Читать книгу #DieSichtderDinge - Nicole Wunram - Страница 11
ОглавлениеDas Abenteuer
Eines Tages vermisst Leila ihr Kuscheltier. Die kleine graue Maus mit den süßen Knopfaugen hat sie von ihrer Tante geschenkt bekommen. Seit ein paar Tagen kann sie das Mäuschen nicht mehr finden.
Das ganze Kinderzimmer hat sie auf den Kopf gestellt. Unter dem Bett hat sie ein Bonbon gefunden, welches sie mal schnell loswerden musste, als Mama noch einmal vorbeischaute. Das schmeckt jetzt bestimmt auch nicht mehr.
Das Mäuschen ist nicht besonders groß, es passt prima in Leilas Hand, und da sie es eine ganze Weile überall hin mitschleppte, war es auch schon ganz schön abgegriffen. Aber sie liebt es immer noch. Es hat so ein süßes Gesicht und wirkt abenteuerlustig mit seinem kleinen Hut zwischen den spitzen Ohren.
In den letzten Wochen hatte Leila viel zu tun. In der Schule wird eine Arbeit nach der nächsten geschrieben und in der Freizeit trifft sie sich mit ihren Freundinnen. Es ist Sommer, die Sonne scheint jeden Tag mehrere Stunden und sie hat viel Spaß auf den Spielplätzen in der Gegend.
Als sie eines Abends traurig ist, sie hat eine Mathearbeit zurückbekommen, die nicht so gut ausgefallen ist, obwohl sie viel geübt hat, vermisst sie ihr Mäuschen und macht sich auf die Suche. Leider kann sie sich nicht erinnern, wo sie es als Letztes gesehen hat.
Nach einer Weile gibt sie die Suche auf und legt sich ins Bett. Da es schon spät ist, schläft sie schnell ein. Sie ist unruhig und träumt von ihrem Mäuschen:
Ihre Mutter hat jedes Jahr das Verlangen, die Sachen, die ihr nicht mehr passen, auszusortieren. So verschwindet schon mal der eine oder andere Lieblingspulli und in diesem Jahr die Übergangsjacke. Plötzlich erinnert sich Leila daran, dass sie diese Jacke auf dem Ausflug zu Oma anhatte. Das Mäuschen muss in der Jackentasche stecken!
Sie ist hellwach, schweißgebadet und ganz aufgeregt. Wo ist die Jacke? Gleich beim Frühstück muss sie ihre Mutter danach fragen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Sie trinkt etwas aus ihrem Wasserglas und legt sich wieder hin. Es ist mitten in der Nacht, da traut sie sich nicht, ihre Mutter zu wecken und zu fragen.
Es dauert eine Weile, bis sie wieder einschläft. Sie wälzt sich mehrmals hin und her, irgendwann überkommt sie wieder der Schlaf. Nach einer Weile träumt sie weiter: Sie sieht, wie die Jacke mit dem Mäuschen und anderer Kleidung von ihr in einen Altkleidercontainer gelegt wird und nach dem Betätigen der Klappe in dem Inneren verschwindet. Sie will noch rufen: NEIN!!! Aber sie bekommt keinen Ton über die Lippen.
Ist das Mäuschen nun für immer verschwunden? Als die Klappe verschlossen wird und die Jacke runterfällt, kann sich das Mäuschen nicht mehr halten. Der Reißverschluss der Jackentasche ist defekt und so purzelt das Mäuschen mitten in den Container. Es landet weich auf den vielen Sachen, die dort liegen, und muss sich erst einmal beruhigen.
Schnell schlägt sein kleines Herz und es ist sehr aufgeregt. Hier ist es ganz dunkel und wo ist seine Leila? Es dauerte eine Weile, bis es sich beruhigt hat. Es sieht sich erst einmal um und versucht, so weit wie möglich nach oben zu klettern. So kann es, wenn die Klappe sich das nächste Mal öffnet, auf sich aufmerksam machen.
Und dann geschieht es tatsächlich, es wird hell, die Klappe öffnet sich und das Mäuschen ruft ganz aufgeregt: »Hier bin ich, hol mich bitte raus und bring mich zu meiner Leila«, doch niemand hört es. Es fallen neue Kleidersäcke auf das Mäuschen und es ist wieder dunkel in dem Container.
So verweilt das Mäuschen ein paar Tage in dem Container. Immerhin muss es dort nicht frieren. Es träumt gerade so vor sich hin, als es von einem lauten Geräusch geweckt wird. Ein LKW parkt genau neben dem Container. Es hört, wie sich ein Schlüssel im Schloss umdreht und eine Hand in den Container greift. Wieder nimmt das Mäuschen die Gelegenheit wahr und macht auf sich aufmerksam. Der Mensch, der den Container leert, sieht das Mäuschen aber nicht. Er nimmt einen Pulli nach dem anderen, eine Jacke und viele Hosen aus dem Container und verstaut sie in seinem LKW.
Das Mäuschen kann sich nicht halten und fällt bis auf den Boden. Nachdem alle Klamotten entfernt worden sind, ruft es noch einmal ganz laut. In dem Moment wird es wieder dunkel. Nun ist das Mäuschen ganz alleine und es spürt eine große Traurigkeit. Wird es seine Leila jemals wiedersehen?
Es will nichts unversucht lassen, zu groß ist die Sehnsucht nach ihrem Menschenkind und der Liebe, die sie ihm gibt. Auch wenn Leila jetzt älter wird und ein Kuscheltier nicht mehr so oft benötigt, gibt es immer wieder Zeiten, in denen Leila nach ihm sucht.
Da jetzt viel Platz im Container ist, macht das Mäuschen sich auf die Suche nach einem anderen Ausgang. Ein kleiner Spalt weckt seine Aufmerksamkeit. Es betrachtet ihn genauer und bemerkt, dass an dieser Stelle eine Schraube fehlt und das Metall etwas locker ist. Mit ganz viel Kraft kann es vielleicht aus dem Spalt herauskommen und wieder zu Leila gelangen.
Es nimmt all seinen Mut und seine Kraft zusammen und versucht, den Spalt zu vergrößern, indem es die Füße an die eine Seite und die Arme an die andere stemmt. Gaaanz groß macht es sich und denkt dabei ganz doll an Leila.
Und dann bewegt sich der Spalt, nicht viel, aber genug. Wenn sie sich ganz dünn macht, passt sie vielleicht hindurch. Sie quetscht sich Millimeter für Millimeter in die Freiheit, mit den Füßen zuerst, da die Arme noch immer mit aller Kraft die Öffnung festhalten müssen.
Fast geschafft, das Mäuschen freut sich und dann passiert es! Es rutscht mit den Armen ab und der Spalt geht wieder zu. Fast ist es draußen, im letzten Augenblick hält der Container das rechte Ohr des Mäuschens fest und es ist wieder gefangen. Nun ist es zwar an der Luft und nicht mehr in dem stickigen Container, weg kann es aber auch nicht. Vielleicht gelingt es ihm jetzt, auf sich aufmerksam zu machen. Immerhin kommen hier immer mal wieder Menschen vorbei.
Leila wacht bei den ersten Sonnenstrahlen auf und ist gleich hellwach. Was ist das für ein fürchterlicher Traum! Das darf ihrem Mäuschen nicht passieren. Sie ist plötzlich ganz aufgeregt und läuft zu ihrer Mutter in die Küche.
»MAMA!«, ruft sie schon aus dem Flur »Wo ist meine Jacke? Also die Übergangsjacke, die, die ich bei Oma anhatte. Da ist mein Mäuschen drin! Ich muss es befreien!«
Ihre Mutter lächelt sie an und beruhigt sie. Die Jacke hat sie bereits mit all den anderen Sachen, die Rita nicht mehr passen, entsorgt. Aber das Mäuschen hat sie aus der Jackentasche genommen, und da es nicht mehr ganz so frisch roch, mit der nächsten Wäsche in die Waschmaschine getan. Nun trocknet es bereits in der Sonne. Leila ist überglücklich und nimmt das noch etwas nasse Mäuschen von der Fensterbank.