Читать книгу Der dritte Versuch Die Drachenjägerin - Norbert Wibben - Страница 12

Entdeckt

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Robyn und Shane schleichen sich zu ihren Pferden zurück. Entdeckt zu werden, befürchten sie nicht, da sie auf dem Weg ins Lager hinein nur wenige Wachen bemerkt haben. Diejenigen, an denen sie auf dem Hinweg vorbeikamen, hatten sich zudem in ihre Umhänge gewickelt und standen mit eingezogenen Köpfen in Gruppen zusammen. Was die beiden nicht ahnen: Luan hat sie angewiesen, regelmäßige Kontrollgänge zu den anderen Wachtposten zu unternehmen. Jeweils einer der drei Wachenden soll in einer festgelegten Richtung auf den nächsten Posten zugehen und bei dessen Erreichen wieder umkehren. Da die Soldaten den Zorn ihres Führers fürchten, befolgen sie diese Anordnung gewissenhaft. Sie schimpfen leise, besonders, wenn ihnen ein Schwall Wasser in den Nacken läuft und sie unangenehm erschauern lässt. Sie müssen sich die Nacht um die Ohren schlagen, während es die Führer in ihrem Zelt trocken und warm haben.

Shane hat recht, dass der Dubharan, der das Zelt verlassen hat, mit seiner Lichtkugel verrät, welchen Weg er nimmt. Ihr Rückzug scheint dadurch leichter zu sein, indem sie sich einfach in die Gegenrichtung entfernen. Das hilft allerdings nur kurze Zeit, da sich der dunkle Magier schneller als sie bewegen kann und manchmal sogar den magischen Sprung nutzt. Mehr als einmal müssen sie im letzten Moment einen Umweg machen, weil der Zauberer plötzlich auf dem von ihnen gewählten Weg auftaucht. Ihrerseits ein Licht zu nutzen, um schneller voranzukommen, ist ausgeschlossen. Um trotzdem in der stockdunklen Nacht unnötige Geräusche zu vermeiden, läuft Shane vorneweg, während Roby, mit einer Hand Verbindung zu seinem Obergewand haltend, ihm gebückt folgt. Er ist der Jüngere von ihnen und besitzt die besseren Augen. Trotzdem können sie nicht verhindern, hin und wieder ein leises Geräusch zu verursachen. Zuerst bleiben sie noch erschrocken stehen, wenn ein Stein aus der Lage gebracht gegen einen anderen stößt, oder gar ein Zweig mit lautem Knacken unter ihren Füßen bricht. Doch sie scheinen unentdeckt zu bleiben und entfernen sich bald aufrecht gehend. Unversehens bückt sich Shane und zieht Robyn mit nach unten. Die Frau ist erfahren genug, nicht erschrocken zu protestieren. Ihr Neffe muss etwas entdeckt haben, was ihnen gefährlich werden kann. Sie bewegt den Kopf und versucht angestrengt, die Dunkelheit zu durchdringen, doch vergeblich. Sogar die Lichtkugel des Magiers ist nirgends zu entdecken. Jetzt hört sie etwas. Von rechts kommen leise Schritte, die schon ganz nah sind. Wer kann das sein? Haben sie das Lager und den Bereich der Wachen bereits hinter sich gelassen oder befinden sie sich noch innerhalb?

Plötzlich sticht blendend helles Licht in ihre Augen. Obwohl beide im ersten Moment nichts sehen können, da sie von der Helligkeit geblendet sind, halten sie bereits ihre Elfenmesser in den Händen und stehen Rücken an Rücken. »Nicht schlecht!«, werden sie höhnisch angesprochen. »Ich stelle fest, ihr seid geübte Krieger. Ich könnte euch unter meinen Männern gebrauchen, auch wenn du offenbar eine Frau und wohl auch schon älter bist.« Das folgende Gelächter gibt ihren Augen Zeit, sich an die geänderten Lichtverhältnisse anzupassen. Ihre Pupillen sind zu kleinen Punkten geworden, was nach der vorherigen Dunkelheit und dem Wechsel zur schmerzenden Helligkeit nicht verwunderlich ist. Noch immer schwebt die Lichtkugel über ihnen, weshalb beide den Blick etwas nach unten richten. So werden sie nicht so stark geblendet.

»Wer bist du, und was willst du von uns?«, fragt Shane, der den unteren Teil eines dunklen Umhangs erkennen kann. Er hat an dessen Saum eine Mondsichel bemerkt. Vor ihnen steht der Zauberer, der vorhin das Zelt verlassen hat. Eine Antwort auf seine Frage erwartet er nicht. Er will damit keine Information, sondern vielmehr Zeit gewinnen, um die Situation besser einschätzen zu können. Er kneift die Augen zusammen, blickt sich um und strafft unbewusst die Schultern.

»Das, mein Kleiner, würde ich jetzt nicht versu…« Der Zauberer stockt, weil Shane in diesem Augenblick seine Hand mit dem langen Messer vorschnellen lässt, um den dunklen Magier zu treffen. Hell leuchtet dessen Schutzglocke auf, und der Jüngling wird so heftig zurückgeworfen, dass Robyn den Stoß kaum abfangen kann. Jetzt wirbelt sie herum. Ein schneller Blick dient der Überprüfung, wie es ihrem Neffen geht. Der nickt ihr mit entschlossener Miene zu, dann greifen beide mit ihren Messern an. Der dunkle Zauberer ist allein, vielleicht schaffen sie es doch, seinen Schutz zu durchdringen, wenn sie gemeinsam mit den Klingen zustechen. Luan lacht höhnisch auf, als beide zurückgeworfen werden.

»Versucht es ruhig noch einmal. Wenn ihr über keine Zauberkräfte verfügt, können eure Messer mir nichts anhaben.« Beide bisher bläulich schimmernden Klingen beginnen golden aufzuleuchten. Der Dubharan stutzt einen Moment. Sollten diese jetzt hellstrahlenden Messer mehr sein, als einfache Waffen? Kommen sie möglicherweise aus einer Elfenschmiede? Darauf, dass sie dort entstanden sind, weist deren ursprüngliche Farbe hin. Der seltene Sternenstaub, der von den Elfen bei der Herstellung von Waffen eingearbeitet wird, ist für den blauen Schimmer verantwortlich, weiß Luan. Oder könnten die Messer zusätzlich eine Wirkung besitzen, die seinem magischen Schutz gefährlich wird? Als die beiden Gegner in schneller Folge damit zustoßen, beginnen die Klingen immer heller zu leuchten und gleichzeitig die Schutzglocke zu flackern.

»Noch ein- oder zweimal, Shane, dann ist er geliefert!«, fordert die schweißüberströmte Robyn ihren Neffen auf. Tatsächlich bricht bei dem nun folgenden Angriff die Schutzglocke zusammen. Völlig verblüfft verpasst Luan es, seinerseits die beiden mit einem Zauber anzugreifen. Er ist derart überrascht, dass er sich mit dem magischen Sprung in Sicherheit bringt. Erstaunt über das unerwartete Ergebnis stehen Robyn und Shane erschöpft da und blicken zu der Stelle, wo der Dubharan soeben verschwunden ist.

»Den Elfen sei Dank!« Robyn staunt über ihren Erfolg, während sie und ihr Neffe vorwärts hasten. »Ich wusste nicht, dass mit ihren Klingen die Schutzglocke eines Zauberers zu durchdringen ist.« Das goldene Strahlen ist mittlerweile erloschen. Die Messer fühlen sich kalt an.

»Ich auch nicht. Trotzdem ist es mühsam gewesen, auch wenn ich froh bin, dass es so ist. Halte deine Klinge bereit, falls er zurückkommt. Wir sollten gleich bei unseren Pferden …« Er stockt und zieht Robyn nach unten in Deckung, wobei sie die Messer vor sich halten. Der dunkle Zauberer ist nicht einfach geflohen, er hat vielmehr Verstärkung geholt. Fünf Lichtkugeln leuchten und die gleiche Anzahl Magier umstellen den Ort, von dem Luan vor wenigen Momenten verschwunden ist. Fluchend schicken die Dubharan ihre Lichtkugeln aus, um ein größeres Gebiet zu erhellen. Ihr Anführer erhebt beide Arme, dreht sich im Kreis und sendet mit »Torpor« immer wieder den Lähmungszauber aus. Obwohl er die Flüchtigen nicht sieht, hofft er auf einen Zufallstreffer.

»Wer sind die beiden?«

»Die haben deinen Schutz tatsächlich mit Messern zum Zusammenbrechen gebracht?«

»Die Klingen leuchteten golden, sagst du? Was bedeutet das?« Luan unterbricht die anderen.

»Ich glaube, ich kenne die Frau«, beginnt der Magier. »Das ist die Schwester des vor zwanzig Jahren getöteten Ostkönigs. Sie war noch vor wenigen Tagen die Gefangene Connors. Wie kann sie dann aber jetzt hier sein? Er wollte von ihr wissen, wo der Thronfolger des Ostreichs zu finden sei, doch sie weigerte sich zu antworten.«

»Sollte der junge Mann, der bei ihr ist, dieser Erbe sein?«, beginnt einer der anderen. Luans Gedanken jagen sich. Er hat trotz der kurzen Zeit, in der die Entflohenen seine Schutzglocke attackierten, die große Ähnlichkeit zwischen den beiden erkannt. Falls der junge Mann tatsächlich der Erbe des Ostreichs ist, hätten sie durch dessen Ergreifen einen unschätzbaren Vorteil errungen. Das ist ein wichtiger Teil des Sonderauftrags, wie Connor erklärt hatte, zu dem Dean zwei Tage vor dem Ausrücken der drei Heere entsandt wurde. Wenn er, Luan, diesen Thronerben ergreifen würde, wäre sein Anspruch auf das nördlich gelegene, ehemalige Königreich sicher, sobald er die alte Hauptstadt erobert hätte. Connor wäre ihm zu Dank verpflichtet. Er meint bereits, dessen Anerkennung zu hören: »Luan, König des Ostens, darf ich dir meinen Glückwunsch zur Erlangung deines Reichs aussprechen?« »König des Nordostens« hört sich nicht schlecht an, findet er. Nur langsam kehrt er in die Gegenwart zurück, unterbricht seine Überlegungen und wendet sich an die anderen.

»Wir müssen sie fassen! Ruft die Wachen herbei und lasst auch alle Krieger ausschwärmen!« Während die anderen der Aufforderung folgen, leuchtet er mit der Lichtkugel in die Umgebung. Dann entscheidet er sich für die Richtung, in die einige umgeknickte Pflanzen deuten und hastet vorwärts. Erneut sendet er mit »Torpor« den Lähmungszauber in unregelmäßigen Abständen vor sich her. Vielleicht findet er die beiden schnell, wenn sie von einem seiner Zaubersprüche hingestreckt worden sind. Weit können sie ja noch nicht sein.

Hinter ihm erklingen mittlerweile Lärm und Unmutsäußerungen der Soldaten. Die Männer erheben sich nur widerwillig, um in der regnerischen Nacht durch ein unbekanntes Gelände zu stapfen. Trotzdem dauert es nicht lange, bis eine riesige Suchmannschaft mit Fackeln weitläufig ausschwärmt und nach den beiden Flüchtigen sucht.

Robyn und Shane hasten vorsichtig weiter. Die direkte Richtung zu ihren Pferden vermeiden sie, um zuerst einen möglichst großen Abstand zu dem Lagerplatz der Dubharan zu gewinnen. Sie hoffen, diese etwas in die Irre zu führen, bevor sie zu ihren Tieren abbiegen werden. Ihre Blicke richten sie immer wieder prüfend zurück. Kommen die Verfolger näher? Eine einzelne Lichtkugel eines Magiers ist den vielen anderen Lichtern weit voraus. Sie bewegt sich offenbar auf ihrer Spur. In unregelmäßigen Abständen zischt rechts oder links etwas in ihrer Nähe vorbei. Sollten das auf sie geschleuderte Zaubersprüche sein? Können sie entkommen? Die Verfolgten hetzen weiter.

Der dritte Versuch Die Drachenjägerin

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