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Katho-Semantik: Dialog und Sprache

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Dass „Dialog“ und „Gespräch“ eine erste innerkirchliche Konjunktur erfuhren, kann überraschen. Beruhen sie doch im zeitgenössischen Verständnis

„entschieden auf der Anerkennung der wesentlichen Gleichberechtigung der Partner. Ein Gespräch, bei dem von vornherein feststeht, daß z. B. seiner äußeren oder inneren Stellung wegen der eine Partner dem anderen gegenüber recht behalten muß, schließt heute geradezu den echten Gebrauch des Wortes … aus“36.

In der Kirche war ein solcher Dialogbegriff nicht nur unvertraut, Dialog war gänzlich anders konturiert. Dass auf dem Konzil Bischöfe Argumente austauschten, mochte die Illusion gefördert haben, es verwirkliche eine dialogische Kirche.37 Übersehen wurde und wird, dass hier keineswegs Gleichberechtigte im Austausch waren, sondern einer der Bischöfe, nämlich der von Rom, als Papst entscheidend gleicher war als alle anderen. Denn ein katholisches Konzil ist als Ereignis (Einberufung, Themen, Tagesordnung, Dauer) wie in seinen Ergebnissen (verbindliche Auslegung, rechtliche Umsetzung) in der Hand des Papstes.38 Zudem hatte Papst Paul VI. in seiner Antrittsenzyklika (1964)39 erstmals das Dialogmotiv zwar in die kirchliche Lehre aufgenommen, allerdings in einer katholischen Neuformatierung. Sein Inhalt wird deutlich, wenn sich die Kirche im Dialog mit der Menschheit, den anderen Religionen und christlichen Konfessionen40 sieht, allerdings als „Erbin und Hüterin“ des Wahrheitsschatzes.41 Wenn der Wille, Brüder der Menschen zu sein, gepaart ist mit dem, ihre Hirten, Väter und Lehrer sein zu wollen42, wird klar: „Dieses Lehrer-Sein prägt alles, was Paul VI. mit dem Begriff Dialog umschreibt“43. Noch deutlicher wird dies, wo der Papst vom Dialog in der Kirche spricht.44 Die Beziehung der Glieder der kirchlichen Gemeinschaft im „Geist des Dialogs“ wolle auf keinen Fall

„die Pflege der Tugend des Gehorsams beseitigen, da nämlich die Ausübung der Autorität auf der einen Seite und die Unterwerfung auf der anderen Seite, sowohl von einem geordneten gesellschaftlichen Leben, als auch insbesondere von der hierarchischen Natur der Kirche gefordert wird. Die Autorität der Kirche ist von Christus eingesetzt; sie vertritt ihn, sie ist die bevollmächtigte Vermittlerin seiner Worte und seiner seelsorglichen Liebe“45. „Wenn Wir Gehorsam und Dialog zueinander in Beziehung bringen, so wollen Wir damit unterstreichen, dass einerseits die Ausübung der Autorität ganz von dem Bewußtsein, im Dienste der Wahrheit und der Liebe zu stehen, durchdrungen sein muss, und dass andererseits die Befolgung der kirchlichen Vorschriften und der Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen Oberen bereitwillig und freudig sein sollen, so wie es sich für Kinder geziemt, die frei sind und aus Liebe gehorchen. Der Geist der Unabhängigkeit, der Kritik, der Auflehnung verträgt sich schlecht mit der Liebe, die ein Gemeinschaftsleben beseelen soll … und verwandelt schnell den Dialog in eine Auseinandersetzung, einen Wortwechsel, ein Streitgespräch“46. „Alles, was zur Ausbreitung der kirchlichen Lehren dient, hat Unsere Billigung und Empfehlung. … Alle, die an diesem lebenspendenden Dialog der Kirche unter Führung der zuständigen Autorität teilnehmen, ermuntern und segnen Wir: besonders die Priester, die Ordensleute, die guten Laien, die in der Katholischen Aktion oder in anderen Vereinigungen für Christus kämpfen“47.

Angesichts dieses Dialogbegriffs ist folgerichtig, dass ihn auch das Konzil nur für die Außenbeziehungen der Kirche verwendet, „um jede Vorstellung eines innerkirchlichen par cum pari von vornherein nicht aufkommen zu lassen“48 – eine Sensibilität, die sich aus gegebenem Anlass wiederholen wird.

„Mit einem Dialog hat das alles nichts zu tun“49. Vom Gespräch unter Gleichberechtigten wurde „Dialog“ ständehierarchisch umformatiert zu einer notwendigerweise asymmetrischen Kommunikation zwischen kirchlichen Oberen und den ihnen unterworfenen Gläubigen. Dabei geht es um ein symptomatisches Beispiel für die gängige katholisierende Umdeutung von vertrauten Begriffen und eine signifikante Form lehramtlicher Machtausübung durch verbale Falschmünzerei.50 Der Papst ist Herr der Semantik. Was hier geschieht, hat Lewis Carroll in seinem zweiten Alice-Roman (Alice hinter den Spiegeln, 1871) exemplarisch anschaulich gemacht. In der Parallelwelt hinter den Spiegeln begegnet Alice dem menschenförmigen Ei Humpty Dumpty. Sie wundert sich, dass es das Wort „Glocke“ im Sinne von „einmalig schlagender Beweis“ benutzt. Auf ihren Einwand, das heiße „Glocke“ doch gar nicht, folgt die „recht hochmütige“ Antwort: „Wenn ich ein Wort gebrauche, dann heißt es genau, was ich für richtig halte – nicht mehr und nicht weniger.“ Darauf Alice: „Es fragt sich nur, ob man Wörter einfach etwas anderes heißen lassen kann.“ Und Humpty Dumpty: „Es fragt sich nur, wer der Stärkere ist, weiter nichts“51. Es geht um die Macht, Wörter zu füllen, um die Definitionsmacht. That’s all!

Im Verhältnis zwischen Klerikern und Laien war Dialog ein Wort der Sehnsucht und der Hoffnung, es möge ein ehrliches klerikales Versprechen sein, dessen Einhaltung man zwar nicht einklagen, aber moralisch erwarten dürfe. Nach dem Konzil war diese Hoffnung zunächst stark.52 Allerdings galt mit Francis Bacon auch damals schon: „Hoffnung ist ein gutes Frühstück, aber ein schlechtes Abendbrot“53. Ahnungsvoll forderten Laien daher öffentlich mehr als nur Versprechungen: „Die Laien sind Kirche, nicht nur hörende Kirche und nicht nur Ersatzleute, die bei Priestermangel einzuspringen haben“54. Sie wollten nicht mehr von Klerus’ Gnaden handeln, sondern echte Laienrechte:

„Wir stellen die Gretchenfrage: Will die Hierarchie eine Demokratisierung, will sie Laienvertretungen, die mutig, in gewissenhaftem Ernst, aber auch in Freiheit ihre Ansichten vertreten, auch wenn sie im konkreten Fall einmal nicht mit der Meinung von einigen Pfarrern, Prälaten oder gar Bischöfen übereinstimmen, oder will sie Jasager?“55

Die Kritik traf auch das ZdK selbst. Immer noch gebe es in ihm zu viele Geistliche, und sein Statut ermögliche es dem Episkopat, „jede eigene Meinungsäußerung … zu unterdrücken. … ein schlechtes Statut trägt den Keim des Mißbrauchs in sich“56. Dass das ZdK intern bereits Vorschläge zu einer Statutenreform an die Bischofskonferenz gegeben hatte, aber nicht bereit war, öffentlich darüber zu diskutieren, bestätigte die Kritiker.57

Das Verhältnis zwischen Episkopat und ZdK wurde von beiden Seiten her neu justiert. Das Gründungsstatut der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vom Frühjahr 196658 sah u. a. eine eigene Kommission für die Laienarbeit vor, deren ständigem Beraterstab auch Laien angehören sollten. Das ZdK konnte sie vorschlagen.59 Die Nähe der Laien zur Hierarchie blieb so erhalten, wechselte in der Form aber von der Anbindung durch Direktion zur Einbindung durch Verflechtung und beratendes Mitreden.60 Das neue Statut des ZdK, das von seiner Vollversammlung am 10. Juni 1967 verabschiedet worden war, konnte nur mit der Genehmigung der deutschen Bischöfe vom 21. September 1967 in Kraft treten61, auch wenn das ZdK von den Bischöfen nicht mehr dauerhaft „getragen“, sondern in sprachlicher Abwandlung in einem gewissen Eigenstand „anerkannt“ (§ 1) wurde, wobei mit diesem Wort die finanzielle Unterstützung der Bischofskonferenz angezeigt werden sollte62 (Humpty Dumpty lässt grüßen). Die bisherige strikte Unterordnung wurde abgemildert63, ohne den beträchtlichen Einfluss des Episkopats auf Mitgliedschaft wie Tätigkeit aufzugeben. Die Diözesanvertreter wurden nun durch die neuen Laienräte entsandt (§ 4 a). Für die Kooptierung weiterer Persönlichkeiten war keine Zustimmung der Bischöfe mehr nötig (§ 4 d).64 Die Leiter der Laienapostolats-Einrichtungen der DBK waren von Amts wegen Mitglieder des ZdK (§ 4 b). Der Präsident, wenn auch nicht mehr seine Vertretung, benötigte weiterhin die Bestätigung des Vorsitzenden der DBK (§ 9 Abs. 2).

Das ZdK musste nun nicht mehr einvernehmlich mit den Bischöfen handeln, und auch die Passepartout-Formel von der erforderlichen Bestätigung grundsätzlicher Beschlüsse war weggefallen. Aber ob die neu ermöglichten Beiräte zur Beratung der ZdK-Organe und der DBK mit deren Kommissionen eingerichtet würden, wurde ebenso wie ihre Zusammensetzung und ihr Vorsitz von der Zustimmung der Bischofskonferenz abhängig gemacht (§§ 2 b und 12 Abs. 4). Neu eingeführt wurde ein Generalsekretariat mit Sachreferaten. Geführt wurde es von einer eigenartigen Doppelspitze. Der Laienleiter heißt Generalsekretär und leitet in einem nicht näher konturierten „Zusammenwirken“ mit dem Geistlichen Direktor (seit 1968 Bischof Hemmerle, Aachen). Diesen leitungsbeteiligten Direktor im selben Atemzug als geistlichen und theologischen „Berater“ des ZdK zu bezeichnen (§ 11), verschleiert seine mögliche faktische Bedeutung. Beibehalten wurde der weiterhin von der Bischofskonferenz bestellte Bischöfliche Assistent (früher: Generalassistent). Als Verbindungsmann zwischen DBK und ZdK war er berechtigt, an den Sitzungen aller Organe des ZdK (Vollversammlung, Geschäftsführender Ausschuss, Präsidium) teilzunehmen (§ 10) und sicherte so den Informationsstand der Hierarchie über alle wesentlichen Vorhaben und Aktivitäten des Komitees. Eine äquivalente Vertretung des ZdK bei der Bischofskonferenz gab es nicht. Zur „institutionellen Sicherung“ der Zusammenarbeit fanden wenigstens einmal im Jahr gemeinsame Planungsgespräche zur Beratung gemeinsamer Fragen zwischen den Vorsitzenden der Kommissionen der Bischofskonferenz und dem ZdK-Präsidium sowie den Vorsitzenden der Beiräte statt.65

In enorm wortreichen grundsätzlichen Erwägungen zur Funktion des ZdK skizzierte sein Geistlicher Direktor dieses als „Gespräch“ auf mittlerer Ebene zwischen Zentrum und Peripherie. Dabei gelte:

„Gespräch ist nur dort, wo zwar jeder zu Wort kommt, aber alle, aufeinander hörend, auf das Eine hören; anders gewendet: Gespräch ist dort, wo zwar alle sich aneinander, an eine gemeinsame Ordnung im Hören aufs eine Wort binden, wo aber gerade dadurch alle dazu freigesetzt werden, ihr eigenes Wort zu sagen, an dem so freilich nicht nur das Recht und Gewicht eigener Meinung, sondern die hörende Verantwortung fürs Ganze mit hängt. Jedem Partner fällt sein Wort, sein Beitrag zu, und doch ‚gehört‘ jedem Partner nicht nur ein Teil des Gesprächs, sondern das ganze Gespräch …, in welchem sich Eigenständigkeit und Vielfalt ‚von unten‘ und Ordnung, Zusammenhang und Einheit des vielfältigen Gesamten ‚von oben‘ begegnen und befruchten“66.

Was hier tief philosophisch daherkommt, ist bei näherer Betrachtung wieder das katholisch-definierende Sprachdiktat als Vernebelung der hierarchischen Überordnung zum Zwecke ihres Erhalts. Und was hier noch undeutlich anklingt, dass nämlich die alle verpflichtende Ordnung und Einheit natürlich von jenem Oben kommt, dem der Sprecher angehört, wird im Laufe des Textes explizit, wenngleich scheinbar en passant eingespielt: Weder fehlt der Hinweis auf die Kirche als „gegliederte Gemeinschaft“67 noch auf „die eigene unverrechenbare Zuständigkeit kirchlichen Leitungsamtes“68. Entsprechend gehe es darum, „die verschiedenen Hinsichten und Weisen der allgemeinen Mitverantwortung in der Kirche … zu einem Zusammenspiel zu führen, das zugleich alle einzelnen Initiativen und das eine Leben des Ganzen fördert und entfaltet“69. Es gibt „in der gemeinsamen Verantwortung für alles verschiedene Weisen dieser Verantwortung, … dem Leitungsamt der Kirche … bleibt die Sorge fürs Ganze aufgetragen, es bleibt der Garant der Einheit des Ganzen“70. Was nottut, ist „die Wechselwirkung, die Zusammenarbeit … In ihr muß aber darauf geachtet werden, daß der eigene Stand und Rang der verschiedenen Aufgaben nicht eingeebnet wird“71.

Ohne Weisungsbefugnis koordinierte das ZdK damit die Arbeit des funktional gegliederten Verbändewesens auf der einen und die territorialen Zusammenschlüsse der Laien auf Bistumsebene auf der anderen Seite. Laut Satzung sollte es weiterhin Anliegen nicht „von“, sondern „der“ Katholiken in der deutschen Öffentlichkeit und im Ausland vertreten (§ 2). Dies erweckte wieder statuarisch den Eindruck einer Repräsentation, der faktisch nicht gedeckt war und in der eigenen Außendarstellung bestritten wurde. Gegen den Wortlaut des eigenen Statuts wurde „entschieden“ verneint, eine Gesamtvertretung der deutschen Katholiken zu sein:

„Eine Vertretung der Katholiken selbst ist es aber zweifellos nicht. Das Zentralkomitee hat nicht den Ehrgeiz, Repräsentationsorgan der deutschen Katholiken zu sein. Es geht ihm nicht um Repräsentation, etwa im Sinne von Laienparlamenten, sondern um die Zusammenfassung der Kräfte, die im Laienapostolat tätig sind“72.

Forderungen nach Demokratisierung lehnte die ZdK-Führung strikt und systemgerecht mit dem Hinweis auf den Stiftungscharakter der Kirche ab und diffamierte sie als „Verspätungserscheinung der Emanzipation des Laien in der vorkonziliaren Phase“73.

Die Täuschung

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