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ОглавлениеStrammer Max
Der Duden sagt: Max, Strammer: ugs.: Spiegelei und Schinken auf Brot
Das Leben sagt: Max, Strammer (a la Schmidt): angekokelter Toast mit gesalzener Butter, Salami, Käse, viel davon, 2 Eier, das Weiße hart, das Gelbe flüssig, aber nicht zu flüssig, karzinomerregende Rosmarinchampignons, die leicht nach Sperma riechen, vermutlich sind die zu alt, waren auch schon ein wenig matschig.
Sechs Kilogramm schwerer als drei Jahre zuvor, immerhin 10 kg leichter als zwei Jahre zuvor. Dazwischen liegen viele Stramme Maxe, einige andere Ess- und ungleich mehr Unessbarkeiten. Als Beigabe viele Tränen, glücklicherweise jedoch mehr Gelächter als Tränen. Zum Nachtisch gönnte ich mir und die eine oder andere drei- oder mehrbuchstabige Schweinerei, gern auch in menschlicher, vorzugsweise in männlicher Form.
Ich kaue an meinem Toast rum, schaue gedankenverloren aus dem Fenster und denke darüber nach, was meine Freundin Melánie mir gestern geschrieben hat. Melánie legt viel Wert auf die Betonung auf dem „a“ in ihrem Namen, und ich wundere mich immer wieder. Wenn man nur ein „a“ im Namen hat, muss man das dann so betonen?
Ich habe auch nur ein „a“. Ein einzelnes.
Ich heiße Nora.
Nora Schmidt.
Mein „a“ ist klein und niedlich und wichtig.
Sonst hieße ich „Nor“ und das ist eher ein bescheuerter Name. Klingt wie „Nur“ und das wäre dann sehr arabisch. Mit meinen blonden Locken und meinen ausladenden Hüften würde ich den arabischen Mädchen und Frauen den Garaus machen, den Herren aber den Kopf verdrehen. Wie viele Kamele bekommt man für so eine blonde Lockenhexe mit ausladenden Hüften? Das muss ich gleich mal googlen. Da ich nicht so viele Komplexe habe wie Melánie, muss ich mein „a“ nicht betonen. Nur lieb haben. Und das habe ich. Ich liebe mein „a“ und bin total glücklich damit.
Warum also war Melánie so gram mit mir? Ich hatte ihr ein Buch empfohlen, welches, als ich es las, noch ein Geheimtipp war. Mittlerweile ist es wohl laut namhafter Magazine ein Bestseller. Diese Magazine, das soll an dieser Stelle erwähnt sein, lese ich meistens heimlich, unter der Bettdecke, mit gezückter Taschenlampe. Warum all diese Heimlichkeit? Ich möchte mich nicht als klassische Zielgruppe für Modemagazine und Kosmetikprodukte, Klatsch und Tratsch über die Reichen und Schönen oder Reisetipps in die neuen In-Metropolen outen. Allerdings kann ich Ihnen, lieber Leser und liebe Leserin, ja so unter uns gestehen: ich bin ein Fan all dieser Magazine! Ich reise die verzauberten Routen der Toskana nach, ich lese die Geheimtipps der Redaktion, ich habe die neusten Kosmetikprodukte im Bad und in meinem Kühlschrank stehen neben allerlei probiotischen Joghurts auch die leckersten Säfte. Gekrönt wird das alles von Schokolade, denn auch die Konfiserie-Abteilung schläft nicht. Ich bin also die klassische Zielgruppe für GRAZIA, GALA und FREUNDIN. Das macht aber nichts, denn ich rauche nicht und gönne mir nur dieses eine Laster. Dann aber richtig; wenn schon lasterhaft, dann gleich drei Zeitungen auf einmal.
In einem dieser literarischen Geheimtipps jedenfalls geht es im Wesentlichen um eine Frau, die ein Jahr lang außer Fressen, Beten und Vögeln nichts weiter im Sinn hat. Ich für meinen Teil war hin und weg von dem Thema, der Schreibe und dem Inhalt des Buches. Melánie nicht.
Warum empfiehlt man ein Buch weiter? In meinem bzw. in Melánies Fall lag der Sachverhalt so: ich fand, sie müsse mal etwas ändern in ihrem Leben. Dieser entsagungsvolle Zug um ihren Mund, diese graue fahle Haut, dieses Nicht-Erkennen-Können wie alt sie ist (Gott, und wenn mich einer fragen würde: „wie alt ist denn eigentlich die Melánie“, dann könnte ich die Frage nicht einmal zufriedenstellend beantworten. Ich weiß es einfach nicht. Und man sieht es ihr ja auch nicht an. Ist das denn eigentlich so schlimm, wenn man nicht weiß, wie alt seine Freunde sind? Ich habe es auch mit den Geburtstagen nicht so genau, ich gratuliere gern mal ein paar Tage zu spät oder aber gern auch einen ganzen Monat zu früh, dennoch nicht weniger von Herzen.)
Melánie sah das offensichtlich anders. Sie fand sich toll, attraktiv und in ihrem Leben alles richtig. Nachdem sie 40 Seiten ausführlichster Darstellung über die italienische Sprache und das super leckere Essen über sich hatte ergehen lassen, schickte sie mir eine SMS: „Das war wohl nichts, Frau SchmiDT. Wo sind die Dialoge und das Gefummel?“
Eigentlich wollte sie mich damit treffen. Tut sie aber nicht.
Ich knabbere weiterhin an meinem Toast, schiebe mir gedankenverloren weitere drei Bissen in den Mund und stelle fest, dass diese blöden kleinen Körner, mit denen der gesunde Charakter des Brotes angezeigt werden soll, sich schon wieder in meiner Zahnlücke festgesetzt haben. Natürlich, wieder ganz hinten. Ein weiterer Bissen von den spermazoiden Pilzen und ich denke, dass Melánie vielleicht in ihrem Leben nur eines ändern sollte. Sie sollte ihre Freunde wechseln. Oder sich mal richtig durchbürsten lassen. Oder aufbrechen zu neuen Ufern. So wie ich es getan habe, damals, vor drei Jahren, als ich heulend unterm Weihnachtsbaum hockte...