt uns in Kopf und Herz herum und lässt uns manchmal Dinge tun, von denen wir eigentlich wissen, dass sie uns oder anderen schaden. Es macht uns das Leben schwer und beschneidet unsere Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung und Potenzialentfaltung.
Kaum war der Begriff geboren, entstand vor meinem geistigen Auge auch das Bild des kleinen Kopfkoboldes und die Idee, das „Hirngespenst“ bei meinen Vorträgen und Coachings einzusetzen. Hirngespenster sind drollig, aber auch lästig, manchmal sogar boshaft. Hat man sie erkannt, kann man mit ihnen umgehen, ihren Spielraum einschränken, sie verbannen, sie mit Humor nehmen, sich sogar ein bisschen mit ihnen anfreunden. Wirklich schädlich sind Hirngespenster nur, wenn sie völlig unbeobachtet ein Eigenleben führen und tun und lassen können, was sie wollen – kurz: wenn sie die Regie über unser Leben übernehmen.
Krisen sind zum Beispiel ein idealer Nährboden für Glaubenssätze, die sich bei uns Erwachsenen festsetzen und dadurch leider auch unsere Kinder, die nächste Generation, entscheidend prägen. „Wenn du deine Maske nicht trägst, tötest du deine Mitschüler“, musste sich meine Tochter in der Coronakrise 2020 von einem ihrer Klassenlehrer sagen lassen. Mehrfach. „Wer reist, gefährdet das Leben anderer“, war dann die sich permanent wiederholende Botschaft dieser Lehrkraft kurz vor Beginn der Sommerferien 2020. Solche Aussagen sind wenig reflektiert, unwahr und haben einen negativen Einfluss auf die mentale Gesundheit unserer Kinder. Privat und auch geschäftlich spuken zahlreiche Gespenster. „Vertrieb macht in der Krise keinen Sinn“, „Alle Ansprechpartner sind im Homeoffice und nicht erreichbar“, „Alle haben Kurzarbeit, niemand benötigt Personal“, waren nur einige Überzeugungen, die sich über Monate hinweg beharrlich hielten und nicht infrage gestellt wurden.
Es ist mir daher ein großes Bedürfnis, Sie dabei zu unterstützen, sich dieser lästigen Begleiter zu entledigen, bevor sie zu mächtig werden und Ihr Denken und Handeln negativ beeinflussen.
Antworten auf folgende Fragen wie diese zu finden, kann auf diesem Wege eine große Hilfe sein:
Wie werden Hirngespenster geboren?
Wie sehen sie aus?
Woran erkennt man sie?
Wovon ernähren sie sich?
Treten sie in Gruppen auf oder eher allein?
Wo ist ihr natürlicher Lebensraum?
Wie möchten sie behandelt werden?
Wie geht man am besten mit ihnen um?
Sind sie Feind oder Freund?
Dabei greife ich als akkreditierte Insights®- und ASSESS® Masterin auf Kenntnisse menschlicher Handlungsmotive und persönlicher Präferenzen zurück. Darüber hinaus konnte ich mir durch meine Fortbildungen zum wingwave®- und emTrace®- Coach immer mehr Wissen in Bezug auf unser Gehirn und dessen Funktionen aneignen. Außerdem speist sich dieses Buch aus langjähriger Erfahrung mit tausenden Kunden und Klienten aus unterschiedlichen Branchen und Lebensbereichen. Lassen Sie uns also gemeinsam auf Hirngespenst-Safari gehen! Das ist nicht nur spannend, sondern wird auch dazu führen, dass Sie demnächst mit mehr Zuversicht und Tatkraft durch das Abenteuer steuern, das „Leben“ heißt, und Krisen noch besser bewältigen können. Und auch anderen dabei eine große Hilfe sind.
Viel Vergnügen bei der Lektüre und beim Zähmen der eigenen Hirngespenster wünscht Ihnen
Ihre Nicole Truchseß