Читать книгу Piv - und die Kapitänskiste - Nina Sahl - Страница 5

Kapitel 3

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„Ja, ja, Mama. Wir kommen ja schon“, stöhnt Sabine in ihr Telefon, bevor sie auflegt und es wieder in die Hosentasche schiebt. Sie erhebt sich von Magnes Bettkante und geht in Richtung Zimmertür.

„Komm schon, Piv“, sagt sie und dreht sich nach ihrer Cousine um. „Immer dann, wenn es am spannendsten wird.“

Magne steht mitten in seinem Zimmer und schaut immer noch durch seine Lupe auf die Karte. Er ist so vertieft, weitere Hinweise auf dem alten Papier zu finden, dass er zunächst nicht mitbekommt, dass die Mädchen gehen müssen.

„Wir besprechen alles weitere einfach heute Abend“, schlägt Piv vor. „Nach dem Abendessen. Um wie viel Uhr kannst du, Magne?“ Sie muss ihn leicht antippen, bevor er reagiert. Einen Augenblick lang lässt er die Karte sinken.

„Ich kann heute Abend leider nicht.“ Die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Heute ist Schweinebratentag und ich muss meinem Vater im Lokal mit Servieren und Aufräumen helfen.“

Sabine saugt leicht an ihrer Unterlippe, während sie nachdenkt.

„Wie wär’s denn mit 24 Uhr?“, schlägt sie vor.

Langsam nickt Magne. Ein vorsichtiges Lächeln huscht über sein Gesicht, als sie sich für ein heimliches Treffen am Gartentor genau um Mitternacht verabreden.

„Wie hast du dir eigentlich gedacht, dass wir von Onkel John und Tante Berit ungesehen aus dem Sommerhaus verschwinden können?“, fragt Piv, als sie die Treppe hinunterschleichen und sich aus der Hintertür des Gasthauses stehlen. Sabine zwinkert ihr geheimnistuerisch zu und grinst schief.

„Indem wir gar nicht erst das Sommerhaus betreten“, kichert sie und eilt im Laufschritt auf die Straße zu. Piv läuft ihr nach, vorbei an den niedlichen kleinen Häusern mit all ihren Sommerblumen in den winzigen Vorgärten, bis sie vor der Nummer 17 stehen.

„Wie meinst du das?“ schnauft Piv ganz außer Atem und hält sich die Seite. Berit und Onkel John packen einige Sachen ins Auto und lächeln den Mädchen zu als sie die beiden am Gartentor entdecken.

„Das Zelt!“, antwortet Sabine verstohlen. „Wir fragen meinen Papa, ob wir heute Nacht draußen schlafen können und ob er uns hilft, das Zelt aufzubauen.“

***

Piv ist kurz davor einzuschlafen, während sie darauf warten, dass es Mitternacht wird. Die Zeit kroch den ganzen Abend lang nur so dahin und am liebsten würde Piv jetzt einfach nur die Augen schließen und in ihrem Schlafsack in einen tiefen, gemütlichen Schlaf fallen.

„Hey, los, es ist soweit“, flüstert Sabine und stößt ihre Cousine mit dem Fuß an. „Wach auf, wir müssen los!“

Müde krabbelt Piv aus ihrem Schlafsack und schaudert in der kühlen Abendluft.

Obwohl schon fünf Minuten vor Mitternacht, ist es nicht stockfinster. Die Umrisse der Häuser und Zäune sind unschwer zu erkennen und die Mädchen können ohne Probleme durch den wilden Garten mit all seinen Büschen und Bäumen zum Gartentor schleichen.

Vorsichtig, damit es nicht quietscht, öffnet Sabine das Tor. Genauso behutsam schließt Piv es hinter sich und die Mädchen eilen den Weg hinunter an den vielen Gärten und Häuschen vorbei zu Magne.

Im Hinterhof ist es finster und verlassen. Sabine klettert über den Holzzaun und springt auf der anderen Seite herunter in den stillen Hof.

„Jetzt komm schon, Piv“, flüstert sie und stachelt ihre Cousine an, es ihr nachzutun.

Zögerlich sieht Piv sich um. „Wenn nun Magnes Vater aufwacht und uns erwischt?“, bangt sie. „Ist das nicht Einbruch, ungefragt über den Zaun eines fremden Grundstücks zu klettern?“

„Quatsch nicht!“, zischt Sabine und schüttelt den Kopf. „Ach, da ist er ja schon!“ Sie deutet auf einen schmalen Lichtstrahl, der sich an der Hintertür ausbreitet. Gleichzeitig tritt Magne in den Hof und schließt vorsichtig die Tür hinter sich. Seufzend klettert Piv über den Holzzaun zu den anderen beiden in den Hinterhof.

„So, sind dann alle bereit?“, fragt Sabine eifrig. Magne öffnet das Tor von innen und gemeinsam verschwinden die drei in der milden Sommernacht.

***

„Ist es noch weit bis zur Schule?“, will Sabine nach zehn Minuten Fußweg wissen. Magne schüttelt im Dunkeln den Kopf.

„Nein, es dauert nicht mehr lang, bis wir da sind“, beschwichtigt er sie. „Die Schule liegt unten bei den Fußballplätzen.“

„Als ob wir wüssten, wo die Fußballplätze sind!“, grummelt Sabine trocken, während sie den Bürgersteig hinunterlaufen. Schon bald macht der Weg eine Kurve, lässt die kleine Stadt hinter sich liegen und führt in weite, stille Landschaft. Am Ende des Weges können sie ein großes gelbes Gebäude und die Umrisse eines Spielplatzes erkennen.

„Dort unten ist es.“ Magne deutet auf das Gebäude und klingt gleich viel euphorischer. Mit ihrem Ziel so dicht vor Augen überwältig Piv eine neue Welle an Energie und sie legt gleich einen Schritt zu. Als sie die Schule erreichen, schalten sie alle drei die Lichter an ihren Handys an und beginnen, die Umgebung abzusuchen.

„Wonach genau suchen wir eigentlich?“, fragt Sabine, die Augen auf den Boden gerichtet und den Eingangsbereich der Schule absuchend. Piv zuckt mit den Schultern.

„Keine Ahnung“, antwortet sie und schüttelt den Kopf, während sie überlegt, ob sie mit ihrer Vermutung wohl daneben lag.

„Wir suchen natürlich nach einem Schatz“, meint Magne und lässt seinen Lichtstrahl über die Pflastersteine des Schulwegs wandern. „Aber ich hab das noch nicht so ganz kapiert. Wir sind ja hier jetzt an der Schule. Bist du sicher, dass mit dem Hinweis die Schule gemeint ist?“

Im Dämmerlicht sieht Piv zu Magne hinüber. Sie steht neben der Schaukel. Ihre Mundwinkel sinken hinab.

„Nee, eigentlich nicht“, gibt sie verärgert zu. „Aber wenn der Weg zur Weisheit nicht die Schule ist, was sollte es denn sonst sein?“

Sabine hat sich derweil oben auf die Rutsche gesetzt und lässt die Beine baumeln. Sie rudert ein bisschen mit ihnen hin und her, bevor sie sich die Rutsche hinuntergleiten lässt und unten sitzen bleibt.

„Na toll, ey“, schmollt sie und lehnt sich zurück. Piv schaut sie an und ärgert sich umso mehr über ihre kindische Idee. Die neugewonnene Energie versiegt und verschwindet letztlich gänzlich in der Dämmerung, die sie umgibt.

Doch plötzlich schießt ihr ein Geistesblitz durch den Kopf.

„Wir sind ja hier jetzt an der Schule...“, wiederholt sie, als würde sie laut denken. „Es sei denn...“

Fragend schauen die anderen beiden sie an.

„Magne, wie alt ist diese Schule?“

Im Dämmerlicht zuckt Magne mit den Schultern.

„Weiß nicht“, antwortet er. „Warum?“

Piv lässt ihren Blick durch die Dunkelheit wandern und ihn schließlich auf Magne ruhen.

„Glaubst du, sie stand hier schon, als der Kapitän damals in der Stadt war?“, fragt sie ihn.

Eine dröhnende Stille wabert einige lange Sekunden zwischen ihnen. Dann geht Magne plötzlich auf, was in Pivs Kopf vor sich geht.

„Nein, verdammt!“, ruft er. „Wir sind hier an der falschen Stelle! Ich weiß, wo wir hinmüssen! Kommt schon!“

Mit Piv und Sabine links und rechts von sich läuft Magne den Weg zurück in die Innenstadt und über die Hauptstraße. Vor einem kleinen gelben Haus hält er inne. Es hat ein schwarzes Dach und dunkle Fenster. Magne schnappt nach Luft. Ein verblichenes Schild, das das Haus zum Verkauf anbietet hängt in einem der Fenster.

„Schaut mal!“, ruft er ganz außer Atem und geht ein Stück zur Seite. Das Licht der Straßenlaternen ist hell genug, dass sie erkennen können, worauf er deutet. „Das hier ist die Alte Schule!“

„Wohnt da jemand drin?“, will Sabine wissen.

Magne schüttelt den Kopf.

„Nee, die steht komplett leer. Hier wohnt niemand.“

„Aber wie kommen wir da rein?“ Sabine versucht, die Türklinke herunterzudrücken. Diese ist jedoch festgerostet und bewegt sich nicht einen Millimeter vom Fleck. Sie späht durch eines der Fenster neben der Tür, doch alles liegt im Dunkeln.

Piv folgt dem schmalen Weg um das Haus herum auf einen niedrigen Gartenzaun zu. Behutsam schwingt sie ihre Beine über die spitzen Zaunlatten und schleicht in den Garten. Magne tut es ihr nach und winkt Sabine, ihnen zu folgen.

„Vielleicht müssen wir gar nicht reinkommen“, mutmaßt Piv, als sie alle drei auf der anderen Seite der kleinen alten Schule stehen. „Sie wurde sicher tausendmal renoviert, gemalert und umgebaut, seitdem der Kapitän seine Karte gezeichnet hat. Wenn der heimliche Schatz wirklich hier drin gewesen wäre, hätte ihn sicher schon längst jemand gefunden. Ich denke eher, dass er irgendwo draußen versteckt wurde.“

Neugierig sehen sie sich um und beleuchten die Umgebung mit ihren Telefonen. Es ist nichts zu sehen. Ein wenig Unkraut zwischen einigen Pflastersteinen und einige verschlissene, marode Gartenmöbel aus Plastik sind das einzige, was sie im Garten vorfinden.

Ein kleiner Regentropfen fällt auf Pivs Nase. Und dann noch einer und noch einer. Magne und Sabine bemerken es auch.

„Ach, es ist sowieso viel zu finster, als dass wir etwas erkennen könnten“, sagt Sabine mürrisch und steigt wieder über den niedrigen Gartenzaun. Magne und Piv folgen ihr zurück auf den Bürgersteig.

„Wir kommen einfach morgen wieder bei dir vorbei, Magne“, schlägt Piv vor und steckt ihr Handy in die Hosentasche. Magne verschränkt die Arme vor der Brust.

„Ich kann aber erst zum Spielen raus, wenn..., also... ich meine, ich kann erst nach 15 Uhr mit euch abhängen“, erwidert er unsicher und reibt seine Arme mit den Händen, als wäre ihm kalt. „Ich muss meinem Vater im Gasthaus helfen.“

„Dann sehen wir uns um drei“, antwortet Piv, bevor Sabine irgendetwas entgegnen kann. Sie steht genau unter der Straßenlaterne und wirft einen letzten Blick auf die Schatzkarte, bevor sie die Karte vorsichtig zusammenrollt.

Plötzlich schießt ein Motorrad um die Ecke. Es hat keine Lichter an und es jagt ihnen eine Todesangst ein, als es auf sie zugerast kommt.

Als es auf Pivs Höhe ist, versucht der Fahrer, nach ihr zu greifen. Erschrocken springt sie zur Seite und das Motorrad rast heulend weiter.

„Was war das denn?“, schreit Sabine schockiert und sieht dem Motorrad nach, das um die nächste Kurve verschwindet.

Piv beißt sich in die Unterlippe und zuckt mit den Achseln.

„Keine Ahnung“, flüstert sie verunsichert und presst die Schatzkarte dicht an ihren Körper. „Er hätte sie beinahe gehabt. Ich konnte seine Hand meinen Arm packen spüren.“

Still verharren sie in der kühlen Nachtluft und werfen einander verschreckte Blicke zu. Schließlich schüttelt Sabine ihren blonden Lockenkopf und seufzt laut.

„Was für ein Scheißkerl“, sagt sie bestimmt und sieht die beiden anderen an. „Der war sicher besoffen. Kommt, lasst uns nach Haus gehen.“ Dann setzt sie sich Richtung Sommerhaus in Bewegung, dicht gefolgt von Piv und Magne.

Als sie sich am Gasthaus von Magne verabschieden, biegen sie in den kleinen Schleichweg ein, der sie hinter den Gärten der Sommerhäuser nach Hause führt. Vorsichtig drückt Sabine die Klinke des Gartentors herunter und schiebt es leise auf.

„Pst, wir müssen schleichen!“, flüstert sie und schmiegt sich als erste durch das Tor. „Leg das Schloss vor, Piv.“

Piv greift nach dem Hängeschloss und schließt das Tor hinter sich. Gerade, als sie es zu sich heranzieht, glaubt sie, ein Geräusch zu hören. Als sie aufblickt, sieht sie gerade noch eine dunkle Gestalt in der Dunkelheit verschwinden. Ein Schatten mit einem Motorradhelm.

Piv - und die Kapitänskiste

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