Читать книгу Kriegerherz und Königsehre - null slena - Страница 3
Prolog
ОглавлениеDie Sonne strahlte auf White Castle nieder. An diesem Sommernachmittag in Mittelengland im Jahre 1096 herrschte dort geschäftiges Treiben. Die Ritter waren von der Jagd nach Hause gekommen und die Beute wurde entsprechend verarbeitet: Das Fleisch wurde geräuchert oder in einem kühlen Raum gelagert. Man erwartete Gäste. Sir Otto Wallace und sein 27-jähriger Sohn Oliver sollten am frühen Abend mit einigen ihrer Gefolgsleute eintreffen. Sir Robert Eddings, der Burgherr von White Castle, hatte zu seinem 40. Geburtstag geladen. Er stand neben dem großen Brunnen mitten im Burghof und beobachtete seine hübsche Gemahlin. Lady Diana ging ganz in der Organisation des herannahenden Festes auf. Sie war mit ihren 35 Jahren noch immer eine wunderschöne Frau. Rotes langes Haar, welches sie jedoch unter einem weißen Schleier verbarg, und grüne Augen leuchtend wie Smaragde strahlten mit der Sonne um die Wette. Ihre Wangen waren leicht gerötet vor Anstrengung. Mit sanfter, aber trotzdem bestimmender Stimme erteilte sie der Dienerschaft Anweisungen. Noch immer verspürte Robert eine tiefe Liebe zu ihr und wenn er sie so ansah, zog es in seinen Lenden. Seit nunmehr fast 20 Jahren waren sie verheiratet. Ihre Liebe war mit der Geburt von Zwillingen gekrönt worden, die jetzt 13 Jahre alt waren: Eric, der Erstgeborene und Deria, seine Schwester. Sie sahen sich so ähnlich, dass sie kaum auseinander zu halten waren. Beide hatten das Aussehen ihrer Mutter geerbt.
Eric war auf dem unteren Burghof und bekam Unterricht im Schwertkampf. Robert sah kurz zu ihm hinunter und schmunzelte. Sein Sohn schwang sein Holzschwert übermütig und versuchte, Sir Edgar zu treffen. Dieser wich ihm geschickt aus und versetzte ihm im Gegenzug einen Stich. Eric fluchte so laut, dass Robert lachen musste. Doch dann spürte er den prüfenden Blick seiner Gattin auf sich und wandte den Kopf in ihre Richtung. Er lächelte sie an und ging zu ihr. Liebevoll schlang er die Arme um sie und küsste sie auf den Mund. Diana hatte sich in all den Jahren nicht an die zärtlichen Bekenntnisse ihres Gatten in aller Öffentlichkeit gewöhnen können und senkte vor Verlegenheit den Kopf.
„Noch immer schüchtern wie eine Jungfrau“, raunte ihr Robert in ihr Ohr.
„Lass das, du Wüstling, du machst mich ganz verlegen“, flüsterte sie und versuchte sich aus seiner stählernen Umarmung zu befreien. Er blickte in ihr Gesicht und registrierte amüsiert ihr schelmisches Lächeln. Dann ließ er sie los.
„Hast du Deria gesehen?“, fragte ihn seine Frau.
„Nein, wo ist das Mädel schon wieder hin? Ich dachte, sie hilft dir.“
„Nein, nachdem ich ihr gesagt habe, was wir heute Abend feiern, ist sie kreidebleich davongerannt“, erwiderte seine Frau seufzend.
„Du hast es ihr gesagt? Warum?“, fragte Robert überrascht.
„Nun, sie muss sich doch wenigstens damit auseinandersetzen können, dass sie heute zum ersten Mal ihren zukünftigen Ehemann sieht. Außerdem wollte ich vermeiden, dass sie unhöflich wird.“
Robert musste lachen. Seine kleine Deria hätte ein Junge werden sollen. Wild, ungezügelt und frech war sie. Und obwohl sich Diana große Mühe mit der Erziehung ihrer Tochter gab, fiel es Deria schwer sich wie eine Dame zu benehmen.
Währenddessen war Deria über die Wiesen gelaufen, die an die Burg grenzten, und saß nun unter ihrem Lieblingsbaum, einer alten Trauerweide. Ihre weit herabhängenden Zweige spendeten gleichzeitig Schatten und verbargen das Mädchen vor neugierigen Blicken.
Sie war immer noch sehr aufgewühlt über die Worte ihrer Mutter:
„Heute Abend werden wir deine Verlobung bekannt geben. Oliver Wallace wird dich an deinem 18. Geburtstag zur Frau nehmen.“
Deria sollte einen Mann heiraten, den sie noch nie gesehen hatte! Wenn auch erst in fünf Jahren. Sie wusste, dass alle jungen Mädchen irgendwann mit irgendjemand verheiratet wurden, aber sie hatte immer geglaubt, dass ihre Eltern anders wären und sie Deria selbst ihren Ehemann wählen lassen würden. Welch falscher Gedanke, dachte sie verbittert. Tränen liefen an ihren Wangen hinunter. Sie war wütend. Auf ihren Vater und ihre Mutter und auf Eric, denn er war frei und konnte tun und lassen was ihm gefiel. Sie hingegen durfte nicht mehr allein ausreiten, seit sie vom Pferd gefallen war und Angst hatte. Auch Schwertkampfunterricht war ihr verboten und schwimmen konnte sie nur heimlich gehen. Daher Deria fasste einen Entschluss: Ich laufe weg. Und zwar jetzt sofort! Sie sprang auf, wischte sich entschlossen die Tränen aus dem Gesicht und trat unter dem Baum hervor. Sie blickte noch einmal zur Burg zurück, dann wandte sie sich um und begann in Richtung Wald zu laufen. Plötzlich tauchten zwischen den Bäumen bunte Flecken auf und das Echo von Pferdehufen donnerte zu Deria herüber. Dann sah sie auch schon die Ritter aus dem Wald hervorbrechen. Sie erkannte Sir Otto und seinen Sohn Oliver sofort an den Farben ihrer Wappenröcke: Ein riesiger aufrecht stehender Bär in blutroter Farbe zeichnete sich deutlich auf dem schwarzem Hintergrund ab. Schlagartig hielt Deria inne, änderte dann die Richtung und begann zu rennen, so schnell sie ihre Beine trugen. Otto sah die kleine Gestalt und nickte seinem Sohn zu:
„Sieh mal dort, Oliver, wenn das nicht die kleine Deria, deine Braut, ist. Wo sie wohl so schnell hin will?“
Oliver schnaubte verächtlich:
„Das ist keine Braut sondern ein Kind, noch dazu ein äußerst verzogenes.“
„Oliver, du weißt, dass wir heute nur das Heiratsversprechen geben. Sie wird noch zu einer Frau heranwachsen. Am besten reitest du dem Mädchen nach und bringst sie mit“, sagte sein Vater lachend.
Mit einem Kopfschütteln zügelte Oliver sein Pferd und ritt der sich entfernenden Gestalt hinterher. Sie war groß, aber auch sehr dünn. Nach kurzer Zeit hatte er sie eingeholt und stellte zornig fest, dass es tatsächlich seine zukünftige Verlobte war, die wie ein Junge gekleidet davonlief. Als er auf gleicher Höhe war, stellte er sich in die Steigbügel, umfing ihre Taille und zog sie schwungvoll vor sich in den Sattel.
„Lasst mich sofort runter!“, schrie sie ihn zornig an und begann zu treten und um sich zu schlagen.
Statt einer Antwort schlug ihr Oliver jedoch mit der flachen Hand auf den Hintern.
„Wenn du noch ein Wort sagst oder dich mir noch einmal widersetzt, werde ich dir deinen kleinen Po grün und blau schlagen. Hast du verstanden?“, drohte Oliver.
Derias Hintern brannte wie Feuer und so verhielt sie sich still. Oliver ließ sein Pferd langsamer werden und Deria erkannte entsetzt, dass sie fast die Burg erreicht hatten.
„Bitte lasst mich herunter. Ich möchte alleine hineingehen.“
„Das hättest du dir vorher überlegen sollen“, gab Oliver schroff zurück.
Das Hufgetrappel schallte in Derias Ohren als sie durch das Burgtor ritten.
„Deria!“, donnerte die Stimme ihres Vaters, als dieser sie quer vor Oliver im Sattel liegen sah. Der junge Wallace ließ sie vorsichtig vom Pferd gleiten. Mit hochrotem Kopf blickte Deria sich um, sah die zornig blitzenden Augen ihres Vaters und den kummervollen Blick ihrer Mutter. Mit gesenktem Kopf ging sie zu ihnen.
„Geh dich umziehen! Wir reden später darüber. Dann hilf deiner Mutter.“
„Ja, Vater“, erwiderte Deria kleinlaut.
Deria trug ein weißes Unterkleid mit langen Ärmeln und darüber ein grünes mit Gold besticktes Kleid, das hervorragend zu ihren Augen passte. Ihr Haar hatte sie zu einem langen Zopf geflochten und mit einem grünen Band durchzogen. Als sie in die große Halle trat, saßen bereits alle an den Tischen und unterhielten sich lautstark. Das Kinn trotzig vorgestreckt ging sie zu ihrem Platz. Ihr war bewusst, dass Oliver sie die ganze Zeit anstarrte. Wenn er mich weiterhin so angafft, fallen ihm noch die Augen aus dem Kopf, dachte Deria und streckte ihm wenig damenhaft die Zunge heraus. Oliver war schier sprachlos von dieser Frechheit und zog erstaunt seine rechte Augenbraue hoch.
Als Deria sich auf ihren Platz setzte, stieß Eric ihr den Ellenbogen in die Rippen und raunte ihr zu:
„Bei Gott, Deria, du siehst fast schon wie eine Dame aus. Fehlen nur noch die entsprechenden Rundungen.“
Grinsend beschrieb er mit den Händen welche Rundungen er meinte.
„Schwachkopf“, zischte sie ihrem Bruder zu.
Sie aß nur wenig und folgte auch nur ab und an einem Gespräch. Spät am Abend erhoben sich Sir Robert und Sir Otto und baten um Aufmerksamkeit.
„Verehrte Freunde, verehrte Gäste, wir sind heute nicht nur zusammengekommen um mein Wiegenfest zu feiern, sondern auch die Vereinigung unserer beiden Familien. Mit Freude geben wir die Verlobung meiner Tochter Deria und Oliver Wallace bekannt. Die Vermählung wird am Tag von Derias 18. Geburtstag stattfinden.“
Während er dies sagte, nahm er die Hand seiner Tochter, zog das Mädchen von ihrem Stuhl hoch und überreichte sie symbolisch an Oliver. Der junge Wallace blickte in die Augen der kleinen Deria und drückte ihr einen Kuss auf die Hand. Dann flüsterte er ihr zu:
„Auch wenn du jetzt nur wie eine Küchenmagd aussiehst, so hoffe ich doch, dass du in fünf Jahren so schön wie deine Mutter sein wirst.“
Deria war zutiefst verletzt über diese Worte und trat ihm mit aller Kraft gegen sein Schienbein.
„Bevor ich so einen Grobian wie Euch heirate, gehe ich lieber ins Kloster“, fauchte sie.
Dabei entzog sie ihm ruckartig die Hand und stürmte aus dem Saal. Ihre Tränen sollte keiner sehen.
„Deria!“, schrie ihr Vater ihr hinterher, aber dieses Mal hörte Deria nicht hin.
„Oliver, sie ist noch ein halbes Kind“, versuchte Diana das Verhalten ihrer Tochter zu entschuldigen.
Obwohl Oliver gegen diese Verlobung war, musste er doch grinsen. Was würde er für einen Spaß haben, diesen Wildfang zu zähmen.