Читать книгу Still und starr ruht die Spree - Nora Lachmann - Страница 11
Der Gast
ОглавлениеDer Luftstoß seiner plötzlichen
Bewegungen hat die Installation des
norwegischen Künstlers in Gang gesetzt.
Mein Bruder tritt mich unterm Tisch. Ich sehe seine bedeutungsvoll aufgerissenen Augen. Dann grinst er harmlos in Richtung Tür und murmelt mit lebkuchenvollem Mund »Frohes Fest«.
»Schön, dass Sie da sind« meine Mutter schüttelt dem Fremden die Hand, wobei sie, wie mir scheint, etwas übertrieben erfreut wirkt. Sie macht eine etwas unsichere, ausladende Geste hin zu unserem riesigen Berliner Zimmer mit Erker: »Das ist äh … so unser Wohnzimmer. Nichts Besonderes. Machen Sie es sich doch gemütlich! Was trinken Sie denn?«
Der Mann mit dem zerschlissenen Cord-Anzug, dem langen grauweißen Haar, das mich irgendwie aufgrund seiner merkwürdigen Geschecktheit an ein Hundefell erinnert, blickt sich staunend um. Meine Eltern sammeln Kunst: Überall stehen, liegen, hängen Gemälde, Figuren, Plastiken, Collagen, seltsame Installationen, Spielzeugmonster und so weiter. Eine riesige Metallkonstruktion, die beim leisesten Windstoß in Bewegung gerät und viele unterschiedliche Glöckchen, Rasseln, Pfeifen und Schellen zum Klingen bringt, bimmelt über uns und lässt unseren diesjährigen Gast erschrocken an die Decke blicken.
»Das ist nur ein Kunstwerk … Von einem norwegischen Environment-Artisten«, sagt meine Mutter so selbstverständlich, wie eine andere Mutter auf einen Wellensittich oder ein schlafendes Kleinkind hingewiesen hätte. Es gelingt ihr trotz aller Bemühungen nie im Entferntesten, volksnah zu wirken.
»Nur ein … Klettergerüst … Von einem wegischen … Autist …«, murmelt der Alte in sich hinein, und ich kriege sofort einen heftigen Tritt versetzt. Falk rollt mit den Augen.
»Wo leben denn die Wegen?«, fragt Falk jetzt den Landstreicher, den meine Mutter via Weihnachten für Obdachlose, eine Einrichtung, die von der Tochter einer befreundeten Kunstsammlerin ins Leben gerufen worden war, eingeladen hat.
»Wegen?« Der alte Mann hebt seine ebenfalls eigentümlich grauweiß gescheckten Augenbrauen und starrt Falk verdutzt an, als hätte der sich das ausgedacht.
»Egal.« Falk beißt in einen Zimtstern und meine Mutter seufzt erleichtert, denn meinem Bruder macht es oft Spaß, die gut gemeinten Pläne unserer Eltern zu durchkreuzen und sich auf die ein oder andere Weise unmöglich aufzuführen.
Letztes Jahr war er mit einer schwer drogenabhängigen Frau wegen der kleinen Holzkrippe, die meine Eltern tatsächlich recht naturalistisch zwischen ihren ganzen Skulpturen und Trödelmarktgesims aufgebaut hatten, in Streit geraten. Erst ging es darum, ob es rassistisch sei, das Kind Jesu immer nur als blond gelockt und blauäugig darzustellen. Dann war man plötzlich beim Stern von Bethlehem und bei der Astrologie, und unsere Besucherin entpuppte sich als inbrünstige Sternendeuterin. Mein zynischer Bruder ließ kein gutes Haar an ihren Ausführungen und ärgerte sie, indem er ihr das Sternzeichen ‚Zicke‘ attestierte. Als der Streit kulminierte, stand sie auf, griff ihre Handtasche und rief: »Ich muss mal auf den Balkon, das dumme Gequatsche von diesem jungen Besserwisser ist ja nicht auszuhalten!« Als sie wiederkam, war schon bei ihren langsamen, schlurfenden Schritten klar, dass sie sich einen Schuss gesetzt hatte.
Nach diesem Heiligen Abend erklärte mein Vater, er würde nächstes Jahr auf den fremden Weihnachtsgast verzichten und lieber die monatlichen Überweisungen an Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen und die Berliner Kältehilfe für Obdachlose erhöhen. Meine Mutter noch zermürbt vom Vorabend und von Falks anschließenden hirnrissigen Rechtfertigungen stimmte sofort zu. Doch trotz erhöhter Spendenzahlungen wurde sie am 23. Dezember wieder schwach und wählte ritualhaft die Vorweihnachtstags-Nummer der Organisation der Tochter ihrer Bekannten, der Kunstsammlerin. Und so kam es, dass auch dieses Jahr wieder ein unbekannter Gast mit bei uns am Tisch sitzt.
»Franz mein Name«, murmelt der Landstreicher jetzt, und reicht erst Falk, dann mir die Hand.
»Karl-Heinz«, sagt Falk verblüffte Gesichter meiner Eltern. Meine Mutter schüttelt missbilligend den Kopf und tut sich etwas Salat auf. Sie ist Falks ewige Clownerie ziemlich leid.
»Jana«, sage ich wahrheitsgetreu.
»Ist ja ’ne Riesenhütte hier!«, unser Gast hat sich trotz diverser Gesten meiner Eltern in diese Richtung noch nicht auf seinen Stuhl gesetzt, sondern blickt sich immer wieder erstaunt in dem riesigen Parkett-Zimmer mit hohen Wänden und stuckverzierter Decke ganz zu schweigen von den vielen Kunstwerken und Trödelobjekten um. Meinen Eltern ist diese Art von Aufmerksamkeit sichtlich unangenehm.
»Das Essen ist wirklich nichts Besonderes, aber ich hoffe, es schmeckt Ihnen«, fällt meiner Mutter ein, um die sichtliche Bewunderung des Gastes für ihr Domizil zu übergehen. Falk und ich werfen uns wieder einen amüsierten, aber im Grunde sehr wohlmeinenden Blick zu. Sie sind eben so, wie sie sind: Unsere Eltern haben es bis heute nicht verwunden, dass sie mittlerweile zu den Gutverdienern gehören. Das passt nicht in ihr Lebensbild, der Erfolg ihres Architekturbüros und obendrein der Galerien hat sie überrumpelt, sie haben von früh bis spät ein schlechtes Gewissen deshalb, obwohl sie noch nicht einmal auf die Idee kämen, die Steuer zu hinterziehen oder ihrer Putzfrau kein dickes Weihnachtsgeschenk zu geben. Mit unserem prolligen Hauswart berlinert mein Vater sogar immer, um nicht abgehoben zu wirken.
»Nichts Besonderes? Was ist das denn?«, fragt der Mann und deutet auf das große Fleischstück in der Jugendstilterrine, daneben die Soße in einem wunderbaren Art-déco-Kännchen. Verschiedene Vorspeisen und Salate sowie Teller mit Lübecker Marzipan, Domino-Steinen und Zimtsternen zierten den Tisch.
»Ach …«, meine Mutter windet sich, streicht sich die Ärmel ihrer bunten, unlängst in Madrid erstandenen Seidenbluse glatt.
»Aldi-Fleisch, ewig alt, Aldi-Salat von gestern, Penny-Stollen und Kekse von vor der Wende«, kichert Falk in sich hinein. Nichts davon stimmt. Ich weiß, er will nur wieder einmal testen, wie viel Understatement unsere Eltern wirklich tolerieren.
»Falk! Das ist Hirsch aus dem KaDeWe, selbst gebackener Stollen von Großmutter, und die Kekse hat Frau Larsen du weißt schon, die uns den Sprechenden Waschlappen abgekauft hat uns gestern gebracht.«
Damit hat mein Vater sich natürlich verraten.
»Hirsch aus’m Kaufhaus des Westens … Nichts Besonderes?«, murmelt unser Gast verwirrt und lässt sich nun doch endlich auf seinem Stuhl nieder. Seine Bewegungen sind sehr langsam, als würde er unter Beruhigungsmitteln stehen.
Meine Mutter tut Franz nun zu essen auf, der sich manierlich bedankt, gießt ihm Wein ein, und fragt ihn, woher er denn komme. Und Franz antwortet recht kohärent, dass seine Eltern in Lüneburg leben, seine ältere Schwester jedoch in Kiel, mit Mann und zwei Kindern. Letztes Jahr war er sogar einmal da gewesen.
Mein Vater steht zwischendurch auf, bläst ein paar heruntergebrannte Weihnachtskerzen aus und ersetzt sie durch neue. Meine Eltern sind stolz darauf, ihren Baum nicht mit elektrischen Kerzen zu schmücken.
Franz scheint der Wein gut zu schmecken, auch die Nudeln hat er verdrückt, nur sein Fleischstück schiebt er, wie mir jetzt auffällt, ständig auf seinem Teller hin und her. Als ich mich einmal weit über den Tisch beuge, um mir eine Schüssel mit eingelegten Artischockenherzen zu nehmen, höre ich, wie er, während er mit der Gabel auf dem Teller herumfuhrwerkt, murmelt: »Hab ich dich endlich, du Sprechender Waschlappen! Mach mal ‚Piep‘! Sag mal ‚Ah‘!«
Mein Vater, der das nicht gehört hat, fragt Franz nun, wo er denn das letzte Jahr Weihnachten gefeiert hätte. Und Franz erzählt, dass er bei »so ’ner janz normalen Familie« in Neukölln in einem Partykeller gesessen hat. Um gleich ihre Solidarität mit den Proleten aus Neukölln unter Beweis zu stellen, ruft meine Mutter übertrieben euphorisch: »Ach, Neukölln! Da geh ich so gern auf den Markt!« Falk und ich werfen uns wieder einen langen Blick zu: Auf den Markt am Hermannplatz geht unsere Mutter ungefähr einmal im Jahr. Und auch nur dann, wenn sie vorher direkt nebenan bei Karstadt in der Stoffabteilung gewesen ist.
»Und gab’s da auch Sprechenden Waschlappen als Hauptgericht?«, fragt Falk sanft. So sanft, dass meine Eltern erst mit ungefähr dreisekündiger Verzögerung erschrocken hochblicken. Franz beginnt jetzt breit zu grinsen. Dann steht er überraschend schnell auf, eilt auf Falk zu, umarmt ihn und küsst ihn links und rechts auf die Wange. Falk macht eine kurze ‚Okay, ist genug‘-signalisierende Handbewegung, die Franz beschämt oder gespielt beschämt zur Kenntnis nimmt; er geht wieder sehr langsam auf seinen Platz zurück. In diesem Moment geht ein wildes Geläute, Geklingel und Gerassel über ihm los. Der Luftstoß seiner plötzlichen Bewegungen hat die Installation des norwegischen Künstlers in Gang gesetzt.
Tiefe und helle Töne, metallisch und sehr weich klingende, abgehackte und lang gezogene durchweben die Luft, als wäre sie ein einziger riesiger Klangteppich.
Ich kenne das schon zu Genüge, und höre gar nicht mehr auf die immer neue Geräusch-Sinfonie, zu der die einzelnen Klänge verschmelzen.
Franz starrt mit offenem Mund an die Decke. Er dreht sich nun im Kreis, den Kopf hochgereckt. Dann hebt er die Hände und macht Schwimmbewegungen. Es ist eindeutig, dass er nicht ganz bei Trost ist, aber meine Eltern geben sich wie immer unbeirrt. »Wo ham Se denn dat gelernt?«, fragt mein Vater mit etwas schrillerer Stimme, als er vermutlich beabsichtigte. »Luftschwimmen«, murmelt Fritz. »Luftschwimmen, Luftschwimmen, Luftschwimmen. Erst Luftgitarre. Boooing! Dann Luftschwimmen. Dann Luftbeten. Zum Klettergerüst.«
Nun macht Falk einen Riesenfehler. Er ruft laut: »Da sind Jana und ich als Kind manchmal dran hoch!«
Das stimmt zwar, aber doch auch wieder nicht, denn damals hing die Installation noch nicht an der Decke des Berliner Zimmers, sondern stand beziehungsweise lag im Flur, wo sie in eine Art seltsame, begehbare Möbel-und-Kunst-Landschaft, die unser Vater eigens für uns eingerichtet hatte, integriert war. Meine Eltern wollten uns Kleinkindern Kunst nahe bringen, indem sie begehbare Kunstwerke kreierten, und manchmal auch solche, die eigentlich nicht zur Begehung gedacht waren, eigenhändig ummodelten.
»Echt? Immer schön raufgeklettert?« Franz dreht sich abrupt um. Er schaut von Falk zu mir und wieder zurück, wie in Zeitlupe, in Trance. Ich spiele jetzt, während ich ihn beobachte, eines meiner Lieblingsspiele. Ich habe es ‚Zeitverschiebung’ getauft. Ich denke mir stets, dass der gegenwärtige Moment eigentlich höchst unwichtig ist, und stelle mir jedermann in meiner Umgebung in allen möglichen Lebensaltern vor. Meine Großmutter als Backfisch, meinen Vater als kämpferischen Studenten, meine Mutter als quengelndes Kleinkind, Falk als liebenswürdigen, aber auch sehr eigenen alten Mann. Die realen Lebensalter, die wirklichen Altersunterschiede zueinander scheinen mir aus einer größeren, weiteren Perspektive höchstirrelevant. Wenn wir über das Zeitalter der Dinosaurier sprechen, unterschlagen wir schnell ein paar Millionen Jahre aber bei uns sollen fünf Jahre plötzlich die Welt sein. Ich stelle mir Franz als noch ungelenkes Kind vor, als schlaksigen, Gitarre spielenden Teenie … Ein Träumer, begabt in Musik und Mathe, ja, auch in Mathe, ein ungewöhnliches Kind, nur sehr introvertiert und ohne großen Ehrgeiz. Dann frage ich mich, warum er wohl zum Landstreicher wurde. Und ich weiß, dass jeder bei uns am Tisch brennend an dieser Frage interessiert ist aber wir sind zu feige und zu höflich, um solch eine im Grunde nahe liegende Frage einfach geradeheraus, ohne psychologisches Klimbim, ohne komplizierte Entschuldigungs-Manöver zu stellen.
Plötzlich ruft Franz: »Ich bin oben bei euch!« Im nächsten Moment steht er auf unserem Tisch, ein Bein verfehlt nur knapp das Art-déco-Kännchen, dann greift er nach einer Metallstrebe, an der viele Glöckchen baumeln. Er hält sich daran fest und wir trauen unseren Augen nicht fängt an, wie Tarzan durch den Raum zu schwingen.
Seltsamerweise schweigen meine Eltern. Sie brüllen nicht los, sie rufen Franz nicht zur Räson, sie finden auch keinen Dreh, um der Situation noch irgendwie etwas Kühnkreativ-Anarchisches abzugewinnen. Sie schweigen. Sie sitzen einfach nur da und schauen zu. Falk und ich sehen uns unsicher an. Mein Bruder ärgert andere gern auf diese oder jene Weise, aber wenn es wirklich hart auf hart kommt, ist er sehr menschlich. Plötzlich fangen meine Mutter und mein Vater simultan an zu weinen. Sie sitzen drei Meter auseinander an unserem riesigen Tisch und fangen im selben Moment an zu weinen. Franz ruft »Hollaaaa! Hallloo!«, und schwingt mit höchstzufriedenem Gesicht durch unser Berliner Zimmer. Hier und da knallt er mit einem Bein gegen eine Vase oder einen Bilderrahmen. Ich höre es schon von der Decke her knacken. Er könnte jeden Moment mit der Installation zu Boden stürzen. Falk steht jetzt auf und legt einen Arm um unseren Vater. Ich greife nach der Hand meiner Mutter. Mein Vater legt seinen Kopf auf den Tisch und schluchzt.
Plötzlich, wie ich hier so sitze und das bedrohliche Knacken an der Decke höre, weiß ich, dass ein Lebensabschnitt meiner Eltern ein für alle Mal zu Ende gegangen ist.
»Soll ich ihn da runterholen?«, fragt Falk unseren Vater.
Aber der reagiert nicht.
Im nächsten Moment gibt es einen unglaublichen Krach: Franz ist mitsamt der riesigen Installation und allen Glöckchen, Klingeln, Rasseln, Pfeifen und Schellen zu Boden gegangen. Meine Mutter löst sich endlich aus ihrer Paralyse und rennt zu Franz hin. Franz liegt unter der riesigen Installation, die mit ihren vielen, in alle Richtungen weisenden Streben jetzt etwas von einer verunglückten Spinne hat, begraben und scheint ohnmächtig zu sein. Meine Mutter schlägt ihn sanft auf die Wangen, zwickt ihn in die Oberarme. An der Decke klafft ein schreckliches Loch, Deckenfüllung, Dämmwolle fallen heraus, bröseln nach unten.
Jetzt schlägt Franz die Augen auf. Er schaut meine Mutter stirnrunzelnd an. Dann schüttelt er den Kopf und murmelt: »Dideldum. Der Plumpsack geht um.« Er runzelt seine Stirn noch stärker und wiederholt knurrend: »Der-Plumpsack-geht-um!«
Vor meinen inneren Augen sehe ich meine Eltern jetzt als altes Paar. Sie gehen zu meiner Überraschung richtig fröhlich durch einen Park. Meine Mutter in unspektakulären hellbraunen Oma-Halbschuhen, in einem langen taubengrauen Mantel, die Haare jedoch in ihrem üblichen Kupferrot nachgefärbt. Mein Vater trägt ebenfalls einen taubengrauen Mantel, eine anthrazitfarbene Anzughose, tatsächlich mit Bügelfalte, und zu meiner Überraschung ein kleines, elegantes schlohweißes Menjoubärtchen.
Für eine Sekunde sehe ich Franz im Alter von vielleicht fünf in einem Kinderheim. Alle Kinder sollen ‚Die Reise nach Jerusalem‘ spielen, aber Franz hat keine Lust, den Spiel-Verordnungen von oben zu folgen, und erschreckt die anderen Kinder, indem er in einem immer enger werdenden Kreis um sie herumläuft und jedem von ihnen leise ins Ohr raunt: »Dideldum, dideldum, der Plumpsack geht um!«
Franz rappelt sich jetzt auf, fasst sich kurz an die Stirn, auf der eine Platzwunde klafft, lehnt mit einer kleinen, aber doch erstaunlich autoritären Geste das angebotene Taschentuch meiner Mutter ab und schreitet entschlossen zur Tür. Als er die Hand auf die Klinke legt, dreht er sich noch einmal um, fasst Falk ins Auge, und sein Gesicht wird weich: »Herr Wegen kommt nicht über Sie hinweg«, sagt er und lächelt. Falk nickt galant.
»Hirsch ist besser als Neukölln«, knurrt Franz Wegen, oder wie er auch immer heißt, als er die Tür öffnet, undnicht ohne noch einen schwankend ungelenken Knicks vor meiner Mutter zu machen ins Treppenhaus entschwindet.
Meine Mutter hat sich offenbar wieder etwas gefasst. Aber mein Vater hat seinen Kopf in seinen Händen vergraben und wird von Weinkrämpfen geschüttelt. Weder Falk noch ich haben ihn je so gesehen. Falk streichelt ihm scheu über seine großen Schultern. Ich starre erschrocken auf den Topf mit dem Hirschragout, auf das Art-déco-Kännchen mit der Soße, sehe, wie der Soßenspiegel im Rhythmus der Wein-Anfälle meines Vaters mit zittert.
Es ist das letzte Weihnachten gewesen, das wir mit einem Obdachlosen verbrachten, und auch das letzte Mal, dass unser Vater seine orange-rosa gestreifte Weste getragen hat.