Читать книгу Die Stadt, die uns das Feuer nahm - Nikolaj Efendi - Страница 9
6. STRASSE
ОглавлениеNachts. Der Asphalt und die Wände haben die Hitze der letzten Wochen gespeichert. Die engen Gassen sind leer, nur die großen Straßen sind besucht. In der Ferne ist das Marschieren der Milizia zu hören. Ein Mann meidet die Lichter, sie gehen nacheinander aus. Seine schwarze Kapuze hängt ihm tief ins Gesicht, er trägt einen aufgespannten schwarzen Regenschirm. Das Surren der Kameras stört ihn nicht, sein Gesicht ist geschützt im Schatten des Schirms. Entschlossen geht er von Kamera zu Kamera und sorgt Straße um Straße dafür, dass das Surren verstummt.Gelassen legt er den Regenschirm beiseite. Es ist Ilja. Kein Auge, das ihn sehen, kein Licht, das ihn beleuchten kann. Er nimmt sich Zeit, kramt weiße Kreide aus seiner Jacke, beugt sich über die blinden Geräte und schreibt.
Er ist tief in Zone 7 unterwegs und schreitet der südlichen Außengrenze der Stadt entgegen. Aus der Distanz ist die erhellte Stadtmauer zu sehen, Scheinwerfer kreisen auf beiden Seiten der Grenze. Ruhig klettert er auf ein Vordach, legt sich auf den Bauch und beobachtet die patrouillierenden Wachen. Ilja ist nur hundert Meter vom Arsenaltor, der südlichsten von zehn Außengrenzen der Stadt, entfernt. Die Stadtmauer ist beachtlich hoch, auf der Innenseite von einem Stacheldrahtring verschlossen und auf der Außenseite von einem tiefen Wassergraben umgeben. Die Wachen auf dem Wehrgang sind mit Gewehren bewaffnet und kontrollieren vor allem den beleuchteten, äußeren Kontrollstreifen. Zwischen dem Stacheldraht und der Innenseite patrouilliert die Milizia mit Schäferhunden.
Ilja liegt aufmerksam da, notiert das Geschehen. Nach einer Weile klettert er hinab und schleicht näher zum Durchgang des Arsenaltores. Dieses ist schwer bewacht: ein Wasserwerfer, mehrere Jeeps und unzählige Miliziaoffiziere. Einer der Hunde hat Ilja gewittert und bellt laut in seine Richtung. Geistesgegenwärtig steht Ilja langsam auf und entfernt sich von der Szene. Das Bellen wird aggressiver, die Milizia kommt näher. Der Gleichschritt der Stiefel wird lauter.