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Ein-Bindung der Hierarchen

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Eine wirkliche und ungewöhnliche Ein-Bindung der Hierarchen betraf lediglich zwei Aspekte der Kommunikationsregeln. Zum einen hatten sich – bei aller Privilegierung in der Debatte – auch die Bischöfe an das Grundreglement des synodalen Gesprächssettings zu halten. Auch an lange Reden gewöhnte Bischöfe mussten es hinnehmen, wenn ihnen der Moderator nach Überschreitung der fünf Minuten Redezeit das Wort entzog.156 Weitaus wichtiger war zum anderen, dass die Bischöfe begründungspflichtig waren. Sie hatten wie alle anderen für ihre Änderungsanträge zu argumentieren, ihre Vor- und gegebenenfalls Vetorechte innerhalb des Beratungsprozesses und als kollegiales Organ auszuüben. Dadurch ergab sich eine „doppelte Diskursivierung“157: Der synodalen Beratung hatte eine episkopale vorauszugehen. Der einzelne Bischof konnte seine Rechte nur über die Bischofskonferenz zur Geltung bringen, die zu einer gemeinsamen Position finden musste. Da der Meinungs- und Entscheidungsfindungsprozess in der Bischofskonferenz der Öffentlichkeit vorenthalten wurde158, kann nur vermutet werden, dass es dabei zu Kontroversen gekommen ist und einzelne Bischöfe zurückstecken mussten. Bedenken und Einsprüche erforderten dann einen zweiten Diskurs, da sie in Stellungnahmen und auf der Vollversammlung zu vertreten waren.159 Der Vorsprung formaler Autorität blieb erhalten, auch wenn eine inhaltlich-argumentative Grundierung gefordert war, die auf überzeugende Vermittlung und Einsicht zielte. Die formale Geltung der autoritativen Entscheidung blieb aber davon unabhängig.

Dass jedwede Rechenschaftspflicht nach unten im katholischen hierarchischen System nicht nur als ungewöhnlich, sondern als potenziell gefährlich gilt, dafür bewies bereits der damalige Regensburger Dogmatiker Joseph Ratzinger ein sensibles Gespür. Als 1970 den Reformkatholiken in einer „Arbeitsgemeinschaft Synode“ die Synodenpläne zu basisfern und partizipationsarm erschienen und sie in einer Resolution „Zur Durchführung der Synode 72“ öffentlich eine weitergehende Demokratisierung forderten, bewertete Ratzinger dies hinter den Kulissen als außerhalb des katholischen Kirchenbegriffs stehend. Nach dem Glauben der Kirche gebe es in ihr kein Volk, von dem alle Gewalt ausgehe. „Kirche wird vielmehr allein dadurch, dass sie von oben, vom Herrn her berufen wird, und er ist es auch, der als bleibender Herr der Kirche die Aufträge der Leitung zuteilt, die nicht auf Delegation von unten, sondern auf der sakramentalen Zuweisung von ihm her beruhen“160. Müssten Bischöfe ihre Entscheidungen begründen und zur Diskussion stellen, seien sie der Synode untergeordnet.161 Dafür, dass aus der ungewöhnlichen Integration der Bischöfe nicht tatsächlich der ungebührliche Eindruck einer Egalisierung entstand, sondern die hierarchischen Verhältnisse durchgehend erlebbar und sichtbar blieben, war zudem durch zwei flankierende Arrangements im Synodensetting Vorsorge getroffen worden.

Die Täuschung

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