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Оглавление»Polizei« und »Soziale Arbeit« – damit scheinen auf den ersten Blick Gegensätze aufeinanderzutreffen: Hier die mit den Merkmalen staatlicher Autorität – Uniform, Bewaffnung und exklusiven Eingriffsrechten – ausgestattete Behörde, die notfalls mit eigener Gewalt(-Androhung) dafür sorgt, dass Sicherheit und Ordnung bewahrt oder möglichst umgehend wieder hergestellt werden; dort die vielfältigen Arbeitsfelder und -formen einer Profession, die auf Unterstützen und Helfen aus ist, weil sie das Leben von Einzelnen, Familien oder im Gemeinwesen verbessern will.
Dass diese hier kurz angedeutete Gegenüberstellung nie die Wirklichkeit beschrieb, ist offenkundig. Denn die Polizei als »Freund und Helfer« ist nicht nur ein weiterhin beliebtes Motto polizeilicher Öffentlichkeitsarbeit; wem in Gefahrensituationen von der Polizei geholfen wurde, der oder die wird diese Aussage bekräftigen. Und umgekehrt würde man weite Teile der Sozialarbeit ausschließen, wenn man sie als Instanz betrachtete, die in der Form professionalisierter Nächstenliebe Angebote bereithält, die die AdressatInnen nach freier Entscheidung annehmen können oder nicht. Denn Sozialarbeit in justiznahen Feldern arbeitet ebenso direkt in »Zwangskontexten«, wie manche Beratungen im Bereich des Familien- und Jugendhilferechts nicht freiwilliger Natur sind.
In der Praxis gehen »Polizei« und »Soziale Arbeit« Mischungsverhältnisse ein. Durch die verschiedenen Formen »Zusammenarbeit«, »Kooperation« oder »Koordinierung« wird Soziale Arbeit besonders gefordert. Denn zu unterschiedlich scheinen die grundlegenden Orientierungen beider Bereiche:
• Sozialer Arbeit fehlt die juristische Leitnorm, die die Polizei prägt (»Sicherheit und Ordnung«); stattdessen orientiert sie sich in ihrer Arbeit an der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Mandaten.
• Soziale Arbeit ist organisatorisch, strategisch und methodisch vielfältig; demgegenüber ist die Polizei ein hierarchisch geführter, mit exklusiven Ressourcen versehener Teil des Staatsapparates.
• Soziale Arbeit ›funktioniert‹ über weiche Zugänge, über den direkten Zugang zu den AdressatInnen, während die Polizei mit der Autorität des Gewaltmonopols auftreten kann.
Bereits in diesen drei Merkmalen wird deutlich, warum das Verhältnis zur Polizei für die Soziale Arbeit eine heikle Angelegenheit darstellt: Denn hier stoßen sehr ungleiche Partner aufeinander, so dass die Gefahr besteht, dass der Schwächere auf der Strecke bleibt, d.h. die Soziale Arbeit zum Anhängsel sicherheitsorientierter Interventionen wird und sie damit die Basis ihrer eigenen Wirksamkeit untergräbt.
Seit fünf Jahrzehnten wird über das Verhältnis von Polizei und Sozialer Arbeit in Deutschland diskutiert. Längst geht es nicht mehr um die Frage, ob kooperiert werden soll, sondern um das Wie. Die Vielfalt der mittlerweile entstandenen polizeilich-sozialarbeiterischen (Arbeits-)Beziehungen wurde und wird befördert durch den Umstand, dass beide Seiten Wandlungen durchgemacht haben. In das polizeiliche Handlungsrepertoire haben Strategien und Methoden Eingang gefunden, die in der Sozialarbeit entwickelt wurden. Und die Soziale Arbeit hat die Polizei als Ressource entdeckt und akzeptiert, die genutzt werden kann, um sozialarbeiterische Ziele zu erreichen (und auch die eigene Sicherheit zu gewährleisten).
Der vorliegende Band versucht, einen Überblick über die verschiedenen Spielarten des ›Wie‹ zu geben. Dabei sind zwei Umstände besonders bedeutsam, weil sie auf Spezifika des Feldes hinweisen, die die Zusammenarbeit (und unser Wissen über diese) beeinflussen:
• Erstens ist über die Praxis der Zusammenarbeit vergleichsweise wenig bekannt. Die Polizei befasst sich mit drohenden Gefahren für Sicherheit oder Ordnung und sie befasst sich mit der Verhütung und Verfolgung von Kriminalität. Aus naheliegenden Gründen werden die Strategien der Sicherheitswahrung nur ausnahmsweise im Detail bekannt gemacht; in der Regel unterliegen sie der Vertraulichkeit oder gar der Geheimhaltung. Das schlägt sich mitunter in den Darstellungen dieses Buches nieder. Und es hat Auswirkungen auf die Soziale Arbeit, die Vertrauen durch Transparenz gewährleisten möchte.
• Zweitens folgt die Darstellung rechtlich-kriminologisch-polizeilicher Wahrnehmung. Sie ist die das Feld konstituierende Perspektive. Erst durch diese Perspektive wird die Soziale Arbeit zu den Kooperationen veranlasst. In sozialarbeiterischen Diskursen wird gerne nur am Rande erwähnt, dass auch die Polizei ›im Feld‹ ist. Nur selten ist dieser Umstand bislang wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Auch das schlägt sich in der folgenden Darstellung nieder.
Im ersten Teil des Bandes werden in zwei Kapiteln die Rahmenbedingungen vorgestellt: die Institution Polizei, die Beziehungen zwischen Kriminalität, Sicherheit und Sozialer Arbeit sowie einige spezifische rechtliche Regelungen, die für das sozialarbeiterische Handeln in diesem Feld zentral sind. Der zweite Teil gilt den wichtigsten Formen und Anlässen, in denen PolizistInnen und SozialarbeiterInnen in direkten Kontakt treten. Die verschiedenen Formen der justiznahen Sozialarbeit (Gerichtshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, Sozialarbeit im Strafvollzug) werden in diesem Band nicht berücksichtigt.
Berlin/Cottbus, im März 2021
Norbert Pütter