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Sprachliche Verwirrung oder die Sache mit den Namen

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Aus praktischen Gründen sollte ein Sachbuch wie dieses in einer einzigen Sprache verfasst sein. Man kann die Geschichte der Könige von England auf Englisch oder auf Walisisch oder auf Japanisch schreiben, aber nicht in mehreren Sprachen zugleich, ohne dass ein heilloses Durcheinander entsteht. Ein Band, der über alle englischen oder britischen Monarchen in deren jeweiliger Muttersprache berichten will, müsste mit einem Kapitel über Æðelstan beginnen, das in angelsächsischer Sprache verfasst ist, gefolgt von Kapiteln auf Dänisch, Normannisch, Französisch und Mittelenglisch, im Englisch des House of Tudor und des House of Stuart, im schottischen Lallans-Dialekt, auf Niederländisch, auf Französisch und auf Deutsch.

Wenn man eine Erzählung, in der es um einen mehrsprachigen oder multikulturellen Kontext geht, in nur einer einzigen Sprache verfasst, geht das unweigerlich auf Kosten der historischen Realität. Und eine historische Abhandlung, in der es um ein Thema (teilweise) außerhalb des englischen Sprachraums geht, die ausschließlich in englischer Sprache geschrieben ist, neigt möglicherweise zu Falschdarstellungen, wenn darin versucht wird, alle relevanten Namen, Orte, Titel und Schlüsselbegriffe zu anglisieren, ohne auf die ursprünglichen Begriffe zu verweisen.*

Der Monarch, um den es in diesem Band geht, ist ein exzellentes Beispiel. Er wurde in Deutschland geboren und wuchs in einer Adelsfamilie auf, in der alle Französisch sprachen. Als er die Herrschaft über seine englischsprachigen Königreiche erlangte, war er mittleren Alters. Als Fürst des Heiligen Römischen Reiches spielte er darüber hinaus bis zum Lebensende eine aktive Rolle in der deutschen Politik. Folglich waren seine Herrschaft und die Rolle(n), die er spielte, von einer linguistischen Vielfalt geprägt, die man als Historiker sprachlich reflektieren sollte; zumindest sollte man das versuchen. Verwendet man lediglich eine anglozentrische (oder, wie im Falle dieser Übersetzung, eine eingedeutschte) Terminologie, wird der Darstellung zwangsläufig etwas fehlen.

Der Titel des Monarchen beispielsweise vermittelt auch und gerade in seiner ständigen Wiederholung eine wirkmächtige Botschaft darüber, wer und was die betreffende Person war. Doch fast alle Bücher über ihn geben sich damit zufrieden, ihn als „König“ zu bezeichnen: König Georg II., Nachfolger von König Georg I. und Vorgänger von König Georg III. Der konventionelle Titel „König“ wird dem vollen Status Georgs II. allerdings kaum gerecht. Er war nicht nur dreifacher König, sondern zugleich Herzog von Braunschweig-Lüneburg und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches. Historiker sollten Wege finden, um die Komplexität solcher Anhäufungen von Funktionen und Titeln aufzuzeigen, auch wenn dies zunächst ein wenig Verwirrung stiftet. Natürlich kann man unmöglich ständig alle Titel aufzählen, aber man könnte wenigstens die beiden wichtigsten verwenden und ihn „König und Kurfürst“ nennen statt bloß „König“. Ähnlich kennen wir das von Victoria, die als Königin des Vereinigten Königreichs auch den Titel „Kaiserin von Indien“ führte und daher mitunter als „Kaiserin und Königin“ bezeichnet wird.

Kommen wir nun zum Namen der Dynastie des Königs und Kurfürsten. In den vergangenen 300 Jahren hat man sich daran gewöhnt, diese Dynastie als „Haus Hannover“ (auf Englisch: „House of Hanover“) zu bezeichnen. Heute weiß kaum jemand mehr, dass diese Bezeichnung im Jahr 1701 in England im Zusammenhang mit dem Act of Settlement, der neuen protestantischen Thronfolgeregelung, erfunden wurde. Und in diesem Zusammenhang gibt es zahlreiche Ungenauigkeiten. Das Oxford English Dictionary beispielsweise behauptet: „1714 wurde der Kurfürst von Hannover zum König von England“ – was gleich doppelt falsch ist. Die Mitglieder der Fürstenfamilie, von der man uns weismacht, sie habe seit jeher „Haus Hannover“ geheißen, hätten sich selbst wohl eher als Welfen definiert, genauer als „Welfen von Braunschweig-Lüneburg“; und es wird ihnen nicht leichtgefallen sein, sich an den neumodischen, fremden Namen zu gewöhnen.

Die Namensänderung war ein subtiles Detail einer Image-Kampagne – zweifellos dachten sich die protestantischen Fundamentalisten unter König Wilhelm III. für Wilhelms Nachfolger das geniale „Hannover“-Label aus, um den Namen des Hochadelsgeschlechts der Welfen zu vermeiden, einen Namen, der starke Assoziationen zum Katholizismus weckte.

Wie sollte man als Historiker nun verfahren? Duldet man stillschweigend den Taschenspielertrick, mit dem 1701 das „Haus Hannover“ aus dem Hut gezaubert wurde, oder sucht man nach einer vernünftigeren Lösung? Ein Kompromiss könnte es sein, die Dynastie „Haus Braunschweig-Lüneburg“ zu nennen und sie immer dann, wenn man von ihrer Rolle auf den Britischen Inseln spricht, als „Haus Hannover“ zu bezeichnen. Doch dann könnten sich die Wolfenbütteler zu Recht übergangen fühlen, und schon wäre man bei einem Monstrum wie „Haus der Welfen der Linie Calenberg-Lüneburg des Hauses Braunschweig-Lüneburg“. Im vorliegenden Text werde ich den König und Kurfürsten als Oberhaupt entweder der „Calenberger Welfen“ oder der „Hannoveraner Welfen“ bezeichnen.

Nicht weniger kompliziert ist die Namensfindung für das komplexe Gebilde, das aus den diversen Einflussbereichen der Dynastie bestand. Den Hannoveraner Welfen gelang es, die Königreiche von Großbritannien und Irland und das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg zu einem hybriden Ganzen zu vereinen, das in Personalunion von ein und demselben Souverän regiert wurde. (Ihr Anspruch auf die Krone Frankreichs war kaum mehr als symbolisch.) Aber ein Namensungetüm wie „Großbritannien-Irland-Braunschweig-Lüneburg“ wäre natürlich viel zu kompliziert – eine Kurzform muss her. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich damit bei manchen in die Nesseln setze: Wenn ich im Folgenden „Großbritannien“ schreibe, wird das Königreich Irland mit gemeint sein, und wenn ich „Kurfürstentum“ schreibe, werden die von Braunschweig-Lüneburg abhängigen Territorien Lauenburg, Bremen-Verden und Bentheim mit gemeint sein. Obwohl das Kurfürstentum offiziell erst 1814, als es zum Königreich aufstieg, den Namen „Hannover“ annahm, wurde es im Volksmund schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts als „Kurfürstentum Hannover“ bezeichnet. Insofern erscheint mir das artifizielle Gebilde Großbritannien-Hannover immerhin weniger inakzeptabel als die anderen möglichen Lösungen.

Doch das ist immer noch nicht alles. Man muss sich zu guter Letzt noch entscheiden, wie man den Mann nennen soll, der im Juni 1727 König und Kurfürst wurde. In einem Teil seines Reiches wurde er als „King George“ gekrönt, im anderen Teil nannte man ihn „Georg August“ oder auf Latein „Georgius Augustus“. Da die Namen der britischen Monarchen im Deutschen aber ohnehin eingedeutscht werden (aus „James“ wird „Jakob“, aus „Henry“ „Heinrich“), soll er in seiner Eigenschaft als König Großbritanniens „Georg II.“ heißen – womit der anglisierte „George“ ja letztlich nur seine ursprüngliche Form zurückerhält. In seiner deutschen Heimat blieb er aber nach der Thronbesteigung „Georg August“, und so möchte ich ihn auch im Folgenden nennen, wenn es nicht explizit um die britische Politik geht. Damit gelangen wir also zu drei Bezeichnungen für das Subjekt dieses Buches – „König und Kurfürst“, „Georg August“ und „Georg II.“

Wie in populären Sachbüchern üblich, sind in diesem Band alle fremdsprachigen Quellentexte übersetzt, wodurch natürlich viel verloren geht. Das bekannteste Bonmot, das Georg II. zugeschrieben wird, stammt vom Sterbebett seiner Ehefrau. Als sie ihn bat, nach ihrem Tod wieder zu heiraten, soll er geantwortet haben: „Nein, aber ich werde Mätressen haben.“1 Und so hat er das natürlich nie gesagt.

*Für die deutsche Übersetzung einer solchen Abhandlung gilt dies analog natürlich ebenso; Anm. d. Übers.

King George II

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