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Armutsproduzent Deutschland im Wirtschaftsbürgerkrieg

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Gerne werfe ich mal einen Blick in die Vergangenheit – zum Beispiel ins Jahr 2010. Ja, das war noch die Zeit, bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel die Heroen des deutschen Journalismus gebeten hatte, die aktuelle Krise nicht zu hoch zu schaukeln. Damals konnte man noch deutlich lesen: Deutschland wird Dritte-Welt-Land. Darf man nicht sagen, sonst kommt man nicht zum Bundespresseball, aber da ich da nicht hin will, sage ich das einfach mal14.

Alarmierende Studie zur Einkommensverteilung: Mehr als elf Millionen Deutsche leben laut einer neuen Erhebung des Wirtschaftsinstituts DIW unter der Armutsschwelle – rund ein Drittel mehr als vor zehn Jahren. Vor allem junge Leute und Familien sind betroffen.

Gruselig, oder? Fallen Ihnen vielleicht spontan ein paar Maßnahmen ein, die die Bundesregierung seit damals getroffen hat, um die Lage der jungen Leute oder der Familien zu verbessern?

Und als Lösung hat die Politik etwas noch besseres parat: Damit die armen Familien nicht mehr so arm sind, nimmt man ihnen einfach die Kinder weg! Ja, vielleicht nicht ganz – aber schon mal über den Tag.

Superlösung, denn dann sind es ja auch keine Familien mehr sondern Singles, und viel besser als die leiblichen Eltern können sich natürlich unterbezahlte Erzieherinnen oder die allseits gerne eingesetzten „Ein-Euro-Kräfte“ kümmern. Und immerhin bleibt es ja der jungen Mutter, die ihr Kind vermisst, selbst überlassen, sich beim „Jobcenter“ für einen Ein-Euro-Job in der Kinderverwahranstalt ihrer Wahl zu bewerben, damit sie auch tagsüber mal ihr Kind sehen kann.

Immerhin sind wir ein freies Land und keine Unmenschen, so etwas würden wir möglich machen, da bin ich mir ganz sicher. Hören wie weiter, was der Spiegel damals vermeldete.

Trotz steigender Armut rät das DIW von einer Erhöhung der Hartz-IV-Sätze ab. Diese reduzierten zwar Einkommensdefizite, letztlich sei dies aber bloße Symptombekämpfung, sagte Frick. „Sinnvoller erscheinen uns Investitionen in Kinderbetreuung und in verbesserte Erwerbschancen für Alleinerziehende und Familien mit jungen Kindern.“

Ja – das war damals die Ideallösung. „Kinderbetreuung“. So etwas wurde gepredigt. Die langfristigen Schäden an den Kindern werden wir erst in vielen Jahren bemerken. Das hier die Wirtschaft die Politik gezielt auffordert, die Familien zu vernichten, wollen wir gar nicht erst vertiefen, stattdessen werfen wir mal einen kurzen Blick auf die Auswüchse, die das Thema „Kinderbetreuung in Deutschland“ so mit sich bringt.

Mit etwas mehr Geld kann man seine Kinder ja immerhin auch in einer katholischen Privatschule unterbringen, wo besonders ausgebildetes Personal die Sexualaufklärung gerne auch mal ganz praktisch betreibt15:

Der Missbrauchsskandal am Berliner Jesuitengymnasium Canisius-Kolleg weitet sich aus. Der Rektor der katholischen Schule sowie eine Rechtsanwältin gehen davon aus, dass die Zahl der Opfer im dreistelligen Bereich liegt – und schließen Entschädigungszahlungen wie in den USA nicht aus.

Möglicherweise sind die Kinder den Priestern aber irgendwann auch dankbar, wenn sie durch diese gelernt haben, reichen Investoren auf der Durchreise durch das verarmte Deutschland besondere Dienste anbieten zu können, vor allem wenn das Land endlich auf Dritte-Welt-Niveau angekommen ist und die Hauptakteure der Entwicklung sich sicher in ihre US-amerikanischen Villen zurückgezogen haben.

Vielleicht lassen sich aber auch die Abtreibungsgesetze weiter fassen, so dass man die Kinder bis zum achtzehnten Lebensjahr noch straflos entsorgen kann. Die gesetzgebenden Organe sind ja was Asozialität angeht sehr findig geworden in den letzten Jahren. Immerhin: Wer seine Familie nicht mehr ernähren kann, der musste auch im Mittelalter unangenehme Entscheidungen treffen. Und da wollen wir ja wieder hin ... – oder sind insgeheim schon lange angekommen: im Mittelalter der Sozialpolitik.

Jeder kümmert sich wieder um sich selber und muss nur noch nebenbei dafür sorgen, dass die Fürsten auch schön reich bleiben.

Ist doch heute schon so, oder?

Noch nicht ganz ... – aber die Armutsstudie zeigt ja, dass wir da mit Riesenschritten voranschreiten.

Schaue ich in Studien aus dem Jahre 2012, so zeigt sich, dass der Trend zur Verarmung ungebrochen anhält16:

Die Statistik zeigt den Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffenen Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2012. Insgesamt waren 19,6 Prozent der Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2012 von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen.

19,6 % von 80 Millionen – das wären 15,6 Millionen. Gegenüber den 11 Millionen aus dem Jahre 2010 ein Anstieg von 4,6 Millionen – knapp 42 Prozent in zwei Jahren. Aber: Darüber sollte man sich keine großen Gedanken machen. Sicher habe ich da wieder etwas falsch verstanden und die falschen Statistiken miteinander verbunden.

In der Tat fand ich auch welche, die den Aussagen des „Spiegel“ vom 17.2.2010 widersprachen – aber ich will ja hier niemanden verwirren.

Kommen neben der mittelalterlichen Armut auch Hexenverbrennungen wieder in Mode? Man schießt sich ja schon seit Jahren ein: arbeitslose Behinderte und Menschen mit Migrationshintergrund stehen ganz vorn in der ersten Reihe der Freiwilligen, der Moslem an sich ist ebenfalls stark im Kommen.

Übrigens: Damals redeten führende deutsche Wirtschaftsmagazine noch ganz offen vom Krieg17:

Leere Kassen, hohe Schulden, schwaches Wachstum – Deutschland steht vor den schlimmsten Verteilungskämpfen der Nachkriegszeit. Die von FDP-Chef Guido Westerwelle befeuerte Hartz-IV-Debatte ist nur ein Vorgeschmack. Hält die Gesellschaft das aus?

Nun – offensichtlich hat man sich zu einem Feldversuch entschlossen und testet das einfach erst mal praktisch am lebenden Volkskörper.

Verteilungskämpfe bedeutet KRIEG. Bürgerkrieg. So einfach ist das. Über die Wahl der Waffen allerdings wird noch diskutiert:

Die Spitzenleute aus Wirtschaft und Gesellschaft –darunter Wolfgang Reitzle (Linde), Mathias Döpfner (Springer), Nikolaus von Bomhard (Munich Re) und Roman Herzog (Altbundespräsident) - reisten schließlich nicht zum Naturgenuss ins Tagungshaus der Stiftung von Ernst Freiberger. Sie folgten der Einladung des Unternehmers, weil sie eines der wichtigsten Probleme unserer Zeit umtreibt. Wie kann eine Gesellschaft funktionieren, wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst? Wie können Menschen zufrieden bleiben, wenn ihr Wohlstand sinkt? „Wir stehen vor einem gigantischen Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft“, davon zeigte sich von Bomhard überzeugt. Und auch das ist klar: Dieser Wandel hat bereits begonnen.

Das war 2010. Seitdem läuft der Verteilungskampf ungebremst weiter, die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich von Jahr zu Jahr weiter. Und das alles wussten die führenden Köpfe der deutschen Wirtschaft schon damals:

Nullwachstum - das bedeutet düstere Aussichten für Deutschlands Zukunft. Ein Heer von Geringverdienern in Dienstleistungsjobs, die zusätzlich staatliche Stütze brauchen. Massenhaft Alte, die von ihren Renten nicht leben können. Immer weniger Mittelstand mit ordentlichem Einkommen, der all diese Sozialleistungen finanzieren muss. Und die gut ausgebildeten Jungen verlassen in Scharen das Land, um andernorts ihr Glück zu machen.

Gut, dass die andernorts auch keine Arbeit mehr bekommen: Wir würden sonst ganze Generationen verlieren.

Fragen Sie sich doch mal selbst: Was haben die Herren, die sich 2010 zum Dialog getroffen haben, seitdem unternommen, um den laufenden Verteilungskrieg zu beenden?

Welche Antworten haben Sie auf ihre eigenen Fragen gegeben?

Wie funktioniert letztlich eine Wirtschaft ohne Wachstum?

Wie kann man Menschen bei sinkendem Wohlstand glücklich machen?

Merken Sie, dass vier Jahre später keine einzige Antwort auf diese Fragen gegeben wurde? Jedenfalls keine, die man der Öffentlichkeit hätte präsentieren können.

Es läuft ein Wirtschaftskrieg in Deutschland, ein brutaler Verteilungskampf – und niemand weiß, wie man ihn beenden kann. Niemand hat Konzepte gegen den laufenden Paradigmenwechsel, einen Wechsel, der sich im Jahre 2014 darin zeigt, dass einer der Haupthetzer des Jahres 2010 – der oben erwähnte Guido Westerwelle – im Jahre 2014 komplett von der politischen Bildfläche verschwunden ist – samt seiner Partei, die aus dem Bundestag geflogen ist und nach und nach aus den Landtagen entsorgt wird.

Gibt es eigentlich ein größeres Armutszeugnis für ein Land, dessen journalistische und wirtschaftliche Elite 2010 „alarmierende“ Entwicklungen beschrieben hatte – und vier Jahre später noch nicht mal erste Ansätze zur Bekämpfung dieser Entwicklung präsentieren kann?

Ach – ich vergaß: Eine Reaktion auf den Paradigmenwechsel haben wir in diesen Tagen zu verzeichnen18:

Jurastudenten fordern heute deutlich längere und härtere Strafen als noch vor 25 Jahren – obwohl sie sich subjektiv sicherer fühlen. Rund ein Drittel sieht die lebenslange Freiheitsstrafe nicht als ausreichend an, über die Hälfte würde unter bestimmten Bedingung auch Folter befürworten. Das geht aus einer Studie des Erlanger Strafrechtsprofessors Franz Streng hervor.

Sie sehen: Die Gelüste nach Missbrauch von Menschen wachsen nicht nur hinter den Kirchenmauern – wie immer verroht der Krieg die Menschen. Da macht der Wirtschaftsbürgerkrieg keine Ausnahme.

Band 2 - Krieg und Frieden

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