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Wir sind die junge Garde

Zusammen und draußen

Ich war 15 Jahre alt. Meine Eltern hatten vorher schon versucht, mich zu den Jungen Pionieren zu bringen. Im Nachbarort gab es eine DKP-Genossin, die eine Pioniergruppe leitete. Aber das war nichts für mich. Die Jungen Pioniere waren eine Kinderorganisation der DKP. Dort waren natürlich zunächst die Kinder von Kommunisten. Aber es wurde auch versucht, andere Kinder anzusprechen. Es gab jedes Jahr ein günstiges Ferienlager in der DDR am Scharmützelsee. Dafür konnten immer eine Reihe von Kindern aus Arbeiterfamilien gewonnen werden. Bei denen war man froh, ein kostengünstiges Ferienangebot zu bekommen. So wurde versucht, Kontakte herzustellen und Menschen für politische Themen anzusprechen. Die Pionierorganisation gab es in den 20er-Jahren schon Auch in den sozialistischen Staaten gab es Kinderorganisationen.

Jetzt im Mai 1977 fuhr mich mein Vater zum Pfingstcamp der SDAJ Südbayern. Das fand damals in der Nähe von Augsburg statt. Ausgestattet mit Rucksack und Schlafsack zog ich los. Als Neuling und Noch-nicht-Mitglied wurde ich gleich den Jugendgenossen aus München-Pasing, was meinem Wohnort am nächsten lag, zugewiesen. Sie waren alle recht offen und freundlich. Auf dem Pfingstcamp war eine Menge los. Es gab eine große Bühne und jeder Kreisverband hatte ein Zelt, das thematisch ausgestaltet war. Themen waren Frieden, Antifaschismus oder auch lokale Themen, Dazu gab es auch ein Zelt der DKP und ein Bücherzelt der DKP-eigenen Buchhandelskette „Libresso“. Dort ging es nachts am längsten. Für die meisten dauerte die Nacht sowieso bis zum nächsten Morgen.

Auf der Bühne spielten verschiedene Bands, die teilweise engagiert waren und teilweise aus dem Dunstkreis der SDAJ stammten. Es gab auch eine ganze Reihe von Polit-Barden, die ihre Künste zum Besten gaben. Am Samstagabend spielte Karat aus der DDR. Sie machten einen ziemlichen Lärm und ich ging ca. 1 km weg und es war mir immer noch zu laut. Sehr schrill war auch immer die Münchener Schallmeienkapelle. Das war ein illustres Häufchen von Originalen, die alles außer Musik beherrschten.

Auf dem Campgelände liefen auch immer Agitatoren herum, die den Nicht-SDAJlern die Zeitung Elan verkaufen wollten oder sie für die SDAJ werben wollten. Einige waren erst 13 Jahre alt. Auch ich trat auf diesem Camp bei und wurde beglückwünscht. Ich durfte mir als Willkommensgruß im Libresso-Zelt ein Buch aussuchen. Ich wählte eine sehr dicke Biografie von Lenin. Ich habe sie nie gelesen, gehe aber heute davon aus, dass sie auch ziemlich unleserlich gewesen war. Etwas erschöpft kam ich nach Hause und mein Leben als Jungkommunist hatte begonnen.

Gruppen

Zunächst kam ich zur SDAJ-Pasing. Eine Gruppe hatte meist einen Gruppenleiter, einen Kassier und einen Bildungsverantwortlichen. Normalerweise hatte die Gruppe ein Programm mit wöchentlichen Treffen. Regelmäßig wurden Bildungsabende organisiert. Der Bildungsverantwortliche nahm bei der Sitzung der Bildungsverantwortlichen des Kreises die Direktiven für das aktuelle Bildungsthema entgegen und organisierte den Bildungsabend in seiner Gruppe. Themen waren z.B. „60 Jahre Roter Oktober“, „Faschismus“ oder „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ und Ähnliches. Darüber hinaus wurden weitere Aktivitäten geplant. Das konnte die Teilnahme an einer Demo sein, ein Informationsstand oder das Verteilen einer der DKP-Betriebszeitungen vor Betrieben. Fester Bestandteil der Aktivitäten waren jedes Jahr Pfingstcamps oder das große „Festival der Jugend“ in Dortmund sowie das Pressefest der DKP-Zeitung „Unsere Zeit“.

Die Pfingstcamps fanden in den Landesverbänden statt. Wir waren in den Folgejahren auf einer Wiese in der Nähe von Weilheim. Die Pfingstcamps boten Festivalcharakter und eine Vielzahl an Workshops und Diskussionen. Ein bisschen Abenteuer brachten die Organisierung der Sicherheit und dabei vor allem die Nachtwachen mit sich. Hier konnte man sich mit Funkgeräten und einem dezent martialischen Auftreten gut in Szene setzen. Die Ordnerdienste hatten etwas leicht Militärisches. Es gab überhaupt einen gewissen linken Militarismus.

Das Festival der Jugend war schon eine größere Sache. Hierzu kamen mehrere zehntausend Menschen und eine ganze Reihe Künstler von Rang und Namen. Anfangs nur in der Dortmunder Westfalenhalle und in späteren Jahren auf dem gesamten Gelände des Dortmunder Westfalenparks.

Das Pressefest der „UZ“ war ähnlich, wie das Festival der Jugend eine ziemlich große zentrale Veranstaltung mit vielen Künstlern aus aller Welt.

Die Teilnahme an Friedensaktivitäten, die Mitarbeit in der Gewerkschaft und für viele auch die Aktivität in der örtlichen DKP-Gruppe gehörten mit zum Programm. So war man von den sieben Tagen in der Woche schon mal acht unterwegs. Zum festen Programm gehörten alljährlich die Ostermärsche für Frieden und Abrüstung, die Kundgebung zum 1. Mai, die Kundgebung zum Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai in Dachau und die anschließende Gedenkfeier für die ermordeten russischen Kriegsgefangenen in Hebertshausen, der Fackelzug zum Antikriegstag am 1. September und die Gedenkfeiern zur „Reichskristallnacht" am 8. November in Dachau. Meist fand im Spätsommer noch ein „Bayernstadl“ der DKP Südbayern statt. Das war so eine Art Volksfest mit einer massiven hölzernen Bierhalle. Dort war ich meist als Ordner aktiv. Ich erinnere mich an eine kleine Straßenschlacht auf der Dachauer Straße mit einer Rockerclique, die den Bayernstadl stören wollte, die wir dank besseren strategischen Vorgehens klar gewannen.

Im Herbst 1977, nachdem ich 16 geworden bin, wurde ich in die DKP aufgenommen. Man konnte nämlich nicht einfach beitreten, sondern stellte einen Aufnahmeantrag. Die jeweilige Gruppe stimmte dann über die Aufnahme ab. Gut war es, wenn man einen Bürgen hatte, der die Integrität bestätigte.

Auch in der DKP gab es Bildungsabende zu bestimmten Themen. Wie überhaupt der Bildung ein großer Raum eingeräumt wurde. So gab es die Marxistische Abendschule (MASCH), bei der ich auch einen ca. einjährigen Abendlehrgang zum Marxismus-Leninismus absolvierte. Es gab Manifest-Zirkel, bei denen das Kommunistische Manifest von Marx gelesen und interpretiert wurde. Die gesamte Bildungsarbeit war allerdings so ausgelegt, dass die wesentlichen Schlussfolgerungen vorinterpretiert waren und man gesagt bekam, was man zu denken hat. Kritisches Infragestellen wurde im Notfall damit beendet, dass einem unterstellt wurde, dass man wohl nicht das richtige Verhältnis zur Sowjetunion habe. Und das wollten die deutschen Kommunisten ja bekanntlich nie ändern („Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass wir unser Verhältnis zur Sowjetunion ändern“, sagte einst Herbert Mies, langjähriger Parteivorsitzender).

Die SDAJ Südbayern hatte drei hauptamtliche Funktionäre. Landesvorsitzender, Organisationsverantwortlicher und Kreisvorsitzender von München. Diese waren, wie ich erkannte, als ich selbst zweieinhalb Jahre dazugehörte, direkt der DKP gegenüber rechenschaftspflichtig und es gab keine Personalentscheidung ohne Berlin (Politbüro der SED). Auch finanziell waren sie direkt abhängig. Das Beitrags- und Spendenaufkommen reichte keineswegs.

In der DKP gab es natürlich einen viel größeren hauptamtlichen Apparat aus Kreis- und Bezirkssekretären. Die DKP residierte damals in der Münchner Reisinger Str. 5 und die SDAJ anfangs noch in der Romanstraße und später dann in der Reisinger Str. 3. Es wurden sehr rührige Aktivitäten unternommen, in den Münchner Stadtrat zu kommen, was aber nie gelang. Die Kommunisten waren in nahezu allen sozialen Bewegungen aktiv und sehr häufig auch ihre Motoren. Gewerkschaften, Friedensbewegung, Mieterbewegung etc. wurden auch als wichtige Rekrutierungsbasis für die Partei gesehen. Die Betriebsaktivisten waren immer hin und weg, wenn ein betriebsbekannter Sozialdemokrat mit ihnen gesprochen hatte oder sich gar zu einer gemeinsamen Aktivität bewegen ließ. Das war dann ein Beweis für ihre Massenverankerung und musste auf dem nächsten Gruppenabend verkündet werden.

Es gab regelrechte Familiendynastien. Großeltern, Eltern und Kinder, alles Kommunisten und einige dieser Familiendynastien hielten wichtige Schlüsselpositionen in Partei und Jugendverband. Für viele war die Partei eine Ersatzfamilie und Kritik an ihr eine Blasphemie (wie gesagt: die Partei hat immer Recht ...). Als dann der reale Sozialismus zusammenbrach und sich auch SDAJ und DKP atomisierten, brach für viele eine Welt zusammen und sie verloren die Orientierung in ihrem Leben. Es war doch alles so schön einfach: „Leben heißt kämpfen und der Sozialismus wird siegen, wir haben die Wahrheit.“

Die Partei war auch ein Rundum-Freizteitclub. Man fuhr gemeinsam auf Berghütten oder in den Urlaub. Viele hatten keinen Kontakt mehr zu Menschen, die nicht politisch aktiv waren. Ich hatte noch meinen Freundeskreis in meinem Ort.

Für die Studenten gab es eine eigene Organisation. Das war der Marxistische Studentenbund Spartakus. Dieser Verband war aber meist ziemlich abgetrennt von uns und es gab nicht so besonders viele Berührungspunkte. Auch rümpften die echten Proleten gerne die Nase über die g’spinnerten Intellektuellen. Es gab aber immer wider größere Studentenaktivitäten zu rein studentischen Fragen aber auch zu den Themen Frieden oder Atomkraft. Auch fanden viele Veranstaltungen in den Räumen der TU-Mensa oder der Uni-Mensa statt. Die Ludwigs-Maximilian-Universität wurde zu dieser Zeit von linken Studenten allgemein Geschwister-Scholl-Universität genannt.

Warum war so einer Kommunist?

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