Читать книгу Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen - Norbert Bertelsbeck - Страница 7

Der andere hat ein Problem

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Personen können unterschiedliche Ereignisse als Problem ansehen:

- So hat Ihr Ehepartner die Arbeitsstelle gewechselt und erlebt vieles als fremd.

- Der Vater Ihres Arbeitskollegen ist verstorben.

- Ihr Kind hat Streit mit seinem Spielgefährten.

- Ihr Freund befürchtet, entlassen zu werden.

- Ihre Nachbarin beklagt sich über ihre Schwiegereltern.

Dass andere Probleme haben, lässt sich sofort erkennen, wenn sie darüber sprechen, wird aber auch sichtbar über Indikatoren wie Mimik, Gestik, Stimmlage, Sprechgeschwindigkeit, Lautstärke und allgemein über verändertes Verhalten (z. B. ungewöhnlich still sein bzw. sich zurückziehen statt sonst mehr lebhaft bzw. sich an Aktivitäten beteiligen; gereizt sein statt sonst ausgeglichen).Die möglichen Reaktionen auf Probleme von anderen lassen sich in hilfreiche und nicht hilfreiche unterscheiden.

(1) Nicht hilfreiche Reaktionen: Kommunikationssperren

Bestimmte Verhaltensweisen der eigenen Person auf Probleme eines anderen führen dazu, dass sich der andere seltener an einen wendet. Aus diesem Grund werden derartige Reaktionen „Kommunikationssperren“ genannt (u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002, 67ff). Hierzu ein Beispiel:

Herr K. kommt von der Arbeit und sagt zu seiner Frau: „Das war heute ein scheiß Tag. Der Schulze hat mich total genervt!“ Hierauf kann seine Frau in verschiedener Weise reagieren:

- etwas vorwerfen:

„Immer meckerst Du, wenn Du von der Arbeit kommst!“

- moralisieren:

„Musst Du immer fluchen!“

- kritisieren:

„Warum lässt Du Dir auch immer alles gefallen?“

- predigen:

„Wie oft habe ich Dir schon gesagt, dass Du Dir nicht alles gefallen lassen sollst!“

- beschämen, abstempeln:

„Was bist Du nur für eine feige Memme, dass Du Dir alles gefallen lässt!“

- befehlen:

„Ich kann das nicht mehr hören. Hör auf zu nörgeln!“

- drohen:

„Jetzt vermassle mir nur nicht die Stimmung, sonst gehe ich zu meiner Freundin!“

bagatellisieren:

„Das wird schon nicht so schlimm gewesen sein.“

- ablenken:

„Jetzt schau mal, was ich Dir Schönes gekauft habe.“

- einen Ratschlag geben:

„Beschwer’ Dich doch bei dem Abteilungsleiter!“

- trösten:

„Das wird schon besser werden.“

- diagnostizieren:

„Du bist zu pessimistisch.“

- belehren:

„Wenn Du immer so negativ denkst, dann versaust Du Dir die Stimmung.“

Die meisten Reaktionen lösen Ärger aus, weil man sich nicht verstanden (abgelehnt) fühlt, bei einigen erlebt man sich unzulänglich und andere lösen Schuldgefühle aus. Die Folge ist, dass man sich rechtfertigt und die Situation als unerfreulich ansieht. Dies alles führt dann letztlich dazu, dass man sich dem anderen verschließt: „Dem erzähl’ ich nichts mehr!“

(2) hilfreiche Reaktionen

Um einem anderen eine Hilfe bei der Lösung seiner Probleme zu sein, sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen:

- Der andere äußert den Wunsch nach Hilfe bzw. zeigt Bereitschaft, sich helfen zu lassen.

Ausgeschlossen ist so, dem anderen seine Hilfe aufzudrängen.

- Das Problem des anderen wird angenommen, d. h. es führt nicht zu einer eigenen Beeinträchtigung.

Die eigene Person soll in einem hilfreichen Gespräch versuchen, die Gedanken und Gefühle des anderen zu verstehen. Dies wird erschwert, wenn man selbst in das Problem involviert ist.

- Bereitschaft, dem anderen zu helfen

Die eigene Person hat momentan keine Vorbehalte dem anderen gegenüber und ist in das Problem auch nicht involviert.

- Zeit für ein Gespräch haben

Es gibt derzeit nichts Wichtiges zu tun.

Was sind nun hilfreiche Reaktionen? Allgemein lässt sich sagen: Hilfreich sind Reaktionen, die den anderen bei der eigenständigen Lösung seines Problems unterstützen. Welche Verhaltensweisen sind nun im Einzelnen hilfreich? (u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2002, Kapitel 6, „Familienkonferenz“, 2000, Kapitel 3)

Gordon verweist zunächst auf das Passive Zuhören mit nachfolgenden Elementen:

- Dem anderen wird signalisiert, dass man ihm seine Aufmerksamkeit schenkt, indem man ihm den Körper zuwendet und ihn anschaut.

- Dem anderen zuhören, während dieser spricht, anstatt ihn zu unterbrechen

- Dem anderen signalisieren, dass man ihm zuhört, durch bestätigende Äußerungen wie „hm“, „wirklich“, „aha“, „ja“

- Dem anderen Möglichkeiten zum Weitersprechen anbieten mittels sogenannter „Türöffner“, wie z. B.: „Möchtest Du darüber sprechen?“

Ist Passives Zuhören schon hilfreich, weil dem anderen vermittelt wird, dass man ihn verstehen möchte, so hat es jedoch den Nachteil, dass der andere nicht weiß, ob ich ihn richtig verstanden habe. Aus diesem Grund wird eine andere Form des Gesprächs zusätzlich verwendet, das Aktive Zuhören. Beim Aktiven Zuhören teile ich dem anderen die Gedanken und Gefühle mit, die ich bei ihm aufgrund seiner Aussagen und weiterer nonverbaler Merkmale wahrgenommen habe. Der andere wiederum kann mir dann sagen, ob er sich richtig verstanden fühlt. Das Aktive Zuhören lässt sich dabei im Sinne eines formalisierten Kommunikationsprozesses wie folgt darstellen:

- Der andere hat etwas erlebt, das mit bestimmten Gefühlen einhergeht.

- Das Erleben wird von ihm in Form von Aussagen, einhergehend mit einer bestimmten Mimik, Gestik und Stimmlage, mitgeteilt.

- Ich versuche das vom anderen Mitgeteilte zu verstehen.

- Ich teile mein Verständnis in Form einer Aussage mit.

- Der andere überprüft meine Aussage dahingehend, ob sie seinem Erleben entspricht.

- Ist dies der Fall, bestätigt er dies in irgendeiner Weise („ja“, „hm“, mit Aussage fortfahren), oder aber er teilt mir mit, dass er etwas anderes gemeint hat.

- Im letzten Fall muss ich meinerseits wieder das vom anderen Gesagte entschlüsseln und ihm meine neue Interpretation mitteilen.

Wie wirkt sich nun das Aktive Zuhören aus? (u. a. Gordon, „Familienkonferenz“, 2000, 68ff)

auf den anderen

 Der andere wird angeregt, sich mit seinem Problem weiter zu beschäftigen: Er erhält so mehr Einblick in sein Problem und kommt zu einer eigenständigen Problemlösung.

 Indem der andere mir beunruhigende Empfindungen mitteilt, kann er sie annehmen.

 Der andere gewinnt mehr Selbstvertrauen, wenn er zu eigenständigen Lösungen kommt.

 Der andere ist auch bereit, mir mehr zuzuhören.

auf meine Person

 Ich lerne den anderen besser kennen, so dass sich die Einstellung zu ihm verändern kann.

 Ich (z. B. als Elternteil) werde entlastet, die Verantwortung für die Lösung des Problems des anderen (z. B. meines Kindes) zu übernehmen.

auf uns beide

 Die Beziehung zwischen uns verbessert sich.

Nachfolgend wird ein Fallbeispiel aus dem Nachbarschaftsbereich dargestellt. Herr K. sitzt mit seiner Frau beim Abendessen.

(1) Frau K.: Mir ist heute etwas passiert. Geh’ ich doch an der Klaus im Treppenhaus vorbei und grüße. Meinst Du, die hätte zurückgegrüßt?

Herr K.: Damit hast Du nicht gerechnet, dass sie nicht gegrüßt hat.

(2) Frau K.: Aber wirklich nicht. Was bildet die sich eigentlich ein, die blöde Kuh!

Herr K.: Das macht Dich richtig wütend.

(3) Frau K.: Das nächste Mal grüße ich auch nicht.

Herr K.: Das ist dann für Dich eine Genugtuung.

(4) Frau K.: Ich überlege die ganze Zeit, warum die Klaus mich nicht gegrüßt hat.

Herr K.: Das beschäftigt Dich.

(5) Frau K.: Vielleicht liegt das daran, dass ich mit der Schulze die letzten Tage gesprochen habe.

Herr K.: Du hast eine Vermutung, warum die Klaus Dich nicht gegrüßt hat.

(6) Frau K: Du weißt ja, dass mich schon lange ärgert, dass die Klaus so unregelmäßig das Treppenhaus putzt. Ich habe zu der Schulze gesagt: Wenn die Klaus ihre Wohnung so sauber hält wie das Treppenhaus, dann gibt sich das Ungeziefer bald ein Stelldichein.

Herr K.: Du hast Deinem Ärger über die Klaus gegenüber der Schulze freien Lauf gelassen.

(7) Frau K.: Ich bin davon ausgegangen, dass die Schulze der Klaus nichts sagt.

Herr K.: Du warst Dir ziemlich sicher, dass die Klaus nichts von dem Gespräch erfährt.

(8) Frau K.: Es kann nur so sein, dass die Schulze der Klaus etwas gesagt hat.

Herr K.: Es gibt keine anderen Möglichkeiten.

(9) Frau K.: Was soll ich jetzt nur machen?

Herr K.: Du weißt nicht, wie Du mit der Situation umgehen sollst.

(10) Frau K.: Ich glaube, ich frag’ mal die Klaus, warum sie mich nicht mehr grüßt.

Herr K.: Du willst erst einmal überprüfen, ob Du mit Deiner Vermutung richtig liegst.

(11) Frau K.: Wenn die Schulze ihr das weitererzählt hat, dann erkläre ich der Klaus, warum ich das gesagt habe.

Herr K.: Du möchtest dann reinen Tisch machen.

(12) Frau K.: Ja.

(3) Erweitertes Problemlösen

Das Aktive Zuhören führt im Fallbeispiel zu einer Lösung. Das muss jedoch nicht zwangsläufig so sein. Vielmehr kann diese Gesprächsform zunächst nur den Blick für das eigentliche Problem schärfen, dem weitere Problemlösungsschritte folgen müssen (vgl. Gordon, „Die Neue Familienkonferenz“, 2000, 227ff). Um dies verständlicher zu machen sei erwähnt, dass die Problemlösung aus verschiedenen Stufen besteht:

- das Problem definieren

- alternative Lösungen entwickeln

- Lösungen bewerten

- eine Lösung auswählen

- die Ausführung der Lösung planen

Auf der Grundlage der durch Aktives Zuhören gewonnenen Problemdefinition kann eine Person eine andere durch den Problemlösungsprozess führen, indem sie Hilfen gibt im Sinne des Überleitens von einer Problemlösungsstufe zur jeweils nächsten. Die einzelnen Lösungsschritte hingegen werden von der Person bewältigt, die das Problem besitzt.

Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen

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