Читать книгу Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen - Norbert Bertelsbeck - Страница 13

Wir haben wechselseitig ein Problem: Bedürfniskonflikt

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(1) Bedürfniskonflikt (Definition)

Ein Bedürfniskonflikt liegt vor, wenn

- für Sie das Verhalten eines anderen unannehmbar ist, weil es ein Bedürfnis beeinträchtigt,

- der andere dieses weiß

- und trotzdem an seinem Verhalten festhält.

Dies ist z. B. der Fall, wenn Sie eine

- Konfrontierende Ich-Botschaft gesandt haben,

- der andere hierauf mit Widerstand reagiert,

- Sie daraufhin umschalten und

- der Widerstand andauert.

(siehe „Handbuch für Kursleiterinnen und Kursleiter im Gordon-Familientraining“, Hg. Karlpeter Breuer, VI, 16)

Beispiele für Bedürfniskonflikte:

- Ihr Sohn hat das Fernsehen sehr laut gestellt. Sie werden dadurch in Ihrer Konzentration fürs Zeitung lesen gestört. Sie haben das Ihrem Kind schon mehrmals gesagt. Auch wenn zwischenzeitlich das Fernsehen daraufhin zunächst leiser gestellt wurde, änderte sich dieses dann wieder zur alten Lautstärke.

- Ihr Mann beteiligt sich nicht an den Arbeiten im Haushalt. Stattdessen besucht er Freunde, obgleich Sie Ihren Mann schon mehrmals gebeten haben, Ihnen zu helfen.

- Ihr Freund raucht häufig während des gemeinsamen Fernsehens, obwohl Sie ihm schon mehrmals gesagt haben, dass Sie den Zigarettenqualm nicht ertragen können.

- Ihr Arbeitskollege telefoniert viel privat. Sie erledigen dadurch Ihre Arbeit langsamer. Das haben Sie Ihrem Kollegen auch schon mitgeteilt. Das Verhalten von ihm hat sich jedoch nicht geändert.

Eine genauere Umschreibung des Bedürfniskonflikts

Es kann die Frage gestellt werden, warum eine andere Person an ihrem Verhalten festhält, obgleich sie weiß, dass sie Ihnen damit Schaden zufügt. Hier bieten sich zwei Erklärungen an:

- Die Person möchte einmal auf ihr Verhalten nicht verzichten, weil sie damit eine Bedürfnisbefriedigung erreicht und sie deshalb Ihre Deprivation billigend in kauf nimmt.

- Eine Person zieht aus ihrem Verhalten zwar keine Befriedigung, weiß aber, dass sie Sie damit schädigen kann. Es liegt dann eine Aggressionshandlung vor.

Ein Bedürfniskonflikt im engeren Sinne ist nur gegeben, wenn das unannehmbare Verhalten einer anderen Person für diese einen Nutzen hat. Nur in einem solchen Fall ist es dann sinnvoll, die (u. a.) Niederlagelose Methode der Konfliktlösung anzuwenden. Liegt eine Aggressionshandlung vor, so wird die Person, die ein unannehmbares Verhalten zeigt, nicht kooperieren wollen, da ihr Ziel ja gerade darin besteht, Ihnen einen Schaden zuzufügen. Die Situation stellt sich dann so dar, dass diese Person mit Ihnen ein Problem hat. Angeraten ist es dann, über das Aktive Zuhören mit dem anderen ins Gespräch zu kommen, um den Grund für das Ziel der Schädigung zu erfahren. Dieser besteht dann häufig darin, dass Sie selbst der Person gegenüber zuvor ein Verhalten gezeigt haben, dass diese deprivierte. Möglicherweise ist dann zunächst einmal Wiedergutmachung angezeigt, sofern Sie selbst der Meinung sind, dass die Deprivation unberechtigt war.

Ein Bedürfniskonflikt liegt nicht vor

Es wurden Elemente genannt, die vorliegen müssen, damit von einem Bedürfniskonflikt gesprochen werden kann. Fehlen Bestandteile, so liegen statt eines Bedürfniskonflikts andere Sachverhalte vor:

- Meinungsunterschiede: Fehlen eines bedürfnisbeeinträchtigenden Verhaltens

Eine Person äußert weiter eine Meinung, die Ihnen nicht gefällt, obgleich die Person dieses weiß.

Sie äußern Ihrer Freundin gegenüber, dass es das Letzte ist, mit Jeans in ein Konzert zu gehen. Diese widerspricht Ihnen lebhaft.

- Legitimes unannehmbares Verhalten: Ein Verhalten mit einer Beeinträchtigung liegt vor, diese wird jedoch als gerechtfertigt angesehen.

Ein Fall von ungewohnter Kindeseinsicht: Horst hat seiner Mutter 10 Euro aus dem Portemonnaie gestohlen. Als die Mutter das bemerkt, muss er das Geld zurückzahlen und erhält einen Tag Stubenarrest. Horst ist der Meinung, dass die Strafe gerechtfertigt ist.

- Missverständnis: Ein Verhalten mit einer Beeinträchtigung liegt vor, der andere weiß jedoch nicht, dass sein Verhalten beeinträchtigend ist.

Die Ehefrau hat ihrem Mann nichts davon gesagt, dass es sie stört, wenn er so häufig seine Eltern besucht.

Ein gelöster Konflikt

Ausgehend vom dargestellten Konfliktbegriff ist ein Konflikt zunächst einmal als gelöst zu betrachten, wenn ein unannehmbares Verhalten in der Zukunft unterlassen wird, nachdem es zuvor auch trotz der Missbilligung der geschädigten Person weiter ausgeführt wurde.

So besteht ein Konflikt nicht mehr, wenn der Sohn in Zukunft das Fernsehen leiser macht, obwohl er zuvor die Lautstärke des Fernsehens, trotz des Wissens um die Missbilligung der Mutter, nicht verändert hatte.

Eine Anmerkung soll zum Schluss noch erfolgen: Das Unterlassen des Verhaltens kann darauf beruhen, dass eine Person Macht ausübt, oder es kann auf freiwilliger Grundlage erfolgen.

So kann der Sohn das Fernsehen leiser stellen, weil seine Mutter ihm Stubenarrest angedroht hat für den Fall, dass er die Lautstärke nicht verändert. Der Sohn kann jedoch die Lautstärke auch ändern, weil er zur Einsicht gekommen ist, mit Kopfhörer noch besser das im Fernsehen Gesprochene zu verstehen als ohne Hörer.

Liegt Machtanwendung vor, so wird das Verhalten wieder ausgeführt, wenn die andere Person keine Macht ausüben kann. Es ist deshalb sinnvoll, davon zu sprechen, dass der Konflikt durch Macht in den Hintergrund gedrängt, aber nicht gelöst wurde.

(2) nicht angemessene Konfliktlösungsmethoden

Welche Möglichkeiten können Sie nun ergreifen, um den Bedürfniskonflikt zu lösen? Gordon unterscheidet zwischen angemessenen und nicht angemessenen Konfliktlösungsmethoden. Zunächst wird mit einem Beispiel auf unangemessene Methoden der Konfliktlösung eingegangen.

Stellen Sie sich vor, Sie lesen gerade ein spannendes Buch im Wohnzimmer und werden durch laute Fernsehgeräusche, die aus dem Kinderzimmer kommen, gestört. Sie gehen daraufhin ins Kinderzimmer und bitten Ihren Sohn, das Gerät leiser zu stellen. Nach anfänglich geringerer Lautstärke hören Sie alsbald wieder lautes Sprechen. Stark verärgert hierüber, stürzen Sie in das Kinderzimmer und schalten das TV-Gerät ab. Zugleich untersagen Sie Ihrem Sohn das Fernsehen für den ganzen Tag.

Eine solche Reaktion auf störendes Verhalten wird hier mit „machtbezogen“ bezeichnet, weil Sie sich in dem Konflikt durchsetzen. Als Machtmittel kommen dabei Belohnungen oder, wie im vorliegenden Beispiel, Bestrafungen in Betracht. Beide Verhaltensweisen werden hier abgelehnt, weil sie in ihrer Wirksamkeit begrenzt sind und zugleich die Beziehungen verschlechtern:

Mangelnde Wirksamkeit

Gordon (Gordon, Thomas: „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, Kapitel 2 - 5) hat in Bezug auf Erzieherverhalten die Auswirkungen von Belohnung und Bestrafung unter Zuhilfenahme von Untersuchungsergebnissen verhaltenstheoretischer Art dargestellt.

siehe hierzu auch den Aufsatz in diesem Buch: „Einige handlungstheoretische Überlegungen zu Inhalten des Gordonschen partnerschaftlichen Beziehungskonzepts mit dem Schwerpunkt auf partnerschaftliche Erziehung“; zur Wirkung von Belohnung und Bestrafung aus verhaltenstheoretischer Sicht siehe u. a. Holland, James G.; Skinner B. F.: „Analyse des Verhaltens“, München, Berlin und Wien 1974).

Die Analyse lässt sich im Prinzip auch auf andere Arten von Beziehungen übertragen:

Belohnungen sind dann wirksam,

- wenn sie einen starken Belohnungswert haben und

- unmittelbar und

- erst immer und dann in unregelmäßigen Zeitabständen erfolgen.

Die vorgenannten Voraussetzungen lassen sich nur begrenzt herstellen.

Belohnungen sind hingegen nicht wirksam,

- wenn sie zu weit in der Zukunft liegen oder

- unannehmbares Verhalten zugleich von der sozialen Umwelt belohnt wird oder

- es Belohnungsalternativen in der sozialen Umwelt gibt.

(vgl. hierzu Gordon, „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, 51ff, 64ff)

Bestrafung hingegen ist dann wirksam,

- wenn der Bestrafungswert stark ist und

- Bestrafung unmittelbar erfolgt und

- immer erfolgt und

- unerwünschtes Verhalten nicht belohnt wird.

Auch hier lassen sich die Voraussetzungen nur schwer erfüllen.

(vgl. hierzu Gordon, „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, 53ff, 95ff)

Wirkung von Bestrafung auf den Bestraften

Nicht so sehr die Belohnung als vielmehr die Bestrafung steht im Mittelpunkt von Überlegungen bezüglich negativer Wirkungen auf die Beziehung. Mit Bestrafung einher geht eine mangelnde Bedürfnisbefriedigung, ein Verlust von Selbstachtung und Rachegefühle (vgl. dazu Gordon, „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, 119ff).

Bisher ist dargelegt worden, wie es sich auswirkt, wenn Sie machtbezogenes Verhalten erfolgreich anwenden, um Ihre Bedürfnisbeeinträchtigung aufzuheben. Es ist jedoch auch denkbar, dass sich Ihr Gegenüber im Machtkampf durchsetzt und die Deprivation bestehen bleibt oder Sie von vornherein klein beigeben. Dies geht dann Ihrerseits einher mit einem vermindertem Selbstwertgefühl und dem Bedürfnis, den anderen zu schädigen.

Wenngleich Gordon das machtbezogene Konfliktverhalten analysiert unter dem Gesichtspunkt seiner Wirkung und Wirksamkeit, so lehnt er primär dieses Verhalten aus wertrationalen Gründen ab und bevorzugt statt dessen eine Konfliktlösung, die weder Gewinner noch Verlierer kennt.

Neben einem machtbezogenen Handeln oder einer Unterordnung lässt sich mindestens als eine weitere Konfliktlösungsoption eine strategische Kommunikation benennen (Stiebel, David: „Wenn Reden nicht mehr weiterhilft“). Während das partnerschaftliche Beziehungskonzept dazu rät, sich offen und gleichberechtigt um gemeinsame Lösungen zu bemühen, versucht hier eine Konfliktpartei möglichst viele Informationen über die andere Partei zu bekommen und gleichzeitig auf verdecktem Weg und unter Anwendung bestimmter Handlungsprinzipien das für sie beste Ergebnis zu erhalten.

(3) Die Niederlagelose Methode der Konfliktlösung

Wenn sich nun machtbezogenes Verhalten hauptsächlich negativ auswirkt, stellt sich die Frage, wieso dann für viele Menschen machtbezogene oder gewährende Verhaltensweisen die einzigen Konfliktlösungsmethoden sind. Dies liegt möglicherweise (auch) daran, dass es auf den ersten Blick so aussieht, dass eine Lösung nur möglich ist, wenn eine der beiden Personen nachgibt.

So kann die Mutter nur die Zeitung im Wohnzimmer lesen, wenn ihr Sohn das Fernsehen im selben Zimmer leiser stellt. Oder aber das Fernsehen wird lauter gestellt, und die Mutter kann nicht lesen.

Auf den zweiten Blick stellt sich jedoch heraus, dass es eine Alternative gibt, die in einer Niederlagelosen Konfliktlösung besteht. Eine derartige Konfliktlösung vollzieht sich dabei in mehreren Schritten (Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002,116ff).

- Ein erster Schritt zu einer gemeinsamen Konfliktlösung besteht darin, dass beide Seiten sich über die den unvereinbaren Handlungen zugrunde liegenden Bedürfnisse im klaren werden.

Das Bedürfnis der Mutter besteht darin, die Zeitung zu lesen, und das Kind möchte das im Fernsehen Gesagte gut verstehen. Nun wird deutlich: Die gleichzeitig ausgeführten Handlungen, Zeitung im Wohnzimmer lesen und lautes Fernsehen im selben Raum, führen zwar dazu, dass die Bedürfnisse der Mutter und des Kindes sich nicht gleichzeitig erfüllen lassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie sich nicht mittels anderer Handlungen befriedigen lassen (siehe nächste Konfliktlösungsstufe).

- Nachdem Sie und Ihr Konfliktpartner sich über Ihre Bedürfnisse im klaren sind, können Sie gemeinsam überlegen, welche Handlungen möglich sind zur gemeinsamen Bedürfnisbefriedigung. Sie sollen beide in dieser Phase spontan alle Lösungseinfälle zulassen, ohne dass jeweils von der Gegenseite hierzu eine Bewertung abgegeben wird.

So könnten von der Mutter die Vorschläge kommen:

Das Kind setzt einen Kopfhörer auf.

Die Sendung wird zu dem Zeitpunkt des Lesens der Zeitung aufgezeichnet.

Das Kind könnte vorschlagen:

Die Mutter liest in einem anderen Zimmer.

Die Mutter liest die Zeitung zu einem Zeitpunkt, wo das Kind nicht fernsieht.

Die Mutter steckt sich Ohrstöpsel in die Ohren.

- Die Lösungen werden einer Bewertung unterzogen. Es werden alle die Lösungen nicht weiter berücksichtigt, die von einer der beiden Seiten abgelehnt werden.

So lehnt die Mutter es ab, die Zeitung zu einem Zeitpunkt zu lesen, wo das Kind nicht fernsieht. Ebenfalls möchte sie die Zeitung nicht in einem anderen Zimmer lesen.

Das Kind möchte seinerseits nicht, dass die Sendung aufgezeichnet wird.

- Von den verbliebenen Lösungen einigen sich beide Parteien auf eine. Dabei kann die Einigung auch aus einer Kombination verschiedener Lösungen bestehen.

So einigen sich die Mutter und das Kind darauf, dass sie abwechselnd Ohrstöpsel und Kopfhörer tragen.

- Es kann sein, dass die Lösung noch der weiteren Planung zu ihrer Durchführung bedarf. So muss eventuell noch festgelegt werden, wer wann was macht.

Es sind ggf. noch Ohrstöpsel und Kopfhörer zu kaufen. Mutter und Kind einigen sich darauf, dass die Mutter die Ohrstöpsel kauft, hingegen beide gemeinsam den Kopfhörer.

- Nach einiger Zeit der Erprobung der Lösung kann eine gemeinsame Erfolgsbewertung durchgeführt werden, ggf. mit dem Ergebnis der Lösungsänderung.

Zur Demonstration der Niederlagelosen Methode der Konfliktlösung möchte ich Ihnen einen Konflikt aus der Hausaufgabenbetreuung darstellen:

Georg unterbricht den Betreuer öfters in Gesprächen, die dieser mit anderen Schülern führt. Da er dies als störend empfindet, beschließt er, bei einer günstigen Gelegenheit einmal mit Georg zu sprechen. Eine solche Gelegenheit ergibt sich, als er nach Beendigung der Schülerhilfe mit Georg nur noch alleine im Raum ist.

Betreuer: Georg, ich würde gerne mit Dir etwas besprechen. Hast Du noch ein wenig Zeit?

Georg zögernd: Ich weiß nicht: Worum geht es denn?

Betreuer: Du möchtest erst einmal wissen, was ich mit Dir besprechen möchte.

Georg: Ja, was ist es denn?

Betreuer: Ich erlebe öfters, dass Du mich im Gespräch mit anderen Schülern unterbrichst. Mir ist das gar nicht recht, weil ich etwas abklären möchte, oder die Schüler mit mir, und das ist dann nicht gut möglich.

Georg: Ich habe eben oft Fragen bei den Hausaufgaben.

Betreuer: Es ist für Dich wichtig, dass Deine Fragen beantwortet werden.

Georg: Deshalb bin ich ja auch da.

Betreuer: Aber genauso wichtig ist es für mich, dass ich mit anderen Schülern Dinge in Ruhe abklären kann. Wir können ja vielleicht einmal gemeinsam überlegen, ob wir nicht eine Lösung finden können, die sowohl Dich als auch mich zufriedenstellt.

Georg: In Ordnung.

Betreuer: Fällt Dir irgendetwas ein?

Georg: Wenn ich eine Frage habe, könntest Du mir sagen, wann Du Zeit für mich hast. Du könntest mir auch meine Frage sofort beantworten, und dann kannst Du in Ruhe Dein Gespräch weiterführen.

Betreuer: Du könntest erst einmal mehrere Fragen formulieren und nicht bei jeder Frage zu mir kommen. Du könntest auch einmal schauen, ob sich bestimmte Fragen nicht schon in der Schule abklären lassen. Fallen Dir noch weitere Vorschläge ein?

Georg: Nein

Betreuer: Mir auch nicht. Welcher Vorschlag gefällt Dir denn nicht?

Georg: Ich möchte nicht immer in der Schule nachfragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Die gucken mich dann immer so doof an.

Betreuer: Und ich möchte nicht Deine Fragen sofort beantworten, wenn Du kommst, da ich so aus dem Gespräch gerissen werde. Es bleiben dann zwei Vorschläge übrig: Da ist einmal der Vorschlag: Wenn Du Fragen hast, kommst Du zu mir und ich sage Dir, wann ich Zeit für Dich habe. Zum anderen gibt es den Vorschlag, dass Du erst einmal Fragen sammelst, so dass Du mich nicht so häufig fragen musst. Wir könnten ja beide Vorschläge miteinander kombinieren.

Georg: Ich bin damit einverstanden.

Betreuer: Dann probieren wir es einmal aus.

Es sollen nun noch einige Aussagen zur Wirksamkeit der Niederlagelosen Methode der Konfliktlösung gemacht werden:

- Zunächst ist es wichtig, dass sich die Konfliktparteien ihrer tatsächlichen Bedürfnisse auch bewusst werden. Du und ich, wir müssen in uns „hineinhorchen“. Ggf. können sich die Konfliktpartner auch (gegenseitig) behilflich sein beim Eruieren der Bedürfnisse mittels Aktivem Zuhören.

Jüngere Kinder sind sich oft noch nicht bewusst, welche Bedürfnisse ihren Handlungen zugrunde liegen. Hier müssen Eltern dann durch Aktives Zuhören Hilfestellung leisten.

Sind sich die Parteien ihrer Bedürfnisse nicht bewusst, so ist es vom Zufall abhängig, ob die Konfliktlösung den Bedürfnissen der Beteiligten entspricht. Ist dieses nicht der Fall, dann liegen motivationale Probleme vor, die vereinbarte Konfliktlösung auch umzusetzen.

- Die Lösungsalternativen müssen ausreichend erhoben werden, damit auch hinterher die beste Lösung ausgewählt wird. Ist dies nicht der Fall, können bei der Lösungsumsetzung eine oder beide Parteien unzufrieden sein.

- Es muss eine Lösung gefunden werden, der du und ich aus vollem Herzen zustimmen können, ansonsten treten Motivationsprobleme bei der Lösungsdurchführung auf.

- Wenn es zur Durchführung der Lösung bestimmter Maßnahmen bedarf, so ist detailliert der Inhalt, Ort und die Zeit festzulegen.

Die Niederlagelose Methode der Konfliktlösung hat, wie schon weiter oben erwähnt, als Voraussetzung, dass die Konfliktparteien keine Vorbehalte grundsätzlicher Art gegeneinander haben. Ansonsten kann die Lösungssuche blockiert werden, nur um dem anderen eins auszuwischen. Letztgenannte Aussage gilt jedoch auch schon für den Erfolg einer Konfrontierenden Ich-Botschaft und für das Umschalten.

Zum Schluss soll noch einmal der partnerschaftliche Umgang mit unannehmbarem Verhalten im Gesamtzusammenhang dargestellt werden):

- Ein Verhalten einer anderen Person führt zu einer Bedürfnisbeeinträchtigung.

- Die daraufhin erfolgende Konfrontierende Ich-Botschaft führt bei der anderen Person zu der Bereitschaft einer Verhaltensänderung oder aber zu Widerstand.

- Einem Widerstand wird dann mit Umschalten, d. h. mit Aktivem Zuhören und weiteren Ich-Botschaften, begegnet.

- Ist das Umschalten nicht erfolgreich, d. h. hält der Widerstand an, so wird eine Niederlagelose Methode der Konfliktlösung durchgeführt.

- Werden im Zusammenhang mit einer Konfliktlösung Absprachen getroffen, die hinterher nicht eingehalten werden, so ist dem mit einer Konfrontierenden Ich-Botschaft und bei Widerstand mit Umschalten zu begegnen.

- Ggf. ist bei anhaltendem Widerstand der Konfliktlösungsprozess noch einmal zu wiederholen.

(4) Eine nicht erfolgreiche Konfliktlösung

Besteht das Ziel der Niederlagelosen Methode der Konfliktlösung in einer Lösung, die beide Konfliktpartner zufriedenstellt, so wird dieser wünschenswerte Zustand nicht in jedem Falle erreicht:

In einigen Fällen kann es vorkommen, dass es keine Lösung gibt, bei der beide Seiten zugleich einen optimalen Nutzen haben.

Ein optimaler Nutzen ist gegeben, wenn der Nutzen aus einer gemeinsamen Lösung für die beiden Konfliktparteien größer ist, als wenn sie je für sich alleine eine Konfliktlösung anstreben.

Gibt es eine derartige Lösung nicht, so kann eine Person mit einer gemeinsamen Lösung nicht einverstanden sein.

Gleichwohl können weitergehende Überlegungen eine Person veranlassen, auch dann an einer gemeinsamen Lösung festzuhalten, wenn sie nachteiliger ist als eine individuelle:

 Für eine Person stellt eine gemeinsame Konfliktlösung einen Wert an sich dar.

 Eine Person kann darauf vertrauen, dass in einer anderen Situation der jetzige Konfliktpartner auch bereit ist, eine für ihn nicht optimale Lösung zu akzeptieren.

 Die Person kann Sanktionen von Seiten des anderen erwarten, wenn sie nicht zu einer gemeinsamen Lösung bereit ist.

Die Konfliktparteien haben den Konfliktlösungsprozess nicht intensiv genug durchlaufen.

Die Personen haben nicht die hinter ihren Handlungen liegenden Bedürfnisse erfasst, auch wenn sie dieses angenommen hatten. Hier ist es dann ratsam, noch einmal den Konfliktlösungsprozess ganz zu durchlaufen.

Die Personen haben nicht alle möglichen Lösungsalternativen eruiert. Hier ist es dann erforderlich, ein neues Brainstorming durchzuführen.

(5) Wenn der andere nicht will

Es gibt Situationen, in denen die andere Person nicht bereit ist, sich an einer Niederlagelosen Methode der Konfliktlösung zu beteiligen.

Die bisher nicht berufstätige Frau Meier fühlt sich nach der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses überfordert, wenn sie Haushaltsaufgaben weiterhin alleine ausführen soll. Der Ehemann weigert sich, ihr im Haushalt zu helfen und mit ihr ein Problemlösungsgespräch zu führen.

Es stellt sich dann die Frage, wie die Person, die ein Problem mit einer anderen hat, sich verhalten kann:

- Sie kann versuchen, die Gründe für die Ablehnung in Erfahrung zu bringen.

Häufig wird es so sein, dass einer Verweigerung die Annahme zugrunde liegt, dass bei einer Beteiligung an einem Konfliktlösungsprozess Bedürfnisse, die bisher befriedigt wurden, dann unbefriedigt bleiben. Werden nun derartige Bedürfnisse in einem Gespräch sichtbar, so kann die Person, die eine Konfliktlösung möchte, (bei Kenntnis der eigenen Bedürfnislage) überlegen, ob sich die unterschiedlichen Bedürfnisse nicht mittels bestimmter Handlungen befriedigen lassen, und dieses der anderen Person mitteilen. Nimmt diese nun wahr, dass es eine Lösung gibt, die auch sie zufriedenstellt, so ist die Bereitschaft, einer solchen Lösung zuzustimmen, groß.

Beispiel:

In einem weiteren Gespräch erfährt Frau Meier, dass ihr Mann auf seine mittwöchlichen Kegeltreffen und freitäglichen Tennisstunden nicht verzichten möchte. Des Weiteren möchte er bestimmte Hausarbeiten wie Putzen und Kochen nicht übernehmen. Er ist jedoch auf Nachfrage bereit, je nach Bedarf, den Müll wegzubringen und den Einkauf am Wochenende zu übernehmen. Dieser Lösung kann nun Frau Meier zustimmen, da sie sich wenigstens zum Teil dadurch entlastet sieht.

- Führt das vorgenannte Vorgehen nicht zu einer einvernehmlichen Lösung, so kann ein Tausch angeboten werden: „Wenn Du mir bei meinem Problem hilfst, dann bin ich auch bereit, Dir bei einem Deiner Probleme zu helfen.“

Beispiel:

Herr Meier schaut sich gerne im Kino Filme mit seiner Frau an. Das geschieht seiner Ansicht nach zu wenig. Frau Meier ist nun bereit, mit ihm einmal im Monat in einen Film zu gehen, wenn ihr Mann sich seinerseits an der Hausarbeit beteiligt.

- Ist ein solches Vorgehen auch nicht von Erfolg gekrönt, dann kann die Person, die einen Konflikt regeln möchte, gegenüber der sich verweigernden Person, je nach Problemart, der Weigerung natürliche Konsequenzen folgen lassen.

Bezogen auf o. a. Beispiel könnte Frau Meier z. B. zu ihrem Mann sagen: „Wenn Du mir nicht im Haushalt helfen möchtest, obwohl ich berufstätig bin, dann erledige ich im Haushalt nur noch die Dinge, von denen ich alleine profitiere.“

- Schließlich kann auch eine alleinige Lösung des Konflikts angestrebt werden im Sinne einer Auswahl der (unter den gegebenen Umständen) besten Handlungalternative.

So könnte Frau Meier die Belastung des Haushalts reduzieren, indem sie weniger putzt und Staub wischt (statt einmal die Woche alle zwei Wochen) sowie weniger wäscht (u. a. werden die Handtücher alle sechs statt bisher alle drei Tage gewechselt).

(6) Der Umgang mit Konflikten bei asymmetrischen Beziehungen aus der Position von Rangniederen

Allgemeine Aussagen

Partnerschaftliche Konfliktlösungen sind dann angebracht, wenn Personen sich in einer gleichberechtigten Beziehung befinden (Ehepaare, Freunde) oder wenn Personen in einer nicht gleichberechtigten ranghöher sind (Eltern, Lehrer, Vorgesetzte). Letzteres hat Thomas Gordon in seinen verschiedenen Beziehungskonferenzen demonstriert.

In einer asymmetrischen Beziehung können Ranghöhere im Prinzip den Konflikt mittels des Einsatzes von Macht lösen. Das Wissen um diese Tatsache kann bei Rangniederen die Bereitschaft erhöhen, ein Angebot eines Ranghöheren zu einer Niederlagelosen Konfliktlösungsmethode anzunehmen. Sind Personen hingegen in einer rangniedrigeren Position, so können sie im Prinzip auch die ranghöhere Person um eine partnerschaftliche Konfliktlösung bitten, sind hier jedoch auf deren Wohlwollen angewiesen.

Welche Möglichkeiten haben nun Rangniedere (z. B. Mitarbeiter), einen Konflikt in ihrem Sinne zu lösen? Im Folgenden werden alternative Konfliktlösungsmethoden benannt:

- Anmelden einer Beeinträchtigung in Form einer Ich-Botschaft

- Berücksichtigung von unterschiedlichen Interessen bei der Problemlösung

- mit einer besten Handlungsalternative in ein Konfliktlösungsgespräch gehen

- mit Informationen über den Spielraum des Vorgesetzten im Gepäck in ein Gespräch gehen

- sich an objektiven Kriterien für eine Konfliktlösung orientieren

- Bündnisse mit Dritten schließen

Mit dem Aufgreifen des Themas, wie Rangniedere Konflikte mit Ranghöheren lösen können, wird ein über das Gordonsche Partnerschaftliche Beziehungskonzept hinausführender Konfliktlösungsaspekt behandelt.

Zusätzliche Aussagen zu einzelnen Konfliktlösungsmethoden

Anmelden einer Beeinträchtigung in Form einer Ich-Botschaft

Rangniedere haben immer die Möglichkeit, Ranghöhere mit einer Ich-Botschaft zu konfrontieren, die im Rahmen dieser Arbeit schon vorgestellt wurde.

Beispiel:

Herr Schaar möchte in den Schulferien mit seiner Frau und den schulpflichtigen Kindern in Urlaub fahren. Seinem Vorgesetzten, Herrn Vogel, hat er nun seinen Urlaubsschein eingereicht. Nach ein paar Tagen spricht ihn Herr Vogel an und sagt, dass er den Urlaub zum vorgeschlagenen Termin nicht genehmigen könne. Er habe zu dieser Zeit keine Vertretung für ihn, weil dann auch andere Mitarbeiter Urlaub haben wollten und Herr Schaar ja schon im letzten Jahr in den Schulferien Urlaub gehabt habe.

Herr Schaar sendet nun folgende Ich-Botschaft:

„Wenn Sie mir den Urlaub nicht genehmigen, dann kann ich mit meinen schulpflichtigen Kindern und meiner Frau keinen gemeinsamen Urlaub im Sommer machen. Der gemeinsame Urlaub ist jedoch die einzige Zeit, wo ich länger mit meinen Kindern zusammensein kann, zumal meine Kinder ansonsten wenig von mir haben, da ich ja viele Überstunden mache.“

Die Ich-Botschaft kann dann dazu führen, dass der Ranghöhere dem Wunsch entspricht, sofern er hierzu Möglichkeiten sieht.

So könnte Herr Vogel Herrn Schaar sagen, dass er ihn gut verstehe und sich einmal überlegen werde, wie der Betrieb auch ohne dessen Anwesenheit weiterlaufen könne. Nach ein paar Tagen kommt Herr Vogel auf Herrn Schaar zu und sagt, dass er für dieses Jahr das Problem noch einmal im Sinne von Herrn Schaar gelöst habe.

Es kann jedoch auch sein, dass der Ranghöhere nach einer derartigen Ich-Botschaft bei seiner Ablehnung bleibt.

Formulierung von Lösungsalternativen unter Einbeziehung der eigenen und der Vorgesetzteninteressen

Es ist ratsam für Rangniedere (hier z. B. Mitarbeiter), sich mögliche Einwände zu überlegen, die Ranghöhere nach einer Konfrontierenden Ich-Botschaft erheben können, um diesen Einwänden im Sinne von Lösungspräsentationen begegnen zu können.

So könnte Herr Schaar sagen:

„Ihnen geht es darum, dass die Arbeit erledigt wird. Ich möchte gerne mit meinen Kindern in den Urlaub fahren. Ich könnte mich mit Herrn Werner abstimmen, dass er die für mich in der Urlaubszeit anfallenden Tätigkeiten erledigt. Zudem könnte ich bestimmte Arbeiten terminlich vorziehen.“

Mit einer besten Handlungsalternative in ein Konfliktlösungsgespräch gehen

Rangniedere können ihre Verhandlungsposition in einem Konfliktgespräch verbessern, wenn sie ihrem Gegenüber glaubhaft klarmachen können, dass sie im Falle einer Ablehnung ihres Wunsches eine Handlungsalternative haben.

Beispiel:

Herr Meier ist unzufrieden mit seiner beruflichen Situation. Er wartet schon seit einem Jahr vergeblich darauf, dass sein Gehalt deutlich angehoben wird. Er fühlt sich wohl in dem Unternehmen, in dem er arbeitet, und würde sich deshalb beruflich nicht gerne verändern. Um seinen „Marktwert“ zu taxieren, hat er sich bei anderen Unternehmen beworben und eine Stelle mit einem deutlich höheren Gehalt in Aussicht. Mit dieser Information bittet er seinen Vorgesetzten zum Gespräch. Sofern dieser ihn halten möchte, wird er seinem Mitarbeiter bei dessen Gehaltsforderungen entgegenkommen.

Es kann sehr nützlich sein, wenn Rangniedere Informationen über den Verhaltensspielraum des Vorgesetzten haben: Welche Konzessionen kann dieser tatsächlich machen?

Herr Meier hat Informationen von der Buchhaltung (Produktion), dass die Betriebsumsätze in diesem Jahr (die Auftragslage) hervorragend sind. Mit dieser Information begegnet er dem Einwand seines Vorgesetzten, dass aufgrund der zu erwartenden Betriebsergebnisse eine Gehaltserhöhung nicht möglich sei.

Objektives Kriterium für Konfliktlösung

Liegt ein Konflikt vor, so kann es objektive Kriterien für dessen Lösung geben.

So können für eine Gehaltserhöhung folgende Kriterien in Betracht kommen:

- Für einen nicht tarifgebundenen Betrieb die Lohnerhöhungen in einem tarifgebundenen

- die Steigerung der Lebenshaltungskosten

- die zu erwartenden betrieblichen Ergebnisse

Desgleichen können z. B. für eine Mieterhöhung als Kriterien in Betracht kommen:

- der Mietspiegel

- die vom Vermieter getätigten Verbesserungen im Wohnbereich

Bündnisse mit Dritten schließen

Existiert in einer Beziehung ein Machtungleichgewicht, so können die Machtunterlegenen bei Konflikten versuchen, ihr Defizit auszugleichen, indem sie Unterstützung bei Personen suchen, die über mehr Macht verfügen als ihr Kontrahent.

So kann der Mitarbeiter, der in einem Konflikt mit seinem Vorgesetzten steht

- mit dem Vorgesetzten seines Vorgesetzten sprechen

- sich an den Betriebsrat wenden

- seine Gewerkschaft ansprechen

Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen

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