Читать книгу Wir sind Unikate, Mann - Norbert Johannes Prenner - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеZeitvertreib
Und ich dachte, wir sind dich los, Mann? lachte Caro. Arnos persönlicher Seelenarzt und zog heftig an seiner Zigarette. - Irrtum! Das hättest du dir so gedacht, wie? Arno holte sich den Stuhl näher ran und setzte sich.- Was liegt an? Hast du nasse Socken oder hat dich deine Herrin wieder einmal verlassen? - Herrin! Was heißt hier Herrin? Hat es jäh den Anschein gegeben, als stünde ich unterm Pantoffel?, grinste Arno.- Aber Schiss hast du, gib’s zu, versuchte Caro ihn in die Ecke zu drängen. - Constance ist eine Frau, die eben weiß, was sie will. Und das ist nicht unbedingt etwas Negatives. Oder findest du? Und überdies ist sie in Paris. Dienstlich. - Na, dann geht es uns ja prächtig. N‘ Bier, oder was Stärkeres?- Noch zu früh. Einen Verlängerten, aber schwarz bitte, rief er der Kellnerin zu.- Hätt‘ ich auch gern, brummte Caro in sich hinein. - Hast du heute keinen Dienst, fragte Arno.- Doch, fünfzehn Uhr. Dienstag. Heißt ja schon so.
Die Caro Ass Show. Direkt über’s Ohr in die Haut gespritzt, du kennst mich ja!- Ja, sagte Arno beiläufig, Kraftradio, ich weiß! Er nahm eine Zigarette aus dem Päckchen, welches er in der linken Hemdbrusttasche bei sich trug und zündete sie an. Die Kellnerin, ein Typ mit blonden Haaren, Arschgeweih und tiefer gelegter Hose, stellte das Tablett unsicher auf den kleinen Tisch, den Hintern, den die engen Jeans kaum noch zu verdecken mochten, Caro zugewandt, der nie eine Gelegenheit auszulassen schien hinein zu starren, auf das zarte Pfirsichartige, was sich ihm hier bot.- Fall nicht gleich rein, grinste Arno, als sie weg war.- Hast du das gesehen? Hast du das gesehen, Mensch? raunte ihm Caro aufgeregt zu. Ich spinn‘ doch am hellen Tage! Da muss ich …Er war aufgesprungen und der Serviererin nachgeeilt. Arno beob- achtete, wie er sie ansprach. Aus ihrer Mimik und Gestik war zu erkennen, als wäre sie von dessen Charme ganz offensichtlich beeindruckt.
Die Buchung war geglückt und Caros Konto im Plus. Siegessicher kehrte er an den Tisch zurück. Denise! seufzte Caro, ich werde in einer Denise sein. Ohohoho! Ich werde ihr Höhlensystem erforschen. Jaaa, Mann, ich bin doch im Grunde ein wissenschaftlicher Typ! Übrigens, immer schon gewesen! Nicht waahhr?, fügte er flüsternd hinzu.- Weißt du, was du bist? Ein haltloser Triebtäter. Aber ich kann‘s dir nicht verübeln. Diese Welt ist nun einmal so. Und wir beide werden sie auch nicht ändern, oder?, und sie lachten.- Also, erzähl schon! Wo bist du gewesen? Arno überlegte kurz, nahm einen Schluck Kaffee und sagte dann: Eigentlich war ich gar nicht weg. Ich hab‘ mich einfach in meinem Loch verkrochen.
Einmal abschalten, du verstehst? Ach übrigens, ich bin gefeuert!, fügte er emotionslos an.- Ah! entfuhr es Caro. Und mit welcher Begründung?- Nun, man ist mit meiner Arbeit nicht mehr zufrieden, das ist der Grund. Außerdem haben sie ein paar Neulinge an Land gezogen, die besser wären als ich, tatsächlich! Und überdies müssen sie denen weniger zahlen, und anschaffen lassen sie sich auch leichter als unsereins. Hat was, nicht? Und darüber hinaus braucht man mir dadurch weniger Abfertigung zahlen, wenn sie mich jetzt loswerden, du verstehst?- Merkwürdige Gesellschaft, grinste Caro. Die Arbeitsämter platzen aus allen Nähten, es gibt keine Jobs, die Älteren schmeißen sie vorzeitig raus. Was für eine Scheißwelt! Man sollte den Politikern und den Typen auf den Führungsebenen die fetten Löhne streichen und die Kerle in Arbeitskleidung stecken, damit sie am eigenen Leib erfahren, was eine Tretmühle ist, erzürnte er sich.
Arno lehnte sich entspannt zurück. -Trotzdem lass‘ ich mir meine gute Laune davon nicht verderben. Nun habe ich endlich wieder einmal Zeit für mich, sagte er.- Und? Was wirst du tun?- Vorläufig einmal nichts. Das muss ich erst lernen. Nach fünfundzwanzig Jahren Müh‘ und Plag ist man so was nicht gewohnt, glaube mir. Stumm starrten sie eine Zeit lang durch die große Auslagenscheibe vor ihrem Tisch auf die belebte Straße. Ein Tag wie jeder andere. Warum nicht? Besondere waren selten. Also musste man sehen, wie man mit diesem zurechtkam. Arno durchbrach die Stille. - Es haben sich einige Kunden beschwert, meinte er emotionslos.- Wie ich immer zu sagen pflege, man kann es niemandem Recht machen, reagierte Caro gelassen. Ich spüre selbst schon den Stiefel in meinem Rücken. Es gibt einen neuen Programmdirektor. Auch so ein junger Spund.
Kommt hier hereingeschneit und denkt, er müsste den ganzen Sender mit seinen schwachsinnigen Ideen revolutionieren. Denkt, er is´ was Besonderes. Denkt ohnehin ein jeder von sich! Im Grunde hat er keine Ahnung vom Tuten und Blasen. Na ja, vom Blasen vielleicht, so wie der aussieht, die kleine Tunte, hähähähä!, machte er, und verzog dabei den Mund. Arno schien momentan weit weg in Gedanken. Caro verfolgte Denise mit lüsternen Blicken die sie zu erwidern schien, wenn sie von Tisch zu Tisch schwebte. Er war sich seiner Sache todsicher und zündete erneut eine Zigarette an Plötzlich zog er seinen Notizblock aus seinem Sakko und schrieb ein paar Sachen auf.- Fällt mir eben ein, wandte er sich Arno zu. Die haben gesagt, wegen des bisschen Cadmium und Quecksilber sollte man sich in Qingdao nicht ins Beinkleid machen, es gibt Schlimmeres.
Das sollten unsere Grünen hören, was? Blöd ist nur, wenn du dort ins Wasser fällst. Das Gelbe Meer heißt angeblich deswegen so, weil man davon Gelbsucht kriegt, wenn du hinein fällst, hähähä. Arno gähnte. - Echt! Ich möcht‘ dort nicht segeln gehen. Colibakterien, Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa und solche Sachen schwimmen da drin herum. Pfui Teufel! Schlecht könnt‘ einem werden. - Musst ja nicht kosten davon, meinte Arno gelangweilt.- So hör‘ doch! Weißt du, was Kentern ist? Bist du jemals gesegelt? Ich sage dir, man ist schneller über Bord, als man denken kann. Ich schwör’s dir, dass dich die eigene Mannschaft eher ersaufen lässt, als dich so verseucht wieder an Bord zu holen, echt!- Spinn nicht! entgegnete Arno kühl.- Mit dir hab‘ ich es heut‘ nicht leicht, nein, nicht leicht, Mann, stöhnte Caro.
Arno angelte sich eine Tageszeitung und blätterte darin. - Treu sein, das kann ich nicht, summte Caro leise vor sich hin, Denisens Tätowierung über dem Hintern scharf im Auge behaltend, und meinte, die Zigarette nach Humphry Bogart Art im Mundwinkel: - Die Jugend heutzutage ist doch völlig verblödet, was? Fragt neulich eine Redakteurin einen Typen, hej Mann, auf dem Plakat da draußen steht, der Joint ist indisch, die Liebe französisch. Was heißt das? Und? Was antwortet der? Keine Ahnung Lady, ich bin Religionsstudent und völlig zu. Sagt irgendeine Tussi hinter ihm, das ist vielleicht OK, wenn einer Joints mag! Hähähähä, ticken die noch richtig? Die können nicht mehr denken, sag‘ ich dir. Keine Ahnung von, wie unser Lateinprofessor zu sagen pflegte, der alte Nazi, Arno, was ist? Bist du noch bei dir? Übrigens, kennst du den?
Ein Girl nennt ihr Baby Kolibri. Fragt ein Bekannter, hey du, was is´n das für´n Name? Sagt sie, das kommt daher, dass ich nicht weiß, ob es vom Kohlenhändler, vom Lichtkassier oder vom Briefträger ist. Hahhahaha!, und er bog sich vor Lachen.- Sehr witzig! Arno atmete tief durch, legte die Zeitung weg und wandte sich seinem Freund mit den Worten zu: Caro Ass, ich sag‘ dir was, sterben möchte‘ ich vor Langeweile, tot umfallen. Wieso machst du nicht einmal eine ordentliche Kultursendung? Könnte ihr nicht ein bisschen kritischer sein in der Auswahl eurer akustischen Dauerbombardements? Ein wenig Wetter, ein bisschen Verkehr, der Rest bloß unnötiges Geschwätz über dies und jenes. Ihr glaubt wohl, euer Publikum besteht ausschließlich aus Idioten, oder? - Ja, das glauben wir, lachte Caro. Die Anrufe bestätigen unsere Programmauswahl, ehrlich! Was willst du eigentlich von mir?
Soll ich Oper machen oder was? Du hast keine Ahnung, was die Leute wollen! Wir richten uns danach, was verlangt wird, verstehst du?- Und das wird verlangt? Das kannst du mir nicht erzählen. Vierundzwanzig Stunden lang Schwachsinn, Mann? - Immerhin, man kann auch abschalten!- Ach ja, sagte Arno leise. Diese Option hätt‘ ich beinah vergessen. Mit einem Handzeichen machte er sich der Serviererin bemerkbar, die sogleich herbeieilte, und bestellte nun doch vorsichtshalber einen Prosecco. Was war von diesem Tag noch zu erwarten? - Sag‘ ich ja! Du hast nichts zu verlieren? Ich bin von vier bis fünf auf Sendung. Danach kehren wir hierher zurück, schnappen uns Denise- Mäuschen und fahren mit ihr hinaus ins Grüne. Oder? - Mich lass‘ aus dem Spiel. Hast du gestern den Film mit der Dingsda gesehen?- Zufällig. Zwischen Geschirrabwaschen und Staubsaugen, lachte Caro.- Ich bin entsetzt, sagte Arno.
Was muss ein Drehbuchautor für einen Stress haben, in ein einziges Drehbuch so viel gesammelte Scheiße zu packen, wie einem nicht einmal in ein paar aufeinanderfolgenden Leben widerfahren kann? Abgesehen von der Arroganz der Hauptdarstellerin, noch dazu ständig die berühmte Mama kopieren zu wollen. Peinlich das Ganze, echt. Ein so ausgeklügelter Mist wird auch noch verfilmt! Es überrascht einen nicht mehr, dass die eigene Mutter mit dem zukünftigen Bräutigam der Tochter pennt, dass die Rivalin ermordet und die Leiche verbrannt wird, das schicke Töchterlein nebenbei auch noch schwanger ist, selbstverständlich eine schwierige Schwangerschaft, klar! Und das alles in einem einzigen Film, ich halt’s nicht aus! Und ich finde den Aus-Knopf nicht! Caro grinste und sah Arno von der Seite an. - Du solltest dir deine Erregtheiten bis übermorgen aufheben, wenn Constance wieder zurückkommt. Findest du nicht? bemerkte er zynisch.