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Gegensätzliche Kräfte

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Die Geschichte der Vereinigten Staaten ist ein ständiger Kampf zwischen diesen beiden Tendenzen: ein demokratischer, vor allem von der Bevölkerung ausgehender Druck von unten, erwies sich dabei oft als erfolgreich. So erhielten beispielsweise Frauen – die Hälfte der Bevölkerung – in den 1920er-Jahren das Wahlrecht. Ehe wir uns allzu viel darauf einbilden: Etwa zur selben Zeit wurden in Afghanistan die Frauenrechte erheblich ausgeweitet.

Die Sklaven wurden zwar nach dem amerikanischen Bürgerkrieg formell befreit, nicht jedoch wirklich. In der Praxis erkämpfte erst die Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren alle formalen Rechte und Freiheiten, und auch dann noch mit erheblichen Einschränkungen. In unserem gegenwärtigen politischen System gibt es immer noch zahlreiche Relikte der Sklaverei, aber die Koppelung des Wahlrechts und der Mitbestimmung an Grundbesitz wurde im 19. Jahrhundert immerhin gelockert. Damals bildeten sich auch die ersten ernst zu nehmenden Arbeiterorganisationen, die viele Siege errangen.

Der Kampf setzte sich also fort – Zeiten des Rückschritts wechselten mit solchen des Fortschritts. Die 1960er-Jahre beispielsweise waren eine Epoche weitgehender Demokratisierung. Teile der Bevölkerung, die zuvor passiv und geradezu apathisch gewesen waren, organisierten sich jetzt, wurden aktiv und drängten auf die Durchsetzung ihrer Forderungen, sie beteiligten sich zunehmend an der Entscheidungsfindung, gründeten Bürgerinitiativen und so fort. Es war eine Zeit zivilgesellschaftlichen Engagements – und sie wurde meines Erachtens gerade deshalb als »Zeit der Unruhen« bezeichnet. Sie veränderte in vielerlei Hinsicht das Bewusstsein der Menschen: in Sachen Minderheitenrechte, Frauenrechte, Umweltschutz, staatlicher Aggression, Solidarität mit anderen.

Siehe: Malcolm X, Demokratie ist Heuchelei, Rede im Jahr 1960; S. 28. Martin Luther King, Wo wollen wir hin?, Rede am 16. August 1967; S. 29; Gaylord Nelson, Rede zum Tag der Erde am, 22. April 1970; S. 30.

All dies sind Effekte der Zivilgesellschaft, und gerade das löste große Angst aus …

Die Heftigkeit der Gegenreaktion auf diese Gesellschaftsbewegung der 1960er-Jahre habe ich damals nicht vorausgesehen, obwohl ich es eigentlich hätte ahnen können – weder die ökonomischen Kräfte, die eingesetzt wurden, noch die Disziplinierungstechniken.

Requiem für den amerikanischen Traum

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