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b) Der ältere Schöpfungstext

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Der ältere Text über die Schöpfung findet sich in Gen 2,4b-25. Er ist auffälligerweise dem jüngeren, priesterschriftlichen nachgeordnet und steht inhaltlich in deutlicher Spannung zu diesem. Schon diese Tatsache beweist, dass es den biblischen Schriftstellern weder um historische Genauigkeit noch um die Darlegung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ging. Sie ließen sich vielmehr von theologischen Prinzipien leiten. Der Text schildert die Welt unter dem Bild eines Gartens, in den „Adam“ (hebr. „Erdling“ von adamáh = Erde) gesetzt ist. „Adam“ ist also kein Eigenname des ersten Menschen, sondern ein Kollektivbegriff für die Menschheit überhaupt. Der Garten ist vermutlich eine metaphorische und idealtypische Übersetzung dessen, was die Verfasser sich unter den königlichen Palastanlagen in Jerusalem vorstellten (vgl. 1 Kön 7,1–12). „Adam“ hat den Auftrag, diesen Garten zu „bebauen“ und zu „hüten“ (Gen 2,15). Ihm kommt also prinzipiell eine ähnliche Aufgabe zu wie dem Menschen nach dem ersten Schöpfungstext.

Während dieser sich damit begnügt, die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau zu erwähnen, widmet der zweite Text der Erschaffung der Frau und dem damit im Zusammenhang stehenden ersten Sündenfall des Menschen einen eigenen, größeren Abschnitt (Gen 2,18–25; 3,1–24). Die Erzählung von der Erschaffung der Frau war wohl ursprünglich eine eigene, selbstständige Einheit, die später hier eingefügt wurde. Möglicherweise bietet der Text Überlieferungsgut aus matriarchalischer Zeit, weil vom Mann ausgesagt wird, dass er Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen wird (Gen 2,24), während dies in späterer Zeit, unter patriarchalischen Verhältnissen, umgekehrt war (vgl. Dtn 24,2). Beachtenswert erscheint auch die positive Würdigung der Nacktheit des Menschen (Gen 2,25), die eine in altorientalischen Religionen häufig anzutreffende Dämonisierung der Geschlechtlichkeit im Rahmen der Fruchtbarkeitsreligionen aufhebt.

Die Erzählung vom Sündenfall, in der die Frau als „Ursprung allen Übels“ dargestellt wird, dürfte einen sehr konkreten Anlass haben.11 Der zur Zeit des Salomo lebende Verfasser nimmt Anstoß an der Heirat des Königs mit einer ägyptischen Königstochter, die als erste Dame am königlichen Hof offenbar großen Einfluss ausübte (vgl. 1 Kön 3,1). „Der Autor sieht darin eine Gefährdung, in der (fremden) Frau eine Verführerin Salomos […]. Diesen zeitgeschichtlichen Vorgang typisiert der Verfasser, indem er die Frau so negativ herausstellt, was die Zeitgenossen sicher richtig verstanden, die späteren aber als generelles Urteil über die Frau missverstanden haben […]. Die Wirkungsgeschichte gerade dieses Textes hat nur zu deutlich gemacht, was im Namen einer missverstandenen Interpretation geschehen kann und noch immer geschieht.“12

Wenn die hier vorgelegte Deutung zutrifft, erklärt sich auch das Bild der Schlange. Es ist damit jene Hausgöttin gemeint, die in jedem ägyptischen Haushalt geläufig war und die später mit der berühmten Isis gleichgesetzt wurde. In einem anderen Buch der Bibel werden die Heiligtümer erwähnt, die Salomo für seine ausländischen Frauen auf der später als „Berg des Ärgernisses“ bezeichneten Anhöhe östlich von Jerusalem errichten ließ (1 Kön 11,1–8). Nur so ist auch der Fluch über die Schlange zu verstehen: „Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen“ (Gen 3,14). Was ist das schon Besonderes? Die Schlange kriecht sowieso auf dem Bauch und muss Staub fressen. Darstellungen der ägyptischen Schlange, der Kobra, zeigen sie mit erhobenem Kopf – aggressiv und schützend zugleich. Die ägyptischen Pharaonen trugen die Stirnschlange am Kopf als Zeichen ihrer Macht, die gleichzeitig eine ständige Bedrohung für Israel darstellte. Der Fluch soll dieses Symbol der Hybris brechen.

Auch der folgende Vers (Gen 3,15 [„… Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er wird dir nach dem Kopf treten, und du wirst ihm nach der Ferse schnappen“]) ist leichter zu erklären, wenn der zeitgeschichtliche Hintergrund berücksichtigt wird. Zu denken ist an die Zeit des Königs Hiskija (728–699), der sich um eine Koalition mit Ägypten bemühte, um der Assyrergefahr zu begegnen (vgl. Jes 30,1–17). Andererseits hatte sich Hiskija bemüht, die religiöse Beeinflussung durch Ägypten zurückzudrängen. Der biblische Erzähler unterzieht diese „Schaukelpolitik“ einer deutlichen Kritik, die er freilich sehr geschickt zu verkleiden weiß. Hiskija trifft einerseits im Hinblick auf den Kult die (ägyptische) Schlange am Kopf, kann sie aber wegen seiner politischen Liaisonsbemühungen nicht gänzlich abschütteln. Darüber wird er schließlich zu Fall kommen (vgl. 2 Kön 20,12–21).

Es geht in den Schöpfungstexten um Theologie, die in einem erkennbaren zeitgeschichtlichen Kontext steht und die perspektivisch dargestellt wird. Die biblischen Autoren interpretieren ihre Zeit. Sie versuchen, das Hin und Her, an dem der Mensch zu leiden hat, illustrierend zu begründen. Sie verfolgen kein dogmatisch-spekulatives Interesse, sondern sind eher handlungsorientiert und -interessiert. Sie zeigen exemplarisch Folgen und Konsequenzen menschlichen Handelns auf, erinnern aber auch immer wieder an die grundsätzliche Verwiesenheit Israels und jedes Menschen auf Gott, seinen Schöpfer.

Die großen Themen des christlichen Glaubens

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