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2. Kapitel

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Eva Ritter bekam eine Gänsehaut, als sie das Glockengeläut aus der Stadt herüberwehen hörte. Wie eine surreale Filmmusik zur Arbeit der Spurensicherung am Tatort. Eva stand abseits am Zaun und sah nur die Rücken der Männer, die um die Leiche herum standen, Nummern auf dem Boden verteilten, Fotos machten und hier und da kleinere Fundstücke in Tüten packten. Zum ersten Mal seit ihrem Abschied aus dem Dienst spürte Eva fast körperlich, dass sie nicht mehr dazu gehörte. Als ihr Ex-Kollege Bernd Kerner mit der üblichen zynischen Miene in der Kleingartenanlage eintraf, hatte er sie freundlich aber bestimmt gebeten, Abstand zu halten. Eigentlich war er dabei weniger nett gewesen. Eva wusste genau, wie sein Grummeln gemeint war. Sie hatte schließlich lange genug mit ihm zusammengearbeitet.

»Glaubst du, sie verdächtigen mich?«, fragte Wim Voss. Er saß neben ihr auf der Holzbank vor der Gartenlaube und versuchte, nicht allzu neugierig auf die Männer von der Spurensicherung zu starren. Er kramte ein Päckchen Tabak aus der Hosentasche und stopfte sich eine alte, abgegriffene Pfeife.

»Wenn schon, verdächtigen sie mich nicht weniger als dich. Wer die Leiche findet, ist in den seltensten Fällen der Mörder. Das weiß auch Kerner. Er ist nicht dumm. Nur extrem ehrgeizig.«

Wim Voss zündete den Tabak an und zog zweimal kräftig an der Pfeife.

»Das sieht man ihm an. Ganz schön drahtig dein Ex-Kollege. Hartes Kinn. Weicher Kern?«

Eva schüttelte den Kopf. Zum ersten Mal sah sie sich ihren ehemaligen Partner bei der Mordkommission als Unbeteiligte an. Wim hatte recht. Die Energie sprühte Kerner aus jedem Knopfloch seines perfekt sitzenden Anzugs. Selbst der Knoten der Krawatte wirkte wie mit dem Winkelmesser gezogen. Man hätte ihn auch für einen eiligen Börsenmakler zwischen zwei Terminen halten können. Als Kommissar in einem ›Tatort‹ wäre er in diesem Aufzug eine glatte Fehlbesetzung gewesen. Selbst Derrick hätte sich gegenüber Kerner zumindest ein wenig ungepflegt gefühlt.

An Voss und Ritter war Kerner zunächst im Stechschritt, die vom frechen Wind verwirbelten Haare glatt streichend, vorbeimarschiert. Ein knappes »Zu euch komme ich später« musste als Gruß genügen. Er hatte dabei nicht einmal seine Brille mit den getönten grünen Gläsern abgesetzt. Ebenso wenig wie sich sein breites Grinsen nur einen Moment verändert hatte. Eva hatte das schon immer eigenartig gefunden. Kerner hatte es sogar aufgesetzt, wenn er einen Bericht anfertigte. Wahrscheinlich hatte er es sich bei einem dieser toughen Detektive im Kino abgeguckt und regelmäßig vor dem Spiegel geübt. Sie wunderte sich nur, warum Kerner hier war. Genau wie sie einst, saß er in der Kriminaldirektion in Frankfurt. Für Eschborn waren aber die Hofheimer Kollegen zuständig.

Er agierte jetzt ganz anders als früher zusammen mit Eva Ritter. Sie hatte ihn regelrecht zur Langsamkeit gezwungen, hatte immer ein bedächtiges Tempo eingeschlagen, mit dem sie jeden Zeugen und Verdächtigen beinahe einschläferte. Das war auch ihr Ziel. So konnte sie besser arbeiten. Sie versuchte zunächst die Schwingungen um die Verdächtigen herum aufzunehmen, wollte die Atmosphäre des Tatorts oder einer Wohnung spüren. So wie eine Katze wie gelähmt erscheint, wenn sie die Beute sieht, den Vogel oder die Maus einen endlos scheinenden Moment lang abschätzt, Gerüche, Wind, Geräusche aufnimmt und all dies zusammenrechnet, bevor sie zuschlägt. Deshalb achtete Eva nie so sehr darauf, was die Zeugen und Verdächtigen sagten, sondern wie sie es taten. Der Blick, der Lidschlag, das unbewusste Zucken der Augenbrauen, die Länge eines Zögerns waren für sie stets das Barometer für Wahrheit und Lüge, Fakten und zusammenphantasiertes Gerede. Das Böse verriet sich oftmals durch Kleinigkeiten. Der Rest an Information ergab sich dann immer. Irgendwie. Kerner war dagegen immer übereifrig. Er wollte den Täter zur Strecke zu bringen, als sei er auf der Jagd. Solche Emotionen fand Eva immer hinderlich. Diese Fokussierung auf Beute verstellte den Blick. Der Täter war kein Tier, das man erlegt. Er hatte ein Mindestmaß an Respekt verdient. Man musste ihn verstehen lernen, dann brauchte man nur auf ihn zu warten.

»Vermisst du es?«, fragte Wim in ihr Grübeln hinein.

»Du meinst, so wie die Jungs hier mit der Nase beinahe über die Leiche zu kriechen, um dann den Pathologen mit der immer gleichen Frage zu nerven und die immer gleiche Antwort zu bekommen? Bestimmt nicht.« Ihr Blick folgte Kerner, der in vorsichtigen Schritten um die Männer der Spurensicherung herumging, hierhin und dorthin deutete, um möglichst wichtig zu wirken.

»Ich wette, Kerner bekommt allmählich hektische Flecken im Gesicht. Er hat es eilig. Er mag Außentermine nicht so sehr. Im Präsidium hat er mehr Zuschauer, die für die Karriere wichtig sind.«

»Das ist zu spät. Ich brauche das so schnell wie möglich auf meinem Schreibtisch«, hörte sie ihn einen der Männer anblaffen. Kerner hatte es immer eilig. Auch in der Karriere. Er war im rasanten Tempo befördert worden.

Weniger angesichts seiner Erfolge, obwohl er die hatte, sondern vor allem, weil er sich gut verkaufen konnte. Ich – das war sein Lieblingswort in Gesprächen. Dann hatte er auch noch das Glück gehabt, dass Eva Ritter vorzeitig aus dem Dienst ausschied. Sie war sicher, dass sich Kerner als ihr Nachfolger nicht lange auf dieser Position aufhalten wollte. Er hatte höhere Ziele. Dabei kam es auch darauf an, möglichst gut auszusehen. Also warf er sich auch hier in Pose, wie ein Feldherr, der seine kleine Truppe beobachtete.

Eva zog Wim ein wenig näher zu sich heran.

»Dabei ist das alles nur Theater, weil man sich irgendwie die Zeit vertreiben muss, während man sich einen Eindruck von Tatort verschafft. Schließlich weiß jeder erfahrene Beamte die Antwort schon grob. Man bekommt mit den Jahren einen Blick dafür, wie lange eine Leiche ungefähr im Moder liegt. Es sei denn, sie liegt seit Wochen dort. Aber dann ist es ohnehin sinnlos, die Ermittlungen mit Blaulicht zu starten. Wenn du es auf die Minute genau brauchst, musst du ohnehin warten, bis der Pathologe seine Labortests beendet hat. Pass auf, jetzt sagt der Pathologe ihm gleich: ›Zwölf, höchstens 24 Stunden. Genaueres weiß ich nach der Obduktion.‹«, hauchte sie Voss mit der nachgestellten Stimme des Pathologen ins Ohr und wedelte sich dabei eine dicke Tabakwolke vor der Nase weg.

Währenddessen hatte sich der Rechtsmediziner, der noch über der Leiche lehnte, nur kurz zu Kerner umgedreht, so als sei er gerade von einem Hausierer angesprochen worden, dem man nicht unbedingt mit Höflichkeit begegnen musste und schon gar nicht die Chance zu einem längeren Gespräch bieten wollte.

Der Rechtsmediziner Franz Reinhardt stand kurz vor der Pensionierung. Eigenartigerweise war er der einzige im Haus gewesen, der sich bei ihrem Abschied nicht nur nach ihren künftigen Plänen, sondern auch nach der Gemütslage erkundigt hatte. Dabei hatte der Zwei-Meter-Mann wie immer seine langen schlaksigen Arme vor dem Brustkorb verknotet, als wüsste er nicht, wohin damit. »Wenn ich dir einen Rat geben darf, Mädchen«, hatte er gesagt. Er nannte alle Frauen im Haus immer Mädchen, gleichgültig wie alt sie waren. Die 18-jährige Praktikantin genauso wie Ruth Hammer, die ehemalige Sekretärin des Polizeichefs, die vor einem Jahr in den Ruhestand gegangen war.

»Mädchen, freu dich an einem guten Essen und an einer guten Verdauung. Das sollte man sich erhalten. Alles andere ist nur ein Furz, der sich ohnehin mit der Zeit verdünnisiert.«

Das passte zu Reinhardt. Er hatte sich in den Jahrzehnten bei der Kripo einen dermaßen guten Appetit bewahrt, dass er sogar neben der Leiche knien, in Würmern stochern und ein Pastrami-Sandwich essen konnte. Obwohl man ihn sogar bei einer Obduktion selten ohne eine Knabberei in der Hand sah, blieb er überaus hager und sorgte damit stets für neidische Kommentare der Frauen in seiner Umgebung. Eva Ritter eingeschlossen.

Wie wohl die junge brünette Frau mit ihm zu Rande kam, die einen halben Meter hinter ihm stand? Sie hatte sich einen dicken bordeauxfarbenen Wollschal um Mund und Nase gebunden. Eva tippte auf eine Studentenpraktikantin, die sich vor dem Geruch der Leiche übertrieben fürchtete. Ihre Anwesenheit erklärte auch, warum Reinhardt mit herausgekommen war. Er wollte ihr sicher das ›wahre Leben jenseits des Labors zeigen‹, wie er das nannte. Seine übliche Art zu prüfen, wie abgebrüht seine Praktikanten waren.

Zu essen hatte er diesmal nichts dabei. Seine Hände schlackerten in der Luft und waren vollauf damit beschäftigt, die Studentin auf Details hinzuweisen. Entsprechend missmutig erledigte er seine Arbeit. Eva sah, wie er ungeduldig zwei Mitarbeitern vom Beerdigungsinstitut, die am Zaun warteten, ein Zeichen gab, dass sie die Leiche jetzt abtransportieren konnten, um kurz darauf Kerner mit einer ›Bin ich Jesus?‹-Geste anzusehen.

Der Kommissar kam zu ihnen herüber.

Kerner nickte Wim Voss zu und hüstelte dabei, wie immer, wenn er unter Stress stand.

»Wann waren Sie das letzte Mal hier?«

»Letzten Sonntag. Prüfen, ob der Winterschutz noch hielt.«

»Irgendetwas bemerkt?«

»Sollte ich? So lange kann der doch da noch nicht liegen.«

Kerner sah einen Moment lang verwirrt aus. Dann warf er Eva Ritter einen bösen Blick zu.

»Und heute?«

»Es muss kurz nach 9 Uhr gewesen sein. Keine besonderen Vorkommnisse.«

Wim nahm übertrieben Haltung an.

»Eine halbe Stunde später kam Eva vorbei«.

»War die Truhe abgeschlossen?«

»Nein.«

»Haben Sie keine Angst vor Einbrechern hier im Kleingarten?«

»Hier? Ihre Ex-Kollegin hat mich das auch schon gefragt. Ihr Polizisten habt das Misstrauen gegen andere Menschen auch in den Genen.«

Voss sah Kerner an, als habe dieser ihn soeben gefragt, in welchen Safe man am besten einen abgegessenen Apfel steckt. »Schauen Sie sich doch einmal um. In zehn Minuten sind Sie in Kronberg und Königstein, da gibt es lohnendere Ziele. Für die Junkies aus Frankfurt ist das hier außerdem zu weit weg. Und wenn, brechen sie in die Häuschen ein, um eine warme Nacht darin zu verbringen und weil sie auf eine Pulle Schnaps spekulieren. Aber den Gerätekasten? Den schließt hier niemand ab. Wozu auch. Haben Sie schon mal erlebt, dass ein Junkie versucht, am Hauptbahnhof eine Gartenharke zu Geld zu machen oder mit einer Gießkanne über die Zeil rennen sehen, um seinen Dealer zu bezahlen?«

»Ich kenne einen geistig verwirrten Freigänger, der immer mit seinem Staubsauger auf der Zeil spazieren geht«, sagte Eva.

»Kennst du den Nackten, der nur in Socken durch Frankfurt läuft?«, fragte Wim.

Eva verkniff sich ein Grinsen, als sie Kerners gequältes Gesicht sah.

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

»Käme mir nie in den Sinn«, sagte Voss.

Kerner grummelte wie ein herannahendes Gewitter.

»Das würde ich Ihnen auch nicht raten. Ich bin zwar überzeugt, dass Sie den Toten nicht erst an anderer Stelle erschießen, um ihn dann im eigenen Garten zu deponieren, aber ich könnte auch auf die Idee kommen, dass Sie eben ein ganz gerissenes Kerlchen sind und Sie erst einmal mitnehmen, wenn Sie hier den Spaßvogel geben wollen.«

»Weißt du schon, womit und wann er erschossen wurde?«, schaltete sich Eva ein. »Lass mich raten. Kleinkaliber. Maximal 18 bis 24 Stunden.«

Sie merkte, wie schnell sie gegenüber Kerner wieder in den knappen Stil informellen Austausches geriet, den sich beide in langen Jahren im Büro angewöhnt hatten.

»Eva, du bist nicht mehr im Dienst.«

»Und wieso bist du hier? Das ist doch eigentlich Aufgabe der Hofheimer Kollegen.«

»Ihnen fehlen die Leute. Grippewelle. Und der Rest ist im Urlaub oder feiert Überstunden ab. In Hofheim sitzt wohl im Moment nur eine Kommissaranwärterin. Die wollten sie wohl noch nicht in die freie Wildbahn lassen.«

»Also sag schon, wann und womit ist er umgebracht worden? Vielleicht hab ich auch was für dich. Ich wette, der Tote hatte keine Papiere. Wer sich die Mühe macht, jemanden in eine solche Gartenbox zu quetschen, ist auch geistesgegenwärtig genug, die Papiere verschwinden zu lassen. Also, wisst ihr schon, wer es ist?«

»Eva, lass die Spielchen. Du bist Zivilistin.« Er stemmte die Arme in die Hüfte. Sie konnte das Knurren hören, dass sich in seinem Kehlkopf anstaute und herauswollte.

»Wir haben ihn immerhin gefunden. Du weißt, dass wir damit nicht hausieren gehen. Information gegen Information. Das spart dir ein paar Stunden Arbeit. Ansonsten weiß ich von nichts. Ich bin Zivilistin, eine einfache Bürgerin.«

Als Karrierist hatte Kerner ein gutes Gespür, wann er anderen auf die Füße treten musste, und wann er besser für gutes Klima sorgte. Er öffnete seinen Sakko, um ein wenig lockerer zu wirken und machte eine wegwischende Handbewegung.

»Jetzt sei bitte nicht eingeschnappt, Eva. Wir können doch normal miteinander reden.«

Für einen Augenblick entspannten sich die Mienen. Eva registrierte, dass man sogar den Frühling riechen konnte, nachdem die Pfeife von Wim ausgegangen war. Ein Sekunde später hätte sie die kalte Pfeife Kerner liebend gerne an den Kopf geworfen.

»Versprich mir nur, dass du jetzt nicht anfängst, als hessische Miss Marple durchzustarten.«

Sie warf ihm einen Blick zu, den er aus Verhören nur zu gut kannte. Für den Verdächtigen wurde es dann meist bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen unbequem.

»Miss Marple?« Sie zischte es mehr, als das sie es sagte. »Du bist heute wieder sehr charmant.« Sie schnaubte übertrieben laut. Auch weil sie sich selbst in letzter Zeit zunehmend als etwas fülliger empfunden und deshalb den Entschluss gefasst hatte, endlich einmal wieder etwas abzunehmen, bevor sie wirklich eines fernen Tages aussehen würde wie eine alte Schachtel. Dann hatte sie über die Gedanken an die paar überflüssigen Pfunde nur gelacht. Als wenn sie keine anderen Sorgen hätte. Aber umso empfindlicher reagierte sie nun auf Bemerkungen, die sie an einer wunden Stelle trafen.

»Davon bin ich ja wohl noch dreißig Jahre entfernt. Mindestens. Oder sehe ich aus wie jemand, der sich die Haare lila ondulieren lässt?«

Kerner schluckte und Voss versteckte sein Grinsen hinter der Pfeife.

»Sorry. Du weißt, wie ich das meinte.« Er überlegte einen Moment. »Tatzeit wahrscheinlich irgendwann gestern zwischen 21 Uhr und Mitternacht. Vermutlich eine Automatik. Der Schuss kam von hinten. Du hast ihn doch da liegen gesehen. Ich sag dir doch sicher nichts Neues?«

»Ich wollte nur sicher sein.«

»Er muss hier in der Kleingartenanlage erschossen worden sein. Wahrscheinlich da vorne auf dem Weg.« Er deutete ungefähr in die Richtung. »Ich habe Blut und Schleifspuren gefunden. Dann hat der Täter vermutlich nach einem Versteck gesucht und die Leiche in die Truhe gelegt.«

»Zeugen?«

»Ich habe einen Kollegen zum Vereinsvorsitzenden geschickt.«

»Der wird Ihnen sagen, dass die Deponierung von Leichen in der Anlage gegen die Satzung verstößt«, unterbrach ihn ein grinsender Wim Voss.

Kerner stemmte die Hände in die Hüfte und zog die Mundwinkel nach unten.

»Ich lasse noch die Mitglieder befragen. Vielleicht war noch einer von ihnen spätabends hier. Womöglich haben auch die Nachbarn in der Wohnsiedlung etwas gesehen. Ich habe ein paar Leute losgeschickt. Aber bei diesen fürchterlich hohen Hecken hier rund um die Anlage habe ich wenig Hoffnung. Was treibt denn so ein Kerl nachts hier im Kleingarten? Im Business-Anzug. Das ist doch wohl nicht der passende Aufzug.«

Missmutig sah er Voss an, als wollte er dessen verschlissenen Aufzug mit dem des Toten vergleichen. Kerner verschränkte die Arme vor der Brust. »Vielleicht findet die Spurensicherung ja doch noch etwas. Viel Hoffnung habe ich nicht. Es hat heute Nacht geregnet. Falls es auf dem Weg weitere Spuren gibt, werden die kaum zu gebrauchen sein. Auch sonst Fehlanzeige. Es ist nichts da. Keine Papiere, keine Autoschlüssel. Nichts. Das wird eine elendige Arbeit.« Er hüstelte.

»Ich kann dir ein wenig weiterhelfen« sagte Eva selbstzufrieden. »Der Tote ist Jens Lücker. Eurobest-Bank. Anfang 30 und schon die Nummer 2 dort. Ein top Fondsverwalter. Brachte der Bank viel Geld ein. Ziemlich gut vernetzt und verdrahtet. Er saß im Vorstand verschiedener Hilfsorganisationen, war Mitglied im Golfclub, Reitclub, Rotarier, das übliche halt, wenn man Networking betreibt. Mit unserem Polizeipräsidenten soll er schon manche Runde auf dem Golfplatz gedreht haben. Ich habe mir kürzlich erst ein Dossier über ihn bei uns im Büro angesehen, nachdem ich ihn mit seinem Chef auf einer dieser Stehpartys getroffen habe. Du weißt ja: lokale Prominenz, Geldadel, Politiker. Das sind seine Kreise. Der Fall schreit geradezu nach Fettnäpfchen. Einmal falsch aufgetreten und schon hat deine Personalakte einen Fleck. Ich wünsche dir viel Spaß dabei. Du weißt ja, wie sensibel dein Chef bei solchen Fällen wird. Rück schon mal die Krawatte gerade.«

Sie spürte, dass sie Spaß daran hatte, Kerner ein wenig zu piesacken. Er hustete mehrmals. Sie ließ ihn stehen.

Keine feine Gesellschaft

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