Читать книгу Kelter Kriminial Report 1 – Kriminalroman - Nina P. - Страница 9

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Beruflich lief es in jenem Sommer prächtig. Ich war so stolz auf das, was meine kleine Hochzeitsagentur leistete –, bis ich plötzlich unter schlimmen Verdacht geriet. Daran drohte schließlich sogar meine Existenz zu scheitern…

Es war ein finanzielles Wagnis, als ich mich kurz vor meinem 30. Geburtstag entschied, mir einen beruflichen Traum zu erfüllen: Ich wollte mich selbstständig machen, mit einer eigenen Hochzeitsagentur. Was ich dafür brauchte, waren gute persönliche Kontakte zu allen Branchen rund ums Heiratsgeschäft: Juweliere, Blumenläden, Catering-Services, Autovermietungen mit besonderen Wagen, Fotostudios, Fri-seursalons und natürlich Modege-schäfte. Wochenlang putzte ich Klin-ken. Das erste Jahr war echt anstrengend.

Was mir sehr half, war die Freund-schaft zu Karen. Mit der Besitze-

rin des zauberhaften Brautmoden-geschäfts verstand ich mich sofort, wir hatten nämlich den gleichen Ge-

schmack. Karens Laden war komplett mit Antiquitäten möbliert, darunter befand sich auch ein riesiger Wand-spiegel mit goldenem Rahmen.

»Ich glaube, jede Frau, die sich darin im Brautkleid betrachtet, fühlt sich wie eine Prinzessin im Märchen«, sagte ich fasziniert bei meinem Antrittsbesuch.

Karen lachte.

»Das ist der Sinn der Sache.«

Meine allererste Kundin kaufte auch prompt ihr Kleid in Karens Laden. Es war ein Traum in Weiß mit weitschwingendem Rock und entzückenden Stickereien. Die Freundinnen der Braut applaudierten mit leuchtenden Augen bei der Anprobe, und Karen spendierte allen ein Glas Sekt, was natürlich in der Runde gut ankam.

»Lohnt sich«, verriet sie mir. »Denn irgendwann kommen die alle wieder, um ihr eigenes Brautkleid auch bei mir zu kaufen.«

Karen war ein paar Jahre älter als ich, und ich merkte rasch, dass ich mir einiges von ihr abschauen konnte. Ihr Geschäftssinn imponierte mir, und auch ihr Gespür für die richtigen Worte im Umgang mit den Kundinnen. Die Tatsache, dass sie als alleinerziehende Mutter den Laden fast allein stemmte, kam noch dazu.

Als wir uns kennenlernten, feierte Jessica, Karens Tochter, gerade ihren dreizehnten Geburtstag.

»Ich sag nur: Pubertät«, seufzte Karen und verdrehte die Augen.

Wir freundeten uns an. Selbst als ich im Laufe der Zeit zu anderen Ge-

schäftspartnern auch engere Kontakte aufbaute, blieb die Zusammenarbeit mit Karen etwas Besonderes. Weil wir nicht nur beruflich toll harmonierten, sondern uns auch privat schätzten. Sie feierte mit mir meinen ersten Jah-resabschluss, und immer, wenn ich Fragen hatte, stand sie mir mit Rat und Tat zur Seite. Sie legte Werbeflyer für meine Agentur in ihrem Laden aus und empfahl mich weiter. Umgekehrt tat ich das Gleiche für sie, aber da ich noch relativ neu war, mit entsprechend geringerem Kundenecho.

»Du bist auf dem richtigen Weg, Julia«, lobte Karen mich. »Wart’s nur ab, in spätestens drei Jahren boomt deine Agentur!«

*

Sie hatte recht. Im dritten Sommer nach meiner Agenturgründung wusste ich kaum noch, wie ich die zahlreichen Anfragen bewältigen sollte, und überlegte schon, eine Assistentin einzustellen. Draußen herrschte bestes Hochzeitswetter, und ich hetzte durch die Gegend, um meinen straffen Terminplan zu schaffen. Da mussten Gartenlokale festlich dekoriert werden, mehrstöckige Tor-ten bestellt oder Blumenschmuck pünktlich geliefert werden. Schließlich gehörte all das zu meiner Verantwor-tung.

Ich war ziemlich gestresst, aber gleichzeitig überglücklich, weil die Agentur so gut lief. Daher irritierte mich Karens Reaktion, als ich sie anrief, um einen Termin zur Anprobe in der nächsten Woche zu vereinbaren.

»Kannst du vielleicht vorher mal vorbeikommen? Ich würde gern allein mit dir sprechen.«

So förmlich kannte ich sie gar nicht. Normalerweise gingen wir anders miteinander um. Wie Freundinnen eben.

»Was ist los?«, fragte ich bestürzt, doch sie wollte es mir am Telefon nicht sagen.

Also fuhr ich noch am gleichen Abend zu ihr. Karens ernste Miene ließ nichts Gutes erahnen. Trotzdem begriff ich zunächst gar nicht, worauf sie hinauswollte, als sie mir erklärte, sie sei in letzter Zeit mehrmals bestohlen worden.

»Beim ersten Mal, als mir aufgefallen ist, dass die Kasse nicht stimmt, habe ich mir noch nichts weiter dabei gedacht«, sagte sie. »Sogar mir können Fehler passieren. Obwohl du ja weißt, dass ich aufpasse wie ein Luchs.«

Ja, das war mir bekannt. Was ihre Abrechnung oder die Buchführung betraf, war Karen äußerst penibel. Mindestens so sorgsam wie beim Umnähen und Anpassen der Kleider.

»Dann fehlten wieder hundert Euro.« Ihr Gesicht war angespannt, die Arme hielt sie starr vor dem Körper verschränkt. »Ich konnte es mir nicht erklären. Aber vielleicht hatte jemand unbemerkt in die Kasse gegriffen, sie ist ja leicht zu öffnen.«

Ich betrachtete das altmodische, massive Ungetüm, das auf Karens Ladentheke stand. Die Registrierkasse aus dem letzten Jahrhundert war ein echter Blickfang. Viele Kundinnen schmunzelten, wenn Karen seitlich an der Metallkurbel drehte, um ihnen das Wechselgeld herauszugeben. Früher hatte beim Öffnen des Scheinfachs ein Glöckchen geklingelt, aber das war schon lange kaputt. Und im Gegensatz zu modernen Ladenkassen gab es leider keine weitere Sicherung.

»Hm, seltsam. Hast du Anzeige erstattet?«, fragte ich, weil ich in diesem Moment immer noch nicht begriff, dass Karen mich verdächtigte.

Sie musterte mich kühl.

»Nein, ich wollte zuerst mit dir sprechen.«

Wie sich herausstellte, fehlte nicht nur Geld aus ihrer Kasse, sondern sie vermisste auch ein paar wertvolle Accessoires.

»Erinnerst du dich an den Haar-schmuck aus der letzten Kollektion? Davon müssten noch drei Diademe im Regal liegen. Es sind aber nur zwei. Von den Kleiderbroschen fehlen auch welche. Insgesamt sind mir in den letzten Wochen Dinge im Wert von über tausend Euro abhanden gekommen, wie es scheint.«

Bei der Summe wurde mir übel.

»Warum siehst du mich so an?«, fragte ich mit gepresster Stimme. »Denkst du etwa, ich habe etwas damit zu tun?«

»Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, was ich denken soll.« Karen eröffnete mir, dass sie inzwischen regelmäßig ihren Warenbestand überprüfte. Der teure Haarschmuck fehlte seit letztem Donnerstag. Da war ich nachmittags mit einer Kundin spontan vorbeigekommen, die zum zweiten Mal heiratete und noch unschlüssig war, ob sie überhaupt ein Brautkleid tragen wollte oder doch lieber einen schicken Hosenanzug. Auch die beiden Tage, an denen Karen zuletzt abends eine Differenz in der Kasse bemerkt hatte, waren jeweils welche, an denen ich tagsüber dagewesen war.

»Ein bisschen viele Zufälle, oder?«, sagte Karen.

Dass sie mir zutraute, sie zu bestehlen, war schlimmer als ein Schlag ins Gesicht. Ich war zu schockiert, um mich ernsthaft verteidigen zu können. Für mich kam dieser Vorwurf total überraschend –, während Karen sich schon seit einiger Zeit damit auseinandergesetzt hatte. Sie war fest davon überzeugt, dass der Dieb jemand sein musste, den sie kannte. Logisch, ein spontaner Dieb hätte ja nur einmal zugeschlagen und sich nicht wiederholt in ihrem Laden bedient. Ich starrte sie fassungslos an. Kein Wunder, dass sie mir gegenüber so reserviert auftrat! Meine Beteuerungen, dass ich es nicht war und niemals auf die Idee käme, sie zu bestehlen, nahm sie jedenfalls entgegen, ohne eine Miene zu verziehen.

»Nun, ich hoffe, wir müssen über dieses Thema nie wieder sprechen«, waren ihre Worte zum Abschied. Es sollte wohl eine Warnung sein.

Da war mir klar, dass ich eine Freundin verloren hatte. Aus beruflichen Gründen waren wir vorerst weiter aufeinander angewiesen. Aber Karen vertraute mir nicht mehr.

*

Es tat weh. Nie zuvor war ich falsch beschuldigt worden. Ich kann kaum beschreiben, wie scheußlich sich das anfühlte. Als ich das nächste Mal eine Kundin zur Anprobe begleitete, gefror mir fast das Lächeln im Gesicht, weil ich mich permanent beobachtet fühlte. Sonst hatte ich mich in Karens Brautladen völlig ungezwungen bewegt und gelegentlich selbst ein anderes Kleid oder einen passenden Schleier geholt, nun saß ich wie festgenagelt auf meinem Stuhl und wagte kaum, irgendetwas anzufassen. Sonderlich hilfreich für meinem Job ist so ein Verhalten natürlich nicht.

Das Ganze belastete mich enorm. Der Verdacht stand weiterhin im Raum. Ich wollte ihn unbedingt aus der Welt schaffen und Karen beweisen, dass sie im Unrecht war. Ich spürte, dass sie selbst Zweifel hatte, denn auch ihre Fröhlichkeit wirkte aufgesetzt und gespielt. Doch wer außer mir kam als Täter infrage? Karen beschäftigte zwar stundenweise eine Aushilfe, aber die war nur freitags und samstags im Laden. Eine der Schneiderinnen, die manchmal für sie nähten? Einer der Lieferanten oder Paketboten? Die hielten sich doch nur für Minuten im Laden auf und selten unbeaufsichtigt. Ich zerbrach mir den Kopf, während ich unentwegt darüber nachdachte.

Dann fiel mir die Putzkraft ein. Hatte Karen sich nicht neulich darüber beschwert, dass ihre frühere Hilfe gekündigt hatte und die neue Kollegin nicht zu ihrer Zufriedenheit arbeitete? An welchen Tagen machte die Frau denn im Laden sauber?

»Das ist unterschiedlich«, gab Ka-

ren mir widerstrebend Auskunft. »Sie kommt und geht oft, wie sie Lust hat. Weil sie noch in dem großen Bürokomplex nebenan putzt. Der Job ist wohl lukrativer als das, was ich ihr zahle.«

»Weißt du noch, ob sie zufällig an denselben Tagen hier war wie ich? Könnte es nicht sein, dass sie dich bestohlen hat?« Ich kam mir ein bisschen schäbig vor, jemanden zu be-

schuldigen, den ich bisher nicht einmal kannte, aber was sollte ich tun?

»Letzten Donnerstag, als der Haarschmuck verschwand, war sie jedenfalls nicht hier«, sagte Karen. »Da war sie die ganze Woche krank. Das weiß ich, weil ich nämlich selbst putzen musste.«

Meine Hoffnung, ich hätte die Die-bin enttarnt, verpuffte wie eine Sei-fenblase. Nur eine winzige Möglich-keit blieb.

»Aber sie hat einen Schlüssel, oder?«

»Sicher. Meist putzt sie ja frühmorgens, bevor ich aufmache. Oder nach Ladenschluss.«

Ich klammerte mich daran fest. Gleich darauf fielen mir sogar noch mehr Leute ein, die einen Schlüssel zu Karens Räumlichkeiten besaßen. »Was ist mit deiner Mutter, die hat auch einen, oder?«

»Ja, klar. Für den Notfall.«

»Und dein Exfreund, Tom! Was ist mit dem, hat der dir seinen Schlüssel inzwischen zurückgegeben?«

»Nein.« Sie schnaubte. Von Tom hatte sie sich vor einiger Zeit im Streit getrennt. Er war in seinem BMW davongerast und ignorierte ihre An-

rufe seitdem. »Wahrscheinlich müsste ich erst einen Anwalt einschalten, ehe der Sturkopf reagiert.«

Also könnte es theoretisch auch Tom gewesen sein, der Karen eins auswischen wollte. Zwar verdiente er genug und hatte es gewiss nicht nötig, sie zu bestehlen, aber vielleicht wollte er sie damit ja nur ärgern?

Sie runzelte die Stirn. »Kannst du dir ernsthaft vorstellen, dass Tom hier eindringt, um heimlich irgendwelche Accessoires mitgehen zu lassen? Das ist doch lächerlich.«

Zum Lachen war mir ganz und gar nicht zumute. Und die Vorstellung, dass Karens Exfreund sie beklaute, fand ich keineswegs abwegiger, als mich zu verdächtigen. Von mir konnte ich wenigstens mit Gewissheit behaupten, dass ich unschuldig war.

Das nützte mir nur nichts, solange Karen mir nicht glaubte. Leider deutete im Moment ja auch vieles auf mich hin, und mir fiel nichts ein, womit ich den bösen Verdacht entkräften konnte. Es war zum Verrücktwerden! Ich konnte nur hoffen, dass ich bald Gelegenheit bekam, Karen meine Unschuld zu beweisen…

*

Doch stattdessen wurde alles noch schlimmer. In der folgenden Woche musste ich eiligst einen Termin bei Karen einschieben, weil eine Kundin überraschend schwanger geworden war und das Paar beschlossen hatte, die Hochzeit vorzuziehen. Das bedeutete für mich viel Rennerei und zahlreiche Telefo-nate, um alles umzuplanen. Abgehetzt kam ich ein paar Minuten zu spät zur Anprobe, was mir einen pikierten Blick der Brautmutter eintrug, die ihre heillos aufgeregte Tochter begleitete. Karen musste sich zeitgleich um andere Kundinnen kümmern.

Von hinten ertönten Staubsauger-geräusche, und ich ahnte, dass Karen restlos bedient war, weil ihre Putzkraft ausgerechnet jetzt aktiv wurde, da im Laden Hochbetrieb herrschte. Zum Glück zog die junge Frau bald darauf ab. Ich warf ihr einen raschen Blick zu, als sie sich verabschiedete. Wie eine Diebin sah sie eigentlich nicht aus, und wegen der Hitze trug sie nur ein kurzes Kleid, keine Jacke, sie hätte also gar kein Diebesgut verstecken oder davontragen können.

»Hallo, hören Sie mir zu?«, nörgelte die Brautmutter. Sie war mit nichts zufrieden, was ihrer Tochter gefiel. »Haben Sie nicht etwas Schlichteres, das besser kaschiert?«

Hilfesuchend blickte ich zu Karen, aber die war immer noch beschäftigt.

»Jessica!«, rief sie und scheuchte ihre mittlerweile 16-jährige Tochter in meine Richtung. Jessica besserte hin und wieder ihr Taschengeld damit auf, dass sie bei Karen im Laden jobbte. Ich war dankbar für ihre Unterstützung, weil sie sich besser auskannte als ich und meine anspruchsvolle Kundin so nicht warten musste.

Mit dem, was anschließend passierte, hätte ich jedenfalls nie gerechnet. Denn etwa eine Stunde später, als die Braut sich endlich für ein sündhaft teures Kleid entschieden hatte und ich aufatmend meine Schläfen massierte, stieß die Brautmutter neben mir plötzlich einen schrillen Schrei aus.

»Mein Portemonnaie!« Sie kramte wild in der Tasche herum. »Da waren fünfhundert Euro Bargeld drin. Die habe ich vorhin erst von der Bank geholt, weil wir noch Einkäufe erledigen wollten. Jetzt ist das Geld weg!«

»Was?« Ich fuhr herum.

»Gestohlen! Direkt aus meiner Handtasche!« Sie veranstaltete einen Riesenwirbel und ignorierte meine panische Bitte, doch noch einmal gründlich nachzusehen. »Da gibt es nichts nachzusehen. Es ist verschwunden! Unglaublich, dass ich hier be-

stohlen werde, während meine Tochter in der Kabine ein Kleid anprobiert.« Sie überhäufte Karen, die entsetzt herbeieilte, mit heftigen Vorwürfen. »Gibt es hier keine Kamera?«

Der lange Disput zwischen den beiden endete damit, dass die Frau empört aus dem Laden rauschte, um Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Karen hatte kein Mittel gefunden, sie zu beschwichtigen. Die schwangere Braut schluchzte, als sie ihr folgte. Zweifellos würde sie ihr Brautkleid woanders kaufen und möglicherweise auch auf meine sonstigen Dienste verzichten. Was für ein Schlamassel!

Ich begriff nicht, wie das passieren konnte. Quasi vor meinen Augen war Geld gestohlen worden. Die Putzfrau war doch längst weg. Und war sie zuvor überhaupt in die Nähe der Kundin gekommen? Ich wusste es nicht. Ich wusste überhaupt nichts mehr.

Wortlos starrte ich Karen an.

Sie kniff die Lippen zusammen.

»Okay, Julia«, sagte sie eisig. »Mir reicht es jetzt. Keine Ahnung, was du da abziehst und warum, aber ich lasse mir nicht mein Geschäft ruinieren. Du hast ab sofort hier Hausverbot. Klar?«

Ich war unfähig, etwas zu erwidern. Vielleicht hätte ich ihr vorschlagen sollen, mich zu durchsuchen; ich wusste ja, dass sie das geklaute Geld bei mir nicht finden würde. Aber ich war dermaßen niedergeschmettert von der peinlichen Situation, dass ich überhaupt nicht reagieren konnte. Wie ein geprügelter Hund schlich ich aus dem Laden.

Dass mein Wagen im Parkverbot stand und in der Zwischenzeit ein Knöllchen kassiert hatte, war nur das Tüpfelchen auf dem i. Schluchzend hing ich über dem Steuer und sah bereits alles, was ich mir in den letzten Jahren aufgebaut hatte, den Bach runtergehen. Ohne die Kooperation mit Karen fehlte mir eine wichtige Geschäftspartnerin. Vielleicht würde sich bald herumsprechen, dass sie mir Hausverbot erteilt hatte. Wie stand ich dann da in der Öffentlichkeit? Wer würde die Dienste meiner Agentur noch in Anspruch nehmen wollen? Diese Diebstähle gefährdeten nicht nur meinen Ruf, sondern meine gesamte Existenz.

»Nein!« Ich boxte voller Verzweif-lung gegen das Lenkrad. »Das lasse ich nicht zu!«

Wild entschlossen, dagegen anzukämpfen, fuhr ich nach Hause.

*

Es war nicht leicht, Karen davon zu überzeugen, mir noch eine Chance zu geben. Aber ich ließ nicht locker. Wenn es mir nicht gelang, sie dazu zu bringen, dem wahren Täter eine Falle zu stellen, stand ich beruflich vor dem Aus. Und die Freundschaft zu ihr, die mir immer wichtig gewesen war, konnte ich gleich mitbegraben.

»Hör mir zu«, beschwor ich sie eindringlich am Telefon. »Ich weiß, dass ich es nicht war. Vielleicht war es ja doch die Putzfrau oder eine der anderen Kundinnen, die gleichzeitig im Laden waren. Und das bedeutet, dass die Diebin irgendwann wieder zu-

schlagen kann. Willst du einfach darauf warten und nichts tun?«

Schweigen am anderen Ende. Dann ein Räuspern.

»Was schlägst du vor?«

»Die Idee mit der Überwachungs-kamera fand ich nicht schlecht«, sagte ich.

Karen lehnte ab.

»Dann muss ich entsprechende Hinweisschilder im Laden anbringen, aus datenschutzrechtlichen Gründen. Das passt doch nicht zu meinem antiken Mobiliar. Außerdem wäre jeder Dieb damit ja gewarnt. Glaubst du, jemand stiehlt weiter, wenn klar ist, dass er dabei gefilmt wird?«

Nein, so dumm würde niemand sein. Eine Kamera würde Karen vielleicht vor weiteren Diebstählen be-

wahren, aber meine Unschuld nicht beweisen. Vor allem das war mir aber wichtig. Meine berufliche Existenz hing schließlich davon ab.

Mir fiel ein, dass ich schon einmal davon gehört hatte, dass Lösegeld mit Farbe präpariert werden konnte, um den Täter nach der Übergabe zu identifizieren. Karen war skeptisch.

»Werden die Geldscheine dadurch nicht unbrauchbar?«

Ich recherchierte im Internet und fand heraus, dass man tatsächlich UV-Spray oder -Pulver bestellen konnte. Damit sprüht man Dinge ein, bei denen man einen Diebstahl fürchtet. Das Zeug haftet unsichtbar an der Oberfläche, und wenn der Täter das Diebesgut in die Hand nimmt, verteilt er unbemerkt Spuren davon an allem, was er sonst noch berührt. Mit einer speziellen UV-Lampe kann man diese Spuren dann an Händen und Kleidung des Diebes sichtbar machen. Prakti-scherweise konnte man eine solche Lampe im Set gleich mitbestellen.

»Ich besorge dir so was, einverstanden?«

Karen seufzte tief.

»Du erwartest aber nicht im Ernst von mir, dass ich mit diesem Zeug meine kostbaren Accessoires ruiniere? Oder sämtlichen Kundinnen beim Verlassen des Ladens hinterherrenne und sie anleuchte?«

Ich wandte ein, dass sie das ja nur bei begründetem Verdacht tun müsse.

»Vielleicht lässt sich so ein UV-Licht ja auch unauffällig an deiner Tür installieren?«

Ob es meine Hartnäckigkeit war, die Karen umstimmte, oder ihre eigenen Zweifel an meiner Schuld, am Ende stimmte sie zu, es zu probieren. Dass sie mich gleichzeitig bat, trotzdem weiterhin ihrem Laden fernzubleiben, ließ mich schlucken. Misstraute sie mir immer noch? Hielt sie meinen Vorschlag nur für eine geschickte Finte, um mich von dem hässlichen Verdacht reinzuwaschen?

Ich bohrte nicht nach, um keinen erneuten Konflikt zwischen uns anzufachen, aber ich hoffte inständig, dass der wahre Dieb baldmöglichst in die Falle tappen würde, die ich mir ausgedacht hatte.

Ich ließ die Bestellung direkt an Karens Adresse liefern. Danach blieb mir leider nichts weiter übrig, als abzuwarten.

Zehn Tage lang passierte nichts. Karen meldete sich nicht. Ich versuchte, mich auf meine Arbeit und die anstehenden Termine zu konzentrieren, aber es fiel mir schwer. Irgendwann hielt ich das Warten nicht mehr aus, und weil ich kurz vor Feierabend einen Termin beim Juwelier in Karens Nähe hatte, fuhr ich anschließend bei ihr vorbei. Im Laden brannte kein Licht, aber die Tür war noch offen, und das Closed-Schild hing nicht davor. Ich spähte nach drinnen. Vor der Ladentheke stand Karen und stritt offenbar gerade erbittert mit ihrer Tochter. Jessica warf trotzig ihre schwarze Mähne zurück. Als sie mich vor der Glastür erblickte, wurde sie bleich.

Kelter Kriminial Report 1 – Kriminalroman

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