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Kapitel 3 - Wie Yosy seine erste Nacht im Stall erlebt

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Draußen wurde es dunkel, und im Stall blieb das fahle, flackernde Licht der Neonröhren zurück, die an der Decke hingen und die ganze Nacht brannten. Yosy trat an die Schiebetür und schaute in den Gang, gegenüber vergitterte Boxen wie seine, in denen sich jeweils ein Pferd befand, aber keins, das ihn beachtete. Auch hinter den seitlichen Bretterwänden waren Pferde einquartiert. Er konnte sie nicht sehen, aber er roch sie. Und er hörte ihre Hufe und ihr Schnauben. Es gelang ihm, sich aufzurichten, mit den Klauen stützte er sich an der linken Wand ab, tastete sich nach oben, bis sein Handeisen vor die Gitterstangen stieß, die das obere Drittel der Wand ausfüllten. Er drückte seine Wange an das kühle Eisen und blickte mit einem Auge in die Nachbarbox.

Da stand ein kleines, dickes Ackerpferd - oder ein großes Pony, Yosy kannte sich da nicht aus - mittelhellgrau, weißes Haar, und sehr erschrocken. Es hatte sich an die gegenüberliegende Wand gedrückt und sah ihn mit aufgerissenen Augen und nach hinten angelegten Ohren an. Und wieherte kläglich.

»Hich hu hier hichs!«, flüsterte Yosy, »Chschsch!«

Doch das Tier ließ sich nicht beruhigen. Es zappelte mit den Beinen, hüpfte, schlug ganz dämlich irgendwohin aus und machte immerzu »Ii-iiiee-iiieeha!«

Auch die anderen Bewohner des Stalls wurden unruhig, von überall kamen wiehernde Antworten, und man hörte schlagende Hufe und klopfendes Holz. Yosy hätte sich jetzt eigentlich wieder herablassen sollen, aber da war etwas an dem Tier, das ihn anzog, weshalb er den Blick nicht von ihm, vielmehr nicht von IHR lassen konnte. 'Ihr' dachte er, genau, es war ein Mädchen! Das war es! Obwohl er, der er doch keine Ahnung von Pferden hatte, nicht wusste, WARUM er das plötzlich wusste. Nun kamen ihm die aufgerissenen Augen gar nicht mehr ängstlich vor, jedenfalls nicht nur ängstlich, sondern auch ein wenig keck, wie sie ihn so von der Seite unter der weißen Mähne hindurch anzwinkerten. Auch das unruhige Schlagen ihres Hinterteils vor die Holzwand war wohl eher ein bewusst eingesetzter Hüftschwung, der den aufgerichteten, fast weißen Pferdeschwanz tanzen ließ. Schultern, Rücken und eben dieses Hinterteil waren drall und rund, das Fell dicht, pelzig und von einem samtenen Glanz. Auf den fleischigen Beinen flossen helles und dunkles Grau ineinander, und um ihre Fesseln wuchsen bauschige Ringe, aus weißem Haar, das fast vollständig die Hufe bedeckte. All das und noch mehr ihre vollen, weichen Lippen ließen Yosy regelrecht schwindeln. Aber es war ein Schwindel, der ihm Kraft gab, Kraft, sich noch höher zu ziehen, die eisernen Hufhände um die Stangen herum zu quetschen und sich regelrecht daran aufzuhängen.

»Hi heichsch 'u?«, fragte er und dachte tatsächlich für einen Moment, er könnte eine Antwort erwarten. Doch das Mädchen drückte sich, wie er so über ihr hing, noch mehr in die Ecke und blies feuchten Dampf aus ihren Nüstern. Yosys Körper drückte sich gegen den Bretterverschlag, er hatte die Füße durchgestreckt und plötzlich war da etwas! Da, da unten, da schien sich ETWAS aus seinem Bauchnabel herauszustülpen und aufzuquellen, es war sein Schlauch, und der juckte ganz widerborstig. Ohne so recht einen Zusammenhang zwischen dem Liebreiz des Mädchens hier und dem Juckreiz seines Schlauches dort erkennen zu können - schließlich war er voll darauf konzentriert, sie immer besser zu sehen, zu riechen und zu hören -, versuchte er eher beiläufig für Linderung zu sorgen, indem er sich noch fester an die Wand drückte und die Schwellung daran verrieb. Sein schwerer Rumpf machte allerdings bei jeder Bewegung einen enormen Lärm, die Gitterstangen schepperten und das Brettholz krachte, und schnell war das Hochsteigen und Stoßen so anstrengend, dass er stöhnte und ein seufzendes »Hhnnnng...!« seinem Maul entfuhr. Zwar führte jeder Stoß zu einer kurzen Entspannung, aber nur, um den Juckreiz gleich wieder zu steigern.

Wie es ihm schon als Kind eine gewisse Befriedigung verschafft hatte, im Wechsel zwischen Jucken und Kratzen einen Mückenstich ganz und gar auszukosten, so war es auch hier: nur viel stärker als bei einem Stich war mit diesem Jucken eine eigenartige Lust verbunden, von der er nicht wusste, ob sie ihn von der Nachbarin ablenkte oder sich ganz im Gegenteil durch die Betrachtung derselben noch steigerte.

Ich konnte nicht mehr aufhören. Trotz der Anstrengung beugte und streckte ich die Knie, stieß und rieb und stieß und rieb, und ich glotzte, von kurzen Seufzern unterbrochen, auf die scheue Kecke, auf ihre goldene Mähne, auf ihren samtenen, beigebraunen Pelz; und sie glotzte - mit aufgerissenen, mahagonifarbenen Augen - zurück.

Es wollte gar kein Ende mehr nehmen, ICH wollte gar kein Ende mehr nehmen, und sie gewiss auch nicht, so nah waren wir uns und so unnahbar zugleich, ein Bild war das, ein lebendes Bild aus Glotzen und Reiben und Hampeln und Strampeln.

Doch plötzlich und ganz unerwartet veränderte sich die allmähliche Zunahme der Lust und wurde chaotisch. Wurde so doll, dass ich schreien, ja wiehern musste, ganz irre wiehern musste. Und mein Unterlaub fing zu pumpen an, pumpte und pumpte und entlud sich in dicht aufeinanderfolgenden Eruptionen. Es war, als würde ich urinieren, aber viel wohliger, wonniger, ... ja! Unerträglich wonnig war das, das war nicht mehr ich ...! Vielmehr verlor ich mich, ich entleerte mich und als ich leer war, entwich mir alle Kraft aus Klauen und Beinen. Mit meinem ganzen Gewicht plumpste ich hinab und schlug durch das Strohbett auf den Beton.

Mein Hintern schmerzte, ich zitterte, und wollte nur noch, dass es aufhörte. Ich krümmte meinen Rücken und zog die Extremitäten ein, wie eine Kellerassel, wobei sich einzelne Strohhalme in meinen Hautfalten verklemmten. Das kitzelte und heizte mein Zittern weiter an. Ich musste mich noch krummer machen, tauchte sogar mit dem Kopf ein in die entstandene Körperkuhle, bis hin zur Mitte, zum Bauchnabel, an dem gar kein Schlauch hing, keine Nabelschnur, nichts, nur ein schmutziges, salziges Loch. An dem leckte ich, als ich eine Kugel geworden war; eine vibrierende Kugel, von der drahtige Haare und Halme abstanden wie Fühler, in die Höhe gereckt oder zitternd auf dem Beton zerrieben.

Über Yosys Rumpf zogen Wellen aus Muskelkontraktionen wie über die hohe See, kleine Tsunamis, die ihn fortspülten, immer weiter fort über einen ewigen Ozean, bis er wieder dort war: in seinem Nest aus Stoff und Watte, Schläuchen und Nadeln, aus Flüssigkeiten und rotem Licht. Yosy war in dem Nest und das Nest war in Yosy. Er war in Einheit mit dem Nest. Er war so sehr eins, wie Yosy nie wieder danach EINHEIT mit ETWAS empfunden hatte. Es war ein Einssein, das wohltat, trotz des Zitterns - nein, wegen des Zitterns: Er zitterte trotz der Wärme, in der er lag, in der er 13 Wochen gelegen hatte, nichts wissend von dem Kampf, den man wohl um ihn geführt hatte. Er zitterte.

Vor dem Beginn seiner Kindheit hatte er unentwegt gezittert. Das Zittern hatte ihn erschaffen. Erst die damit verbundenen Reibungen und Stöße hatten Haut und Fleisch und die darin versenkten Kabel und Kanäle sowie die von seinen flüssigen und festen Ausscheidungen getränkten Windeln zu ETWAS gemacht. Das Zittern widerstand der elenden Schwere, es war das Einzige, was nicht schwer war. Das Zittern ließ ihn emporsteigen aus dem diffusen Nichts in seiner Mitte, aus dem schwarzen Loch in seinem Bauch. Das Zittern machte das Nest EINS.

Doch dieses Einssein wurde immer wieder gestört durch Hände, von denen er damals keinen Begriff gehabt hatte; Hände, die ihn packten, die Fleisch und Nadeln und Windeln auseinanderrissen, die die Ordnung des Nestes zerstörten, die es austrockneten und seinen Geruch vertrieben. Hände, die ihm Angst machten - Angst, das Nest zu verlieren, das Einssein zu verlieren, letztlich sogar Angst davor, die Angst selbst zu verlieren.

Und so kam es, es erfüllte sich seine allererste, in der Angst geborene Prophezeiung: Eines Tages trennten ihn die Hände vom Nest für immer. Hände aus brennendem Gummi, Hände, die an den Nadeln rissen, die den Schlauch aus seiner Nase zogen, die ihn abtupften und abrieben, die seinen verkrusteten Nabel einschmierten, Hände, die das Nest Yosy unter einer gleißend hellen Sonne in seine Bestandteile zerlegten. Ein Teil dessen, was er gewesen war, blieb als tote Hülle zurück. Man gab den Rest einer Frau.

Die Frau hatte kein Gesicht. Yosy nahm nur die Hände wahr. Hände, die ihren Widerstreit nicht verbergen konnten, die nichts mit ihm anzufangen wussten und ihn unsicher empfingen. Die Hände umgriffen seine wunde Haut, fingerten an Öffnungen, bogen und streckten Gelenke. Die Hände drückten ihn erst zu zaghaft, dann zu feste, und Yosy blieb nichts übrig als zu schreien, denn seine Angst war riesig. Sie blähte seine schwachen Lungen auf und ließ ihn brüllen; er schrie sich die Angst aus dem Leib. Schrei und Angst waren eins, dasselbe, und als ihm seine Mutter mit hektischen Bewegungen den Mund zusperrte, ihm Gummi und warme Milch in den Rachen stopfte, als wollte sie die Angst gewaltsam zurückhalten, da hatte diese sich schon befreit, war mit seinem Schreien auf und davon.

Yosy lag zitternd im Stroh und dachte an die Angst zurück, fragte sich, wo sie jetzt war. Das Nest, seinen Brutkasten, den dürfte es längst nicht mehr geben, aber die Angst, wo war seine Angst geblieben? Er hatte danach nie wieder Angst gehabt. War sie im Himmel? Das Nest verloren, die Angst davongeflattert? Und übrig geblieben sein Zittern?

Das Zittern war immer ein Kampf gewesen, ein Kampf gegen seine Schwäche, die ihn tonnenschwer machte, obwohl er kaum mehr als ein Kilo gewogen haben soll. Ein Kilo gegen hundert oder zweihundert, die er sich heute gab. Aber Schwere war unabhängig vom Gemessenen, nichts war so schwer wie er selbst.

Yosy roch an seinem Nabel, an der verschlossenen Öffnung, hinter der das Nichts war. Dort war die Angst nicht. Aber sie war noch da, irgendwo auf der Welt wehte sie umher, eine Art Seele oder Geist, vielleicht auch als Vogelscheuche, eine von denen, die er auf dem Weg hierher gesehen hatte. Ein Schrei vergeht nicht, dachte er. Eines Tages würde die Angst zurückkommen.

Das Zittern ließ nach. Yosy rollte über den Boden und fand eine Stelle, in der das Stroh besonders dicht lag. Er wälzte sich hinein, und ganz allmählich und sachte öffnete sich die Kugel wieder. Yosy lauschte dem Husten des Pferdemädchens und lächelte, während das Zittern schwächer wurde und er langsam einschlief.

Sein Schlaf war traumlos, bis ihn Stimmen weckten. Stimmen, die sich über ihn unterhielten, wie die Gummihände damals am Nest, hinter dem Plexiglas, jeder Finger eine Person, mit lustigen Gesichtern aufgemalt, große Augen, grinsender Mund. Pfleger und Schwestern ...

»Prächtiger Bursche ...«

Yosy erkannte die Stimme des Fahrers. Die Köpfe zweier Männer zeichneten sich in der nachtgrauen Fensteröffnung ab.

»Hab' dem nix getan, gar nicht!« Das war Schatt.

Glas stieß aneinander, dann hörte Yosy kräftiges Schlucken.

»Is'n guter Bursche!« Der Fahrer.

»Ja ja, hab dem Wurst gebracht ...«

»Weil's 'xandra dir gesagt hat ...«

Schweigen.

»Ja ja, die 'xandra ...«, sagte der Fahrer.

»die is' gutt, ganz gutt ...«, meinte Schatt, »je'nfalls besser allsse Clara!«

»Die Frauen sin' all wat ...«

»Wat?«

»Ham uns in Griff!«

»Mhh ... der Dicke do' ... der is' schlimmer!«

»Ach der Dicke ...«

»Prügelt immer nur ...«

»Wängstens nit die Tier'!«

»Aber mich!«

Da musste der Fahrer lachen.

»Dich! Na und, bis' au'n Pasemackel!«

Schatt schwieg.

»Schatt, die Tier' gehör'n den Frau'n! Kanner nich' prügeln.«

»Aber die Frau'n prügeln die Tier' ...«

»Sach'ich do'! Pass vor die Frau'n auf ...«

Schweigen, Flaschenklirren, Schlucken.

»Ob die den gutt zureit'?«, fragte Schatt.

»Is' do' 'n Lieber!«

»Aber obsse den reiten kanns'?«

Der Fahrer brummte.

»In' Kriech?«, hakte Schatt nach.

Eine Weile sprach niemand ein Wort. Die Männer tranken langsam. Von irgendwo, weit weg, kam ein kaum wahrnehmbares Raunen, hörte wieder auf, begann erneut, hörte wieder auf. Stille. Über lange Minuten Stille; nur der schnaufende Atem der Männer und ihr gleichmäßiges Schlucken.

Bis Schatt plötzlich sagte: »Hörsse datt?«

»Mh...«

Schweigen. Yosy hörte es auch. Diesmal war es eher ein leises Donnern, wie das Grummeln aus einem hungrigen Bauch. Ein gleichmäßiges Geräusch, unterbrochen von dumpfen Schlägen.

»So nah wadat no' nie ...«, hörte er Schatt sagen.

»Bald sin' die hier ...«, flüsterte der Fahrer, dann lachte er, aber es klang trocken, fast wie Husten.

Wieder Schweigen.

»Hasse Schiss?«, fragte der Fahrer, und Yosy konnte ihn förmlich grinsen sehen. Aber auch das Grinsen war erzwungen.

Schatt brummte.

»Sin' Türken!«, sagte der Fahrer.

»Weisse dattenn?«

»Ich hör dat. Hamam-Haubitzen ... Türkisch Dampfbad.«

Jetzt lachte auch Schatt.

Das ferne Gewitter wurde manchmal lauter, manchmal leiser. Yosy öffnete vorsichtig das dem Fenster zugewandte Auge. Die Silhouetten der Männer waren nicht mehr zu sehen. Sie saßen oder standen aber immer noch da draußen. In dem dunkelgrauen Nachthimmel schwelte ein diffuses Licht unregelmäßig auf und ab.

»Is' ne richtig Schlacht ...«, flüsterte Schatt.

»Hnng... BOAH!«

Für eine kurze Sekunde war der Himmel taghell, und sofort begann der Fahrer leise zu zählen: »Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig ...«

Yosy kannte das. Bei Gewitter hatte seine Mutter immer die Entfernung abgezählt, um ihn oder sich selbst zu beruhigen. Drei Zahlen waren tausend Meter. Je weiter sie kam, desto leiser würde der Knall werden, so war die Regel. Yosy hatte mit jeder dritten Zahl einen Finger aus seiner Kinderfaust öffnen müssen, und jeder zusätzliche Finger hatte seine Mutter ein wenig mehr lächeln lassen.

»vierunddreißig, fünfu...« Ein Donner unterbrach den Fahrer, die Wände zitterten, ein tiefes Dröhnen, das Yosy mehr fühlte als hörte.

Die Männer schwiegen.

»Vier Kilometer!«, flüsterte der Fahrer.

»Heilig' Scheiß' ...«, Schatt lachte; es klang, als hätte man ihn zum Tode verurteilt.

»SCHEISSE! Genau! Hahaha!«, rief der Fahrer und lachte ebenfalls; laut und hässlich.

»Bald sin'wer dran ...«, Schatt.

Wieder Schweigen. Wieder ein Flackern am Himmel, wieder ein fernes Donnern.

»Du hass' Schiss, ne ...?!«, der Fahrer.

»Näh! Hab' kein SCHISS!«, fluchte Schatt.

Von irgendwoher kam ein unwirsches Brüllen: »Eeh! Ruhe da hinten, dammich nochmal!« Yosy erkannte die Stimme des prügelnden Dicken, »Kumm eich gleich dahin!«

Ein Hund bellte, die Bierflaschen klirrten, dann huschte ein Schatten am Fenster vorbei, Schritte.

»Dat war kein Hamam ...«, hörte Yosy noch den Fahrer im Weggehen sagen.

Wovor sollte Schatt 'Schiss' haben? Kehrte die Angst nun zurück? War groß geworden, wie Yosy groß geworden war? Kein Babyschrei mehr, sondern laut wie ein Gewitter! Ihm schauderte vor Freude; ja tatsächlich, er freute sich, seine Nackenhaare richteten sich auf, seine Kopfhaut kribbelte, sein Bauch rumorte, eine Vorfreude, wie er sie in seiner Kindheit nur vor Geburtstagen oder Weihnachten gehabt hatte.

Yosy stand auf, streckte seine Glieder, wollte schon hoch auf seine Hinterbeine, aber dann schrak er unwillkürlich zusammen. Ging mit dem Oberkörper wieder hinunter, setzte seine immer noch schmerzenden Hände ins Stroh, wippte ein paar Mal auf und ab und beugte die Knie. All das tat weh, aber es war erträglich. Er schüttelte sich, sodass die Halme, welche sich in Fell und Haut verfangen hatten, hinunterfielen.

Er lächelte.

»Hhaaangsd!«, rief er. Dann entfuhr ihm ein unartikuliertes Wiehern, beinahe pferdisch, worauf der ganze Stall erwachte und es von überall zurückwieherte.

Das Rumoren in seinem Bauch wurde heftiger, mehrmals musste er krachend furzen, und nur durch unruhiges Hin- und Herlaufen konnte Yosy die aufkommenden Schmerzen im Zaum halten. Aber seine Box war zu klein, um sich wirklich austoben zu können, es blieb ihm nichts anderes übrig, als mehr oder weniger auf der Stelle zu treten und zu trampeln, auf diese Art den Darm zu massieren, bis es endlich so weit war.

Instinktiv kratzte er das Stroh vor der Tür beiseite, bis er den aufgerissenen Beton im Neonlicht sehen konnte. Der Druck in seinem Becken wurde unerträglich, er zitterte, wie unter Strom, aber das war zugleich in höchstem Maße lustvoll, »hie' ...aangsd, ... hie Haaangst, hie Aaangst!«, rief er immer wieder, und dann spreizte er die schlackernden Hinterbeine, ging in die Knie, hockte sich mit nach vorne gestreckten, auf den Boden trommelnden Vorderfüßen über die soeben vorbereitete Stelle und entleerte und erleichterte sich mit wohltuendem Blubbern und Knattern. Yosy vibrierte, sein Bauch krampfte und löste sich, und auch, als nichts mehr kam, gingen die Koliken noch eine Weile weiter.

Dann grunzte er ungehemmt, überall Scharren und Wiehern, fast schien der ganze Stall dem Ereignis beizuwohnen, und als die Krämpfe nachließen, richtete er sein Hinterteil in die Höhe, schüttelte sich und wollte schon nach Klopapier greifen. Doch dann musste er grinsen, schlug er sich mit der Pranke vor die Stirn, übermütig, viel zu doll, »Autsch!«, das Hufeisen, so was dämliches, Klopapier ...

Yosy trottete zur Fensteröffnung, steckte seinen Kopf hindurch und holte tief Luft.

»Aaooouuuuuuuuuuuuuhhhh!«, schrie er, so laut er konnte.

Über den Dächern zeichneten sich die Silhouetten der Berge ab, eine gezackte Linie vor einem unruhigen, doch harmlos aussehenden Wetterleuchten. Es war niemand zu sehen in dem spärlich beleuchteten Anwesen, Yosy war gewissermaßen allein. Er schrie noch mal, schrie, was die Lungen hergaben, und sie gaben viel her, kräftig waren sie geworden, diese Lungen in seinem Tonnenleib, er heulte mit aufgerissenem Maul in die Nacht, schrie »Aaooouuuuuuuuuuuuuhhhh!« und wiederholte das immer und immer wieder. Prompt kam schon ein Echo, von überall her Bellen und Jaulen, und wenigstens eines der Tiere, die ihm antworteten, klang ganz und gar nicht wie ein Pferd oder ein Hund. Sein Ruf kam aus den Bergen, ein schrilles Heulen, wie von einem allein gelassenen Säugling. Yosy wackelte mit dem Hinterteil, stapfte auf der Stelle, und mehr als einmal drehte er sich um, hockte sich vor den breiigen, grauen Klumpen, dessen frischer Dampf die ersten Fliegen anlockte, und roch daran.

Doch als er zum fünften oder sechsten Mal zurück zum Fenster sprang, um wie ein Kojote zu heulen, flog ihm ein stumpfer Gegenstand vor den Kopf, »Ruhe!«, direkt vor die Nase oder das, was nunmehr die Spitze seines Gesichts ausmachte.

Yosy schrie auf, machte einen Satz nach hinten, wäre beinahe in seinen Haufen gefallen, torkelte um diesen herum und ließ sich, ganz außer Puste, ins Stroh fallen.

Ihm war wohl. Die Visage brannte von dem Treffer, aber ihm war wohl. Er hatte gekackt!

Nicht dass er seine Haufen liebte. Er liebte selbstverständlich keine Fäkalien, auch wenn das mitunter von ihm behauptet wurde. Aber Yosy liebte zu kacken. Das war schon in seiner Kindheit so gewesen. Es war ein Spiel, SEIN Spiel, es machte ihn unabhängig vom Spielen der anderen Kinder, deren Nähe Yosy als störend und beklemmend empfand. Seine Haufen halfen ihm gegen diese Störungen. Seine Haufen waren wie Anker, mit denen er anlandete, die ihm Platz und Raum schufen, und sie verhinderten zugleich, in etwas hineingedrängt zu werden, das nicht seins war. Denn es gab etwas, das die anderen zu ETWAS, sie gewissermaßen gleichmachte. Für Yosy gab es Kinder, wie es Hunde, Katzen, Autos oder Spielzeuge gab. Sie waren immer irgendwie da. Nicht, dass er sie grundsätzlich nicht mochte, manchmal hatte er sogar den einen oder anderen als »Freund« bezeichnet, aber er hatte sich das nie merken können. Freunde und Nichtfreunde blieben auswechselbar und fremd; sie waren nur untereinander von einer seltsamen Verbundenheit, die Yosy nie verstanden hat, so oft er sie auch beim Spielen beobachtete.

Manchmal bezogen sie ihn ein, ließen ihn teilhaben. Doch wenn er sich nahm, was er wollte, reagierten sie aufgeregt und wurden aufdringlich, was ihm nur lästig war.

Eines Tages, er mochte fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, entdeckte er in der Nähe des Deiches drei Kinder, die eine Bretterbude bauten. Er verließ seinen Posten, seine Pirsch, und zimmerte wie sie, suchte Holz, Nägel und mehr auf der nahegelegenen Baustelle, ein altes Sofapolster, eine Lampe und alles, was man brauchte, um zwischen den knorrigen Stämmen einer verwachsenen Hainbuche ein Nest zu schaffen. Die Münzen, die ein Junge auf eine Kiste gelegt hatte, nahm Yosy an sich. Der Andere wurde unwirsch, doch Yosy gab das Geld nicht zurück. Vielmehr machte er, als die Hütte fertig war, einen Haufen in die Mitte, ganz intuitiv, wie selbstverständlich, mit dem überraschenden und nie vergessenen Effekt, dass die anderen verschwanden und er die Hütte in Besitz nehmen konnte, sich das Nest zueigen machte.

Yosy lag im Stroh, neben diesem ersten Haufen im Stall. Und der stank. Kein Wunder, bei dieser Kost, sein Haufen war süßlich scharfe Fäulnis, nach Zimt und Rotte duftende Verwesung. Und zugleich war es der Duft seiner Kindheit. Es war derselbe Duft, der allabendlich von jenseits des Deiches ins Haus wehte, der Duft, mit dem er eingeschlafen war. Ein süßer Duft ...

Diesmal träumte er. Von Nestern und Hütten und einem leichten, ja schwerelosen Körper, von der Stille und Weite einer Urwelt ohne Menschen, bis ihn plötzlich der Schrei Angst wie eine Keule traf.

Yosy war schlagartig wach.

Es dämmerte, die Vögel schimpften, aber der Schrei war der Schrei einer Kopftuchfrau gewesen, die in der geöffneten Schiebetür stand.

»Scheiße!«, hatte sie geschrien, richtig gebrüllt hatte sie, und nicht aus Angst, sondern wütend.

»Frauke, guck dir ma' die Sauerei an!«

Frauke, ebenfalls mit Kopftuch, kam, guckte und sagte nur: »Kanner Schatt mach'n!«

Y

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