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Grundwissen über Ihren Körper

Knochen und Gelenke

Drehen, Strecken, Beugen, Abspreizen, Heranführen, seitliches Neigen, Vorwärtsbewegen, Rückwärtsbewegen – das alles sind Bewegungsmöglichkeiten in den vielen verschiedenen Gelenken unseres Körpers.

Für den Bewegungsspielraum eines Gelenkes ist die Form der dazugehörigen Knochen entscheidend, deshalb haben wir sehr viele verschiedene Gelenke. Grundsätzlich bilden der sogenannte Gelenkspalt, die Gelenkschmiere, der Knorpel und die Gelenkkapsel eine Einheit. Erst im Zusammenspiel all dieser Elemente entfaltet das Gelenk seine volle Funktionsfähigkeit.

Um sich optimal zu bewegen, benötigt jedes Gelenk ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Belastung und Entlastung. Werden Gelenke nicht bewegt, versteifen sie, werden sie physiologisch ungünstig und über einen längeren Zeitraum überbelastet, entstehen Verschleiß und Arthrose. Eine Mischung aus richtiger Be- und Entlastung sorgt daher für einen optimalen Ernährungszustand des Gelenkknorpels und die ausreichende Produktion der Gelenkschmiere, die nötig ist, um die Gelenke möglichst reibungslos zu bewegen. Mit dem Üben der Asanas werden die Gelenke mobilisiert und die Bildung der Gelenkschmiere angeregt.

Die Muskulatur

Grob gesprochen, ist in der Anatomie von glatter und quergestreifter Muskulatur die Rede. Glatte Muskulatur befindet sich in den Organen und kann nicht willkürlich gesteuert werden. Quergestreifte Muskulatur bildet die Skelettmuskulatur und unterliegt unserem Einfluss und Bewegungsbefehl.

Weil glatte und quergestreifte Muskulatur verschiedene Arbeitsplätze haben, unterscheiden sie sich in Aufbau und Struktur. Das Orthopädische Yoga mit seiner anatomisch funktionellen und faszialen Ausrichtung arbeitet mit beiden Muskulatur-Systemen.

DIE TIEFENMUSKULATUR

Unter Tiefenmuskulatur versteht man die äußerlich nicht sichtbare Muskulatur, die den Körper stabilisiert, um mithilfe eines inneren Korsetts eine gute und aufrechte Körperhaltung zu gewährleisten. Zur Tiefenmuskulatur gehören die tiefer gelegenen Anteile der Bein-, Bauch- und Rückenmuskulatur sowie die Beckenbodenmuskulatur.

Die oberflächliche Muskulatur (etwa Biceps, der große Brustmuskel oder der oberflächliche, vordere Oberschenkelmuskel, Quadriceps genannt) wird beim Krafttraining gezielt trainiert und soll die äußere Form und Gestalt des Körpers definieren. Mit den Trainingsgeräten in den Fitnessstudios erreicht man (leider) nicht die tiefe Muskulatur. Orthopädisches Yoga arbeitet intensiv mit ihr.

Menschen, die sich wenig oder einseitig bewegen, haben eine schwache und unterentwickelte Tiefenmuskulatur. Ist sie hingegen gut entwickelt und ausgebildet, führt dies zu einem ökonomischen Zusammenspiel aller Muskeln und die Tiefensensibilität (das ist das Zusammenspiel von Körper und Gehirn) ist optimiert. Um die Tiefenmuskulatur zu trainieren, benötigt man keine zusätzlichen Gewichte, es reicht aus, das eigene Körpergewicht einzusetzen und zu halten.

DIE MUSKELKRÄFTIGUNG

In der Sportmedizin bezeichnet man Muskelaufbau oder Muskelkräftigung als eine Vermehrung der Muskelmasse. Dabei handelt es sich nicht um die Vermehrung der Muskelzellen, sondern um eine Verdickung beziehungsweise Vergrößerung des Querschnitts einer Muskelzelle. Damit die Muskelzellen dicker werden, bedarf es eines Wachstumsreizes, also des Trainings. Konkret bedeutet das, dass die Muskelzellen angeregt werden müssen, sich über ihr normales Leistungsniveau hinaus anzuspannen, also zu kontrahieren. Dieser Reiz bewirkt eine verstärkte Synthese der Proteine in den Muskelzellen und sie werden dicker. Natürlich kommen auch hier wieder die Faszien ins Spiel. Sie haben eine überragende Rolle bei der Krafterzeugung, denn je elastischer die Faszien im Körper sind, umso mehr Kräfte werden erzeugt und übertragen!

MUSKELDEHNUNG

Die Muskeldehnung ist und bleibt ein viel diskutiertes Thema. Früher gehörte sie zu jedem Sporttraining. Gedehnt wurde vor dem Training, um die Muskulatur zu lockern, und nach dem Training, damit der Muskelkater ausbleibe. Als dann Studien nahelegten, dass man sich damit auch verletzen könne, hinterfragte man das Dehnen. Zeitgleich entwickelte sich der Trend der Faszienmobilisation, und neueste Forschungsergebnisse widerlegen die negativen Thesen zum Dehnen.

Wichtig ist zu wissen, dass das Dehnen immer individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse, körperlichen Einschränkungen und Anforderungen einer Person zugeschnitten sein muss. Es gibt kein allgemeingültiges Allroundprogramm. Es gibt immer nur das für Sie richtige Programm. Dennoch gibt es gängige Dehnmethoden, die auch beim Yoga gebräuchlich sind:

• Dynamisches Dehnen: Das ist eine Dehnung mit mehrfach wiederholten, federnden Bewegungen.

• Statisches Dehnen: Eine Dehnposition wird kontrolliert und bewusst eingenommen und über eine bestimmte Zeit gehalten.

• Methoden aus der neuromuskulären Faszilitation (in der Fachsprache der Physiotherapeuten wird das PNF genannt): Agonist und Antagonist werden unterschiedlich eingesetzt. Agonisten sind die Muskeln, die sich verkürzen und anspannen. Antagonisten sind Muskeln, die die entgegengesetzte Bewegung ausführen und sich entspannen. Synergisten sind Teamplayer, sie arbeiten in einem Bewegungsablauf miteinander.

• Methoden, die auf dieses Modell zurückgreifen, kombinieren alle drei Anteile zu einer hocheffektiven Dehnung.

Bei einer Dehnung werden Ursprung und Ansatz der Muskelsehnen und die sie umgebenden, bindegewebigen Strukturen auseinandergezogen – ein Vorgang, der dann als Nachricht über Informationsbahnen an das Rückenmark und Gehirn weitergeleitet wird. Um zu verstehen, was genau im Muskel dabei passiert, hilft ein Blick auf den Aufbau des Muskels.

Jeder (Skelett)-Muskel setzt sich aus vielen Einheiten zusammen. Der Ursprung beginnt mit einer Ansammlung von Muskelzellen, die mit einer feinen, dünnen Schicht ummantelt sind und aneinandergereiht Muskelfasern bilden. Viele Muskelfasern werden dann zu einem Bündel zusammengefasst und wiederum mit Bindegewebe ummantelt. Viele Muskelfaserbündel, erneut mit Bindegewebe umhüllt, bauen den Muskel auf. Lockeres, dünnes, weiches und strafferes Bindegewebe wechseln sich ab. Muskelzellen sind übrigens das rote Fleisch, Faszien das weiße.

Erfährt ein Muskel einen Dehnreiz, werden die dazu geeigneten Elemente (sie heißen kontraktile Filamente) in den Muskelzellen auseinandergezogen. Entspannt der Muskel, gleiten sie wieder in ihre ursprüngliche Länge zurück.

Eines ist ganz sicher: Dehnen kann die Beweglichkeit verbessern, die Muskeln geschmeidiger machen und kurzfristig gegen Verspannungen helfen. Sicher ist auch, dass Dehnen Glückshormone freisetzt und so zu einem Wohlgefühl auch auf mentaler und emotionaler Ebene führt.

Um alle anderen Thesen, etwa dass Dehnen Muskelkater verhindern oder Verletzungen vorbeugen könne, wird weiterhin gestritten, da (noch) keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise vorliegen. Bewiesen ist jedoch, dass Dehnen dann Verletzungen vorbeugt, wenn bereits starke Bewegungseinschränkungen bestehen. Leider ist man sich auch sicher, dass Dehnen vor dem Sport nicht unbedingt vor Sportverletzungen schützt. Trotzdem gilt: Dehnen nur im aufgewärmten Zustand!

MUSKELVERSPANNUNGEN

Muskelverspannungen oder -verhärtungen, auch „Triggerpunkte“ genannt, sind kleine Knötchen und Verhärtungen in Ihrer Skelettmuskulatur. Diese können Schmerzen an Ort und Stelle, aber auch an weiter entfernten Regionen auslösen. Verhärtungen entstehen dadurch, dass die Muskulatur nicht mehr loslassen kann. Die ständig angespannten Muskelfasern quetschen die Blutgefäße des Muskels zusammen, und es kommt zu einer verminderten Durchblutung. Eine Entzündungsreaktion ist die Folge – im Kapitel Faszien finden Sie dazu noch einmal genauere Informationen (S. 45).

Ist die muskuläre Einheit in ihrem Zusammenspiel (meist über einen etwas längeren Zeitraum entstanden) aus dem Gleichgewicht gekommen, entwickeln sich Ausweichbewegungen (wie etwa beim Hohlkreuz) und Kompensationen auch in anderen Körperabschnitten. Es kommt zu Fehlhaltungen und Fehlstellungen, die sich auf unseren ganzen Körper auswirken: Eine Fehlstellung schränkt mit der Zeit die Beweglichkeit stark ein und führt dazu, dass sich eine Gelenkkapsel strukturell verändert und schrumpft. Die Folge ist eine Entzündung, die sich zunächst akut bemerkbar macht und dann chronisch werden kann. Nicht selten wird zum Schutz vor Schmerzen eine Schonhaltung eingenommen. Leider wird damit eine unschöne Kettenreaktion in Gang gesetzt: Im Laufe der Zeit werden die zuvor noch schmerzfreien Gelenke überlastet und reagieren ebenfalls mit Schmerzen.

Es entsteht ein Teufelskreis: Bewegliche Stellen werden noch mehr bewegt, unbewegliche und schmerzhafte Stellen werden noch mehr vermieden. Inwiefern die Faszien dabei eine Rolle spielen – und die Arbeit mit ihnen diesen Prozess aufhalten kann –, erfahren Sie im Kapitel Faszien. Sie können aber auch einfach mit den ersten Asanas beginnen – wer ein Neueinsteiger ist, dem empfehle ich, mit dem ersten Kapitel zu starten.

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