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Beratung bei den Ostelfen

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Seit der letzten Unterhaltung mit Kayleigh in Serengard sind Tage vergangen. Mit Sorge hat Cian verfolgt, dass ein großes Heer mehrere Orte im Osten angegriffen und viele davon zerstört hat. Leider ist er bisher stets zu spät gekommen, um den Menschen helfen zu können. Die Zugrichtung der Truppen deutet darauf, dass sie es auf das Gebiet der Ostelfen abgesehen haben könnten. Jetzt beraten sich Lennard, der Oberste dieser Elfen, Kayleigh und Cian. Sie sitzen auf der Veranda eines großen Baumhauses, das hoch in der Baumkrone errichtet wurde. Diese Behausungen sind bei den Ostelfen üblich und haben den Vorteil, dass sie von Feinden schlecht angegriffen werden können.

»Ich bin der Überzeugung, dass diese Truppe keine Gefahr für uns darstellt«, antwortet der hochgewachsene Elf mit rötlich-braunen Haaren. »Wenn das hauptsächlich Fußsoldaten sind, können sie nicht gut klettern und unsere Häuser stürmen. Sollten Wolfskrieger unter ihnen sein, kommen die auch nicht zu uns herauf. Wir können sie jedoch gut bekämpfen, ohne nur einen Pfeil auf sie zu schießen.« Voller Zuversicht deutet er auf einen großen Vorrat an Felsbrocken, die zu einer umlaufenden Mauer auf dem Plateau angeordnet sind. »Wir nutzen dafür diese Steine. Natürlich haben alle Elfen auch Bogen und genügend Pfeile, um die weiter entfernten Gegner treffen zu können.«

»Aber gegen Magier hilft das nicht!« Cian schaut Lennard besorgt an. Der ist nur etwa halb so alt wie er und nickt bestätigend, wobei seine grünen Augen leuchten.

»Das ist mir klar. Meine magischen Fähigkeiten sind leider gering, aber eine Schutzglocke vermag ich kurze Zeit um mich zu errichten. Gleiches gilt für viele der Elfen hier. Unabhängig davon haben wir in jedem der Baumhäuser eine Notrutsche, mit der wir schnell den Erdboden erreichen können, um einander beizustehen. Am Ende der Rutschen befinden sich außerdem unsere neuesten Verteidigungsmittel, die wir vor einigen Wochen von Kayleigh bekommen haben. Komm mit, ich zeige sie dir.«

»Nutzen wir die Notrutsche?«, fragt Cian mit hoffnungsvollem Grinsen. Er möchte gerne die rasante Abfahrt kennenlernen.

»Da komme ich gerne auch mit!« Kayleigh erhebt sich schnell, um den anderen mit leuchtenden Augen zu folgen.

»Wenn ihr die Rutsche probieren wollt, folgt mir.« Lennard führt sie in das Baumhaus hinein und dort zu einer runden Tür. Sie ist dunkelrot gestrichen und besitzt in der Mitte eine glänzende Messingkugel. Der Elf dreht diesen Knauf und öffnet den Zugang zur Gleitbahn. Die Rutsche aus dunklem, polierten Holz, windet sich spiralförmig nach unten. Sie ist um den Stamm herumgelegt. Verkleidet ist das System mit dünnen Brettern, die außen mit Moos bewachsen sind. Alle Wohnbäume sind so gebaut, wodurch es so wirkt, als hätten die Stämme einen entsprechend gewaltigen Umfang. Lennard hockt sich auf die Bahn und streckt sich dann lang darauf aus.

»Mir nach«, fordert er und verschwindet schnell nach unten. Cian folgt seinem Beispiel und fühlt sich in die Kindheit zurückversetzt. Laut lachend kommt er am Erdboden an. Hier befinden sie sich zwischen dem Stamm und der künstlichen Außenwand. Prüfend fährt Cians Hand über die Innenseite der Verschalung. Erstaunt stellt er fest, dass das kein totes Holz ist. Es ähnelt Weidenholz, das zu breiten Brettern aufgebogen und in den Boden gesteckt wurde. Sollte es dort Wurzeln gebildet und wieder angewachsen sein? Sein Staunen verrät offenbar, was er denkt, denn der andere Elf bestätigt diese Vermutung. Das erklärt auch, warum die Wohnbäume mit ihren Umbauten nicht unnatürlich wirken. Nach oben blickend erkennt er die mächtigen Äste, die in der Höhe seitwärts durch die Verkleidung herausragen und die Wohnebene tragen. Während der kurzen Zeit, in der Cian das betrachtet, ist auch Kayleigh lachend unten angekommen. Jetzt deutet Lennard auf einen Langschild, der am Stamm des Baumes lehnt. Daneben stehen ein typisches Elfenschwert, weitere Elfenbögen und mehrere mit Pfeilen gefüllte Köcher.

»Hier siehst du unsere beste Verteidigung gegen feindliche Zauberer.«

»Meinst du jetzt das Schwert oder gibt es einen besonderen Bogen?«

»Schau nur genau hin«, entgegnet Kayleigh und wartet gespannt, ob ihr Freund die Lösung erkennt. Cian tritt näher, nimmt erst das Schwert und dann die Bogen in die Hand. Sein Blick fährt auch prüfend über die Pfeile, dann stutzt er. Elfen verlassen sich sonst lieber auf ihre Schnelligkeit, die durch das Tragen eines Schildes erheblich reduziert wird. Sollte dies ein besonderes Exemplar sein? Er blickt den anderen Elf an.

»Hm. Ich sehe, auf dem Schild befindet sich ein großes »S«. Da du eine Verteidigungswaffe von Kayleigh bekommen hast, die also aus Serengard stammt, wird es der Schild sein!«

»Du hast es erraten«, bestätigt Lennard. »Aber das ist nicht alles.« Cian betrachtet die Defensivwaffe jetzt genauer. Was mag es so Besonderes geben, weshalb der Elf und auch Kayleigh ihn so erwartungsvoll anschauen? Die Verteidigung mit diesem seltsam geformten Schild muss geübt werden, ist er sich sicher. Es ist ein Langschild, der fast so groß wie der Elf ist. Die Form ist etwa v-förmig, besitzt oben eine Doppelrundung und dazwischen eine Vertiefung. An den Enden wölbt sich der Schild jeweils nach oben, um dann in die Gegenrichtung überzugehen, so dass sich in der oberen Mitte eine nach unten ausgeführte Rundung wie eine Delle ergibt. Die Seitenränder sind leicht zum Körper des Trägers hingebogen. Das außen aufgemalte goldene »S« ist die einzige Verzierung auf blauem Grund. Zuerst hält Cian das einfach für eine Kennzeichnung, als Synonym für »Serengard«. Er kraust die Stirn.

»Einen Moment, da gab es doch etwas.« Er klopft mit der flachen Hand auf seinen Oberschenkel und fährt sich schließlich mit den Fingern durch die Haare. Er wühlt darin hin und her, scheint sie sich ausraufen zu wollen. Dann fällt ihm die Bedeutung endlich ein. Er hat vor langer Zeit darüber in einem seiner Bücher gelesen. »Diese Schilde besitzen einen magischen Schutz. Sie sind nicht nur unzerstörbar, so dass kein Schwert oder Speer sie durchdringen kann, sie wirken genauso wie eine Schutzglocke, die von Zauberern mittels »Sgiath« aktiviert wird. Jeder Träger vermag durch diese Schutzwaffe auch Zaubersprüche abzuwehren, gegen die eine Schutzglocke wirken würde. Das »S« auf dem Schild bedeutet also »Sgiath!«, stimmt’s?«

»Und da sorgst du dich, senil und vergesslich zu werden«, beginnt Kayleigh. »Aber du hast recht! Da es nicht nur im Volk der Ostelfen immer weniger Zauberer gibt, wären sie im Kampf gegen Dubharan mit Zauberkräften im Nachteil. Die Schilde, besser gesagt die Vorbilder dafür, habe ich in der Waffenkammer in Serengard entdeckt. Ich habe die Schmiede angewiesen, diese wirksame Verteidigungswaffe meiner Vorfahren nach alten Vorlagen neu herzustellen, die ich anschließend mit den notwendigen Sprüchen aktiviert habe. Einhundert von ihnen hat Lennard bekommen.« Jetzt erläutert dieser die ersten Erfahrungen mit der Defensivwaffe.

»Anfangs war keiner meiner Kämpfer davon begeistert, sie zu nutzen, da das ihre Reaktionsmöglichkeiten stark herabsetzt. Ich konnte aber mit Kayleighs Hilfe den wahren Wert dieser Schutzwaffe demonstrieren. Ich hielt einen der Schilde vor mich, während sie mehrere Feuerbälle und Feuerzungen darauf schleuderte. Mit Erstaunen sahen alle das Aufleuchten einer Glocke, die sich sofort um mich aufbaute, ohne dass ich Schaden genommen habe. Am Ende der Demonstration stand ich unversehrt vor den anderen. Seitdem besitzen einige meiner Krieger diesen Schutz. Viele der Bogenschützen freundeten sich aber nicht damit an. Um Pfeile abschießen zu können, benötigen sie beide Hände. Den Schild könnten sie zwar mit der unteren Spitze in einen weichen Boden stecken, und sich bei Bedarf sogar dahinter ducken, um anschließend ihre Pfeile aus dieser Deckung auf einen Gegner zu senden, gleichzeitig bindet sie das aber an den Ort. Anders ist es mit den Schwertkämpfern und Speerträgern, sie haben die Defensivwaffe gerne angenommen.«

Im nächsten Moment sitzen die Drei wieder auf der Veranda in der Höhe. Kayleigh hat für sie einen heißen Pfefferminztee herbeigezaubert, dessen prickelndes Aroma sich schnell ausbreitet. Sie pusten in die Tassen und nehmen einen ersten, vorsichtigen Schluck.

»Ihr seht also, wir sind gut gegen einen möglichen Angriff gewappnet. Außerdem können wir mit dem Elfenstein Hilfe anfordern.«

»Das stimmt«, bestätigt die Elfe. »Trotzdem bin ich nicht sicher, ob Verstärkung schnell genug bei euch sein wird. Wie viele Krieger kannst du einsetzen?«

»Wir können etwa 400 Kämpfer stellen. Von der Auseinandersetzung mit den dunklen Magiern vor zwanzig Jahren, bei dem viele von uns getötet wurden, haben wir uns noch nicht wieder erholt. Elfen vermehren sich nicht so schnell wie Menschen, aber das wisst ihr ja.« Er macht eine kurze Pause. »Deshalb gibt es hier auch so wenig Magier. Ryan ist unser begabtester, der im Moment jedoch nicht bei uns ist.«

»Er verfolgt und beobachtet mit seinem Freund Finn ein anderes Heer der Dubharan«, klären Kayleigh und Cian ihn auf.

»Dass ihr nur so wenige seid, hört sich nicht gut an«, fährt die Elfe fort. »Ihr seid damit dem anrückenden Heer zahlenmäßig weit unterlegen. Du solltest mich und meine Kämpfer sofort zu Hilfe rufen, sobald sie in euren Wald eindringen.«

»Seltsam ist nur, dass das dritte Heer bisher keine Orte angreift. Auch die Mittelelfen sind verschont worden. Es ist gut, dass Finn und Ryan ihnen folgen und sie beobachten«, ergänzt Cian grübelnd. »Sie werden uns schnell hinzuziehen, wenn die Truppen eine Teufelei aushecken! – Mir fällt gerade etwas ein. Ich glaube, ich bin doch schon zu alt. Warum warten wir darauf, dass das Heer hier im Osten das macht, was bereits im Süden geschehen ist?« Er blickt Kayleigh abwartend an. Wird auch sie erkennen, was bisher falsch an ihren Betrachtungen war. Es sieht ganz danach aus.

»Cian, ich glaube nicht du, sondern ich werde senil. Du hast recht. Wir dürfen uns keinesfalls defensiv verhalten und nur reagieren. Dadurch sind wir immer im Nachteil. Wir müssen ihnen Einhalt gebieten und sie zwingen, sich uns zu stellen. Nur so bestimmen wir das Geschehen.«

»Dafür habe ich nicht genug Krieger«, beginnt Lennard. »Ich kann sie natürlich angreifen, um sie kurzzeitig aufzuhalten, aber was dann?«

»Das wäre nicht nur falsch, sondern würde unnötige Opfer fordern.« Die Elfe blickt zuerst ihn und dann ihren alten Freund an. »Wir müssen sie stattdessen in eine Falle locken und ihnen mit einer ausreichenden Anzahl Kämpfern entgegentreten.«

»Das meinte ich«, bestätigt Cian. »Sobald wir das Heer festgesetzt haben, werden wir die Magier mit Silberfesseln unschädlich machen. Die Menschen fordern wir auf, in ihre Heimat zurückzukehren.«

»Ich bitte die Bewohner des ehemaligen Ostreiches um Hilfe«, ergänzt Lennard. »Viele der Orte sind der Gefahr ausgesetzt, dass die Dubharan auch sie angreifen, deshalb können sie die Städte nicht gänzlich ohne Schutz lassen. Trotzdem werden sie uns unterstützen und sich meinem Befehl unterstellen, wodurch unser Aufgebot dann voraussichtlich 700 Krieger umfasst. Das sind aber immer noch zu wenig.«

»Shane, der Sohn des getöteten Königs, ist der rechtmäßige Thronfolger und Befehlshaber dieser Menschen. Da er aber noch nicht gekrönt oder in die Aufgabe eingeführt worden ist, werden sie dir gehorchen«, bestätigt Kayleigh dessen Vermutung. »Nach den Beobachtungen von Finn und Ryan besitzen die verschiedenen Heere jeweils ungefähr 1500 Kämpfer, die von fünf bis zwanzig Magiern angeführt werden.«

»Im Gegensatz zu der Truppe im Süden haben die anderen bisher keine Zwangsrekrutierungen vorgenommen, auch nicht in den überfallenen Orten hier im Osten. Um dieses Heer von weiteren Angriffen abzuhalten, müssen wir es unbedingt aufhalten. Damit es aber festgesetzt und besiegt werden kann, müssten wir doppelt so viele Kämpfer wie sie aufbieten. Vielleicht geben sie beim Anblick einer derartigen Übermacht sogar kampflos auf! – Die Mittelelfen stellen etwa 400 Krieger. Da in dem Gebiet wenige Städte liegen, erwarte ich von dort kaum Verstärkung durch Menschen.« Cian schaut bekümmert in die Gesichter der anderen. Sofort korrigiert ihn die Elfe.

»Meine Kämpfer und die befreundeten Menschen aus dem Norden werden die restliche Anzahl beisteuern. Die Nordmenschen sind fast ausnahmslos beritten, ebenso wie etwa die Hälfte meiner Krieger. Trotzdem wird es dauern, bis alle hier im Osten sein werden. In der Zwischenzeit solltest du, Lennard, einen geeigneten Platz auswählen. Ich denke, in etwa einer Woche können wir hier sein, wenn unsere Zauberer die unberittenen Kämpfer mittels magischem Sprung hierherbringen.«

»Einen geeigneten Ort kenne ich. An der Ostküste befindet sich eine wehrhafte Burg auf einem für uns günstig gelegenen Platz. Dorthin locken wir das Heer. Wenn wir ihm entgegenziehen, um es anzugreifen, werden sie begierig danach trachten, uns zu töten. Wir erschrecken scheinbar vor deren Anzahl und weichen zurück. Wir flüchten vor dem uns verfolgenden Heer zu dieser Burg, um uns hinter ihre Mauern zu retten. Notfalls können wir deren Ehrgeiz, uns zu vernichten, dadurch steigern, dass wir uns ihnen immer wieder kurz stellen. Dann werden sie darauf brennen, uns zu fassen.

Zu diesem Kastell, das auf einer Anhöhe liegt, gelangt man nur auf zwei Wegen. Entweder vom Strand aus, nach dem Erklimmen einer steilen Felsklippe, oder über einen schmalen Pfad durch ein Sumpfgebiet. Das Moor endet an schräg aufgerichteten Felsen, die vor vielen Jahrhunderten durch unterirdische Kräfte hochgedrückt worden sind. Von hier steigt eine sanfte Hochebene zur Burganlage hinauf. Sobald sich der Gegner hier befindet, können zwischen den Felsen versteckte Kämpfer sie einschließen und ein Entkommen über den Sumpfpfad verhindern. Den Weg in die Tiefe zum Strand hinab wird keiner nutzen wollen, da das nur einzeln möglich wäre und dadurch zu gefährlich für sie wird. Dann befinden sich die gegnerischen Truppen zwischen unseren Kämpfern in der Burg und denen, die bereits in den Felsen am Ende des Moors versteckt warten.«

»Das hört sich gut an«, bestätigt Kayleigh, während Cian wortlos nickt. »Sobald wir dieses Heer besiegt haben, nehmen wir uns das andere, nordwärts ziehende vor, bevor wir dann den Süden befreien.« Jetzt ergänzt ihr alter Freund:

»Anschließend ziehen wir nach Westen, um die Festung der Dubharan zu erobern. Wir haben schon viel zu lange gewartet! Es ist nur zu hoffen, dass die dunklen Magier nicht wieder dieses tödliche Wesen einsetzen, wodurch unser Sieg nicht so einfach werden würde.« Die Drei ahnen nicht, dass es anders als geplant kommen wird.

Der dritte Versuch Die Drachenjägerin

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