Читать книгу Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen - Norbert Bertelsbeck - Страница 4
1. Das partnerschaftliche Beziehungskonzept von Thomas Gordon Einleitung
ОглавлениеBetrachten Sie einmal den Ablauf eines Tages, so werden Sie feststellen, dass Sie, wenn auch jeweils in Abhängigkeit von besonderen Lebenssituationen, es häufig mit anderen Menschen zu tun haben: Mit Ihrem Ehepartner oder Lebensgefährten, Kindern, Arbeitskollegen, Nachbarn, Freunden, Bekannten, Verwandten oder sonstigen mehr oder minder fremden Personen wie den Verkäufern im Geschäft, anderen Fahrgästen im Bus oder der Bahn etc. Die Kontakte werden dabei als mehr oder minder angenehm erlebt.
So kann es sein, wenn Sie berufstätig und zugleich verheiratet sind, dass Ihr ebenfalls berufstätiger Partner sich morgens allzu lange im Badezimmer aufhält, während Sie in Eile sind. Im vollen Bus auf dem Weg zur Arbeit werden Sie, während Sie stehen, von hinten angerempelt. Im Büro raucht neuerdings ein Arbeitskollege, dem Sie gegenüber sitzen; ein anderer ist ungewohnt schweigsam. Ihr Chef hat Ihnen heute schon wieder eine Sonderarbeit verpasst, die es unmöglich macht, eine Terminarbeit zu erledigen. Kommen Sie nach Hause, so sagt Ihre Frau mit stockender Stimme, dass ihre Freundin eine Verabredung nicht eingehalten hat und möchte mit Ihnen hierüber sprechen, oder die Kinder wollen sofort mit Ihnen spielen, obgleich Sie erschöpft sind. Abends würden Sie gern mit Ihrem Partner einen Film im Kino anschauen, dieser möchte jedoch zu Hause bleiben. Ihre älteren Kinder kommen spätabends nach Hause und machen Lärm, während Sie schon schlafen und dadurch aufgeweckt werden.
Wenngleich Kontakte aufgeführt wurden, die im Allgemeinen als unangenehm angesehen werden, so hat der Alltag jedoch auch eine Vielfalt von angenehmen Begegnungen zu bieten, die das Leben lebenswert machen.
Das Essen steht schon auf dem Tisch, als Sie nach Hause kommen, obgleich Sie damit nicht gerechnet haben. Der Chef teilt Ihnen mit, dass eine Beförderung ansteht. Die Tochter sagt zu Ihnen: „Vati, ich hab’ Dich lieb“. Sie sehen sich mit Ihrem Partner einen schönen Film an. Sie haben im Stehcafé eine anregende Unterhaltung mit einer anderen Person. Sie stehen für eine ältere Dame im Bus auf, die sich daraufhin überschwänglich bedankt, worüber Sie sich freuen etc.
Wird der Beziehungsalltag also sowohl positiv wie negativ erlebt, so ist es gleichwohl von großer Bedeutung für Ihr Wohlbefinden und für die Qualität von Beziehungen, wie Sie mit Verhaltensweisen von anderen umgehen, die für Sie ein Problem darstellen. Damit sind wir beim Thema dieser Arbeit. Es wird u. a. dargestellt, wie Menschen auf Verhaltensweisen von anderen reagieren können, die sie als unangenehm erleben, ebenso wie sie sich verhalten können, wenn andere Personen über ihre Probleme erzählen. Im Grunde gibt es eine Vielzahl von Antworten auf das Vorliegen von Problemen: z. B. sich in Konflikten durchsetzen wollen oder aber nachgeben; bei Problemen anderer Ratschläge erteilen oder diese kritisieren.
In dieser Arbeit werden Problemlösungen vorgestellt, die
- bei unangenehmem Verhalten von anderen diesen die Entscheidung und Verantwortung für eine Verhaltensänderung überlassen,
- bei Konflikten eine Lösung im Konsens anstreben,
- bei Problemen des anderen dessen Selbstständigkeit für die Problemlösung unterstützen
Eine solche, hier mit partnerschaftlichem Beziehungsverhalten bezeichnete Problemlösungsorientierung ist mit dem Namen von Thomas Gordon verbunden und findet sich in allgemeiner Form in Adams/ Lenz’ Beziehungskonferenz und Thomas Gordons neuer Beziehungskonferenz wieder.
Wer war nun Thomas Gordon? Antworten hierzu finden sich in seiner Autobiographie ( vgl. Hg. Breuer, Karlpeter: „Das Gordon Modell“, 1998, 23-75).
Gordon wurde 1918 in einer amerikanischen Kleinstadt mit dem Namen der Weltstadt Paris geboren und verstarb im Jahr 2002. Er studierte zunächst Medizin und anschließend Psychologie. Das Studium wurde zwischenzeitlich unterbrochen durch seine Einberufung in die Armee während des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Ende des Studiums arbeitete er zunächst einige Jahre an der Universität. Danach wurde er Unternehmensberater, zunächst als Angestellter, dann als Selbstständiger. Neben seiner unternehmensberaterischen Tätigkeit war Gordon später auch als Therapeut tätig. Unzufrieden mit seiner therapeutischen Tätigkeit, wandte er sich seit 1962 vornehmlich dem Thema zu, wie sich Beziehungen zwischen Personen auf gleichberechtigter Grundlage verbessern lassen.
Theoretische Anleihen nimmt Thomas Gordon bei Carl Rogers, dem Begründer der Gesprächspsychotherapie (vgl. z. B. Rogers, „Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie“), mit dem er auch einige Zeit freundschaftlich verbunden war (vgl. Hg. Karlpeter Breuer, „Das Gordon-Modell“, 1998, 23ff). Gordon führt diese Gesprächstechnik in Form des Aktiven Zuhörens bei Problemen anderer Personen in den Beziehungsalltag ein, verwendet darüber hinaus jedoch noch weitere Elemente, die sich vornehmlich auf den Umgang mit unannehmbarem Verhalten Dritter und Konflikte beziehen. Steht bei Rogers (z. B. Rogers, „Die Entwicklung der Persönlichkeit“) die Förderung der Entwicklung von Menschen im Vordergrund, so geht es Gordon um die Entwicklung von befriedigenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Entsprechende soziale Kompetenzen zu erwerben, die derartige Beziehungen möglich machen, beinhaltet dann jedoch auch, dass Menschen sich weiterentwickeln.
Bezüglich partnerschaftlicher Beziehungen liegen unterschiedliche Veröffentlichungen in deutscher Sprache vor. Die Bücher lassen sich danach unterscheiden, ob sie in einer allgemeinen oder spezifischen Weise auf Beziehungen Bezug nehmen:
- Partnerschaftliche Beziehungen im Allgemeinen sind Gegenstand von zwei „Beziehungskonferenzen“. Die „neue Beziehungskonferenz“ stellt die partnerschaftlichen Problemlösemethoden im Gesamtzusammenhang dar, die „Beziehungskonferenz“ von Adams, der Frau von Thomas Gordon, und Lenz stellt das partnerschaftliche Beziehungskonzept explizit in den theoretischen Rahmen der Selbstverwirklichung (Adams, Lenz, „Beziehungskonferenz“, 2001, 17-44) und führt als zusätzliches Thema die effektive Planung der Verwirklichung von Bedürfnissen ein (Adams, Lenz, „Beziehungskonferenz“, 2001, 288-301).
- Aussagen über einzelne Beziehungen erfolgen in Bezug auf Familie, Schule und Beruf. Ein thematischer Schwerpunkt ist dabei die Familie.
Zunächst wurde Anfang der siebziger Jahre die „Familienkonferenz“ herausgegeben. Hier formuliert Gordon den Gedanken eines partnerschaftlichen Eltern-Kind-Umgangs miteinander und stellt dar, wie sich dies in der Praxis umsetzen lässt. Mitte der siebziger Jahre folgte die „Familienkonferenz in der Praxis“. In diesem Buch werden Erfahrungen von Eltern mit dem partnerschaftlichen Erziehungsstil ausgewertet. Dies hatte dann auch einige Änderungen des partnerschaftlichen Konzepts zur Folge. Schließlich wurde Ende der achtziger Jahre noch die „Neue Familienkonferenz“ veröffentlicht. Hier kritisiert Gordon ausführlich den machtorientierten Erziehungsstil und stellt diesen seinem partnerschaftlichen Stil gegenüber.
Ein zweiter thematischer Schwerpunkt ist der berufliche Bereich. In „Managerkonferenz“ wird partnerschaftliches Führungsverhalten Mitarbeitern gegenüber dargestellt und in „Patientenkonferenz“ ein ebensolcher Umgang von Ärzten in Bezug auf Patienten. Letztlich geht „Schülerkonferenz“ darauf ein, wie Lehrer ihren Beruf pädagogisch ausüben sollten.
Einzelne Themen der Arbeit
Mit welchen Themen setzt sich nun diese Arbeit auseinander? Hierzu ein Überblick:
- Zunächst werden metatheoretische Aussagen zum partnerschaftlichen Beziehungskonzept getätigt.
Wertvorstellungen steuern im Gordon-Modell die Auswahl von Problemlösungsmethoden. Es soll aufgezeigt werden, welche Werte von Bedeutung sind. Wie weiter oben schon gesagt, ist Gordon ein Schüler von Carl Rogers, dem Vater der Gesprächspsychotherapie. Es wird deshalb diese Psychotherapieform in Kürze mit dem partnerschaftlichen Beziehungskonzept verglichen.
- Sodann wird über die Methoden zur Lösung von Problemen informiert. Damit werden Aussagen darüber gemacht, wie in partnerschaftlichen Beziehungen gehandelt werden sollte, wenn mir das Verhalten einer anderen Person nicht gefällt, wenn Konflikte zwischen mir und dir vorliegen und wenn du mir gegenüber ein Problem äußerst, dass du mit anderen hast. Zusätzlich zu vorgenannten Gordonschen Beziehungsthemen wird darauf eingegangen, wie ich mich verhalten sollte, wenn du mir ein Problem mitteilst, dass du mit mir hast.
- Wie weiter oben schon bemerkt, fügen Adams und Lenz dem partnerschaftlichen Beziehungskonzept noch weitere Themen hinzu.
- Weisen die partnerschaftlichen Methoden den Weg zur Lösung von Problemen in verschiedensten Beziehungen, so lassen sich gleichwohl für einzelne Beziehungsarten noch zusätzliche Aussagen formulieren.
- Auf der Grundlage eines partnerschaftlichen Beziehungskonzepts liegen von Gordon Programme zum Trainieren partnerschaftlichen Verhaltens vor.